Monatelang war ich nicht sonderlich erpicht darauf, andere Blogger kennenzulernen. Doch die Neugier auf diese seltsame Spezies stieg stetig, und nun hat sie gesiegt. Innerhalb von sieben Tagen traf ich mich mit vieren von ihnen. Ich gestattete – etwas bang, aber auch mit einem Kribbeln im Bauch – dem Virtuellen den Zugang zum Realen.
Zunächst traf ich Lyssa, die auf wundersame Weise das Feminine mit dem Taffen verbindet und Höflichkeit mit warmherzigem Spott. Dann German Psycho und Pat Bateman, zwei schnelldenkende Businessleute, die sich die Bälle schneller zuspielen als Becker und Lendl zu ihren besten Zeiten.
Und schließlich Opa Edi, einen freundlichen, begeisterungsfähigen, gegenüber einem fremden Besucher rührend herzlichen Ex-Seefahrer, der auf seiner 14 Stockwerke hohen Kommandobrücke die Piratenflagge gehisst hat und auf St. Pauli herabschaut wie die Philantropie in Person.
Alles Menschen, die ich nie kennengelernt hätte, wenn ich nicht im letzten September aus einer Schnapsidee heraus dieses Blog gestartet hätte. Und das wäre sehr, sehr schade gewesen. Jetzt erwäge ich sogar den Besuch bei einem Bloggertreffen.
Ex cathedra: Die Top 3 der heimeligsten Chillouttracks
1. „Searching“ von Pieter Nooten & Michael Brook
2. „Kisses“ von Bent
3. „Calmed“ von Brian Eno
„3000 Plattenkritiken“ | „Die Frankensaga – Vollfettstufe“ | RSS-Feed | In memoriam | mattwagner {at} web.de |
01 März 2006
28 Februar 2006
Nur wenige hundert Meter
Heute traf ich den Koblenzer Wunderpianisten Martin Stadtfeld. Ein kleines Einladungskonzert beim NDR in der Rothenbaumchaussee stand an. Und wie immer, wenn ich irgendwo hin muss und mich die omniorientierte Ms. Columbo nicht ans Händchen nehmen kann, irre ich durch Hamburg wie Boris Becker durchs Dickicht der deutschen Sprache.
Am Ausgang der U Hallerstraße jedenfalls wende ich mich nach dem bekannt unzulänglichen Try-&-Error-Prinzip erst einmal nach rechts, checke ein paar Hausnummern und glaube mich auf die des NDR zuzubewegen, was sich aber nach nur wenigen hundert Metern als Irrtum herauszustellen scheint. Also Straßenseite wechseln, in die andere Richtung laufen. Plötzlich fallen die Hausnummern, obwohl sie doch steigen müssten. Wie das? War ich etwa vorhin doch in die richtige Richtung unterwegs gewesen?
Nach nur wenigen hundert Metern beschließe ich, diesen interessanten Gedanken einer näheren Prüfung zu unterziehen. Und siehe da: Er stimmt. Nach nur wenigen hundert Metern stehe ich vorm NDR-Gebäude und erreiche das Konzert just vor Beginn.
Alles fügt sich also (wie meistens) zum Besten; das ist das Schöne an meiner speziellen Desorientierung. Sie zeichnet sich übrigens nicht nur durch ein stets intuitives Falschabbiegen aus. Auch wenn ich bei einer Wahl zwischen A und B zufällig die richtige Entscheidung treffe (die Chance ist ja 50 Prozent), revidiere ich sie nach nur wenigen hundert Metern wieder, weil ich erfahrungsgemäß annehme, es sei die falsche gewesen.
Neunmalkluge werden jetzt den Gebrauch eines Stadtplans ins Spiel bringen. Doch entweder habe ich a) ihn zu Hause vergessen, b) ein Exemplar erwischt, in dem genau die Straße fehlt, in der ich mich befinde, oder c) ich halte ihn falsch herum.
Martin Stadtfeld jedenfalls ist unglaublich. Ich stand auf der Balustrade und schaute ihm direkt auf die Finger. Bei Schumanns „Toccata“ jagte seine linke Hand keck die rechte, die indes aufs Flinkeste den Attacken auswich.
Der Heimweg verlief unfallfrei, weil ich mir gemerkt hatte, wohin ich beim Verlassen des NDR-Geländes abbiegen musste: nach links. Und schon nach wenigen hundert Metern kam die U-Bahnstation. Ist doch pipileicht.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Richtungsentscheidungen
1. „Crossroads“ von Calvin Russell
2. „Wrong turn“ von Jack Johnson
3. „Go your own way“ von Fleetwood Mac
Am Ausgang der U Hallerstraße jedenfalls wende ich mich nach dem bekannt unzulänglichen Try-&-Error-Prinzip erst einmal nach rechts, checke ein paar Hausnummern und glaube mich auf die des NDR zuzubewegen, was sich aber nach nur wenigen hundert Metern als Irrtum herauszustellen scheint. Also Straßenseite wechseln, in die andere Richtung laufen. Plötzlich fallen die Hausnummern, obwohl sie doch steigen müssten. Wie das? War ich etwa vorhin doch in die richtige Richtung unterwegs gewesen?
Nach nur wenigen hundert Metern beschließe ich, diesen interessanten Gedanken einer näheren Prüfung zu unterziehen. Und siehe da: Er stimmt. Nach nur wenigen hundert Metern stehe ich vorm NDR-Gebäude und erreiche das Konzert just vor Beginn.
Alles fügt sich also (wie meistens) zum Besten; das ist das Schöne an meiner speziellen Desorientierung. Sie zeichnet sich übrigens nicht nur durch ein stets intuitives Falschabbiegen aus. Auch wenn ich bei einer Wahl zwischen A und B zufällig die richtige Entscheidung treffe (die Chance ist ja 50 Prozent), revidiere ich sie nach nur wenigen hundert Metern wieder, weil ich erfahrungsgemäß annehme, es sei die falsche gewesen.
Neunmalkluge werden jetzt den Gebrauch eines Stadtplans ins Spiel bringen. Doch entweder habe ich a) ihn zu Hause vergessen, b) ein Exemplar erwischt, in dem genau die Straße fehlt, in der ich mich befinde, oder c) ich halte ihn falsch herum.
Martin Stadtfeld jedenfalls ist unglaublich. Ich stand auf der Balustrade und schaute ihm direkt auf die Finger. Bei Schumanns „Toccata“ jagte seine linke Hand keck die rechte, die indes aufs Flinkeste den Attacken auswich.
Der Heimweg verlief unfallfrei, weil ich mir gemerkt hatte, wohin ich beim Verlassen des NDR-Geländes abbiegen musste: nach links. Und schon nach wenigen hundert Metern kam die U-Bahnstation. Ist doch pipileicht.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Richtungsentscheidungen
1. „Crossroads“ von Calvin Russell
2. „Wrong turn“ von Jack Johnson
3. „Go your own way“ von Fleetwood Mac
Labels:
live,
musik,
panne,
persönliches,
promis
27 Februar 2006
Das unruhige Bild
Nicht oft verschlägt es mich nach Winterhude. Heute aber benötigte mein Rechner ein Ersatzteil aus dem dort angesiedelten Appleladen. Während der kranke Computer repariert wurde, bummelte ich durchs Einkaufszentrum an der Mundsburg und stieß zwischen Cafés und Handyshops auf eine Ausstellung, die sich mit Wahrnehmung beschäftigte. Ihr leicht verrutschter Name: „Irrsinn“.
Erstaunlich, wie superlustig es immer wieder ist, sich im Zerrspiegel zu betrachten; die dabei entstandenen Selbstporträts erspare ich allerdings der Öffentlichkeit. Aber nicht dieses verblüffende Bild aus lauter konzentrisch gemusterten Kreisen. Wenn man seinen Blick hin und her wandern lässt, beginnen sie sich zu drehen, manche mit- und manche gegeneinander – und alles nur, weil dein Hirn es so will aus irgendeinem wahrscheinlich jahrmillionenalten Grund.
Das funktioniert schon im Kleinen, in der (per Klick aufs Foto aktivierbaren) Großdarstellung hat es aber eine schier psychedelische Wirkung. Zu Risiken und Nebenwirkungen …
Ex cathedra: Die psychedelischen Top 3
1. „Little red riding hood“ von Robert Wyatt
2. „Astronomy domine“ von Pink Floyd
3. „Whole lotta love (album version)“ von Led Zeppelin
Erstaunlich, wie superlustig es immer wieder ist, sich im Zerrspiegel zu betrachten; die dabei entstandenen Selbstporträts erspare ich allerdings der Öffentlichkeit. Aber nicht dieses verblüffende Bild aus lauter konzentrisch gemusterten Kreisen. Wenn man seinen Blick hin und her wandern lässt, beginnen sie sich zu drehen, manche mit- und manche gegeneinander – und alles nur, weil dein Hirn es so will aus irgendeinem wahrscheinlich jahrmillionenalten Grund.
Das funktioniert schon im Kleinen, in der (per Klick aufs Foto aktivierbaren) Großdarstellung hat es aber eine schier psychedelische Wirkung. Zu Risiken und Nebenwirkungen …
Ex cathedra: Die psychedelischen Top 3
1. „Little red riding hood“ von Robert Wyatt
2. „Astronomy domine“ von Pink Floyd
3. „Whole lotta love (album version)“ von Led Zeppelin
26 Februar 2006
Der Kinskiglücksgriff
Als kopfschüttelnder Verehrer des Talentverschwenders Klaus Kinski suchte ich jahrelang nach Filmen und Devotionalien des durchgeknallten Mimen. Vor allem die gebundene 1975er Erstauflage seiner vor Saft, Kraft, Potenzprotzerei und allgemeiner Egozentrik platzenden Autobiografie „Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund“ war ein begehrtes Objekt meiner Begierde.
Allerdings ist das Skandalbuch immens schwer aufzutreiben. Das liegt an Kinskis Brüdern, die sich damals davon schwer diffamiert fühlten und es schon nach wenigen Wochen per einstweiliger Verfügung vom Markt nehmen ließen. Die späteren Auflagen (z. B. „Ich brauche Liebe“) waren für mich nicht mehr so interessant; jede geschwärzte oder entfernte Stelle nimmt einem Original eben weit mehr als nur ein paar Sätze.
Ich streifte also allwöchentlich über Hamburger Flohmärkte, auch über den in der Neuen Großen Bergstraße, der alle paar Monate sonntags stattfindet. Mit der üblichen gelangweilten Wachsamkeit wühlte ich eines Tages wieder mal in der Bücherkiste eines jener professionellen Händler, die Nachlässe en gros für Winzbeträge aufkaufen oder Erben gar zur kostenlosen Abgabe bequatschen („Dann sind Sie ihn los, den Krempel, ist eh nichts mehr wert“) – und bingo: Da. War. Es.
Wer weder jagt noch sammelt, kann kaum ermessen, wie es sich anfühlt, nach Jahren der Suche endlich dem Jagdobjekt Aug in Aug gegenüberzustehen. Eine Begegnung, die mit deutlichen körperlichen Symptomen einhergeht. Wärme läuft dir über den Körper wie eine Armada Ameisen, im Nacken kribbelt es, deine Hände beginnen leicht zu zittern, und du atmest – nach kurzem schockartigem Stocken der Lungenmuskulatur – plötzlich so rasch, als seist du ein, zwei Etagen treppauf gelaufen. Puh.
Das Problem in dieser Sekunde: Der Händler darf nullkommanichts merken von deiner Veränderung. Du nimmst das Buch also äußerlich ruhig aus der Kiste, befühlst es, registrierst mit mikroskopischer Enttäuschung das Fehlen des Schutzumschlags (egal, egal …), schlägst es mit ostentativer Uninteressiertheit auf – und erstarrst. Schon wieder stockt dir der Atem, dann japst du, denn … denn … das Buch ist SIGNIERT.
Von. Klaus. Kinski. Persönlich.
Jetzt wird dir allmählich das ganze Ausmaß dieses Fundes klar. Jahrelang hast du gesucht, und dein Glück schien vollkommen, als du das Buch endlich entdecktest; das ist erst zehn Sekunden her, und jetzt muss dein Adrenalinhaushalt mit der Verzehnfachung deines Glücks zurechtkommen, während du äußerlich den angeödeten Allesschongesehenhaber mimen musst.
Bei diesem Buch nämlich – um das noch einmal in aller Deutlichkeit herauszustellen – handelt es sich nicht nur um die verbotene gebundene Erstauflage, sondern um ein Exemplar, welches dein gebrochener Held höchstpersönlich – per Hautkontakt! – mit seiner Aura, seinem Fluidum imprägniert hat.
„Wieviel willsten haben für das Kinskibuch?“ frage ich den Händler mit perfide erzwungener Ruhe. Er blickt kurz auf und sagt: „Fünf Mark.“ (Es war vor der Währungsumstellung.) Fünf Mark. Ich habe mich nicht verhört. Eine unmenschliche Willensanstrengung, auf die ich noch heute stolz bin, erlaubt mir, nicht laut loszuprusten. Ich krame wortlos in der Tasche, fingere das Geld hervor, drücke es ihm in die Hand.
Und dann, ich weiß selbst nicht mehr genau warum, schlage ich das Buch auf, halte ihm die signierte Seite hin und frage: „Ist das echt?“ Er wird sehr bleich. Und während ich abdampfe, ist meine Seligkeit zu groß, um mich für diese kleine Fiesheit zu schämen. Das kommt erst später.
Diese Begebenheit fällt mir wieder ein, weil ich just im Web auf einen Kinski-Clip von 1971 stieß. Der durchgeknallte Mime verwandelt sich während eines Interviews in einem Pariser Park ohne großes Zutun der braven Befragerin in einen Wüterich, der alle Anzeichen von Paranoia zeigt. Es ist witzig und traurig zugleich; und am liebsten würde man ihn sedierend knuddeln.
Vier Jahre nach der Pöbelei im Park hielt er mein Buch in den Händen, er schlug es auf, nahm einen schwarzen Filzstift und krakelte wild sein Autogramm hinein.
Fünf Mark!
Ex cathedra: Die Top 3 der geistreichsten Songtitel
1. „The law is an anagram of wealth“ von Ann Clark
2. „Je t'aime (moi non plus)“ von Serge Gainsbourg
3. „It takes a lot to laugh, but it takes a train to cry“ von Bob Dylan
Allerdings ist das Skandalbuch immens schwer aufzutreiben. Das liegt an Kinskis Brüdern, die sich damals davon schwer diffamiert fühlten und es schon nach wenigen Wochen per einstweiliger Verfügung vom Markt nehmen ließen. Die späteren Auflagen (z. B. „Ich brauche Liebe“) waren für mich nicht mehr so interessant; jede geschwärzte oder entfernte Stelle nimmt einem Original eben weit mehr als nur ein paar Sätze.
Ich streifte also allwöchentlich über Hamburger Flohmärkte, auch über den in der Neuen Großen Bergstraße, der alle paar Monate sonntags stattfindet. Mit der üblichen gelangweilten Wachsamkeit wühlte ich eines Tages wieder mal in der Bücherkiste eines jener professionellen Händler, die Nachlässe en gros für Winzbeträge aufkaufen oder Erben gar zur kostenlosen Abgabe bequatschen („Dann sind Sie ihn los, den Krempel, ist eh nichts mehr wert“) – und bingo: Da. War. Es.
Wer weder jagt noch sammelt, kann kaum ermessen, wie es sich anfühlt, nach Jahren der Suche endlich dem Jagdobjekt Aug in Aug gegenüberzustehen. Eine Begegnung, die mit deutlichen körperlichen Symptomen einhergeht. Wärme läuft dir über den Körper wie eine Armada Ameisen, im Nacken kribbelt es, deine Hände beginnen leicht zu zittern, und du atmest – nach kurzem schockartigem Stocken der Lungenmuskulatur – plötzlich so rasch, als seist du ein, zwei Etagen treppauf gelaufen. Puh.
Das Problem in dieser Sekunde: Der Händler darf nullkommanichts merken von deiner Veränderung. Du nimmst das Buch also äußerlich ruhig aus der Kiste, befühlst es, registrierst mit mikroskopischer Enttäuschung das Fehlen des Schutzumschlags (egal, egal …), schlägst es mit ostentativer Uninteressiertheit auf – und erstarrst. Schon wieder stockt dir der Atem, dann japst du, denn … denn … das Buch ist SIGNIERT.
Von. Klaus. Kinski. Persönlich.
Jetzt wird dir allmählich das ganze Ausmaß dieses Fundes klar. Jahrelang hast du gesucht, und dein Glück schien vollkommen, als du das Buch endlich entdecktest; das ist erst zehn Sekunden her, und jetzt muss dein Adrenalinhaushalt mit der Verzehnfachung deines Glücks zurechtkommen, während du äußerlich den angeödeten Allesschongesehenhaber mimen musst.
Bei diesem Buch nämlich – um das noch einmal in aller Deutlichkeit herauszustellen – handelt es sich nicht nur um die verbotene gebundene Erstauflage, sondern um ein Exemplar, welches dein gebrochener Held höchstpersönlich – per Hautkontakt! – mit seiner Aura, seinem Fluidum imprägniert hat.
„Wieviel willsten haben für das Kinskibuch?“ frage ich den Händler mit perfide erzwungener Ruhe. Er blickt kurz auf und sagt: „Fünf Mark.“ (Es war vor der Währungsumstellung.) Fünf Mark. Ich habe mich nicht verhört. Eine unmenschliche Willensanstrengung, auf die ich noch heute stolz bin, erlaubt mir, nicht laut loszuprusten. Ich krame wortlos in der Tasche, fingere das Geld hervor, drücke es ihm in die Hand.
Und dann, ich weiß selbst nicht mehr genau warum, schlage ich das Buch auf, halte ihm die signierte Seite hin und frage: „Ist das echt?“ Er wird sehr bleich. Und während ich abdampfe, ist meine Seligkeit zu groß, um mich für diese kleine Fiesheit zu schämen. Das kommt erst später.
Diese Begebenheit fällt mir wieder ein, weil ich just im Web auf einen Kinski-Clip von 1971 stieß. Der durchgeknallte Mime verwandelt sich während eines Interviews in einem Pariser Park ohne großes Zutun der braven Befragerin in einen Wüterich, der alle Anzeichen von Paranoia zeigt. Es ist witzig und traurig zugleich; und am liebsten würde man ihn sedierend knuddeln.
Vier Jahre nach der Pöbelei im Park hielt er mein Buch in den Händen, er schlug es auf, nahm einen schwarzen Filzstift und krakelte wild sein Autogramm hinein.
Fünf Mark!
Ex cathedra: Die Top 3 der geistreichsten Songtitel
1. „The law is an anagram of wealth“ von Ann Clark
2. „Je t'aime (moi non plus)“ von Serge Gainsbourg
3. „It takes a lot to laugh, but it takes a train to cry“ von Bob Dylan
25 Februar 2006
Die Fundstücke des Tages (8)
1. Neue Google-Suchabfragen, die zu meinem Blog führten:
– „www.sex mit hund.de“ (Sickenreuth, Bayern. Im Ortsnamen scheint ein Kommentar zur Suchabfrage versteckt zu sein. Aber vielleicht interpretiere ich das auch über. Übrigens kommen die schweinischsten Suchabfragen immer aus Bayern. Wer weiß mehr?)
– „meine ersten dritten zähne“ (Kirchtimke, Niedersachsen. Hier würde interessieren, wie alt der Kirchtimker ist – vielleicht so alt wie Charlotte Roche?)
– „deudsche sagen“ (Burghaun, Hessen. Es ist eine Spezialität der Hessen, aus harten Konsonanten weiche zu machen. Allerdings dachte ich bisher, das geschähe nur beim Schbrechen.)
– „was gibt der staat jährlich für drogen aus“ (Halver, Nordrhein-Westfalen. Lustig, dass manche Menschen Google mit einem Allwissenden gleichsetzen, dem man Fragen stellen kann wie einst dem Orakel von Delphi. Die Frage selbst hat allerdings einen gewissen subversiven Charme.)
2. Wer kauft sich bloß Blogbesuche? Ein Ebayverkäufer bietet jedenfalls entsprechende Dienste an und kriegt wirklich Gebote. Dem höchstbietenden Blogger garantiert er fünf Besuche am Tag, und zwar vier Wochen lang. Mitgeliefert werden sinnvolle Kommentare. Die Offerte zielt auf Blogs, die unbeachtet in der Weite des Webs vereinsamen, also ganz frische oder ganz schlechte. Aber kann man sich wirklich darüber freuen, wenn man jemand dafür bezahlt, dass er vorbeischaut? Kann man sich in die eigene Tasche lügen? Man verwechselt doch auch die Dame eines Eskortservice nicht mit seiner Freundin. Richtig Geld via Ebay scheffeln könnten dagegen hochfrequentierte Blogger wie ix, indem sie ein Plätzchen auf ihrer Blogroll versteigerten. Unmoralischer als AdSense ist das auch nicht.
3. Der bescheuertste Songtitel des Monats heißt „Pompeii am Gotterdammerung“ und wurde verbrochen von der ansonsten unbescholtenen Band Flaming Lips.
4. Im „FISCHclub Blankenese“ knöpfte man uns heute für eine Tasse nesquickartiger Schokobrühe mit Sprühsahne – Gesamtmaterialwert, grob geschätzt: fünf Cent – drei Euro fünfzig ab. Offenbar haben sie uns mit Touristen verwechselt. Vielleicht mussten wir aber auch einfach nur den Blick (Foto) mitbezahlen; anders ist es ja im Tabledancelub auch nicht.
Ex cathedra: Die Top 3 der blödesten Songtitel
1. „Itsy Bitsy Teeny Weeny Yellow Polka Dot Bikini“ von Bryan Hyland
2. „Ring um meine Eier“ von Stefan Raab
3. „Deutscher Girls" von Adam Ant.
– „www.sex mit hund.de“ (Sickenreuth, Bayern. Im Ortsnamen scheint ein Kommentar zur Suchabfrage versteckt zu sein. Aber vielleicht interpretiere ich das auch über. Übrigens kommen die schweinischsten Suchabfragen immer aus Bayern. Wer weiß mehr?)
– „meine ersten dritten zähne“ (Kirchtimke, Niedersachsen. Hier würde interessieren, wie alt der Kirchtimker ist – vielleicht so alt wie Charlotte Roche?)
– „deudsche sagen“ (Burghaun, Hessen. Es ist eine Spezialität der Hessen, aus harten Konsonanten weiche zu machen. Allerdings dachte ich bisher, das geschähe nur beim Schbrechen.)
– „was gibt der staat jährlich für drogen aus“ (Halver, Nordrhein-Westfalen. Lustig, dass manche Menschen Google mit einem Allwissenden gleichsetzen, dem man Fragen stellen kann wie einst dem Orakel von Delphi. Die Frage selbst hat allerdings einen gewissen subversiven Charme.)
2. Wer kauft sich bloß Blogbesuche? Ein Ebayverkäufer bietet jedenfalls entsprechende Dienste an und kriegt wirklich Gebote. Dem höchstbietenden Blogger garantiert er fünf Besuche am Tag, und zwar vier Wochen lang. Mitgeliefert werden sinnvolle Kommentare. Die Offerte zielt auf Blogs, die unbeachtet in der Weite des Webs vereinsamen, also ganz frische oder ganz schlechte. Aber kann man sich wirklich darüber freuen, wenn man jemand dafür bezahlt, dass er vorbeischaut? Kann man sich in die eigene Tasche lügen? Man verwechselt doch auch die Dame eines Eskortservice nicht mit seiner Freundin. Richtig Geld via Ebay scheffeln könnten dagegen hochfrequentierte Blogger wie ix, indem sie ein Plätzchen auf ihrer Blogroll versteigerten. Unmoralischer als AdSense ist das auch nicht.
3. Der bescheuertste Songtitel des Monats heißt „Pompeii am Gotterdammerung“ und wurde verbrochen von der ansonsten unbescholtenen Band Flaming Lips.
4. Im „FISCHclub Blankenese“ knöpfte man uns heute für eine Tasse nesquickartiger Schokobrühe mit Sprühsahne – Gesamtmaterialwert, grob geschätzt: fünf Cent – drei Euro fünfzig ab. Offenbar haben sie uns mit Touristen verwechselt. Vielleicht mussten wir aber auch einfach nur den Blick (Foto) mitbezahlen; anders ist es ja im Tabledancelub auch nicht.
Ex cathedra: Die Top 3 der blödesten Songtitel
1. „Itsy Bitsy Teeny Weeny Yellow Polka Dot Bikini“ von Bryan Hyland
2. „Ring um meine Eier“ von Stefan Raab
3. „Deutscher Girls" von Adam Ant.
24 Februar 2006
Die Liederliste
Mit Listen (in der Blogsprache: „Stöckchen“) kriegt man mich immer. Diesmal ist zahnwart schuld und indirekt Anke Gröner. Und am Ende möchte ich das Stöckchen joshuatree zuwerfen.
1. Ein Lied aus deiner frühesten Kindheit:
„Wigwam bam“ von The Sweet.
2. Ein Lied, das du mit deiner ersten großen Liebe assoziierst:
„San Bernadino“ von Christie. Warum, steht hier.
3. Ein Lied, das dich an einen Urlaub erinnert:
„Tu t’en vas“ von Alain Barrière. 1975, auf Klassenfahrt in der Schweiz, am Fuß des Matterhorns. Ich: schmerzhaft verliebt in eine Supersüße aus der Parallelklasse. Sie: denkt nur an ihren Freund zu Hause. Schluchz.
4. Ein Lied, von dem du in der Öffentlichkeit nicht so gerne zugeben möchtest, dass du es eigentlich ganz gerne magst:
Hm, „If you think you know how to love me“ von Smokie? Nein, ich schäme mich nicht mehr für das, was ich höre. Ich gebe alles zu. Alles.
5. Ein Lied, das dich – geplagt von Liebeskummer – begleitet hat:
„Waiting“ von John Otway. Warum, steht hier.
6. Ein Lied, das du in deinem Leben vermutlich am häufigsten gehört hast:
„Sweet thing“ von Van Morrison. Liegt an meinem sich über Jahre hinziehenden manischen Versuch, Morrisons 1968er Album „Astral weeks“ zu verstehen. Methode: täglich hören. Irgendwann wöchentlich, dann monatlich. Aber ich höre es immer noch von Zeit zu Zeit. Und „Sweet thing“ am liebsten. Ich habe das Stück auch immer mal wieder auf Sampler gepackt, daher der Vorsprung gegenüber anderen Songs von „Astral weeks“.
7. Ein Lied, das dein liebstes Instrumental ist:
„The history of rain“ von Paul K. & The Weathermen.
8. Ein Lied, das eine deiner liebsten Bands repräsentiert:
„The kids are on high street“ von Madrugada.
9. Ein Lied, in dem du dich selbst wiederfindest oder in dem du dich auf eine gewisse Art und Weise verstanden fühlst:
„Northern sky“ von Nick Drake. Zumindest war das eine (lange) Zeit so. Ein typischer Fall von depressivem Song, der dich vor deiner Depression retten kann. Paradox, aber wahr.
10. Ein Lied, das dich an eine spezielle Begebenheit erinnert (und welche das ist):
„I’ll be there in the morning“ von Townes van Zandt. Marburg, 1993: Van Zandt war eigentlich zu betrunken, um zu spielen, er tat es dann aber doch, in Zeitlupe. Er war mental und physisch am Ende. Die Hälfte des Publikums schüttelte den Kopf oder lachte; es ging irgendwann. Der Rest, darunter ich, versuchte, diesen Mann zu retten. Es gelang – natürlich nicht endgültig, aber für eine Nacht. In der Pause traute ich mich in seine Garderobe, wo er schon wieder am Saufen war. Ich hatte alle meine Platten dabei, er signierte sie mir und malte mit zittrigen Fingern Kakteen darauf und Wüstenhighways, die sich in der Ferne verlieren. Das einzige echte Genie (außer Frank Zappa), mit dem ich jemals gesprochen habe. Das wunderbare Foto zeigt ihn, wie er knorrig aus dem Dunkel herauswächst, als habe ein Bildhauer ihn aus einem Baumstamm geschnitzt. Er grinst gequält und betrunken und wird gleich wieder zurücktreten ins Dunkel für immer. Geschossen hat es mein Freund Claus-Marco.
11. Ein Lied, bei dem du am besten entspannen kannst:
„Troll valley“ von Wavestar.
12. Ein Lied, das für eine richtig gute Zeit in deinem Leben steht:
„Talkin’ about a revolution“ von Tracy Chapman. Es war der Sommer, als ich im Freibad als Bademeister jobbte. Und Tracy lieferte den Soundtrack dazu. Unvergesslich.
13. Ein Lied, das momentan dein Lieblingssong ist:
„Exodus damage“ von John Vanderslice
14. Ein Lied, das du deinem besten Freund widmen würdest:
„Forever young“ von Bob Dylan.
15. Ein Lied, bei dem du das Gefühl hast, dass es außer dir niemand gerne hört:
„Lyin’ eyes“ von The Eagles.
16. Ein Lied, das du vor allem aufgrund seiner Lyrics magst:
„Cylea “ von François Villon, gesungen/rezitiert von Christian Redl
17. Ein Lied, das weder deutsch- noch englischsprachig ist und dir sehr gefällt:
„Voir un ami pleurer“ von Jacques Brel.
18. Ein Lied, bei dem du dich bestens abreagieren kannst:
„Memphis, Tennessee“ von Chuck Berry. Einer jener Songs, in denen die Urformel versteckt ist.
19. Ein Lied, das auf deiner Beerdigung gespielt werden sollte:
„It was a very good year“ von Frank Sinatra. Und „Worlds away“ von Strange Advance.
20. Ein Lied, das du zu den besten aller Zeiten rechnen würdest:
„Heroes“ von David Bowie.
1. Ein Lied aus deiner frühesten Kindheit:
„Wigwam bam“ von The Sweet.
2. Ein Lied, das du mit deiner ersten großen Liebe assoziierst:
„San Bernadino“ von Christie. Warum, steht hier.
3. Ein Lied, das dich an einen Urlaub erinnert:
„Tu t’en vas“ von Alain Barrière. 1975, auf Klassenfahrt in der Schweiz, am Fuß des Matterhorns. Ich: schmerzhaft verliebt in eine Supersüße aus der Parallelklasse. Sie: denkt nur an ihren Freund zu Hause. Schluchz.
4. Ein Lied, von dem du in der Öffentlichkeit nicht so gerne zugeben möchtest, dass du es eigentlich ganz gerne magst:
Hm, „If you think you know how to love me“ von Smokie? Nein, ich schäme mich nicht mehr für das, was ich höre. Ich gebe alles zu. Alles.
5. Ein Lied, das dich – geplagt von Liebeskummer – begleitet hat:
„Waiting“ von John Otway. Warum, steht hier.
6. Ein Lied, das du in deinem Leben vermutlich am häufigsten gehört hast:
„Sweet thing“ von Van Morrison. Liegt an meinem sich über Jahre hinziehenden manischen Versuch, Morrisons 1968er Album „Astral weeks“ zu verstehen. Methode: täglich hören. Irgendwann wöchentlich, dann monatlich. Aber ich höre es immer noch von Zeit zu Zeit. Und „Sweet thing“ am liebsten. Ich habe das Stück auch immer mal wieder auf Sampler gepackt, daher der Vorsprung gegenüber anderen Songs von „Astral weeks“.
7. Ein Lied, das dein liebstes Instrumental ist:
„The history of rain“ von Paul K. & The Weathermen.
8. Ein Lied, das eine deiner liebsten Bands repräsentiert:
„The kids are on high street“ von Madrugada.
9. Ein Lied, in dem du dich selbst wiederfindest oder in dem du dich auf eine gewisse Art und Weise verstanden fühlst:
„Northern sky“ von Nick Drake. Zumindest war das eine (lange) Zeit so. Ein typischer Fall von depressivem Song, der dich vor deiner Depression retten kann. Paradox, aber wahr.
10. Ein Lied, das dich an eine spezielle Begebenheit erinnert (und welche das ist):
„I’ll be there in the morning“ von Townes van Zandt. Marburg, 1993: Van Zandt war eigentlich zu betrunken, um zu spielen, er tat es dann aber doch, in Zeitlupe. Er war mental und physisch am Ende. Die Hälfte des Publikums schüttelte den Kopf oder lachte; es ging irgendwann. Der Rest, darunter ich, versuchte, diesen Mann zu retten. Es gelang – natürlich nicht endgültig, aber für eine Nacht. In der Pause traute ich mich in seine Garderobe, wo er schon wieder am Saufen war. Ich hatte alle meine Platten dabei, er signierte sie mir und malte mit zittrigen Fingern Kakteen darauf und Wüstenhighways, die sich in der Ferne verlieren. Das einzige echte Genie (außer Frank Zappa), mit dem ich jemals gesprochen habe. Das wunderbare Foto zeigt ihn, wie er knorrig aus dem Dunkel herauswächst, als habe ein Bildhauer ihn aus einem Baumstamm geschnitzt. Er grinst gequält und betrunken und wird gleich wieder zurücktreten ins Dunkel für immer. Geschossen hat es mein Freund Claus-Marco.
11. Ein Lied, bei dem du am besten entspannen kannst:
„Troll valley“ von Wavestar.
12. Ein Lied, das für eine richtig gute Zeit in deinem Leben steht:
„Talkin’ about a revolution“ von Tracy Chapman. Es war der Sommer, als ich im Freibad als Bademeister jobbte. Und Tracy lieferte den Soundtrack dazu. Unvergesslich.
13. Ein Lied, das momentan dein Lieblingssong ist:
„Exodus damage“ von John Vanderslice
14. Ein Lied, das du deinem besten Freund widmen würdest:
„Forever young“ von Bob Dylan.
15. Ein Lied, bei dem du das Gefühl hast, dass es außer dir niemand gerne hört:
„Lyin’ eyes“ von The Eagles.
16. Ein Lied, das du vor allem aufgrund seiner Lyrics magst:
„Cylea “ von François Villon, gesungen/rezitiert von Christian Redl
17. Ein Lied, das weder deutsch- noch englischsprachig ist und dir sehr gefällt:
„Voir un ami pleurer“ von Jacques Brel.
18. Ein Lied, bei dem du dich bestens abreagieren kannst:
„Memphis, Tennessee“ von Chuck Berry. Einer jener Songs, in denen die Urformel versteckt ist.
19. Ein Lied, das auf deiner Beerdigung gespielt werden sollte:
„It was a very good year“ von Frank Sinatra. Und „Worlds away“ von Strange Advance.
20. Ein Lied, das du zu den besten aller Zeiten rechnen würdest:
„Heroes“ von David Bowie.
23 Februar 2006
Der historische Tag
Von allen höchst erstaunlichen Un- und Eigenarten des Franken ist die erstaunlichste sein immenses Esstempo. Gäbe es eine Formel 1 in dieser Disziplin und wäre sie ähnlich dotiert wie die, in der Fernando Alonso tätig ist, so bräuchte sich der Franke um sein Auskommen nie mehr zu sorgen. Und seine Nachfahren auch nicht.
Jahrelang schlug er uns beim Essen um Längen, immer und überall. Regelmäßig wurde er so zum Gegenstand unseres süffisanten Spotts, der sich aus Hilflosigkeit ebenso speiste wie aus blankem Entsetzen.
Worin genau seine überlegene Esstechnik besteht, wie er auf dieses immense Tempo kommt, das offenbar niemand inner- und außerhalb Ottensens mitzugehen in der Lage ist, wurde übrigens bis heute nicht richtig erforscht. Dabei ist der Ablauf praktisch immer gleich: Das Essen wird serviert (bis dahin hat der Franke meist schon den Inhalt zweier Brotkörbe intus, minus jener Bröckchen, die der Rest von uns ihm mühsam entwand), alle beginnen mit dem Verzehr, das Gespräch dreht sich um dies und das, der Franke macht hier eine Bemerkung und da eine (er klinkt sich also nicht aus, wie man vermuten könnte), und schwuppdiwupp legt er plötzlich das Besteck beiseite, während Dagteller noch dabei ist, das zweite Salatblatt mit der Gabel anzuvisieren.
Man merkt einfach nicht, wie er das macht. Geräuschlos und ruhig saugt er in Sekunden zwei Nürnberger Rostbratwürste mit Salzkartoffeln und Sauerkraut weg. Und danach stiert er dir zufrieden grinsend auf den Teller und will dich nervös machen während der Viertelstunde, die du unweigerlich noch beschäftigt sein wirst mit deiner Portion.
Einmal aber geschah etwas, was bis heute schwer begreiflich ist: Er verlor. Ich erinnere mich noch daran, als wäre es gestern gewesen. Wenn man mich fragte, wo ich war, als Lady Di starb, würde ich sagen: in einem Flur in Wolfsburg. Und genauso deutlich weiß ich auch noch, wo ich war, als der Franke verlor: am gleichen Tisch wie er, in der Werkstatt 3 in Ottensen.
Aus irgendeinem Grund saß einer von uns plötzlich vor seinem blankgeputzten Teller, während der Franke gerade erst auf die Zielgerade einbog. Es war ein andächtiger Augenblick, der uns unwillkürlich gemeinsam innehalten ließ. Doch dieser Moment hatte auch etwas zutiefst Beunruhigendes. War der Franke krank? Ging es ihm nicht gut? War ein bislang inaktives Gen – vielleicht durch geheime militärische Experimente des Mossad in der Stratosphäre – zum Leben erwacht, welches ihm die Möglichkeit des Langsamessens, des Gönnenkönnens, des Nichtgewinnenwollens bot?
Es war vollkommen rätselhaft. Nach diesem gleichsam metaphysischen Moment allgemeiner Würdigung und Kontemplation am Tisch war es der Franke selbst, der die heilige Stille brach. „Du bist vor mir fertig“, stellte er fest, und zwar mit jener wuchtigen Nüchternheit, mit der Mose dereinst das erste Gebot verlesen haben muss. Wir alle wussten sofort: Dies war ein historischer Moment. Und wir durften dabei sein. Das unfassliche Ereignis wurde sodann zum Gespräch des Tages, wie auch anders. Jetzt diskutierten alle durcheinander, fassungslos, aufgebracht und rotwangig vor Erregung.
Wie sich herauskristallisierte, war der Franke gottlob keineswegs krank, sondern hatte es lediglich beim Frühstück versäumt, die Kalorienzufuhr leidlich im Rahmen zu halten, was sein mittägliches Esstempo auf unerwartet enorme Weise abbremste. Und so konnte jemand aus der Bezirksklasse den Champ besiegen, ein einziges Mal.
Nach diesem Tag beschlossen wir, den Themenkomplex nicht mehr anzuschneiden. Kein Spott mehr, keine Süffisanzen. Wir hatten die Sonne gesehen, jetzt war es nicht mehr wie früher. Ein Mythos war zerstört.
Natürlich folgten Jahre, in denen er uns wieder unerbittlich in Grund und Boden aß. Doch jener Tag, als einer von uns vor ihm fertig war, wird für immer unvergessen bleiben. Wie der 4. Juli 1954 im Berner Wankdorfstadion. Oder der, als die Dinosaurier ausstarben.
--> Weitere Teile der Frankensaga:
Der Alditag
Der Faschingskrapfen
Der Klozechpreller
Der Dude
Jahrelang schlug er uns beim Essen um Längen, immer und überall. Regelmäßig wurde er so zum Gegenstand unseres süffisanten Spotts, der sich aus Hilflosigkeit ebenso speiste wie aus blankem Entsetzen.
Worin genau seine überlegene Esstechnik besteht, wie er auf dieses immense Tempo kommt, das offenbar niemand inner- und außerhalb Ottensens mitzugehen in der Lage ist, wurde übrigens bis heute nicht richtig erforscht. Dabei ist der Ablauf praktisch immer gleich: Das Essen wird serviert (bis dahin hat der Franke meist schon den Inhalt zweier Brotkörbe intus, minus jener Bröckchen, die der Rest von uns ihm mühsam entwand), alle beginnen mit dem Verzehr, das Gespräch dreht sich um dies und das, der Franke macht hier eine Bemerkung und da eine (er klinkt sich also nicht aus, wie man vermuten könnte), und schwuppdiwupp legt er plötzlich das Besteck beiseite, während Dagteller noch dabei ist, das zweite Salatblatt mit der Gabel anzuvisieren.
Man merkt einfach nicht, wie er das macht. Geräuschlos und ruhig saugt er in Sekunden zwei Nürnberger Rostbratwürste mit Salzkartoffeln und Sauerkraut weg. Und danach stiert er dir zufrieden grinsend auf den Teller und will dich nervös machen während der Viertelstunde, die du unweigerlich noch beschäftigt sein wirst mit deiner Portion.
Einmal aber geschah etwas, was bis heute schwer begreiflich ist: Er verlor. Ich erinnere mich noch daran, als wäre es gestern gewesen. Wenn man mich fragte, wo ich war, als Lady Di starb, würde ich sagen: in einem Flur in Wolfsburg. Und genauso deutlich weiß ich auch noch, wo ich war, als der Franke verlor: am gleichen Tisch wie er, in der Werkstatt 3 in Ottensen.
Aus irgendeinem Grund saß einer von uns plötzlich vor seinem blankgeputzten Teller, während der Franke gerade erst auf die Zielgerade einbog. Es war ein andächtiger Augenblick, der uns unwillkürlich gemeinsam innehalten ließ. Doch dieser Moment hatte auch etwas zutiefst Beunruhigendes. War der Franke krank? Ging es ihm nicht gut? War ein bislang inaktives Gen – vielleicht durch geheime militärische Experimente des Mossad in der Stratosphäre – zum Leben erwacht, welches ihm die Möglichkeit des Langsamessens, des Gönnenkönnens, des Nichtgewinnenwollens bot?
Es war vollkommen rätselhaft. Nach diesem gleichsam metaphysischen Moment allgemeiner Würdigung und Kontemplation am Tisch war es der Franke selbst, der die heilige Stille brach. „Du bist vor mir fertig“, stellte er fest, und zwar mit jener wuchtigen Nüchternheit, mit der Mose dereinst das erste Gebot verlesen haben muss. Wir alle wussten sofort: Dies war ein historischer Moment. Und wir durften dabei sein. Das unfassliche Ereignis wurde sodann zum Gespräch des Tages, wie auch anders. Jetzt diskutierten alle durcheinander, fassungslos, aufgebracht und rotwangig vor Erregung.
Wie sich herauskristallisierte, war der Franke gottlob keineswegs krank, sondern hatte es lediglich beim Frühstück versäumt, die Kalorienzufuhr leidlich im Rahmen zu halten, was sein mittägliches Esstempo auf unerwartet enorme Weise abbremste. Und so konnte jemand aus der Bezirksklasse den Champ besiegen, ein einziges Mal.
Nach diesem Tag beschlossen wir, den Themenkomplex nicht mehr anzuschneiden. Kein Spott mehr, keine Süffisanzen. Wir hatten die Sonne gesehen, jetzt war es nicht mehr wie früher. Ein Mythos war zerstört.
Natürlich folgten Jahre, in denen er uns wieder unerbittlich in Grund und Boden aß. Doch jener Tag, als einer von uns vor ihm fertig war, wird für immer unvergessen bleiben. Wie der 4. Juli 1954 im Berner Wankdorfstadion. Oder der, als die Dinosaurier ausstarben.
--> Weitere Teile der Frankensaga:
Der Alditag
Der Faschingskrapfen
Der Klozechpreller
Der Dude
22 Februar 2006
Der Streik(unter)brecher
Nichts gegen den Streik im Öffentlichen Dienst, soviel vorweg. Wenn eine Gewerkschaft es zuließe, dass Menschen, die bereits einen Arbeitsplatz haben, zu Mehrarbeit gezwungen würden, obwohl genug Arbeitslose parat stünden, die jene Mehrarbeit leicht erledigen könnten; wenn man das also zuließe als Gewerkschaft, dann könnte man sich gleich wegen Schizophrenie einweisen lassen.
Doch zufällig gibt es ein paralleles Phänomen, welches die Lage verändert: die Vogelgrippe. Auf Rügen fielen schon hunderte Vögel vom Himmel. Rügen ist nicht sooo weit weg von Hamburg. Und parallel zur Seuche streikt die Müllabfuhr.
Für den Kiez ist das eine Katastrophe. Normalerweise kommen die Müllmänner hier zweimal am Tag. In Worten: z-w-e-i-m-a-l am Tag. Das tun sie zurzeit nicht. Weil die Abfallberge binnen kurzem fast so hoch wuchsen, dass man die Huren an der Davidstraße nur noch hüftaufwärts beurteilen konnte, wurde mehr oder weniger heimlich etwas weggekarrt. Merkt man aber kaum.
Also Müll überall, zerfledderte Zeitungen auf den Straßen und Gehwegen (vor allem BILD, was ein höchst adäquater Verwendungszweck für dieses Blatt ist), zerquetschte McDonalds-Boxen, Flaschen, Scherben, zertretene Pommes Frites – was immer du willst.
Kurz: ein Fest für Vögel. Eine Megaparty. Woodstock und Monterey zusammen. Wenn ich morgens auf dem Weg zur S-Bahn die Reeperbahn entlanggehe, sehe ich Trauben von Tauben, überall. Und Möwen, die sich dazwischenstürzen. Die Tauben stieben gurrend hoch und flattern wieder zu Boden, zurück zu den Leckereien im Straßendreck.
Ein Chaos aus Müll und Federvieh. Die Tiere gedeihen prächtig dabei, das spricht sich rum, sie kommen von überallher. Sie werden sich explosionsartig vermehren diese Saison. Und irgendwo da draußen – auf Rügen oder vielleicht schon näher – lauert H5N1 auf seine ganz große Chance. Voilà: Hier ist sie, mitten auf St. Pauli. Denn der Kiez wird gerade zu Bodega Bay. Wenn nur ein einziger infizierter Rügener Schwan hier mal guten Tag sagt, dann gute Nacht.
Es ist also ein ganz, ganz schlechter Zeitpunkt für einen Streik der Müllabfuhr. Gut, das konnte kein Mensch wissen, selbst Frank Bsirske nicht. Aber jetzt weiß er es. Und er könnte sich dafür stark machen, den Streik auszusetzen, bis die Seuche im Griff ist. Wie wäre das, Bsirske?
Bitte denk mal darüber nach.
Ex cathedra: Die Top 3 der Gewerkschaftssongs
1. „Part of the union“ von The Strawbs
2. „Joe Hill“ von Joan Baez
3. „There is power in a union“ von Billy Bragg
Doch zufällig gibt es ein paralleles Phänomen, welches die Lage verändert: die Vogelgrippe. Auf Rügen fielen schon hunderte Vögel vom Himmel. Rügen ist nicht sooo weit weg von Hamburg. Und parallel zur Seuche streikt die Müllabfuhr.
Für den Kiez ist das eine Katastrophe. Normalerweise kommen die Müllmänner hier zweimal am Tag. In Worten: z-w-e-i-m-a-l am Tag. Das tun sie zurzeit nicht. Weil die Abfallberge binnen kurzem fast so hoch wuchsen, dass man die Huren an der Davidstraße nur noch hüftaufwärts beurteilen konnte, wurde mehr oder weniger heimlich etwas weggekarrt. Merkt man aber kaum.
Also Müll überall, zerfledderte Zeitungen auf den Straßen und Gehwegen (vor allem BILD, was ein höchst adäquater Verwendungszweck für dieses Blatt ist), zerquetschte McDonalds-Boxen, Flaschen, Scherben, zertretene Pommes Frites – was immer du willst.
Kurz: ein Fest für Vögel. Eine Megaparty. Woodstock und Monterey zusammen. Wenn ich morgens auf dem Weg zur S-Bahn die Reeperbahn entlanggehe, sehe ich Trauben von Tauben, überall. Und Möwen, die sich dazwischenstürzen. Die Tauben stieben gurrend hoch und flattern wieder zu Boden, zurück zu den Leckereien im Straßendreck.
Ein Chaos aus Müll und Federvieh. Die Tiere gedeihen prächtig dabei, das spricht sich rum, sie kommen von überallher. Sie werden sich explosionsartig vermehren diese Saison. Und irgendwo da draußen – auf Rügen oder vielleicht schon näher – lauert H5N1 auf seine ganz große Chance. Voilà: Hier ist sie, mitten auf St. Pauli. Denn der Kiez wird gerade zu Bodega Bay. Wenn nur ein einziger infizierter Rügener Schwan hier mal guten Tag sagt, dann gute Nacht.
Es ist also ein ganz, ganz schlechter Zeitpunkt für einen Streik der Müllabfuhr. Gut, das konnte kein Mensch wissen, selbst Frank Bsirske nicht. Aber jetzt weiß er es. Und er könnte sich dafür stark machen, den Streik auszusetzen, bis die Seuche im Griff ist. Wie wäre das, Bsirske?
Bitte denk mal darüber nach.
Ex cathedra: Die Top 3 der Gewerkschaftssongs
1. „Part of the union“ von The Strawbs
2. „Joe Hill“ von Joan Baez
3. „There is power in a union“ von Billy Bragg
21 Februar 2006
Die wahren Psychopathen
„Sofort, als sie hereinkamen, wusste ich, dass es ein Fehler gewesen war, mich mit German Psycho und Pat Bateman zu verabreden. Bewusst hatte ich einen öffentlichen Treffpunkt vorgeschlagen, nämlich das Aurel in Ottensen. Hier war ich einst dem Dude begegnet, hier fühlte ich mich sicher.
Doch was da torkelnd und schreiend durch die Eingangstür hereinbrach wie zwei gleichzeitige Hurrikane über die Florida Keys, war in höchstem Maße beunruhigend. GP, den ich von einem gemailten Passfoto kannte, sah aus, als hätte er im Müllcontainer übernachtet. Sein Zegnahemd hing ihm aus den Baggypants, in den schulterlangen Dreadlocks hatten sich Stofffetzen verfangen, seine schneeweiße Wildlederhose war gesprenkelt mit roten Flecken irgendeiner Flüssigkeit, die sich an den Rändern bereits dunkel verfärbte; offenbar aufgrund eines Trocknungsprozesses.
Batemans hagere Gestalt hingegen wurde umflattert von einer ärmellosen Jeansjacke, darunter trug er ein vollkommen verdrecktes Hell's-Angels-T-Shirt, das lange parallele Risse aufwies – als hätte ihm jemand mit einer riesigen Gabel die Brust gefurcht. Oder war es eine verkrampfte, panische, mit langen spitzen Fingernägeln gespickte Hand gewesen? Auf seiner vollverspiegelten Dolce&Gabbana-Sonnenbrille schimmerte es öligbunt, die orangefarbenen Spandexleggings waren dunkelfleckig und mit Brandlöchern übersät.
Beide, mit den Armen über des anderen Schultern, grölten „Eat the rich“ und waren augenscheinlich völlig von Sinnen. Dennoch hätte dieser bizarre Auftritt mit etwas gutem Willen noch als hanseatische Exzentrik durchgehen können. Was aber die Gäste des Aurel – und mich – augenblicklich erstarren ließ, war die gewaltige Axt, die Bateman an seiner schwergliedrigen silbernen Halskette befestigt hatte und deren Stiel ihm fast bis an die Knie reichte. Vom einst chromblitzenden Keil tropfte eine rote Flüssigkeit, fleischartige Bröckchen säumten die Schneide, irgendetwas Furchtbares musste geschehen sein.
„Come on baby, eat the rich“, schrie Bateman, und GP antwortete: „Put the bite on the son of a bitch!“ Ich duckte mich hinter mein gottlob hoch aufragendes Halbliterglas Große Freiheit und hoffte, sie würden mich nicht entdecken.
Mir wurde schlagartig alles klar. Es war ein verdammter Fehler gewesen zu glauben, diese beiden hätten sich ihre psychopathischen Blogidentitäten nur zugelegt. Nein, alles, was GP und Bateman in ihren Blogs geschrieben hatten, alle blutigen Metzelfantasien, diese ganze scheinbar literarische Bret-Easton-Ellis-Mimikry war nichts weniger als wahr, wahr, wahr – und das zynische, gefühllose Schreiben darüber die beste Tarnung, die sich Psychopathen nur wünschen konnten.
Ich musste hier raus, musste diesen Irrsinn stoppen, sofort. Beide taumelten jetzt brüllend auf die Theke zu, der wild schlenkernde Axtstiel streifte einen Gast am Knie, doch der wagte nichts zu sagen, sondern stand geduckt auf und huschte zur Tür.
Meine Chance! Im Windschatten des Fliehenden schlüpfte ich hinaus, ich rannte wie wahnsinnig zum Bahnhof Altona, stürzte in ein Taxi, „Zur Davidwache!“, schrie ich, dort stolperte ich mit jagendem Puls die Treppe hoch, klammerte mich hechelnd an den Tresen und stammelte meine Geschichte.
Der Beamte schaute mich an. Dann lächelte er. Er glaubte mir kein Wort. Kein einziges.“
Ex cathedra: Die Top 3 der gefährlichsten Songs
1. „Careful with that axe, Eugene“ von Pink Floyd
2. „Don't fear the reaper“ von Blue Öyster Cult
3. „The killer in the rain“ von Paul K. & The Weathermen
Doch was da torkelnd und schreiend durch die Eingangstür hereinbrach wie zwei gleichzeitige Hurrikane über die Florida Keys, war in höchstem Maße beunruhigend. GP, den ich von einem gemailten Passfoto kannte, sah aus, als hätte er im Müllcontainer übernachtet. Sein Zegnahemd hing ihm aus den Baggypants, in den schulterlangen Dreadlocks hatten sich Stofffetzen verfangen, seine schneeweiße Wildlederhose war gesprenkelt mit roten Flecken irgendeiner Flüssigkeit, die sich an den Rändern bereits dunkel verfärbte; offenbar aufgrund eines Trocknungsprozesses.
Batemans hagere Gestalt hingegen wurde umflattert von einer ärmellosen Jeansjacke, darunter trug er ein vollkommen verdrecktes Hell's-Angels-T-Shirt, das lange parallele Risse aufwies – als hätte ihm jemand mit einer riesigen Gabel die Brust gefurcht. Oder war es eine verkrampfte, panische, mit langen spitzen Fingernägeln gespickte Hand gewesen? Auf seiner vollverspiegelten Dolce&Gabbana-Sonnenbrille schimmerte es öligbunt, die orangefarbenen Spandexleggings waren dunkelfleckig und mit Brandlöchern übersät.
Beide, mit den Armen über des anderen Schultern, grölten „Eat the rich“ und waren augenscheinlich völlig von Sinnen. Dennoch hätte dieser bizarre Auftritt mit etwas gutem Willen noch als hanseatische Exzentrik durchgehen können. Was aber die Gäste des Aurel – und mich – augenblicklich erstarren ließ, war die gewaltige Axt, die Bateman an seiner schwergliedrigen silbernen Halskette befestigt hatte und deren Stiel ihm fast bis an die Knie reichte. Vom einst chromblitzenden Keil tropfte eine rote Flüssigkeit, fleischartige Bröckchen säumten die Schneide, irgendetwas Furchtbares musste geschehen sein.
„Come on baby, eat the rich“, schrie Bateman, und GP antwortete: „Put the bite on the son of a bitch!“ Ich duckte mich hinter mein gottlob hoch aufragendes Halbliterglas Große Freiheit und hoffte, sie würden mich nicht entdecken.
Mir wurde schlagartig alles klar. Es war ein verdammter Fehler gewesen zu glauben, diese beiden hätten sich ihre psychopathischen Blogidentitäten nur zugelegt. Nein, alles, was GP und Bateman in ihren Blogs geschrieben hatten, alle blutigen Metzelfantasien, diese ganze scheinbar literarische Bret-Easton-Ellis-Mimikry war nichts weniger als wahr, wahr, wahr – und das zynische, gefühllose Schreiben darüber die beste Tarnung, die sich Psychopathen nur wünschen konnten.
Ich musste hier raus, musste diesen Irrsinn stoppen, sofort. Beide taumelten jetzt brüllend auf die Theke zu, der wild schlenkernde Axtstiel streifte einen Gast am Knie, doch der wagte nichts zu sagen, sondern stand geduckt auf und huschte zur Tür.
Meine Chance! Im Windschatten des Fliehenden schlüpfte ich hinaus, ich rannte wie wahnsinnig zum Bahnhof Altona, stürzte in ein Taxi, „Zur Davidwache!“, schrie ich, dort stolperte ich mit jagendem Puls die Treppe hoch, klammerte mich hechelnd an den Tresen und stammelte meine Geschichte.
Der Beamte schaute mich an. Dann lächelte er. Er glaubte mir kein Wort. Kein einziges.“
Ex cathedra: Die Top 3 der gefährlichsten Songs
1. „Careful with that axe, Eugene“ von Pink Floyd
2. „Don't fear the reaper“ von Blue Öyster Cult
3. „The killer in the rain“ von Paul K. & The Weathermen
20 Februar 2006
Die Ritze
Von den unzähligen Clubs rund um die Reeperbahn, für deren Besuch man nach Meinung meiner seligen Oma sicher in der Hölle gelandet wäre, habe ich erst drei von innen gesehen. Trotz unserer ausgesprochen günstigen Wohnlage.
Das wenig einladende Wesen der Koberer mag daran nicht ganz unschuldig sein. Bislang jedenfalls hat noch keiner der meist untersetzten, Shampoo skeptisch gegenüberstehenden Herren spätmittleren Alters den richtigen auf mich abgestimmten Lockton gefunden.
Der erste jener keinesfalls omakompatiblen Orte, den ich je betrat, war die Ritze an der Reeperbahn 140. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen Club jener Art, wie ihn angestellte Koberer tunlichst füllen sollen, sondern eher um eine Siffkneipe mit angelagertem Boxkeller.
Die Ritze hat es auch gar nicht nötig, Koberergehälter als Werbungskosten abzusetzen; sie hat ja ihren spektakulären Eingang. Man schreitet schamhaft kichernd durch weitgespreizte Frauenbeine. Dahinter indes wartet keinesfalls das Paradies.
Ich und Dr. K. aus Berlin enterten die Ritze morgens gegen drei. Uns beschlich gleich das Gefühl, die Einrichtung samt Anwesender sei seit 1970 nicht renoviert, geschweige denn ausgetauscht worden. Die vergilbten Autogrammpostkarten an der Wand, die noch vergilbteren Gestalten hinter und vor der Theke, die welken Witzchen, die man sich hin und her reichte wie zerzauste tote Mäuse: Das alles schien seltsam unwahr, wie inszeniert. Doch alles war echt.
70er-Jahre-Retrorock troff hoffnungslos aus den depressiven Boxen, und gegenüber der Theke an der Wand standen zwei betagte Röhrenfernseher. Sie zeigten lautlos und mit irgendwie frappierender Ungerührtheit immer das Gleiche: Hardcorepornos, etwa so alt wie die toten Mäuse, die an der Theke als Witze hin und hergereicht wurden.
Es war eine trübe, unvergessliche Szenerie mit der Faszination des Morbiden, die uns zwang, mehrere Saure zu trinken, ein eigentlich ungenießbares Gesöff, das es aus längst verschollenen Gründen geschafft hat, sich unbemerkt zum Ensemble der Kiezfolklorismen zu gesellen. Jetzt steht es auf jeder Getränkekarte zwischen Seiler- und Hafenstraße, und keiner wagt es mehr zu streichen – es gehört ja zur Folklore.
Die Ritze muss also auf jeden Fall einmal aufgesucht werden. Dr. K. und ich erinnerten uns noch lange danach mit wehmütigem Grusel an diese Kneipengruft, die man nur durch gespreizte Beine betreten kann. In den Boxkeller haben wir uns übrigens nicht getraut. Die Chance, dort die angeblichen Stammgäste Sasha oder Kai Ebel beim Sandsackvermöbeln anzutreffen, war einfach zu groß.
Der bereits erwähnte Text zur Aura des Samplers ist jetzt auch als Podcast online. Ich habe nach dieser achtminütigen Lesung allerdings das Gefühl, Belletristisches, Fiktionales eigne sich besser als Hörstoff.
Ex cathedra: Die Top 3 der Boxersongs
1. „Hurricane“ von Bob Dylan
2. „The Boxer“ von Simon & Garfunkel
3. „In Zaire“ von Johnny Wakelin
Das wenig einladende Wesen der Koberer mag daran nicht ganz unschuldig sein. Bislang jedenfalls hat noch keiner der meist untersetzten, Shampoo skeptisch gegenüberstehenden Herren spätmittleren Alters den richtigen auf mich abgestimmten Lockton gefunden.
Der erste jener keinesfalls omakompatiblen Orte, den ich je betrat, war die Ritze an der Reeperbahn 140. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen Club jener Art, wie ihn angestellte Koberer tunlichst füllen sollen, sondern eher um eine Siffkneipe mit angelagertem Boxkeller.
Die Ritze hat es auch gar nicht nötig, Koberergehälter als Werbungskosten abzusetzen; sie hat ja ihren spektakulären Eingang. Man schreitet schamhaft kichernd durch weitgespreizte Frauenbeine. Dahinter indes wartet keinesfalls das Paradies.
Ich und Dr. K. aus Berlin enterten die Ritze morgens gegen drei. Uns beschlich gleich das Gefühl, die Einrichtung samt Anwesender sei seit 1970 nicht renoviert, geschweige denn ausgetauscht worden. Die vergilbten Autogrammpostkarten an der Wand, die noch vergilbteren Gestalten hinter und vor der Theke, die welken Witzchen, die man sich hin und her reichte wie zerzauste tote Mäuse: Das alles schien seltsam unwahr, wie inszeniert. Doch alles war echt.
70er-Jahre-Retrorock troff hoffnungslos aus den depressiven Boxen, und gegenüber der Theke an der Wand standen zwei betagte Röhrenfernseher. Sie zeigten lautlos und mit irgendwie frappierender Ungerührtheit immer das Gleiche: Hardcorepornos, etwa so alt wie die toten Mäuse, die an der Theke als Witze hin und hergereicht wurden.
Es war eine trübe, unvergessliche Szenerie mit der Faszination des Morbiden, die uns zwang, mehrere Saure zu trinken, ein eigentlich ungenießbares Gesöff, das es aus längst verschollenen Gründen geschafft hat, sich unbemerkt zum Ensemble der Kiezfolklorismen zu gesellen. Jetzt steht es auf jeder Getränkekarte zwischen Seiler- und Hafenstraße, und keiner wagt es mehr zu streichen – es gehört ja zur Folklore.
Die Ritze muss also auf jeden Fall einmal aufgesucht werden. Dr. K. und ich erinnerten uns noch lange danach mit wehmütigem Grusel an diese Kneipengruft, die man nur durch gespreizte Beine betreten kann. In den Boxkeller haben wir uns übrigens nicht getraut. Die Chance, dort die angeblichen Stammgäste Sasha oder Kai Ebel beim Sandsackvermöbeln anzutreffen, war einfach zu groß.
Der bereits erwähnte Text zur Aura des Samplers ist jetzt auch als Podcast online. Ich habe nach dieser achtminütigen Lesung allerdings das Gefühl, Belletristisches, Fiktionales eigne sich besser als Hörstoff.
Ex cathedra: Die Top 3 der Boxersongs
1. „Hurricane“ von Bob Dylan
2. „The Boxer“ von Simon & Garfunkel
3. „In Zaire“ von Johnny Wakelin
19 Februar 2006
Der geschädigte Mittelstand
Zu meiner insgeheimen Erleichterung erschien Lyssa zu unserem Treffen im Absurd mit völlig heilen Knochen, obwohl sie vorher in Planten und Blomen unter abenteuerlichen Umständen Eislaufen war. Mir wäre ein unbeschadetes Davonkommen keinesfalls gelungen.
In den folgenden Stunden verplauderten wir uns ziemlich, und zwar zuungunsten des sanktpaulianischen Mittelstandes: Sowohl Käse-Renate als auch Gemüse-Thorsten, die ich und mein Hackenporsche eigentlich aufsuchen wollten, hatten nämlich bereits geschlossen.
Lyssa erbot sich honorigerweise, gegenüber Ms. Columbo die komplette Schuld an meiner käse- und gemüselosen Heimkehr auf sich zu nehmen, doch ich lehnte entrüstet ab und befriedete stattdessen die Situation präventiv und problemlos mit einem Grillhähnchen von Freddy. Jetzt, zwei Tage nach dem Mahl, zeigen wir noch immer keinerlei Grippesymptome.
Heute reiche ich ein überfälliges Foto des letztwöchigen Konzerts von TempEau im Knust nach – einfach, weil noch nicht ausreichend gewürdigt wurde, wie diese kleine große Band die ehrenvolle Schlappe bei Stefan Raabs Bundesvision Songcontest (Platz 12) weggesteckt hat.
Statt danach in Sack und Asche zu gehen, ließen sich Jan Plewka (Hut) und Marek Harloff (Hände) von sechs Sargträgern auf einer Holzpalette durchs Knust schaukeln und taten so ironisch glorios, als seien sie die Könige der Welt. Ein schöner Tag.
Der am 16. 2. ausgelobte Privatsampler ging jetzt doch noch weg, und zwar an Opa Edi. Lösung war weder St. Pauli Theater, noch Altonaer Rathaus, sondern: Tivoli.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs, die ich auf Opa Edis Sampler packen werde
1. „Valley of the morning sun“ von Kendra Smith
2. „Exodus damage“ von John Vanderslice
3. „Losing my religion“ von Makrosoft
In den folgenden Stunden verplauderten wir uns ziemlich, und zwar zuungunsten des sanktpaulianischen Mittelstandes: Sowohl Käse-Renate als auch Gemüse-Thorsten, die ich und mein Hackenporsche eigentlich aufsuchen wollten, hatten nämlich bereits geschlossen.
Lyssa erbot sich honorigerweise, gegenüber Ms. Columbo die komplette Schuld an meiner käse- und gemüselosen Heimkehr auf sich zu nehmen, doch ich lehnte entrüstet ab und befriedete stattdessen die Situation präventiv und problemlos mit einem Grillhähnchen von Freddy. Jetzt, zwei Tage nach dem Mahl, zeigen wir noch immer keinerlei Grippesymptome.
Heute reiche ich ein überfälliges Foto des letztwöchigen Konzerts von TempEau im Knust nach – einfach, weil noch nicht ausreichend gewürdigt wurde, wie diese kleine große Band die ehrenvolle Schlappe bei Stefan Raabs Bundesvision Songcontest (Platz 12) weggesteckt hat.
Statt danach in Sack und Asche zu gehen, ließen sich Jan Plewka (Hut) und Marek Harloff (Hände) von sechs Sargträgern auf einer Holzpalette durchs Knust schaukeln und taten so ironisch glorios, als seien sie die Könige der Welt. Ein schöner Tag.
Der am 16. 2. ausgelobte Privatsampler ging jetzt doch noch weg, und zwar an Opa Edi. Lösung war weder St. Pauli Theater, noch Altonaer Rathaus, sondern: Tivoli.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs, die ich auf Opa Edis Sampler packen werde
1. „Valley of the morning sun“ von Kendra Smith
2. „Exodus damage“ von John Vanderslice
3. „Losing my religion“ von Makrosoft
18 Februar 2006
Sag mir quando, sag mir wann
Ein Wochenende in Wolfsburg – guter Anlass also, der ersten Skizze über die sardische Verwandtschaft eine zweite folgen zu lassen. Hier ist sie.
Bei den Verwandten auf Sardinien schien ich, der deutsche Schwiegersohn, recht gut anzukommen. Allerdings registrierten sämtliche Onkels, Tanten und Cousinen mit deutlichem Missfallen, dass sich Ms. Columbo noch nicht im Zustand freudiger Erwartung befand. Dabei nahm vor allem Tante Giovannina eine federführende Rolle ein.
Ich lernte recht schnell, die von allen Seiten und speziell von Giovannina auf mich einstürzende Frage „Quando? – Wann?“, die stets mit der gestischen Umschreibung eines gewölbten Bauches untermalt wurde, bedauernd lächelnd ins Leere laufen zu lassen.
Aus diesem Lächeln sprachen – wie ich hoffte – nicht nur Gelassenheit und Würde, sondern auch die dringliche Ermunterung, doch bitte jetzt mal für mindestens zwei Stunden die Wiederholung dieser Frage zu unterlassen.
Vergebens. Meine eigentlich recht klare mimische Aussage schien auf sardischer Seite nicht komplett anzukommen. Vielleicht hätte ein mit hochrotem Kopf hervorgebrülltes „No!“ die Botschaft einprägsamer vermittelt.
Aber schon gab’s Mittagessen bei Giovannina in Sassari. Man testete bei solchen Gelegenheiten gern die kulinarische Belastbarkeit des tedesco. Diesmal gab es Lammfüße, eine Spezialität der Region. Dieses bemerkenswerte Gericht besteht im Wesentlichen aus kleinteiligen Knochenstückchen und -splittern, die von einer gallertartigen Masse umwabbelt werden. Mir ist völlig schleierhaft, wie Lämmer auf so etwas laufen können.
Es schmeckte nicht schlecht, fühlte sich nur schlecht an. Da ich nur ersteres durch eifriges Nicken und kauend gestöhnte Wohllaute vermittelte, konnte ich einige Pluspunkte sammeln.
Doch schon hieß es wieder „Quando?“. Cousine Sonja hatte es zwischen zwei Lammfüßen eingestreut. Ich ließ die Frage routiniert abtropfen, wenngleich mein bedauerndes Lächeln etwas beeinträchtigt wurde vom Herumkauen auf splitterdurchsetztem Lammwabbel. Was aber gar nicht von Nachteil war: So konnte ich dem Lächeln nämlich beiläufig eine Nuance von „Krieg doch selber erst mal eins!“ beimischen.
Insgesamt ein schöner Tag in Sassari. Im September fahren wir wieder hin.
Und da Ms. Columbo noch immer keine äußeren Anzeichen freudiger Erwartung zeigt, werden das die größten „Quando?“-Festspiele, die Sardinien je gesehen hat. Oh Mann.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Essensbezug
1. „Eggs and Sausage (In a cadillac with Susan Michelson)“ von Tom Waits
2. „Tom's diner“ von Suzanne Vega
3. „Supper's ready“ von Genesis
Bei den Verwandten auf Sardinien schien ich, der deutsche Schwiegersohn, recht gut anzukommen. Allerdings registrierten sämtliche Onkels, Tanten und Cousinen mit deutlichem Missfallen, dass sich Ms. Columbo noch nicht im Zustand freudiger Erwartung befand. Dabei nahm vor allem Tante Giovannina eine federführende Rolle ein.
Ich lernte recht schnell, die von allen Seiten und speziell von Giovannina auf mich einstürzende Frage „Quando? – Wann?“, die stets mit der gestischen Umschreibung eines gewölbten Bauches untermalt wurde, bedauernd lächelnd ins Leere laufen zu lassen.
Aus diesem Lächeln sprachen – wie ich hoffte – nicht nur Gelassenheit und Würde, sondern auch die dringliche Ermunterung, doch bitte jetzt mal für mindestens zwei Stunden die Wiederholung dieser Frage zu unterlassen.
Vergebens. Meine eigentlich recht klare mimische Aussage schien auf sardischer Seite nicht komplett anzukommen. Vielleicht hätte ein mit hochrotem Kopf hervorgebrülltes „No!“ die Botschaft einprägsamer vermittelt.
Aber schon gab’s Mittagessen bei Giovannina in Sassari. Man testete bei solchen Gelegenheiten gern die kulinarische Belastbarkeit des tedesco. Diesmal gab es Lammfüße, eine Spezialität der Region. Dieses bemerkenswerte Gericht besteht im Wesentlichen aus kleinteiligen Knochenstückchen und -splittern, die von einer gallertartigen Masse umwabbelt werden. Mir ist völlig schleierhaft, wie Lämmer auf so etwas laufen können.
Es schmeckte nicht schlecht, fühlte sich nur schlecht an. Da ich nur ersteres durch eifriges Nicken und kauend gestöhnte Wohllaute vermittelte, konnte ich einige Pluspunkte sammeln.
Doch schon hieß es wieder „Quando?“. Cousine Sonja hatte es zwischen zwei Lammfüßen eingestreut. Ich ließ die Frage routiniert abtropfen, wenngleich mein bedauerndes Lächeln etwas beeinträchtigt wurde vom Herumkauen auf splitterdurchsetztem Lammwabbel. Was aber gar nicht von Nachteil war: So konnte ich dem Lächeln nämlich beiläufig eine Nuance von „Krieg doch selber erst mal eins!“ beimischen.
Insgesamt ein schöner Tag in Sassari. Im September fahren wir wieder hin.
Und da Ms. Columbo noch immer keine äußeren Anzeichen freudiger Erwartung zeigt, werden das die größten „Quando?“-Festspiele, die Sardinien je gesehen hat. Oh Mann.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Essensbezug
1. „Eggs and Sausage (In a cadillac with Susan Michelson)“ von Tom Waits
2. „Tom's diner“ von Suzanne Vega
3. „Supper's ready“ von Genesis
17 Februar 2006
Die Fundstücke des Tages (7)
Diese Zusammenfassung ist nicht verfügbar.
Klicke hier, um den Post aufzurufen.
16 Februar 2006
Der Alditag
Mittwochs ist Alditag. Dann flanieren wir nach dem Lunch immer noch durch die Filiale in der Bahrenfelder Straße. Wir tun nichts, wir wollen nur schielen (sorry, war unverkneifbar, dieser Kalauer …).
Mal hier schauen, mal da, sich despektierliche Bemerkungen zuwerfen über vollsynthetische Jogginghosen, die sich beim Tragen derart statisch aufladen, dass du zu Hause damit den DVD-Player betreiben kannst, und dann einfach wieder gemessenen Schrittes gehen. So läuft der Alditag.
Flanieren bedeutet schließlich müßiges Umherschlendern, den schnöden Kaufakt sieht die Theorie nicht vor. Am Ende quetschen wir uns stets vorbei an der langen Mittwochsschlange, obwohl uns Aldi das vorsätzlich erschwert. In Kassenhöhe nämlich haben die Albrechtbrüder eine antiflanierend gemeinte Engstelle eingebaut, so dass wir in peinlichen Körperkontakt mit der manchmal nicht völlig repräsentablen Aldikundschaft geraten. Doch das nehmen wir in Kauf – hey, wir sind Flaneure!
Gestern war wieder Alditag. Dabei entspann sich eine Diskussion über das Wesen dieses allmittwochlichen Tuns, welches ich in Ermangelung eines vom Duden offerierten Nomens gern als Flanage bezeichne. Während der Franke der Auffassung ist, sie funktioniere völlig unabhängig vom Aldiangebot, da sie ja grundsätzlich als Konsumverweigerung angelegt sei, bin ich der Auffassung, die Flanage geriete umso genussvoller, je üppiger das Warensortiment sich geriert, dessen Kauf ich verweigere.
Wir kommen zu keinem allgemeingültigen Ergebnis. Beide Auffassungen jedoch, darin sind wir uns einig, stehen im Widerspruch zu den flehentlichen Appellen von Kanzlerin und Bundespräsident, zwecks Ankurbelung der Binnennachfrage endlich unsere Kaufverweigerung aufzugeben. Doch damit können wir leben. Flaneure sind keines Herrn Knecht, und das spöttische Lächeln im Vorübergehen ersetzt ihnen die schalen Pseudofreuden des Konsums.
Von der gefährlichen Aufladung vollsynthetischer Aldijogginghosen vermag ich übrigens nicht aus eigener Erfahrung zu berichten. Ausgerechnet der Aldimann an der Kasse warnte mich nämlich einst in konspirativem Ton davor, als ich einmal eine aufs Laufband gelegt hatte. Er habe sie, flüsterte er flackernden Blicks, selbst ausprobiert, es sei furchtbar, ganz furchtbar.
Wie man sieht, ist es gefährlich, der Flanage ohne Not zu entsagen.
So, das nächste Rätsel: Welches Gebäude ist ansatzweise auf diesem Foto zu sehen? Es winkt ein weiterer Mattsampler – allerdings nicht dem ersten Kandidaten, der die richtige Lösung mailt, sondern dem elften … Das war zu ja simpel beim letzten Mal.
Ex cathedra: Die Top 3 der miesesten Coverversionen aller Zeiten
1. „Like a hurricane“ von The Mission (Original: Neil Young)
2. „American pie“ von Madonna (Original: Don McLean)
3. „Song of joy“ von Miguel Rios (Original: Beethoven/Schiller)
Mal hier schauen, mal da, sich despektierliche Bemerkungen zuwerfen über vollsynthetische Jogginghosen, die sich beim Tragen derart statisch aufladen, dass du zu Hause damit den DVD-Player betreiben kannst, und dann einfach wieder gemessenen Schrittes gehen. So läuft der Alditag.
Flanieren bedeutet schließlich müßiges Umherschlendern, den schnöden Kaufakt sieht die Theorie nicht vor. Am Ende quetschen wir uns stets vorbei an der langen Mittwochsschlange, obwohl uns Aldi das vorsätzlich erschwert. In Kassenhöhe nämlich haben die Albrechtbrüder eine antiflanierend gemeinte Engstelle eingebaut, so dass wir in peinlichen Körperkontakt mit der manchmal nicht völlig repräsentablen Aldikundschaft geraten. Doch das nehmen wir in Kauf – hey, wir sind Flaneure!
Gestern war wieder Alditag. Dabei entspann sich eine Diskussion über das Wesen dieses allmittwochlichen Tuns, welches ich in Ermangelung eines vom Duden offerierten Nomens gern als Flanage bezeichne. Während der Franke der Auffassung ist, sie funktioniere völlig unabhängig vom Aldiangebot, da sie ja grundsätzlich als Konsumverweigerung angelegt sei, bin ich der Auffassung, die Flanage geriete umso genussvoller, je üppiger das Warensortiment sich geriert, dessen Kauf ich verweigere.
Wir kommen zu keinem allgemeingültigen Ergebnis. Beide Auffassungen jedoch, darin sind wir uns einig, stehen im Widerspruch zu den flehentlichen Appellen von Kanzlerin und Bundespräsident, zwecks Ankurbelung der Binnennachfrage endlich unsere Kaufverweigerung aufzugeben. Doch damit können wir leben. Flaneure sind keines Herrn Knecht, und das spöttische Lächeln im Vorübergehen ersetzt ihnen die schalen Pseudofreuden des Konsums.
Von der gefährlichen Aufladung vollsynthetischer Aldijogginghosen vermag ich übrigens nicht aus eigener Erfahrung zu berichten. Ausgerechnet der Aldimann an der Kasse warnte mich nämlich einst in konspirativem Ton davor, als ich einmal eine aufs Laufband gelegt hatte. Er habe sie, flüsterte er flackernden Blicks, selbst ausprobiert, es sei furchtbar, ganz furchtbar.
Wie man sieht, ist es gefährlich, der Flanage ohne Not zu entsagen.
So, das nächste Rätsel: Welches Gebäude ist ansatzweise auf diesem Foto zu sehen? Es winkt ein weiterer Mattsampler – allerdings nicht dem ersten Kandidaten, der die richtige Lösung mailt, sondern dem elften … Das war zu ja simpel beim letzten Mal.
Ex cathedra: Die Top 3 der miesesten Coverversionen aller Zeiten
1. „Like a hurricane“ von The Mission (Original: Neil Young)
2. „American pie“ von Madonna (Original: Don McLean)
3. „Song of joy“ von Miguel Rios (Original: Beethoven/Schiller)
15 Februar 2006
Matt, der Missionar
„Hometaping is killing music“ stand früher immer auf Platteninnenhüllen. Wäre das wahr, hätte ich mindestens die halbe Popgeschichte auf dem Gewissen. Denn ich kompiliere manisch private Sampler, und das schon ungefähr so lange ich Ohren habe.
Trotzdem fühle ich mich nicht als Serienkiller, wie oben zitierter Spruch mir weismachen will, sondern eher als Missionar. Meine Sampler, soviel glaube ich behaupten zu dürfen, generierten mehr Plattenkäufe als sie verhinderten. Sehr viel mehr.
„Hometaping is saving music“, sage ich daher gut fundiert, und ich würde mich auf den Küchentisch des Phonoverbandschefs stellen und diese These verteidigen. Warum ich das alles erzähle? Weil mich das lesenswerte Webmagazin mindestens haltbar um einen Beitrag zum Thema „Verspielt“ bat, was mir ausgesprochen schmeichelte; aber natürlich fiel mir Einbahnstraßendenker nix anderes ein, als über meine reichlich infantile Kompiliererei zu schreiben.
Der Text ist jetzt online, er heißt „Tape as tape can“ und würde, wie ich gestehen muss, ebensogut zu den Themenkomplexen „Süchtig“, „Bescheuert“, „Zeitverschwendung“, „Nutzlose Hingabe“ oder „Leidenschaftliche Liebe“ passen.
Wie auch immer: Ich wäre beglückt, wenn ihr dort einmal vorbeischauen würdet. Kommmentare, hier wie dort, sind natürlich willkommen. Übrigens gehört auch, wie jeden Monat, die wunderbare Lyssa zu den Autorinnen der aktuellen Ausgabe – das Killerargument fürs sofortige Vorbeisurfen.
3 (wahrscheinliche) Songs von meinen allerallerersten Sampler von ca. 1972
1. „Jeepster“ von T. Rex
2. „Annabell ach Annabell“ von Reinhard Mey
3. „Am Tag, als Conny Kramer starb“ von Juliane Werding
Trotzdem fühle ich mich nicht als Serienkiller, wie oben zitierter Spruch mir weismachen will, sondern eher als Missionar. Meine Sampler, soviel glaube ich behaupten zu dürfen, generierten mehr Plattenkäufe als sie verhinderten. Sehr viel mehr.
„Hometaping is saving music“, sage ich daher gut fundiert, und ich würde mich auf den Küchentisch des Phonoverbandschefs stellen und diese These verteidigen. Warum ich das alles erzähle? Weil mich das lesenswerte Webmagazin mindestens haltbar um einen Beitrag zum Thema „Verspielt“ bat, was mir ausgesprochen schmeichelte; aber natürlich fiel mir Einbahnstraßendenker nix anderes ein, als über meine reichlich infantile Kompiliererei zu schreiben.
Der Text ist jetzt online, er heißt „Tape as tape can“ und würde, wie ich gestehen muss, ebensogut zu den Themenkomplexen „Süchtig“, „Bescheuert“, „Zeitverschwendung“, „Nutzlose Hingabe“ oder „Leidenschaftliche Liebe“ passen.
Wie auch immer: Ich wäre beglückt, wenn ihr dort einmal vorbeischauen würdet. Kommmentare, hier wie dort, sind natürlich willkommen. Übrigens gehört auch, wie jeden Monat, die wunderbare Lyssa zu den Autorinnen der aktuellen Ausgabe – das Killerargument fürs sofortige Vorbeisurfen.
3 (wahrscheinliche) Songs von meinen allerallerersten Sampler von ca. 1972
1. „Jeepster“ von T. Rex
2. „Annabell ach Annabell“ von Reinhard Mey
3. „Am Tag, als Conny Kramer starb“ von Juliane Werding
14 Februar 2006
Die Noppen
Heute passierte praktisch nichts. Dass der Franke vorm Mittagessen zwar über Sattheit klagte, dann aber doch einen kapitalen Teller Chili con carne wegschaufelte und sich sogar nachlud, ist nur eine Randnotiz wert. So kennen wir ihn schließlich.
Und dass unermüdliche Bautrupps inzwischen fast die kompletten Gehwege der Reeperbahn samt Querstraßen in Trümmerfelder aus Gruben, Gattern und pluckernden Presslufthämmern verwandelt haben: geschenkt. An der Haltestelle steht man halt da mit Ohrhörern unter der Wollmütze und fleht den Bus herbei, um die Musik wieder identifizieren zu können, die einem wahrscheinlich gerade durch die Schnecke fließt.
Der Bus kommt natürlich nicht, nicht um elf nach, was er laut Plan tun müsste, auch nicht um viertel nach, aber dann um neun vor halb. Er nennt sich übrigens „Schnellbus“. Pah.
Deswegen fahre ich heute abend mit der S-Bahn. Im Bahnhof Altona gehe ich zum tausendsten Mal an diesen seltsam genoppten Pfeilern vorbei, komme aber erstmals auf die Idee, einen davon zu fotografieren. Manchmal wüsste ich wirklich gerne, nach welchen Kriterien unsere Synapsen Entscheidungen für uns treffen.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs, die sogar Presslufthämmer übertönen können
1. „Good times are back“ von TV Smith
2. „Ace of spades“ von Motörhead
3. „Toccata“ von The Toy Dolls
Und dass unermüdliche Bautrupps inzwischen fast die kompletten Gehwege der Reeperbahn samt Querstraßen in Trümmerfelder aus Gruben, Gattern und pluckernden Presslufthämmern verwandelt haben: geschenkt. An der Haltestelle steht man halt da mit Ohrhörern unter der Wollmütze und fleht den Bus herbei, um die Musik wieder identifizieren zu können, die einem wahrscheinlich gerade durch die Schnecke fließt.
Der Bus kommt natürlich nicht, nicht um elf nach, was er laut Plan tun müsste, auch nicht um viertel nach, aber dann um neun vor halb. Er nennt sich übrigens „Schnellbus“. Pah.
Deswegen fahre ich heute abend mit der S-Bahn. Im Bahnhof Altona gehe ich zum tausendsten Mal an diesen seltsam genoppten Pfeilern vorbei, komme aber erstmals auf die Idee, einen davon zu fotografieren. Manchmal wüsste ich wirklich gerne, nach welchen Kriterien unsere Synapsen Entscheidungen für uns treffen.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs, die sogar Presslufthämmer übertönen können
1. „Good times are back“ von TV Smith
2. „Ace of spades“ von Motörhead
3. „Toccata“ von The Toy Dolls
13 Februar 2006
Deudsche Schbrache, schwäre Schbrache
Mir wurde unlängst durch inzwischen wieder vergessene Umstände klar, wie mühsam sich ein deutsch lernender – sagen wir – Moldawier den schönen Plural „Münzautomaten“ erschließen müsste, wenn er lediglich den Rechtschreibduden besäße, aber kein Semantikwörterbuch.
Er würde nach einem herzhaften moldawischen Fluch auf Komposita das Wort in seine Teile zerlegen und sie einzeln nachschlagen. Er erführe zunächst von einem Geldstück, welches sein Endungs-e zugunsten einer geschmeidigeren Bindung ans Folgewort eingebüßt hat: „Münz“.
Sodann, erklärte ihm ungerührt der Duden, folge ein kurzer Schmerzenslaut, wie er sich etwa beim Gekniffenwerden seit Äonen großer Popularität erfreue („au!“). Und abgerundet würde dieses Kompositagetüm mit einem verehrungswürdigen roten Gemüse im Plural.
Spätestens hier müsste unser gepeinigter – sagen wir – Moldawier den Duden böse anfunkeln. Geldstück plus Schmerz plus Tomaten: Was soll dabei herauskommen? Auf Apparate, wo man oben Geld reinschmeißt und unten nie Gemüse rausfällt, käme er nie.
Erschwerend könnte er von landsmännischen Sprachfärbungen verwirrt werden. „Ein Hesse lässd die Konsonande aus'm Maul falle“, wusste etwa neulich der Schwabe zu berichten. In der Redaktion gehört es nämlich wegen der erwiesen interessanten Phonetik der Hessen zur Folklore, mich, obzwar ich unter hanseatischem Einfluss längst diesen Zungenschlag einbüßte, zur möglichst authentischen Aufführung des Wortes „Oaschebäschäää“ (vulgo „Aschenbecher“) zu animieren.
Besten Dank auch, Maddin. Ich tue ihnen sporadisch den Gefallen, zumal keiner der vertretenen Volksstämme in der Lage ist, diesen schönen Viersilber ausreichend breit zu zerdehnen und zerwälzen. Stets unterläuft ihnen ein verbaler Ejaculatio praecox; also muss ich's noch mal vormachen. „Oaschebäschäää“, hinten mit drei ä. Ist doch ganz einfach.
Manchmal liegen die Schwierigkeiten des Deutschen aber auch schlicht in regional unterschiedlichen Bezeichnungen. Neulich im MiniMal-Markt sah ich plötzlich den Franken mit meterlangen Dickmannskartons hantieren, die letztlich aber nicht seine Kauflust wecken konnten; doch schon Sekunden später schnürte er um die Konditortheke, sein Blick schweifte unstet über Apfelzimtringe und Streuselschnecken. Er hatte aber in Wahrheit ganz andere Vorstellungen von baldiger oraler Versorgung, denn er fragte mich: „Wie heißen hier Krapfen?“ In Hamburg natürlich Berliner.
Und das alles – von Münzautomaten über Oaschebäschäää bis zu einem Süßgebäck, das so heißt wie die Bewohner der Bundeshauptstadt – das erklär mal einem Moldawier.
Das Foto zeigt übrigens einen Ausschnitt der Neonschrift an einer Wand in unserem Fitnessclub, die Smudo nie zu Gesicht bekommt, weil er nur Hanteln macht, aber nie Zirkeltraining.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Zungenschlag
1. „Kreuzberger Walzer“ von Klaus Hoffmann
2. „Dat du meen Leefste büst“ von Hannes Wader
3. „Willi“ von Konstantin Wecker
Er würde nach einem herzhaften moldawischen Fluch auf Komposita das Wort in seine Teile zerlegen und sie einzeln nachschlagen. Er erführe zunächst von einem Geldstück, welches sein Endungs-e zugunsten einer geschmeidigeren Bindung ans Folgewort eingebüßt hat: „Münz“.
Sodann, erklärte ihm ungerührt der Duden, folge ein kurzer Schmerzenslaut, wie er sich etwa beim Gekniffenwerden seit Äonen großer Popularität erfreue („au!“). Und abgerundet würde dieses Kompositagetüm mit einem verehrungswürdigen roten Gemüse im Plural.
Spätestens hier müsste unser gepeinigter – sagen wir – Moldawier den Duden böse anfunkeln. Geldstück plus Schmerz plus Tomaten: Was soll dabei herauskommen? Auf Apparate, wo man oben Geld reinschmeißt und unten nie Gemüse rausfällt, käme er nie.
Erschwerend könnte er von landsmännischen Sprachfärbungen verwirrt werden. „Ein Hesse lässd die Konsonande aus'm Maul falle“, wusste etwa neulich der Schwabe zu berichten. In der Redaktion gehört es nämlich wegen der erwiesen interessanten Phonetik der Hessen zur Folklore, mich, obzwar ich unter hanseatischem Einfluss längst diesen Zungenschlag einbüßte, zur möglichst authentischen Aufführung des Wortes „Oaschebäschäää“ (vulgo „Aschenbecher“) zu animieren.
Besten Dank auch, Maddin. Ich tue ihnen sporadisch den Gefallen, zumal keiner der vertretenen Volksstämme in der Lage ist, diesen schönen Viersilber ausreichend breit zu zerdehnen und zerwälzen. Stets unterläuft ihnen ein verbaler Ejaculatio praecox; also muss ich's noch mal vormachen. „Oaschebäschäää“, hinten mit drei ä. Ist doch ganz einfach.
Manchmal liegen die Schwierigkeiten des Deutschen aber auch schlicht in regional unterschiedlichen Bezeichnungen. Neulich im MiniMal-Markt sah ich plötzlich den Franken mit meterlangen Dickmannskartons hantieren, die letztlich aber nicht seine Kauflust wecken konnten; doch schon Sekunden später schnürte er um die Konditortheke, sein Blick schweifte unstet über Apfelzimtringe und Streuselschnecken. Er hatte aber in Wahrheit ganz andere Vorstellungen von baldiger oraler Versorgung, denn er fragte mich: „Wie heißen hier Krapfen?“ In Hamburg natürlich Berliner.
Und das alles – von Münzautomaten über Oaschebäschäää bis zu einem Süßgebäck, das so heißt wie die Bewohner der Bundeshauptstadt – das erklär mal einem Moldawier.
Das Foto zeigt übrigens einen Ausschnitt der Neonschrift an einer Wand in unserem Fitnessclub, die Smudo nie zu Gesicht bekommt, weil er nur Hanteln macht, aber nie Zirkeltraining.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Zungenschlag
1. „Kreuzberger Walzer“ von Klaus Hoffmann
2. „Dat du meen Leefste büst“ von Hannes Wader
3. „Willi“ von Konstantin Wecker
12 Februar 2006
Die Fundstücke des Tages (6)
1. Neue Google-Abfragen, die zu meinem Blog führten:
– „füße klum“ (Seoul, Korea)
– „heidi klums füße" (Schulenrode, Niedersachsen)
– „heidi klum füsse 2006“ (Wien, Österreich)
– „heidi klump füße“ (Bukarest, Rumänien)
Kann mir das mal jemand erklären, bitte?
2. Religion muss karikierbar sein. Tabus können immer nur für die Gläubigen selbst gelten, jedoch niemals für Menschen, die der betreffenden Religion nicht angehören. Sonst dürfte ich keine Currywurst essen, weil das Moslems beleidigen würde – schließlich ist ihnen das Essen von Schweinefleisch strikt untersagt. Satire auf Religionen muss möglich sein, sie ist sogar unbedingt nötig. Schließlich erhebt sie den Anspruch, das Denken und Fühlen von Menschen absolut zu beeinflussen; Religionen, zumal die monotheistischen, sind im Kern totalitär. Und Satire beschädigt das Totalitäre. Wie diese hier, wo – Achtung, Christen: Bitte den folgenden Link NICHT anklicken! – Jesus singt „I will survive“ – allerdings vergebens. Entdeckt via T i e f.
3. Mit einem Gebäude, das man von der Reeperbahn aus sieht, habe ich mir einen kleinen Fotospiegeltrick erlaubt. Wer es als erster erkennt und mir per Mail den Namen nennt, erhält einen meiner in Hamburg weltberühmten Privatsampler. Von der Verlosung ausgeschlossen ist Ms. Columbo. * (Nachtrag: Der Preis ging blitzartig weg, also bitte nicht mehr mailen. Sieger: mspro)
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs, in denen Gott vorkommt
1. „Wayfaring stranger“ von Eva Cassidy (und 1000 anderen)
2. „Mercedes Benz“ von Janis Joplin
3. „Jesus on the mainline“ von Ry Cooder
– „füße klum“ (Seoul, Korea)
– „heidi klums füße" (Schulenrode, Niedersachsen)
– „heidi klum füsse 2006“ (Wien, Österreich)
– „heidi klump füße“ (Bukarest, Rumänien)
Kann mir das mal jemand erklären, bitte?
2. Religion muss karikierbar sein. Tabus können immer nur für die Gläubigen selbst gelten, jedoch niemals für Menschen, die der betreffenden Religion nicht angehören. Sonst dürfte ich keine Currywurst essen, weil das Moslems beleidigen würde – schließlich ist ihnen das Essen von Schweinefleisch strikt untersagt. Satire auf Religionen muss möglich sein, sie ist sogar unbedingt nötig. Schließlich erhebt sie den Anspruch, das Denken und Fühlen von Menschen absolut zu beeinflussen; Religionen, zumal die monotheistischen, sind im Kern totalitär. Und Satire beschädigt das Totalitäre. Wie diese hier, wo – Achtung, Christen: Bitte den folgenden Link NICHT anklicken! – Jesus singt „I will survive“ – allerdings vergebens. Entdeckt via T i e f.
3. Mit einem Gebäude, das man von der Reeperbahn aus sieht, habe ich mir einen kleinen Fotospiegeltrick erlaubt. Wer es als erster erkennt und mir per Mail den Namen nennt, erhält einen meiner in Hamburg weltberühmten Privatsampler. Von der Verlosung ausgeschlossen ist Ms. Columbo. * (Nachtrag: Der Preis ging blitzartig weg, also bitte nicht mehr mailen. Sieger: mspro)
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs, in denen Gott vorkommt
1. „Wayfaring stranger“ von Eva Cassidy (und 1000 anderen)
2. „Mercedes Benz“ von Janis Joplin
3. „Jesus on the mainline“ von Ry Cooder
11 Februar 2006
Der missbrauchte Gerald Asamoah
Urplötzlich schossen heute die Besucherzahlen meines Blogs steil nach oben. Alle wollten den Eintrag „Du bist nicht Deutschland, Deutschland!“ vom 19. Januar lesen, und alle steuerten ihn über eine Google-Suchabfrage an. Eine rätselhafte Sache, zumal es Besucher aus aller Welt hierher zog – sogar aus Japan.
Dann die Erklärung via Newsticker: Die Besucher interessierten sich nicht etwa für die Werbeagentur Jung von Matt (um die es in meinem Eintrag ging), sondern für die Propaganda brandenburgischer Neonazis, die ein Foto des Schalker Fußballers Gerald Asamoah auf Poster gedruckt und das Bild mit dem rassistisch gemeinten Spruch „Nein Gerald, du bist nicht Deutschland!” untermalt haben.
Da hätten wir also den Salat. Und wen wundert das nicht? Die Blogosphäre. Hier begegnete man Jung von Matts Kampagne von Anfang an mit Kritik und Häme, hier fand man heraus, dass es die Kampagnenparole im Dritten Reich schon mal gab und damals – 1935 – auf Adolf Hitler gemünzt war (dokumentiert im Buch „Ludwigshafen - Ein Jahrhundert in Bildern“ des Stadtarchivs Ludwigshafen am Rhein von 1999).
Dass der Versuch, mit dieser Parole Patriotismus zu schüren, früher oder später im rechten Lager aufgegriffen würde, war nur logisch. Erstaunlich höchstens, wie lange das gedauert hat. Aber rechtsdraußen hat man eben eine lange Leitung – ein bescheidener IQ ist traditionell eine der wichtigsten Voraussetzungen für rechte Gesinnung.
Jetzt allerdings ist es soweit: Der Spruch „Du bist Deutschland“ wird genau dort ge- und missbraucht, wo er einstmals herkam – ganz rechts.
Gerald Asamoah gehört übrigens zu den Unterstützern der Patriotismuskampagne. Er erwägt nun rechtliche Schritte. Und die muss die Agentur Jung von Matt jetzt sowieso einleiten. Schließlich hat sie vor einigen Wochen sogar Parodisten der Aktion „Du bist Deutschland“ mit Rechtsmitteln gedroht.
Wenn sie dem Missbrauch durch Neonazis jetzt nicht mit allen juristischen Mitteln entgegenträte, sähe das sehr, sehr merkwürdig aus. Du, Jung von Matt, hättest es wissen können. Und jetzt bist du unter Zugzwang.
Alle Beiträge zum Thema:
– Du bist nicht Deutschland, Deutschland!
– Die Jungs von Matt
– Die matte Entschuldigung
– Der missbrauchte Gerald Asamoah
Ex cathedra: Die Top 3 der Agitsongs
1. „New England“ von Billy Bragg
2. „Horsti Schmandhoff“ von Franz Josef Degenhardt
3. „Eat the rich“ von Motörhead
Dann die Erklärung via Newsticker: Die Besucher interessierten sich nicht etwa für die Werbeagentur Jung von Matt (um die es in meinem Eintrag ging), sondern für die Propaganda brandenburgischer Neonazis, die ein Foto des Schalker Fußballers Gerald Asamoah auf Poster gedruckt und das Bild mit dem rassistisch gemeinten Spruch „Nein Gerald, du bist nicht Deutschland!” untermalt haben.
Da hätten wir also den Salat. Und wen wundert das nicht? Die Blogosphäre. Hier begegnete man Jung von Matts Kampagne von Anfang an mit Kritik und Häme, hier fand man heraus, dass es die Kampagnenparole im Dritten Reich schon mal gab und damals – 1935 – auf Adolf Hitler gemünzt war (dokumentiert im Buch „Ludwigshafen - Ein Jahrhundert in Bildern“ des Stadtarchivs Ludwigshafen am Rhein von 1999).
Dass der Versuch, mit dieser Parole Patriotismus zu schüren, früher oder später im rechten Lager aufgegriffen würde, war nur logisch. Erstaunlich höchstens, wie lange das gedauert hat. Aber rechtsdraußen hat man eben eine lange Leitung – ein bescheidener IQ ist traditionell eine der wichtigsten Voraussetzungen für rechte Gesinnung.
Jetzt allerdings ist es soweit: Der Spruch „Du bist Deutschland“ wird genau dort ge- und missbraucht, wo er einstmals herkam – ganz rechts.
Gerald Asamoah gehört übrigens zu den Unterstützern der Patriotismuskampagne. Er erwägt nun rechtliche Schritte. Und die muss die Agentur Jung von Matt jetzt sowieso einleiten. Schließlich hat sie vor einigen Wochen sogar Parodisten der Aktion „Du bist Deutschland“ mit Rechtsmitteln gedroht.
Wenn sie dem Missbrauch durch Neonazis jetzt nicht mit allen juristischen Mitteln entgegenträte, sähe das sehr, sehr merkwürdig aus. Du, Jung von Matt, hättest es wissen können. Und jetzt bist du unter Zugzwang.
Alle Beiträge zum Thema:
– Du bist nicht Deutschland, Deutschland!
– Die Jungs von Matt
– Die matte Entschuldigung
– Der missbrauchte Gerald Asamoah
Ex cathedra: Die Top 3 der Agitsongs
1. „New England“ von Billy Bragg
2. „Horsti Schmandhoff“ von Franz Josef Degenhardt
3. „Eat the rich“ von Motörhead
10 Februar 2006
Drogen machen dumm
Beim Küssen entsteht die Glücksdroge Dopamin. Das ist ein Stoff, gegen den der Staat nichts unternehmen kann, weil jeder Körper ihn produziert, sogar DEINER und der von Wolfgang Schäuble (sofern er küsst).
Ein Nachteil dieser Droge: Sie vermindert das Denkvermögen. Und zwar so stark, dass Antje, die sich vor fünf Wochen im Grünen Jäger (St. Pauli) bis morgens in der Früh dem Küssen – also dem verdummenden Dopaminrausch – hingab, leider vorm finalen Goodbye vergaß, ihr zufallsbekanntes Kusspendant um Telefonnummer, Mailadresse oder wenigstens den Namen zu bitten.
Jetzt zieht die arme Maus traurig durch die Stadt mit in Folie eingeschlagenen Zetteln, die sie mit zu billigem Klebeband an Lichtmasten pinnt, um sie wiederzufinden, die Kussbekanntschaft von damals. Und all das nur, weil ihr das Dopamin die Sinne vernebelte, während sie selig an einer fremden Zunge nuckelte.
Das abgebildete Gesuch fand ich in der Friedensallee. Antje, offenbar zurzeit nicht dopaminiert, vermerkt darauf zur Sicherheit ihre Mailadresse; sie lautet, wenn ich es richtig entziffert habe, antje.altona@gmx.de.
Also: Wer immer sich dunkel an den stundenlangen Austausch von Körperflüssigkeiten mit einer Unbekannten am 6. 1. im Grünen Jäger (St. Pauli) erinnert, möge sich bei Antje melden.
Bitte beachten: Es gibt (wahrscheinlich) nur eine Person, die Antje vorschwebt, ok? OK??
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über vergebliche Liebe
1. „Living next door to Alice“ von Smokie
2. „Long black veil“ von The Band
3. „If you see her say hello“ von Bob Dylan
Ein Nachteil dieser Droge: Sie vermindert das Denkvermögen. Und zwar so stark, dass Antje, die sich vor fünf Wochen im Grünen Jäger (St. Pauli) bis morgens in der Früh dem Küssen – also dem verdummenden Dopaminrausch – hingab, leider vorm finalen Goodbye vergaß, ihr zufallsbekanntes Kusspendant um Telefonnummer, Mailadresse oder wenigstens den Namen zu bitten.
Jetzt zieht die arme Maus traurig durch die Stadt mit in Folie eingeschlagenen Zetteln, die sie mit zu billigem Klebeband an Lichtmasten pinnt, um sie wiederzufinden, die Kussbekanntschaft von damals. Und all das nur, weil ihr das Dopamin die Sinne vernebelte, während sie selig an einer fremden Zunge nuckelte.
Das abgebildete Gesuch fand ich in der Friedensallee. Antje, offenbar zurzeit nicht dopaminiert, vermerkt darauf zur Sicherheit ihre Mailadresse; sie lautet, wenn ich es richtig entziffert habe, antje.altona@gmx.de.
Also: Wer immer sich dunkel an den stundenlangen Austausch von Körperflüssigkeiten mit einer Unbekannten am 6. 1. im Grünen Jäger (St. Pauli) erinnert, möge sich bei Antje melden.
Bitte beachten: Es gibt (wahrscheinlich) nur eine Person, die Antje vorschwebt, ok? OK??
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über vergebliche Liebe
1. „Living next door to Alice“ von Smokie
2. „Long black veil“ von The Band
3. „If you see her say hello“ von Bob Dylan
Abonnieren
Posts (Atom)