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17 Mai 2012

Ein bisschen aufgesetzt



An einem Tag wie diesem wagt man sich am besten nur vorsichtig aus dem Haus.

Sie nennen diesen Tag Vatertag, und jene Leute, die sich sonst immer erst am Wochenende einen Vorwand zum Saufen auf dem Kiez zurechtreimen, finden ihn nun bereits am Donnerstag.

Unterm Balkon sammeln sie all ihre Kräfte und Alkoholvorräte, über die Hauptstraßen cruisen im Schneckentempo Bierbikes. Ich husche zwischen zwei Regengüssen hinüber in die Schanze zum Flohmarkt und entnehme einer Kostenloskiste eine sozirote Schirmmütze mit der Aufschrift „IG-Metall“. Kann man immer gebrauchen, so was.

„Und, steht sie mir?“, frage ich Ms. Columbo zu Hause, nachdem ich all die Bierbikes und grölenden Suffköppe mit ihren Astrawägelchen unfallfrei umslalomt habe. „Na ja“, sagt sie, „sieht ein bisschen aufgesetzt aus.“

Ich bin halt einfach kein Gewerkschaftstyp.


06 Mai 2012

Völlig sinnlos



Mein 1. FC Köln ist abgestiegen. „Vielleicht“, sage ich auf dem Weg zum Holsten-Brauereifest zu Ms. Columbo, „sollte ich mich heute einfach sinnlos betrinken.“

„Das klingt nach einem tollen Plan“, antwortet sie. Der Anblick des oben zu sehenden Deppenapostrophs lieferte mir weitere starke Argumente, diesen Plan unverzüglich in die Tat umzusetzen.

Gleichwohl muss ich explizit betonen, dass ich nur für einen Teil der unten abgebildeten Gebrauchtbecher verantwortlich bin.




Retten kann das Wochenende nun morgen Mittag nur noch der FC St. Pauli. Ich setze auch euch, Jungs. Hurra.

03 Mai 2012

Eine Hommage



Wäre der junge Schäfer Diego F. nicht anno 1962 aus seiner sardischen Heimat gen Norden aufgebrochen und in Wolfsburg zunächst bei VW und wenig später bei einem einheimischen Backfisch gelandet, und hätte Diego F. keine zwei prachtvollen deutsch-sardischen Töchter gezeugt, von denen mir 1989 zum Glück eine zufällig in Marburg über den Weg lief –…


ja, dann hätten wir am vergangenen Montagabend nicht nur alle gemeinsam keine 50 Jahre alte Flasche Barolo dekantiert, sondern dann lebte ich wahrscheinlich nicht einmal auf St. Pauli, und Ms. Columbo erst recht nicht.

So hängt alles mit allem zusammen; die eine Entscheidung beeinflusst tausend andere, was sich über die Jahre gleichsam unendlich und global potenziert, und ich mag mir gar nicht ausmalen, wie nicht nur meine, sondern die ganze Welt beschaffen wäre, hätte der junge Schäfer Diego F. 1962 nicht die (folgen)schwere Entscheidung getroffen, seine sardische Heimat gen Norden zu verlassen.

Der altehrwürdige Barolo, dieses weingewordene Sonnengold von anno 62, war übrigens schon ein ganz klein wenig klapprig. Aber besser der als Diego F.!


27 April 2012

Meint er sie oder mich?



Es ist erst früher Nachmittag, doch aus der Kneipe Blauer Peter taumelt bereits ein stoppelgesichtiger Grauschopf in verbeulten Jeans. Er schaut uns trübe an im Vorübergehen und lallt:

„Wiesiehs’du’n’ausss?“

Weder ich noch Ms. Columbo fühlen uns entscheidend angesprochen, weshalb wir das mit dieser Frage zweifellos verbundene Gesprächsangebot nicht annehmen. Im Nachhinein denke ich allerdings, wir hätten ein halbes Dutzend Gründe gehabt, den zerbeulten Grauschopf das Gleiche zurückzufragen.

Aber wen von uns beiden hat er jetzt bloß gemeint – und aus welchem Anlass?

Bei manchen Fragen – gerade den hirnrissigen – wäre ich recht dankbar, wenn sie mich nicht tagelang verfolgten, echt.



16 April 2012

Auf den Spuren eines Serienmörders

Geschrei unten an der Postfiliale. Sehe mehrere Männer mit etwa einem halben Dutzend Polizisten rangeln und schubsen. Wie die Händel ausgehen werden, ist zunächst schwer vorherzusagen, doch dann rücken aus allen Richtungen erregte Tatütatas an. Die Sirenenwagen stoppen, wo es gerade passt, also auch seilerstraßenmittig oder gar auf den Bürgersteigen. Sie spucken noch im Ausrollen ein Dutzend weiterer Ordnungskräfte aus, es wird fleißig verhaftet, erkennungsdienstlich behandelt und abtransportiert. 

 Das übliche Wochenendszenario also – was ich leider am Folgemorgen auch in der Kiezbäckerei konstatieren muss, wo dieselbe Verkäuferin wie neulich erneut meine Brötchen antatscht und so mit ihren von Papier- und Münzgeld aufgenommenen Keimhorden kontaminiert. Doch heute fehlt mir nicht die Kraft wie beim letzten Mal, heute sage ich: „Bitte benutzen Sie die Zange. Das ist mir lieber.“ Sofort holt sie die Brötchen (händisch) wieder aus der Tüte, sagt „Natürlich, selbstverständlich“ und tut mit der Zange zwei neue rein. Damit dürfte dies ein für alle mal geklärt sein. 

Nachmittags beim Spaziergang durch Ottensen stehen wir plötzlich zufällig in der Zeißstraße, wo in den 70ern der Serienmörder Fritz Honka wohnte. Das weiß ich aus einem just an diesem Morgen gelesenen Artikel aus der Sonntagszeitung. Die Front des Hauses Nr. 74, wo Honka im Dachgeschoss Arme, Beine und andere Teile seiner Opfer in Plastiksäcken lagerte, erinnert dank eines offenstehenden Fensters an ein Gemälde von Edvard Munch, aber wahrscheinlich liegt diese Deutung nur an meiner noch immer nicht überwundenen Schwäche für Pareidolien

 Auf dem Weg nach Hause kommen wir am Goldenen Handschuh vorbei, und Ms. Columbo erinnert sich der Tatsache, dass Honka hier immer abhing, soff, Frauen ansprach und mehrere davon bewegen konnte, ihn nächtens in die Zeißstraße zu begleiten, mit bekannten Folgen. Was mir am Goldenen Handschuh allerdings erst heute auffiel, ist der Untertitel: „Honka-Stube“. Auch ein Serienmörder kann also zur Kiezfolklore werden. Wie ich das finde, ist mir selbst noch nicht ganz klar. Ich halte Sie aber gerne auf dem Laufenden.

09 April 2012

Osterausflug Ost



Wir waren bisher weder auf dem Mars noch in Schwerin, deshalb fuhren wir am Ostersonntag hin. Nach Schwerin.

Mit dem Ruf „Auf zu den Schwerinötern!“ bat ich Ms. Columbo in den Regionalexpress. Es sollte einer der letzten Kalauer des Tages gewesen sein, denn die zierliche Stadt mit den vielen Teichen und Seen gab zu weiteren kaum Anlass.

In der außerordentlich schmucken Altstadt ist alles historisch und hochadrett, man sieht, wo der Solidarbeitrag – diese Pflegeversichung Ost – überall verbaut wurde.

In Schwerin gibt es augenscheinlich weder Ausländer noch Obdachlose, aber auch keine Nazis oder deren Parolen. Stattdessen erfreulich oft Graffiti der örtlichen Antifa. Und wo Hamburger Ladenbesitzer jederzeit und skrupellos riesige „SALE!!!“-Brüllschilder ins Schaufenster hängen, bescheiden sich die Schweriner mit sympathisch putzigen „Kleinpreisangeboten“.

„Wenn man das r aus dem Stadtnamen rausnähme“, sinniert Ms. Columbo irgendwann über die Wunder der Phonetik, „wäre man beim Schwein.“ Kleiner Unterschied, große Wirkung – doch semantisch hat das mit Schwerin überhaupt nichts zu tun, im Gegenteil: Die Stadt kam uns ganz erheblich wohnlicher vor, als wir uns (laienhaft) den Mars vorstellen, wo wir immer noch nicht waren.

Just als wir auf der Rückfahrt alle erdenklichen Wortspiele mit der Bahnstation Müssen durchdekliniert hatten, stieß Ms. Columbo übrigens beim Blättern im Spiegel auf die oben abgebildete Anzeige.

Zufälle gibt es, die gibt es … eben doch.

12 März 2012

Ein Tag auf der Internorga



„Du weißt schon, dass uns heute Abend speiübel sein wird, oder?“, sagte ich zwischen englisch-indischen Pakoras und einer Kugel Black-Mamba-Eis aus Schwarzvanille zu Ms. Columbo. „Bis dahin“, antwortete sie und nahm eine Probe Schupfnudeln mit Sauerkraut ins Visier, „ist es noch lange hin.“

Eine solche Szene kann sich praktisch nur auf der Gastronomiemesse Internorga abspielen, wo wir heute einen halben Tag lang mit dem Verzehr von Happen, Pröbchen und Schlückchen beschäftigt waren. Hier stößt man auf alles, was uns Konsumenten demnächst konvenieren soll. Also Sachen wie gezapfte Automatensuppe, Würstchen aus dem Toaster (das Ding hat Röhren statt Schlitze!), Kuchen am Stiel sowie Tofu, das so verzweifelt wie vergeblich ein Schnitzel zu simulieren versucht.

Es gibt kalten Latte Macchiato in Einwegdosen und – o Wunder! – sogar Tomaten, die mal nicht schmecken wie schnittfestes Wasser. Sie heißen „Honigtomaten“ und kommen aus Holland. Warum sie außen allerdings nach überhaupt nichts riechen, weiß wahrscheinlich nur Jean-Baptiste Grenouille. Oder der Genetiker, der diese neueste Paradiesapfelvariante zusammengemixt hat.

Neben der bisweilen kuriosen kulinarischen Auswahl begeisterten mich übrigens besonders die Kalauer. Überall auf der Messe versuchten Anbieter, ihren Produkten mit Sprachspielereien den besonderen Kick zu verleihen. „Cup & Cino“ ist ja schon lange von der Kette gelassen worden, aber ein Teigmaschinenhersteller, der in seinem Slogan „Dough-how“ unterbringt, hat augenblicklich meinen Respekt.

Auch die Wohltäter von „ChariTea“ beweisen kalauertechnisch höchste Treffsicherheit. Nicht aber die voll auf Nüsse setzenden Leute von „Well Nuss“; das kann man einfach nicht richtig aussprechen – je nach voreingestelltem phonetischen Sprachmodus scheitert man entweder am W oder am u.

Die Firma „Tussi on Tour“ hingegen kalauert überhaupt nicht, sondern alliteriert nur. Sie gibt sich aber viel zu pink, um nicht zur Illustration des heutigen Blogeintrags missbraucht zu werden. Was sie eigentlich herstellt, weiß ich allerdings auch nicht. Tussis?


19 Februar 2012

Die denkbar größte Keule



„Ich finde, wer freiwillig Höfl-Riesch heißt“, sagte ich heute während der Sportnachrichten sinnierend zu Ms. Columbo, „dürfte bei einem Skirennen gar keine Starterlaubnis bekommen, und zwar aus sprachästhetischen Gründen.“

„Und was“, zückte sie als Antwort die praktisch denkbar größte Keule, „wäre mit Eva Sibylle Haule-Frimpong?“ Na, die auch nicht.

Es gäbe gewiss auch gegen einige Details der abgebildeten Scrabblepartie massive sprachästhetische Einwände, doch alle werden sie dadurch weggewischt, dass sie remis endete.

Ich meine: Scrabblepartien enden nie remis. Allenfalls genauso oft, wie Eva Sibylle Haule-Frimpong ein Skirennen gewinnt.


11 Februar 2012

Eigentlich schlage ich meine Frau ja nicht



Just in dem Moment, als wir nach herrlich gefährlichem Herumgerutsche zwischen Alsterterrasse und Hotel Atlantic die zugefrorene Alster (Foto) wieder verlassen wollten, schmiss es mich doch noch gepflegt auf den Hintern.

Ich blieb unverletzt. Während des Falls schlenkerte ich allerdings mit dem Halt suchenden rechten Arm derart wild durch die Luft, dass ich Ms. Columbo, die noch vergebens einzugreifen versuchte, binnen einer Zehntelsekunde sowohl einen Kinnhaken als auch einen Nasenstüber verpasste.


Und das, lieber Slapstickgott, hätte nun wirklich nicht sein müssen.

Sie steckte es jedoch weg wie Joe Frazier anno 71 und half mir einfach wieder auf. Zum Dank servierte ich ihr abends Weißwürste mit Händlmaiers süßem Senf. Dass sie allerdings auf halber Strecke den Senf aus- und Heinz’ Tomatenketchup einwechselte, darf südlich der Elbe niemals auch nur ansatzweise bekannt werden.

Das müssen Sie mir versprechen.

09 Januar 2012

Peinlich: Senat schämt sich für Elbphilharmonie (oder?)

Seit fast 17 Jahren wohnen wir in Hamburg, also wird es endlich Zeit für eine Stadtrundfahrt. Und Süßschnäbel wie wir sollten uns auch das frischeröffnete Chocoversum am Meßberg ansehen. „Eine richtige Touritour“, vorfreut sich Ms. Columbo, „nur ohne Anreise.“

An den Landungsbrücken erwischen wir die besten Sitze oben im Doppeldeckerbus, und schon kreuzen wir gemütlich durch unsere Stadt, untermalt von einem (natürlich) auf Ortsfremde gemünzten Soundtrack inklusive uralter Herrenwitze („Wissen Sie, warum der Neue Wall auch Schick-Scheck-Schock-Straße genannt wird? Weil die Dame erst was schick findet, dann den Scheck zückt und der Mann zu Hause einen Schock kriegt.“).

Wir erfahren auch, warum wir Zugezogenen „Quiddjes“ genannt werden. Irgendwann in grauer Vorzeit nämlich sollen die Hamburger von Auswärtigen, die ihre Stadt betreten wollten, Eintrittsgeld verlangt haben. Dafür wurde ihnen eine Quittung ausgestellt, auf Plattdeutsch „Quiddje“ …

Jedenfalls plaudert unser Reiseführer munter vor sich hin, verweist auf dies und das, identifiziert für uns die rosa Villa von Karl Lagerfeld, ohne dessen Namen zu nennen – doch irgendetwas fehlt. Eine der größten hiesigen Attraktionen spart der Mann merkwürdigerweise aus, obwohl wir zweimal dran vorbeifahren: die Elbphilharmonie.

Das kommt mir sehr komisch vor, und ich frage ihn am Ende der Rundfahrt, warum er dieses so berühmte wie berüchtigte Halbmilliardengrab mit keiner Silbe erwähnt hat.

„Weil die Stadt das nicht möchte“, sagt er freimütig. Alle Rundfahrtbetreiber, erzählt er, hätten ein Schreiben bekommen, in dem sie darum gebeten worden seien, die Elbphilharmonie tunlichst nicht zu erwähnen.

Habe ich das richtig verstanden? Ganz Deutschland liest ständig etwas über neue Kostenexplosionen dieses Prestigebaus, der die Skyline Hamburgs auf Generationen prägen wird, aber hier, vor Ort, Aug in Aug mit seinen Bullaugenfenstern, wird die Existenz Ihrer Exzellenz vor den Touristen totgeschwiegen?

Olaf Scholz hat also quasi eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen mit dem Ziel, eine Veröffentlichung zu verhindern, und falls die Rundfahrtbetreiber sich nicht dran halten, ist der Rubikon überschritten, und es wird Krieg geführt, oder was …?

Diese anscheinend öffentlich noch gar nicht bekannte „Bitte“ des Senats trägt jedenfalls Früchte; denn kein unbedarfter Tourist erfuhr heute während unserer Stadtrundfahrt, welch kapriziöses Gebäude an der Kehrwiederspitze gen Himmel wächst und warum sein Anblick so dröhnend verschwiegen wird.

Eine Blamage für Hamburg – und ein peinlicher Beweis dafür, wie sehr die Stadt sich mittlerweile schämt für ein Projekt, das einst als das genaue Gegenteil geplant war: als hanseatischer Imagebooster.

Nach dieser derart kurios geendeten Rundfahrt ging es noch ins sogenannte Chocoversum, das angesichts seiner Größe und Ausstattung eher Chocohütte heißen sollte. Und trotz 9,50 Euro Eintritt rücken sie nicht mal eine kostenlose Rippe Schokolade raus – hach, Hachez, so wird das nix.


30 Dezember 2011

Die Diktatur des Gutscheins



Ms. Columbo
: Wir müssen unbedingt den Car2go-Gutschein einlösen. Der läuft Silvester ab.
Matt: Ich lasse mir doch von einem Gutschein nicht vorschreiben, wann ich Auto zu fahren habe!
Ms. Columbo: Zur Not fahren wir einfach zweimal um den Block.
Matt
: Das rettet die Welt aber nun wirklich nicht.

Dennoch kam es am Ende doch dazu, dass wir mal wieder dem anachronistischen Irrsinn des Autofahrens frönen werden.[1]


Ein Smart, den wir eine halbe Stunde lang kostenlos durch Hamburg bewegen können: Hat jemand einen Vorschlag, wohin? Und zu welchem Zweck?

[1] Präteritum mit Futur 1 zu kombinieren: Das traut sich auch nicht jeder.


29 Dezember 2011

Raus in Uelzen



Der IC strandete in Celle. Triebwerkschaden. Lange standen wir ratlos auf dem Gleis, ehe es weiterging, aber nur bis nach Uelzen. Hier war der Zug endgültig kaputt.

In Uelzen auszusteigen ist dank Susanne Fischer literarisch unabdingbar, praktisch aber möglichst zu vermeiden. Dort gibt es ja gewöhnlich nichts – heute aber immerhin den außerplanmäßigen Stopp des ICE aus München, der uns Havarierte liebevoll aufnahm („Kommen Sie, gehen Sie gleich in die erste Klasse!“, rief der Zugbegleiter) und weiter gen Hamburg transportierte.

„Ab 30 Minuten Verspätung gibt es eine Teilrückerstattung“, informierte ich Ms. Columbo, und da es bereits jetzt 35 waren, entschlossen wir uns, den zu erwartenden Geldsegen präventiv zu verfuttern. Im Speisewagen orderten wir Chili con Carne.

Man lieferte uns dazu einen Brotkorb von üppigster Ausstattung, den ich als posthume Backpfeife für Mitropa interpretierte. „Das sollte man fotografieren und an Rach mailen“, jubelte Ms. Columbo, die sich noch ungut an jene berühmte singuläre Minischeibe Brot erinnerte, die uns damals im Tafelhaus eine Livrierte mit großer Geste auf den Teller hub, ehe sie auf Nimmerwiedersehen entschwand in Rachs halbdunkler Räuberhöhle.

Sofort fotografierte ich den Brotkorb, um das Dokument an Rach zu mailen. Während des Chili con
Carne erreichten wir Lüneburg. Die Verspätung war noch immer befriedigend bis gut, und wir hielten sie locker bis Harburg, in Hamburg waren es weiterhin 35 Minuten. Damit hatten das Stranden in Celle und das Aussteigen in Uelzen etwas echt Gutes, was Susanne Fischer in ihrer nächsten Uelzen-Geschichte mitberücksichtigen sollte.

Vom Zugbegleiter ließ ich mir handschriftlich die Ankunftszeit bestätigen und begab mich vergnügt ins Reisezentrum, um die Teilrückerstattung entgegenzunehmen. „Wir sind erst mal in Celle liegengeblieben“, versüßte ich der jungen Frau hinterm Schalter die Lektüre meines inzwischen vielschichtigen Onlinetickets, „und dann mussten wir in Uelzen den Zug wechseln.“

Die Bedeutsamtkeit gerade letzterer Information schien der Frau trotz meiner kursivierten Sprechweise gar nicht recht bewusst zu sein; wahrscheinlich hatte das arme Hascherl Susanne Fischer überhaupt nicht gelesen. „Schließlich sind wir mit 35 Minuten Verspätung in Hamburg angekommen, deswegen hätte ich gern eine Teilrückerstattung.“

Sie schaute lächelnd hoch, legte das Köpfchen schief und klimbimberte mit den Lidern. „Das tut mir Leid“, sagte sie, „erst ab einer Stunde Verspätung. Da kann ich leider nichts machen.“

Ich war verdattert. Hatte mir nicht der mit allen Bahnwassern gewaschene Franke etwas von einer halben Stunde als Untergrenze der Rückerstattungsfähigkeit erzählt? „Aber … Ich dachte … 30 Minuten …“, stammelte ich, „hat sich das denn geändert?“

Noch immer trug sie ihr mädchenhaftes Tröstungsgesicht zur Schau. „Ach“, lächelte sie mich final in Grund und Boden, „da ändert sich immer mal wieder was.“

Und wer, frage ich, ersetzt uns jetzt das Chili con
Carne?
Also Rach bestimmt nicht.


19 Dezember 2011

Der Vorteil von Vorurteilen



Ms. Columbo möchte in „Mission impossible 4“, ich in „Jane Eyre“ – ja, in welcher Welt leben wir eigentlich? Das ist übrigens schon das zweite Mal, dass ich mir in den vergangenen Tagen diese Frage stellen musste.

Bei einem Presseempfang im Maritim-Hotel Reichshof war ich mit einer bereits etwas betagteren Kollegin ins Gespräch gekommen. Sie wirkte wie eine altgediente Vollhanseatin, die bewusst einer leichten Tendenz zum Kiezchic huldigte; so deutete ich jedenfalls ihre Staffage aus Echtpelzstola und etwas zu klobiger Perlenkette, die im etwas zu tiefen Dekolletee versank.

Ihr Sohn, so stellte sich im Gespräch heraus, ist in meinem Alter, was andersrum bedeutet: Die Kollegin mit der Echtpelzstola ist so alt wie meine Mutter – und war neulich in Köln.

Beim Metallica-Konzert.

„Aber nur“, raunte sie mir vertraulich zwischen zweimal Nippen am Schampus zu, „meinem Freund zuliebe. Ich mag AC/DC lieber.“

Ich überbrückte und vertuschte mein Erstaunen nun meinerseits mit einem ausgiebigen Nippen am Schampus. Das verschaffte mir genug Zeit, um im Stillen einer bereichernden Erkenntnis nachzuspüren, die vielleicht sogar das Zeug zum Aphorismus haben könnte.

Sie lautet: Wer keine Vorurteile hat, erlebt weniger Überraschungen – und führt ein uninteressanteres Leben.

PS: Nein, ich habe früher nie mit Puppen gespielt. Ehrlich nicht.

PPS: Wir waren dann doch in „Jane Eyre“. Aber nur, weil das Kino fußläufig zu erreichen war. Ehrlich!

14 Dezember 2011

Ein Anfängerfehler



Ms. Columbo
: „Wo hast du denn den gelben Schirm hingetan?“
Matt: „In die Abstellkammer. Wo hattest du ihn denn hergeholt?“
Ms. Columbo: „Aus der Abstellkammer.“
Matt: „Dann ist ja alles gut.“

Nun, das war gestern. Heute aber ist nichts mehr gut, gar nichts mehr. Der gelbe Schirm, das ist eine traurige Tatsache, wird nie mehr in die Abstellkammer zurückkehren.

Wir verließen kurz vor neun das Haus, es regnete, und ich spannte den gelben Schirm aus der Abstellkammer auf. Als wir auf die Reeperbahn einbogen, attackierte uns eine wilde Überraschungsbö von Osten, und mir unterlief der erste von zwei Deppenfehlern: Ich stemmte mich dagegen.

Der gelbe Schirm aus der Abstellkammer verbog sich sofort ächzend unter der Gewalt des Sturms, was zu meinem zweiten Deppenfehler führte: Ich drehte mich um. Sofort juchzte die Bö vor unverhofftem Glück, stürzte sich kopfüber in die kuschelige Heimeligkeit der Schirmhalbkugel und schlug sie in die falsche Richtung um.

Als ich endlich das einzig Richtige tat, also das, was ich trotz des Regens von Anfang an hätte tun sollen, nämlich das Gerät sofort zusammenzuklappen, war bereits nichts mehr zu retten.

Das gelbe Ding war binnen handgestoppten 3,4 Sekunden in ein Klappergestell zerlegt worden, und ich stopfte es missgelaunt in die nächstbeste Mülltonne – zu all den anderen Opfern, die noch vor kurzem im Besitz von Deppen gewesen waren.

Denn diese Panne hier war das Resultat eines lächerlichen Anfängerfehlers. Im nassen Hamburger Wind den Schirm aufspannen – das passiert normalerweise nur Touristen; also den gleichen Leuten, die auf Radwegen Hans-guck-in-die-Luft spielen und sich trotzdem nur unter allen Anzeichen der Empörung wegklingeln lassen.

Immerhin: Der gelbe Schirm war spottbillig. Ms. Columbo unterlaufen halt keine Anfängerfehler.

24 November 2011

Der Schlösserflop



Nimmt man die überschaubare Anzahl der Freundschafts- und Liebesschlösser als Maßstab, die neben der Kneipe Rutsche in der Friedrichstraße an einem eigens zu diesem Behufe angebrachten Gitter befestigt wurden, dann steht es ausgerechnet hier im Rotlichtviertel gar nicht gut ums Zwischenmenschliche.

Andererseits würde ich – selbst wenn ich die Absicht hätte, gemeinsam mit Ms. Columbo als Zeichen unserer unverbrüchlichen Liebe irgendwo ein Schloss anzubringen und sodann den Schlüssel in die Elbe zu werfen – einen extra dafür künstlich geschaffenen Ort wie diesen tunlichst meiden.

Und so scheinen auch die lieben Liebenden auf dem Kiez zu denken. Zumal der Verdacht naheliegt, dass die meisten der wenigen dort hängenden Schlösser auch noch von der Rutsche selbst befestigt wurden – sonst gäbe es wohl eine deutlich höhere Varianz. Doch im Grunde hängen dort nur zwei verschiedene Modelle.

Na ja: nice try, wie der Brite sagt.

08 November 2011

Keine Chance mehr für die Schanze?



„Also jetzt glaube ich auch, dass die Schanze gentrifiziert wird“, sagte Ms. Columbo, als wir gestern im Zirkusweg dieses Plakat auf einer Litfaßsäule erblickten.

Und das stimmt: Es gibt kaum ein stärkeres Indiz dafür, dass ein Stadtviertel von gehobener Bürgerlichkeit infiltriert wurde, als der Bau einer Waldorfschule.

Wenn man diese von einem esoterischen Rassisten gegründete und von seinem Denken weiterhin subkutan kontaminierte Verbildungseinrichtung erst mal im Viertel hat, dann ist alles zu spät. Schon das Deppenleerzeichen auf dem Plakat ist Vorbote verheerenden Unheils.

„Wo ist eigentlich der schwarze Block, wenn man ihn mal braucht?“, wäre mir deshalb beinah rausgerutscht. Doch zum Glück
wird das niemand je erfahren.

04 November 2011

Nein, Dylan wird hier nicht erwähnt



Das zu kleine Zeitfenster zwischen Arbeitsende und Konzertbeginn bietet eine gute Gelegenheit, in der o2-Arena mal wieder etwas Überteuertes mit ordentlich E-600-irgendwas zu essen.

Ms. Columbo nimmt eine Pilzpfanne, ich entscheide mich für eine kapitale Currywurst mit lecker Purinbasenstickstoff und heftig Polysacchariden. Dann geht es rein in den Saal zu Jean Michel Jarre.

Darf ich vorstellen: Das ist der Mann, der die Leinwandgöttin Charlotte Rampling erst ins Bett und dann vor den Traualtar verschleppte, nur um seine Ehe nach zwei Jahrzehnten per Seitensprung zu pulverisieren.

Auf Deutsch: Er hatte Rampling, rammelte aber auswärts. Nicht gerade jarremant, wenn Sie mir diesen Kalauer gestatten.

Auf dem Weg zu unserem Platz mussten wir auch noch über H. P. Baxxters lange Beine steigen. Und über die die seiner ebenso blonden, aber deutlich tiefer dekolletierten Begleitung.

Entscheidend aber war sowieso die Tatsache, dass wir heute Abend in der o2-Arena die gleiche Bühne vor uns sahen, auf der vor drei Tagen erst der Meister gestanden hatte, ganz ohne Laserlarifari.

20 Oktober 2011

Der Bürgermeister von Ottensen



Der Franke hat nicht nur ein neues Smartphone, sondern auch das standortbezogene soziale Netzwerk Foursquare entdeckt.

Jeden Ort, den er seither aufsucht, ob Bäckerei, Bordell oder Bierbar (wobei ein Element dieser Aufzählung nur aus alliterierenden Gründen aufgenommen wurde), meldet er jetzt seinem Foursquare-Freundeskreis und informiert so über seinen aktuellen Aufenthaltsort. Dafür kriegt er Punkte, und dort, wo er am häufigsten eincheckt, wird er von Foursquare zum Mayor erklärt, also zum Bürgermeister – wofür er noch mal Punkte bekommt.

Zur Klarstellung: Es handelt sich dabei um genau den gleichen Franken, der damals in den 80ern die Volkszählung boykottierte, um nicht zum gläsernen Franken zu werden. Kritische Nachfragen in diese Richtung wischt er allerdings unwirsch mit „Ach, ist doch nur eine Spielerei“ beiseite und checkt via Smartphone wieder irgendwo ein.

Währenddessen murmelt er Sachen wie „Ha, jetzt bin ich hier Mayor!“ oder „C. hat gerade in Nürnberg im Zeit & Raum eingecheckt, seinen Punktevorsprung hole ich nie mehr auf.“ Nur zu den Essenszeiten herrschen weiterhin ganz andere Prioritäten, außer zwischen zwei Bissen natürlich.

Neulich hat der erwähnte C., sein Hauptkonkurrent um den Punkterekord der Woche, das Büro des Franken in dessen Abwesenheit heimtückisch als neuen Foursquare-Ort angelegt, sofort eingecheckt und war dort plötzlich selbst Mayor. In des Franken hocheigenem Büro! C.!!!

Ein Affront, den der Spross eines traditionell auf Krawall gebürsteten Volksstamms als ernste Kampfansage interpretierte. „C. will Krieg? C. bekommt Krieg!“, rief der Franke aus und fing wieder hektisch an zu fingern. Inzwischen hat er sein Büro handstreichartig von C. zurückerobert, ebenso wie ein, zwei weitere Bürgermeisterposten im Raum Ottensen.

Ich habe mich jetzt auch mal bei Foursquare angemeldet, aus psychologischen Motiven. Die Frankenseele lässt sich schließlich nicht nur qua Außenschau ergründen. Genau hundert Punkte habe ich schon. Und in unserem Wohnzimmer bin ich unangefochten der Mayor, ob das Ms. Columbo nun passt oder nicht.

Seit gestern hat sie allerdings auch einen Account.

Sie will also Krieg? Sie bekommt Krieg!

PS: Das Foto zeigt einen der Orte auf St. Pauli, wo ich hinfort aus elementarem Eigeninteresse stets einchecken muss, wenn ich ihn betrete: die Herbertstraße.


30 September 2011

Nachträglich zum Bloggeburtstag



Vergangenes Jahr hatte ich noch dran gedacht. Diesmal aber musste mich schon punktgenau am 16. September der aufmerksame Herr blogspargel dran erinnern: an den nunmehr sechsten Bloggeburtstag.

Zeit also, die jährliche Statistik nachzureichen. Das abgebildete Schaubild zeigt die Besucherzahlen zwischen September 2010 und August 2011. Im Monatsschnitt 20.000 Flaneure und rund 30.000 Klicks: Das ist auf dem Niveau der letzten Jahre, da entwickelt sich nichts mehr, das ist solide und fein.

Insgesamt kommt die Rückseite der Reeperbahn seit 2005 auf 1,25 Millionen Besucher und 1,98 Millionen Seitenaufrufe. Wer hier vorbeischaut, verweilt 1:10 Minuten, was 44 Sekunden weniger sind als im vergangenen Jahr. Aber ich schreibe ja auch kürzere Texte, da kann ich nicht mehr verlangen.

Der Tagesschnitt liegt zurzeit bei 600 Besuchern und knapp 900 Klicks. Im Lauf der letzten sechs Jahre warf ich der Welt 2.078 Beiträge zum Fraß vor, das sind 340 mehr als bei der letzten Erhebung. Eine tägliche Frequenz gelang mir also auch in den vergangenen zwölf Monaten nicht, aber das muss ja auch nicht sein.

„Dann blogg halt mal nichts“, sagt Ms. Columbo immer, wenn mir gerade nichts auf- oder einfällt, und wer wäre ich, einen so weisen Rat geringzuschätzen? Jedenfalls blogge ich sowieso nur deshalb, weil neben Ms. Columbo auch Sie, meine Damen und Herren, hier unverdrossen mitlesen und mein Wirken kritisch, sarkastisch und mit erheblicher Eloquenz begleiten.

Man kann wirklich sagen, dass ich hauptsächlich deswegen hier Zeugs hinschreibe, um Sie – ja, Sie! – zum Schreiben zu bewegen. Eine Aktion ohne Reaktion hat ja gleichsam nicht stattgefunden; und deshalb verdirbt mir ein unkommentierter Blogbeitrag praktisch den ganzen Tag.

„So lange die nicht kommentieren“, rufe ich dann manchmal pathetisch Ms. Columbo zu, „schreibe ich auch nix Neues!“ Mit Trotzen und Schmollen käme ich auch nicht weiter, erwidert sie dann, aber das ist mir doch egal.

Wenn Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Blog im siebten Jahr seines Bestehens also endlich abwählen wollen, dann wissen Sie jetzt, wie das zu bewerkstelligen ist.


Gilt natürlich auch fürs Gegenteil.

18 September 2011

Die Moleküle des Mittelmeers



Zu neunt über die Alpen – das klingt nach Expedition und Abenteuer, hat seine Ursache aber nur in einem extrem dünnbesiedelten Reisebus (Foto: die obere Etage).

Auf dem Schiff beginnt das Schicksal umstandslos damit, uns härteste Prüfungen aufzuerlegen. Aus einem Prospekt nämlich erfahren wir von der Existenz eines SCHOKOLADENBRUNNENS.

„Ich habe Angst davor“, gestehe ich Ms. Columbo.
„Ich habe auch Angst“, erwidert sie.

Noch ist nichts passiert. Aber wir wissen inzwischen, wo er steht, der Brunnen. Und ich habe eine Frau gesehen, die von dort kam, mit einer Tasse schwarzbrauner Schokolade in der einen und einem Croissant in der anderen Hand.


Übrigens wüsste ich gerne, wie viel Prozent der Moleküle des Mittelmeerwassers heute noch identisch sind mit denen von vor tausend Jahren (aus Gründen übrigens, die damit zu tun haben, nachts in seidenmilder Luft auf dem Schiffsbalkon zu liegen).


Plausible Theorien bitte in den Kommentaren.