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16 Juni 2011

Fundstücke (138)



Diesen von Bitterkeit kontaminierten Vorwurf multipliziere ich hier gern, trotz bedenklicher Rechtschreibung. Am interessantesten ist ein Nebenaspekt: die fehlende Forderung nach Rückgabe.

Das zeugt – bei aller Empörung – von einem ungebrochenem Realitätssinn, der in dieser ausgeprägten Form wohl nur auf dem Kiez zu erwerben ist. Und zwar kostenlos.

Entdeckt an einem Bauzaun am Grünen Jäger, St. Pauli.

01 April 2011

Gebratene Eier wären jetzt lecker (gewesen)



Ich bin ganz ruhig.
ICH BIN GANZ RUHIG.

Halten wir die Sache also sachlich und frei von negativen Emotionen.

Zum Thema: Mir wurde wieder mal mein Fahrrad gestohlen. Es war der sechste Fall dieser Art. Mein Fahrrad war mit einem angeblich unzerstörbaren Abus-Kettenschloss an einem weiterhin unversehrten Geländer vor der Kindertagesstätte in der Seilerstraße angeschlossen.

Es handelt sich dabei um ein Batavus-Hollandrad mit leuchtend blauer Zweitklingel (die auf dem Foto leider noch nicht zu sehen ist). Wer mir Hinweise auf den Dieb oder den Verbleib des Fahrrads geben kann, wird reich belohnt.

Ansonsten bin ich ganz ruhig. ICH BIN GANZ RUHIG. Abgesehen von der Tatsache, dass ich dem Täter gerne die Testikel abschneiden, sie anschließend pürieren, braten und ihm in den Schlund stopfen möchte. Aber das nur nebenbei.

(Dieser Text stand für kurze Zeit
am Dienstag schon mal hier, entpuppte sich aber als völliger Quatsch, weshalb ich ihn wieder runternahm, was allerdings einige irritierte Nachfragen hervorrief. Inzwischen verfüge ich jedenfalls wieder über das Fahrrad, weil mir irgendwann einfiel, wo ich es in Wirklichkeit angeschlossen hatte. Es tat trotzdem erschreckend gut, diesen Text zu schreiben, besonders den letzten Absatz. Ich bereue nichts. Deshalb und als Dokument spontan aufflammender, aber hoffentlich singulärer Senilität soll er nun hier doch noch eine langfristige Heimstatt finden.)

17 März 2011

Duo wider Willen



Ich hatte mein Fahrrad an einen bereits von einem weiteren Fahrrad benutzten Pfosten vorm Mercado angeschlossen. Als ich zurückkam, war meins plötzlich ans Nachbarrad angekettet, und ich konnte nicht mehr weg.

Noch ehe ich empört zu Maßnahmen greifen konnte, die ich später gewiss bereut hätte, stand unversehens ein massiger Mann vor mir, dessen körperliche Fülle durch babyhaft weiche, wenngleich grobporige Gesichtszüge noch unterstrichen wurde. Zudem umspielte exakt jenes bittere Lächeln seine Mundwinkel, welches weniger von Amüsiertheit als mühsam unterdrücktem Ärger herrührte.

„Sie haben mein Fahrrad an Ihres angeschlossen“, sagte er überraschend genau jenen Satz, der mir ebenfalls auf der Zunge lag und mir nun ein beschämend defensives „Wie bitte?“ aufzwang.

Zweifellos, vor mir stand der Fremdfahrradlenker, mein unbekannter Nachbar am Pfosten. Und in der Tat hatte ich, wie eine für mich wenig schmeichelhafte Beweisaufnahme ergab, versehentlich mein Kettenschloss durch jenen Halbkreis geführt, den sein überdünner, quasi unsichtbarer Bremszug in die Luft zwischen Lenker und Vorderrad malte. Das alles lag auf der Hand, auch jetzt noch, es war die berühmte smoking gun, und dadurch geriet ich natürlich sofort entscheidend in die Defensive.


Nachdem der Mann jedenfalls bei seiner Rückkehr das Malheur entdeckt hatte, beschloss er, den Spieß umzudrehen und mein Fahrrad nun auch mit seinem zu verbinden. Doppelt hält halt besser; jeder zufällig vorüberflanierende Gelegenheitsfahrraddieb hätte verzweifelt von diesem aneinandergeschmiedeten Drahteselduo abgelassen.

Anschließend hatte sich der zum Verweilen verdammte Mann verärgert ins Bistro gegenüber ans Fenster gesetzt und die Lage im Blick behalten, bis ich auftauchte. Nun, da er mich in flagranti gestellt hatte, war eine für mich durchaus peinliche Situation entstanden, von der ich sofort wusste, dass sie heute Abend – also jetzt – verbloggt und mit dem Etikett „Panne“ versehen werden würde.

Ich entschuldigte mich wortreich und versuchte abschließend, mit einem mitfühlenden „Haben Sie lange gewartet?“ sein bitteres Lächeln in ein nachsichtiges zu verwandeln. Was allerdings nur unzulänglich gelang.

„Ich habe einen Kaffee getrunken“, antwortete er so schmallippig, wie es seinem übergroßen Babymund möglich war, während er sein Fahrrad abschnallte und ich meins. „Darf ich Ihnen den bezahlen?“, charmierte ich. „Gut“, sagte er.

Und so kam es, dass ich mitten auf der Straße einem Wildfremden eine Zwei-Euro-Münze in die Hand drückte, ohne dass der Mann ein Bettler war.

Wahrscheinlich muss ich nicht erwähnen, dass der Franke sich im Hintergrund beömmelte bis an den Rand des Schließmuskelversagens.

Und deshalb tu ich’s auch nicht.

PS: Das abgebildete Rad zeigt natürlich nicht meins, sondern ein ganz anderes, dem es erheblich schlechter ergangen ist, als nur aus detektivischen Gründen angekettet zu werden. Man muss schließlich immer die Relationen sehen.


15 Dezember 2010

Erwischtwerden macht glücklich



Eine sogenannte CC-Karte berechtigt in Hamburg zur Nutzung aller öffentlichen Verkehrsmittel innerhalb des gewählten Bereichs, nur weder vor 9 noch zwischen 16 und 18 Uhr.

So eine CC-Karte habe ich im Abonnement. Allerdings bleibt sie meist ungenutzt, da ich praktisch das ganze Jahr über Fahrrad fahre. Nur vor Regen schrecke ich zurück. Und vor Glatteis.

Wenn ich also mal wetterbedingt ohne Fahrrad unterwegs bin und um 17 Uhr das Büro verlasse, müsste ich eigentlich Bahn oder Bus in Anspruch nehmen; allerdings befinde ich mich dann mitten in der Tabuzeit.

Der Kauf einer Kurzstreckenkarte für 1,30 enthöbe mich dieses Problems, doch davor scheue ich zurück, da mein Monatsabo bereits bezahlt ist, aber dank meiner Fahrradphilie sowieso viel zu selten genutzt wird. Ein Dilemma, geboren aus Relikten einer protestantisch-askestischen Erziehung und selbsterworbenem Geiz.

Neulich verfiel ich auf den Gedanken, die Stunde, die meine CC-Karte nach Feierabend noch ausgesetzt ist, bei ein, zwei Bier im Aurel abzubummeln, um so den Kauf der Kurzstreckenkarte zu vermeiden. Eine Kosten-Nutzen-Abwägung beider Varianten ergab allerdings eine insgesamt betrübliche Gesamtbilanz.

Wenn es richtig schüttet, kaufe ich also meist die elende Kurzstreckenkarte. Gestern nun war ich morgens mit dem Fahrrad ins Büro gefahren, musste nachmittags aber feststellen, dass Hamburg inzwischen zu einem komplett radeluntauglichen Wintermärchen verkommen war, mit Glatteis, verunglückten Autos, unästhetisch herumeiernden Taumlern und allem Drum und Dran.

Kein Fahrradwetter, oh nein! Also schob ich das Gefährt zum Bahnhof Altona, löste eine blödsinnige Kurzstreckenkarte und fuhr nach Hause. Am Ausgang des Bahnhofs Reeperbahn stoppte mich eine Phalanx blauuniformierter HVV-Männer.

Ich zeigte müde meine Kurzstreckenkarte vor und begehrte Durchlass, als einer von ihnen sagte: „Wir haben ein Problem: das Fahrrad.“

In Sekundenbruchteilen ersetzte mein Lymphsystem das kursierende Feierabenddopamin komplett durch eine volle Dröhnung Adrenalin – denn der Mann hatte verdammt recht: In der CC-Tabuzeit darf man auf gar keinen Fall Fahrräder mit in die Bahn nehmen.

Ausladende Drilliingskinderwagen mit 48 Reifen, Anhängerkupplung und aufgepflanztem Baukran: jederzeit erlaubt. Aber keine Fahrräder. Lebensgefahr durch Glatteis reicht aus blauuniformierter Sicht als Entschuldigung nicht aus, denn ich hätte das Rad ja auch in Altona anketten können.

Knurrend überreichte ich dem fein lächelnden Kontrolleur den verlangten 10-Euro-Schein. „Wenn es Sie tröstet“, sagte er, „das ist eine unserer niedrigsten Strafgebühren überhaupt.“

Komischerweise tat es das wirklich. Ich schlitterte nach Hause mit dem recht beschwingten Gefühl, ein Schnäppchen gemacht zu haben.

Versteh einer die Kapriolen der Körperchemie.

14 April 2010

Verfahren eingestellt



Heute erhielt ich in Sachen Fahrraddiebstahl Post von der Staatsanwaltschaft Hamburg.

„Das Verfahren“, teilte man mir ohne jede subkutane Empathie mit, sei „eingestellt worden, weil der Täter nicht ermittelt werden konnte.“ Für eine Anzeige, die ich erst am 23. März 2010 aufgab, eine recht zügige Einstellung des Verfahrens, ehrlich gesagt.

Aber wahrscheinlich hat die Staatsanwaltschaft einfach mit absolutem Hochdruck losermittelt, schließlich ist es MATT, sagte sie sich gewiss, dem das Fahrrad entwendet wurde, also werfen wir uns mit aller verfügbaren Manpower hinein in den Fall, nach dem Motto: besser kurz und intensiv als lang und lasch.

Das Ergebnis allerdings ist insgesamt weniger lustig als die Stuhlhusse mit Kellerfalte, die ich neulich im Aldi-Sortiment entdeckte.

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07 April 2010

Aber Bolzenschneider, schon klar

Okay, fassen wir mal zusammen:

1. wurde mir neulich zum insgesamt fünften Mal auf dem Kiez ein Fahrrad geklaut.
2. habe ich mir vergangene Woche ein neues (gebrauchtes) Rad gekauft, und …
3. hat Penny auf der Reeperbahn seit heute BOLZENSCHNEIDER im Angebot.

In Worten: BOLZENSCHNEIDER. Welcher Schluss ist wohl aus dieser Faktenkette zu ziehen? Jedenfalls bin ich froh, 41 Tacken in ein angeblich bolzenschneiderfestes Kettenschloss investiert zu haben.

Apropos Penny: Heute war ich mal wieder da, um meine Lieblingsschokolade zu kaufen, „Ritter Sport Dunkle Voll-Nuss“. Ärgerlicherweise aber hatten sie sie nicht. Alle anderen Sorten lungerten dumpf und stumm herum, sogar die hellen Nichtschokoladen und die joghurtverseuchten. Aber keine dunkle Voll-Nuss.

Ich erlebe das ständig. Neulich bei Real habe ich sogar mal das entsprechende und natürlich leere Fach fotografiert. Dabei müsste mein stadtstaatweit berüchtigter Verbrauch dieser Sorte eigentlich einen derartigen Bedarf bei Ritter Sport anmelden, dass das Aufstellen von Extradisplays nur für Voll-Nuss in sämtlichen Supermärkten der Stadt die Geschäftsidee des Jahres wäre.

Stattdessen präsentieren sich mir dutzendweise spätdekadente Sorten wie „Pfefferminz“ oder „Schoko-Duo“, ja sogar indiskutable Pseudoschokoladen wie „Vollmilch“. Wer (fr)isst so was?

Aber Bolzenschneider im Angebot haben, schon klar. Und was legt der Typ in der Kassenschlagne vor mir, ein verschlagen dreinschauender Mittelscheitel- und Dreitagebartschattenträger mit fetttriefenden Haaren und dem Fluidum des professionellen Vertickers von Fahrrädern, die nachts in Billstedt vom Laster gefallen sind, aufs Band?

Nein, keine „Ritter Sport Dunkle Voll-Nuss“.

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01 April 2010

Gutes Rad ist wohl doch teuer

Das neue Fahrrad, welches das gestohlene Kalkhoff seit einigen Tagen im Grunde recht tapfer ersetzt, macht Ärger. Der erste Gang springt immer eigenmächtig raus, obwohl ihm nichts dergleichen nahegelegt wurde, im Gegenteil: Er soll drinbleiben, vor allem bei Steigungen (ja, die gibt es in Hamburg!).

Im Fahrradladen fuhr man kopfschüttelnd Probe und erklärte, der erste Gang sei bei ihnen brav dringeblieben. Hmpf. Trotzdem sprühten sie die Schaltung vorsorglich mit einem Wunderspray ein, murmelten etwas von einer nun gut geölten Feder und entließen mich frohen Mutes.

Auf dem Weg nach Hause nutzte der erste Gang die erstbeste Gelegenheit, um feixend rauszuspringen. Ich fuhr zurück und sagte mit erzwungener Ruhe, der erste Gang spränge weiterhin feixend raus, und sie sollten bitte etwas dagegen TUN.

Daraufhin tauschten sie murmelnd und kopfschüttelnd das Teil am Lenker aus, bewegten das Hebelchen lustig rauf und runter, hoben das Hinterrad an, traten forsch in die Pedale, und siehe, es war gut.

Auf dem Weg nach Hause sprang der erste Gang raus, er hatte ja auch schon Übung.


Warum muss das Leben immer so kompliziert sein?, frage ich mich nun und würde mir längst – schwankend zwischen Weh und Wut – die Haare raufen, wenn das noch ginge. Warum können die Dinge nicht einfach mal FUNKTIONIEREN, wenigstens für ein paar Tage im Jahr? Wenn es schon nicht Frühling werden will?

Ich fuhr zurück zum Fahrradladen und verlangte schmallippig Reparatur, andernfalls ich auf einen Austausch des kompletten Rades bestünde. Murmelnd und kopfschüttelnd nahm man das Rad entgegen und stellte eine Behebung des Problems bis Samstagabend in Aussicht.

Und als reichte das nicht für einen Tag, machte heute Abend dann auch Sky wieder Zicken. Nur fing diesmal der Skymann an zu brüllen und nicht ich. Er brüllte: „ICH MÖCHTE NICHT, DASS DIESES GESPRÄCH ESKALIERT!!!“

Vielleicht sollte ich mir von einer zuverlässigen Quelle einfach mal eine tiptopgepflegte Chromaxt ausleihen. Ostern wäre ja viel Zeit zum Üben.


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24 März 2010

Warum immer ich?



Du sozialsedierter Parasit, du Affenarsch mit hoffentlich progressiv wachsenden Warzen am Anus, du hirngegrillte Stinkmorchel, du Prototyp rekordverdächtiger Armseligkeit, der du heute MEIN FAHRRAD GEKLAUT HAST:

Möge dir die verrostete Sattelstange dort dauerhaft steckenbleiben, wo die größte Streptokokkenarmada seit Erfindung der Ruhr ihre Einstandsparty als deine Dauermietnomaden feiert!

Auf der Davidwache, wo ich wieder mal den Diebstahl anzeigte, pustete die augenblicklich deprimierte Polizistin tief durch, als ich mit meinem Anliegen ankam. Dann setzte sie sich sich erschlaffend an den Rechner, und zwar mit jener speziellen Erschlafftheit, die nur solche Polizisten befällt, die einst, als sie sich für den Dienst bewarben, von einer Karriere als gefeierte Serienkillerjäger träumten.

„Was ist Ihnen eigentlich lieber“, fragte ich sie, um sie aufzumuntern (dabei war ich das Opfer!), „das hier oder ein Banküberfall?“ Sie musste prusten, aber mehr vor Überraschung. „Es gibt natürlich interessante Fälle“, sagte sie, und ich registrierte mit Wohlgefallen, dass sie sorgsam den Komparativ vermied, „aber diese Arbeit muss auch getan werden.“

Ich hatte das durchgesägte Schloss aus einem Mülleimer in unmittelbarer Nähe des Tatorts gefischt und präsentierte es ihr nun in der Hoffnung, sie möge es erkennungsdienstlich behandeln. „Vielleicht sind Fingerabdrücke drauf“, insinuierte ich.

„Ist die Oberfläche glatt?“, fragte sie, während sie fatalistisch die Rahmennummer meines Rades aus dem Fahrradpass ins Dokument übertrug. „Na, halt so eine plastikummantelte Stahlkette“, sagte ich und kramte das Corpus delicti aus der fingerabdruckschonenden Plastiktüte. Sie schaute desinteressiert hoch. „Zu glatt“, murmelte sie und tippte weiter.

Irgendwie habe ich das Gefühl, es war für uns beide ein Scheißtag. Nur nicht für diese hirngegrillte Stinkmorchel, aber da vertraue ich einfach auf die Rache meiner verrosteten Sattelstange.


PS: Wer irgendwo das abgebildete Fahrrad herumstehen sieht, möge mich anmailen. Inzwischen hat es eine feuerrote Klingel, die einen reizvollen Kontrast bildet zum restlichen Marineblau.

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02 Dezember 2009

Schtand licht hat viele Vorteile



Der Fahrradladen meines bedingungslosen Vertrauens kam hier im Blog schon mal vor, und zwar auf etwas delikate Weise.

Nach einem mehrmonatigen Interimsdomizil in der Clemens-Schultz-Straße ist er vor einiger Zeit wieder zurückgezogen in sein Stammhaus in der Talstraße, und ebendort wurde ich heute
mal wieder erzwungenermaßen und dennoch freudig vorstellig. Nach meinem dilettantischen Versuch nämlich, die hintere Lampe zu reparieren, ging nun auch die vordere nicht mehr. Irgendetwas Rumpeldummes hatte ich mit den Kabeln angestellt, mir passiert so was immer.

Eine komplett defekte Belichtungsanlage ist dummerweise ein Manko, welches die Hamburger Polizei derzeit mit einer Gnadenlosigkeit verfolgt, die an die damalige Fahndung nach Albaner-Willi erinnert. Deshalb musste ich in den Fahrradladen.

Als ich dort meinen Anteil am Problem beschönigungslos geschildert hatte, kümmerte sich sogleich der Chef um mich. Er ist ein kleiner gedrungener Mann mit gemütlicher Frontwölbung, der stets schüchtern lächelt und so eine grundsympathische Melancholie verströmt. Da die augenblicklich in Angriff genommene Reparatur etwas länger dauerte, konnte ich mich umsehen.

Erstmals in meiner langen Karriere als Ladenbesucher nahm ich die Ausstattungsmerkmale der Fahrräder auf den angehefteten gelben Zetteln in Augenschein. Ein hochinteressantes Studienobjekt. Sie sind per Hand beschriftet, wahrscheinlich vom Chef persönlich.

Da gibt es zum Beispiel ein „Renrad“ mit beeindruckender „Rahmen grose“. Viele Modelle verfügen lobenswerterweise über eine „Rücktred Brems“, was ich aus Sicherheitsgründen unterstützenswert finde.

Und hätte ich just ein paar Euro mehr zur Hand gehabt, wäre es gewiss eine Überlegung wert gewesen, Ms. Columbos allzu schmalen Fahrzeugpark um das ausgelobte Damenrad mit „schtand licht“ und „und plad bare Reifen“ zu erweitern. Zumal es über „3 gönge“ verfügte, wenn auch nicht über „Bremz scheiben“.

Inzwischen war Cheffe fertig, er hatte meinem Fahrrad hinten ein „schtand licht“ montiert. „Mit LED“, sagte er stolz und melancholisch, „die lade auf, wenn trede. Un brenne weider an Ampel.“

Genauso muss es sein. Hoffentlich geht bald wieder was kaputt an meinem Rad.


17 September 2009

Kein Eintrag über des Franken Fahrradpolitik

Der Franke verfügt nicht nur über eine außergewöhnliche, geradezu extraterrestrisch anmutende Ess-, sondern auch über eine außergewöhnliche Fahrradstrategie.

Sie sieht folgendermaßen aus: Er kauft sich auf dem Flohmarkt ein gebrauchtes Rad, meist unter vertrauensseliger Einholung meines fatalen Ratschlags. Nur wenige Tage später allerdings geht das Teil zum Deibel.

Manchmal lässt er es dann lustlos noch mal reparieren, doch bereits beim nächsten Achsenbruch kettet er es eingeschnappt draußen irgendwo an, damit es Zeit hat, über sein Fehlverhalten nachzudenken.

Am Wochenende drauf stampft der Franke dann mit mir im Schlepptau zum nächsten Flohmarkt und kauft unter Berücksichtigung meiner auf nichts gründenden Qualitätsexpertise ein weiteres äußerlich passables, innerlich jedoch hüft- und lendenlahmes Rad. Der Zyklus beginnt dann von vorne.

An der mobilen Grundsituation des Franken ändert sich trotz aller Fahrradkäufe freilich nie etwas: Er schlurft durch Hamburg, oder er fährt Bus und Bahn.

Im Lauf der Jahre hat er so diverse invalide Räder über ganz Eimsbüttel verteilt. Tagein, tagaus fristen sie an irgendwelchen Pfosten ein elendes frankenloses Dasein, werden weder gefettet noch aufgepumpt, ja, es gebricht ihnen ganz und gar an menschlicher Zuwendung.

Das fällt natürlich über kurz oder lang der Polizei auf. Sie pappt also rote Warnschilder an die verwaisten Zweiräder (Beispielfoto), die eine baldige Entsorgung derselben androhen. An dieser Stelle der Entwicklung allerdings wird der Franke doch wieder erstaunlich aktiv.

Denn der Halb- bis Dreiviertelirre schreitet von Zeit zu Zeit seine brachliegenden Radifundien ab, baldowert ihren designierten polizeilichen Abwrackstatus aus – und sobald er ein rotes Warnschild an einem seiner Räder entdeckt, reißt er es umstandslos ab.

Der Franke missgönnt seinen abgelegten Exrädern also ein Ende in Würde. Stattdessen verlängert er mutwillig ihre Agonie. Was das für ein fahles Licht auf seinen Charakter wirft, habe ich ihm allerdings bisher noch nicht explizit auseinandergesetzt.

Zu groß ist die Furcht, er könnte meine Rolle bei der jeweiligen Beschaffung dieses Mobilschrotts näher unter die Lupe nehmen. Und ob das ergebnisoffen geschähe, das wage ich mal zu bezweifeln.

Deshalb halte ich einfach meine Klappe – und blogge nicht mal drüber.


09 Juni 2009

Nicht sattelfest

Den Menschen, der mir gestern vorm Haus den Fahrradsattel samt Rohr entwendet hat, verstehe ich genauso wenig wie jenen, der das abgebildete Graffito ans Musicalhaus am Spielbudenplatz sprühte.

Doch ich mache dem Dieb keinen Vorwurf. Nein, mich selbst muss ich bezichtigen. Mich und meine zuletzt unmerklich angewachsene Bequemlichkeit, die mir irgendwann überzeugend einzuflüstern vermochte, es sei völlig Banane, abends immer den Sattel abzuschrauben und bis zum nächsten Morgen sicher in der Wohnung zu lagern.

Also, Unbekannter: Werde glücklich mit Sattel und Rohr, ich mach dir keinen Vorwurf. Doch solltest du dereinst mal die Krätze kriegen (was ich dir natürlich nicht wünsche), dann möge es bitte genau dann passieren, wenn du mit auf dem Rücken gefesselten Händen in einer Ausnüchterungszelle zu dir kommst, wo man dich blöderweise übers Wochenende vergessen hat.

Übrigens ist der Drang, sich zu setzen, wenn man mit einem Fahrrad ohne Sattel durch St. Pauli öttelt, praktisch unwiderstehlich.

Aber jetzt geht es schon wieder.



04 Mai 2009

Ranz und Elend

Eine Viertelstunde Brötchenholen reicht, und man ist wieder auf dem Boden aller Tatsachen.

10.45 Uhr. Mitten auf dem Gehweg der Reeperbahn liegt einer in Sack und Asche und pennt. Als Kopfkissen fungiert seine schwarzverfärbte Hand. Fünf Meter entfernt geraten zwei Typen aneinander. Einer brüllt irgendwas, der Angebrüllte wird von seinem Kumpel weggezogen, „Komm, wir gehen, lass ihn!“, sagt er hastig und hat Angst im Blick.


(Angst ist ein sehr guter Ratgeber auf dem Kiez.)

Der Schläfer auf dem Gehweg schläft ungerührt weiter. Inzwischen sind die Streithähne schon 20 Meter auseinander, doch der, der eben brüllte, brüllt immer noch – na ja, Hunde, die bellen, und so weiter …

Vor den Backwaren bei Penny steht ein Mann mit verfilzter Graumähne und weißverdreckten Schlabberjeans. Er stiert mit gesenktem Kopf ins Regal und beschimpft die Brote. Sie können nichts dafür!, möchte man ihm zurufen. Doch es würde nichts nützen, überhaupt nichts.

Als ich draußen mein Fahrrad vom Mast abschnalle, liegt plötzlich ein schwarzer Stringtanga hinterm Hinterreifen. Vorher lag er m. E. noch nicht da. Ich schaue mich interessiert um, entdecke aber nirgends eine potenzielle Eigentümerin.

Auf der Fahrt durch den Hamburger Berg (Beispielfoto) schaffe ich es nicht, alle Scherben zu umfahren. Eine bohrt sich ins Vorderrad und klackt bei jeder Umdrehung kurz und hell aufs Kopfsteinpflaster.

Ich halte an, ziehe sie raus, es pfeift nicht; erst Stunden später wird der Reifen platt sein, insgesamt kostet mich die Viertelstunde Brötchenholen schließlich 22 Euro.

Hinter mir klirrt es, die nächste Flasche geht den Gang alles Irdischen. Ein paar Jungs johlen, sie übertönen kurz den Hardrock aus dem Goldenen Handschuh, der Kneipe, vor der sie stehen und Flaschen zertrümmern. Ranz und Elend des Kiez …

Es ist kurz vor 11, der Tag hat erst begonnen. Oder die Nacht ist noch nicht zu Ende – so genau weiß man das hier ja nie.


10 Januar 2009

Unter Null



Wenn man (wie ich) Anfang Januar feierlich die Fahrradsaison für eröffnet erklärt, dann sollte man unbedingt darauf achten, einen mittleren Gang eingelegt zu haben, bevor die Schaltung einfriert.

Passiert das nämlich im ersten, juckelst du über den Kiez wie ein Frettchen auf Speed; ist der siebte drin, erinnert dein Bewegungsablauf an einen gestrandeten Pottwal.

Kurz: Es ist frisch auf St. Pauli. Träge Eisschollen reiben sich an der Cap San Diego wie der Eber am Nadelholz. Und ich komme im vierten Gang noch ganz passabel die Helgoländer Allee hoch, ohne wie ein Volldepp auszusehen.

Hoffe ich mal.



09 November 2008

Keine Liebe mehr unter den Menschen

In der Schmuckstraße steht eine noch nie gesehene Transe im erhöhten Hauseingang. Sie versucht, arrogant dreinzuschauen, um ihre Novizennervosität zu übertönen (so reime ich mir das jedenfalls zusammen).

Ihre übertrieben blonde Langhaarperücke leuchtet im Mondlicht, ihr schwarzer, per Gürtel brutalstmöglich taillierter Lackmantel glänzt wie eine Speckschwarte. Sehr beeindruckend.

Radfahrer beachtet sie traditionsgemäß nicht, was mir zupass kommt, denn ich bin auf dem Weg in die Große Freiheit, wo die wortlose schottische Band Mogwai spielt.

Ihr Gitarrensound ist zäh wie Akazienhonig, der über Nacht draußen auf dem Balkon gestanden hat, und wenn man Richtung Bühne geht, mutiert man peu à peu zum Sandsack, auf den gerade Vladimir Klitschko einschlägt, dem irgendwer die Reifen seines Ferrari plattgestochen hat, oder was immer auch der Ukrainer für ein Auto fährt.

Jedenfalls verziehe ich mich schleunigst wieder nach hinten in Thekennähe, wo
mir ausreichend dämmende Leiber die Trommelprügel vom Leib halten. Dreimal drücke ich die Kamera an einen Pfeiler, um im Schummerlicht das Foto nicht zu verwackeln, dreimal rempeln mich tumbe Biertransporteure an, ohne sich zu entschuldigen.

Es ist keine Liebe mehr unter den Menschen.
Und Mogwai sind heute Abend langweilig.

Der Slalomkurs nach Hause führt vorbei an Pisspfützen, Scherbenhaufen und taumelnden Biertransporteuren, die mir hirnlos vors Rad stolpern und sich nicht mal entschuldigen.

Vielleicht liegt es daran, dass ich traditionsgemäß auf dem Gehweg fahre.


27 Oktober 2008

Das lange Warten auf Amy



Nach einem dienstlichen Termin im Alten Wandrahm entschließe ich mich in einem Anfall von montäglichem Masochismus, längs durch die Speicherstadt gen St. Pauli zu radeln. Also immer lang am Fleet über Stock und vor allem Stein.

Tausende Wackermänner später fühle ich mich eher geschüttelt als gerührt und vor allem bestens durchmassiert. Ein idealer Zustand, um abends das Konzert von Amy MacDonald in der Großen Freiheit zu besuchen.

Die Frau aus Bishopbriggs redet ein mühsam als Schottisch zu deutendes Kauderwelsch, das – wäre sie Deutsche – wohl dem Vollsächsischen entspräche und entsprechend für Heiterkeit sorgte. Wenn sie zum Beispiel „about“ zu sagen versucht, klingt das eher nach „a boat“, und das bedeutet ja etwas ganz anderes. Das aber sollen wir erst viel später erfahren, denn die Dame ziert sich.

Wir warten. Und warten. Zeit zum Umschauen. Empirisches Ergebnis: Wir haben hier ein erstaunlich gesetztes Publikum.

Es gibt Lederjackenmänner mit Holstenhüftgold und Warsteinerwampe, es stehen herum Bubikopfblondinen in Puffärmelblusen und koketten Kunstlederwestchen, deren graumelierte Begleiter farblich fein darauf abgestimmte Jacketts zu Designerjeans tragen.

Es gibt doppelbekinnte Bank-, vielleicht auch Versicherungsangestellte mit dezent linierten weißen Oberhemden, deren Ärmel die ganze Zeit zugeknöpft bleiben. Zudem ist die Quote der leicht bis mittel Adipösen erstaunlich hoch für einen Abend mit Amy MacDonald, die so langsam aber wirklich mal anfangen darf.

Ich frage mich, wie lange sie noch ihren Auftritt verzögern könnte, ehe die Bubikopfblondine, der Lederjackenmann, der zugeknöpfte Hemdsärmel und die Armada der leicht bis mittel Adipösen empört genug wären, um als verschmolzener Mob die Bühne zu stürmen und ein für alle mal ein Fanal zu setzen gegen zu spät auftretende Künstler.

Meine Schätzung: drei Stunden. Doch dazu kommt es nicht – dafür aber Amy und ihr „a boat“.

Zeit, über den Transenstrich nach Hause zu radeln. Nirgends Kopfsteinpflaster.


13 August 2008

Ruhe sanft, Citystar

Es ist immer das Gleiche, verdammt. Alle zwei bis vier Jahre schlurfe ich – enttäuscht von der Menschheit im Allgemeinen und den Kiezgestalten im Besonderen – zur Davidwache und melde dort den Diebstahl meines Fahrrads.

Mein guter, alter Citystar-Drahtesel: Jetzt hat es auch dich erwischt, direkt vor der Haustür. Obwohl ich stets ein altes billiges Fahrrad auf dem Flohmarkt schieße, um die Klaugefahr zu minimieren, trage ich es in den ersten Wochen abends stets hoch in die Wohnung und am nächsten Morgen wieder runter.

Nach einer gewissen Karenzzeit folgt dann eine Phase, in der die Hochtragdisziplin zu bröckeln beginnt. Zunächst noch selten, bald immer öfter schließe ich es vorm Haus an Geländerstangen an, meist, wenn ich eine gute Ausrede habe, zum Beispiel eine Saftkiste unterm Arm. Irgendwann aber wird das Nichthochschleppen zur Gewohnheit, auch ohne Saftkiste. Bei Wind und Wetter steht hinfort das treue Gefährt duldsam im Freien und wartet auf Herrchens nächsten Ausritt.

So geht das zwei bis drei Jahre lang, und dann ist es wieder soweit: Ich schlurfe – enttäuscht von der Menschheit im Allgemeinen und den Kiezgestalten im Besonderen – zur Davidwache und melde dort den Diebstahl.

Diesmal traf es also das Citystarrad. Nie werde ich seine robusten sieben Gänge vergessen. Oder seine regelmäßig versagenden Lampen, vorne wie hinten. Der Lenker schien immer ein klein wenig schief zu stehen, dennoch fuhr das sympathische Rad zuverlässig geradeaus – ein kleines Kunststück, welches ich bis zuletzt an ihm bewundert habe. Na gut, das mit dem kaputten Tretlager (40 Euro) hätte nicht sein müssen, zumal es geruhte, erst kurz vor dem gewaltsamen Verlust um Austausch zu betteln. Doch jetzt ist es über alle Berge, das komplette Rad. Samt futschneuem Tretlager, schiefem Lenker und kaputter Lampe hinten.

Selbst der eigentlich immer wirksame Trostspruch „Du bist ja nicht weg, dich hat nur ein anderer“ will auf dem Weg zur Davidwache nicht recht zünden. Der mich am Tresen verständnisvoll empfangende Polizist fragt, ob ich alles dabei hätte. „Personalausweis? Klar, habe ich dabei“, antworte ich und nestle an der Brieftasche. „Auch die Rahmennummer?“, fragt der Polizist. „Äh, nein“, sage ich. Er legt schon mal den bereits gezückten Stift wieder hin und sagt: „Kaufvertrag?“ Hüstel …

Dann, sagt der Davidwachenmann, könnten wir's auch gleich sein lassen mit der Anzeige, schließlich könnte ich meinen Besitzanspruch selbst dann nicht beweisen, wenn er das Rad wiederfände – was ungefähr so wahrscheinlich sei wie ein segensreicher Meteoriteneinschlag aufs Haus von Albaner-Willi, dem Kiezpaten.

Das sagte der Polizist nicht wörtlich, schließlich ist mit Albaner-Willi nicht zu spaßen; es ist eher so, dass mir seine Ausführungen vorkommen, als könne man sie mithilfe dieser Allegorie treffsicher wiedergeben.

Jedenfalls schlurfe ich noch am gleichen Tag – enttäuscht von der Menschheit im Allgemeinen und den Kiezgestalten im Besonderen – zu jenem Fahrradladen, wo der Irokesenassistent, der den Franken gefragt hatte, ob er Rechts- oder Linksträger sei, inzwischen nicht mehr arbeitet, und erstehe ein neues altes Rad. Der Flohmarkt hatte sich zuvor als unergiebig erwiesen.

Warum ich mir allerdings erst vier Fahrräder klauen lassen muss, um endlich auf die Idee zu kommen, all ihre Details fotografisch festzuhalten und die Rahmennummer zu notieren, kann mir selbst Ms. Columbo nicht verklickern.


Mal sehen, ob ich in zwei bis drei Jahren die entsprechenden Unterlagen wiederfinde. Das scheint mir die nächste unüberwindliche Hürde zu sein.

01 August 2008

Lechts oder rinks?

Es gibt Fragen, die bekommst du als Mann nicht sehr oft gestellt. Vor allem nicht von einem Fahrradladenazubi mit Irokesenschnitt, der dir gerade einen passenden Sattel raussuchen will.

„Sind Sie Links- oder Rechtsträger?“, fragt er den Franken im Laden unseres Vertrauens in der Clemens-Schultz-Straße. Und das ist nun wirklich keine Frage, die man hier und jetzt erwartet. Eigentlich erwartet man sie überhaupt nie. Denn entweder man sieht die Bescherung von außen (wie in den 70ern, dank der ultraengen Schlaghosen), oder man ist dezent genug, es bei inneren Erwägungen zu belassen.

An dieser Stelle ist vielleicht ein Exkurs für die staunenden Frauen unter uns angeraten. Also: Das beste Stück des Mannes neigt aus irgendwelchen Gründen dazu, beim Dahängen eine Seite zu favorisieren, und zwar bei einem gegebenen Probanden stets die gleiche.

Vielleicht ist das evolutionär bedingt, ich weiß es nicht. Meine Lieblingstheorie jedenfalls besagt, die vom ausführenden Organ autark präferierte Hängeseite zeige unfehlbar die politische Gesinnung des Eigentümers an. Flächendeckende Testreihen sind mir allerdings noch nicht gelungen. Um Nachfragen vorzubeugen: Ich habe sie auch noch nicht unternommen.

Zurück zum Fahrradladen, wo die Frage „Sind Sie Links- oder Rechtsträger?“ weiterhin im Raum steht. Von der Antwort, erläutert der Azubi ermunternd, hinge es ab, ob er den zu erwerbenden Sattel ein wenig nach links oder rechts justiere. Das könne erhebliche Entlastungen empfindlicher Körperteile nach sich ziehen, vor allem auf längeren Strecken.

Das Problem liegt allerdings woanders: Der Franke weiß keine Antwort auf die Frage. Er hat nicht die geringste Ahnung, ob er Links- oder Rechtsträger ist. Nach meiner oben ausgeführten Theorie müsste er zwar definitiv Linksträger sein, aber er trägt zu weite Hosen, als dass dies so einfach zu verifizieren wäre.

Vielleicht muss man ihm sein Unwissen sowieso nachsehen. Denn lechts und rinks kann man seit jeher leicht velwechsern.

Das Foto zeigt übrigens eine recht pfiffige Lösung für diverse Probleme, die so ein Sattel uns Männern bereiten kann. Ausgerechnet heute parkt das zugehörige Fahrrad vor unserem Haus, und s
o fügt sich mal wieder alles zum Besten auf der Rückseite der Reeperbahn.


16 Juni 2008

Feucht, und am Ende auch fröhlich



Forsch bog ich am Hamburger Berg rechts ein in die Taxigasse der Reeperbahn und sah aus dem Nichts ein Taxi rückwärtsfahrend auf mich zukommen.

Reflexartig stieg ich in die Eisen auf regennasser Straße, legte mich ergo gepflegt hinter den Mercedes, und während ich zappelnd auf dem Rücken lag wie ein betrunkener Maikäfer, wartete ich ergeben darauf, überrollt zu werden.

Doch der nette Mann hatte seinen höflichen Tag und stoppte. Ich rappelte mich auf, alles war noch dran. Er kurbelte das Fenster runter und sagte: „Das war nicht meine Schuld.“

Er schien Türke zu sein. Als wir so dastanden, Schicksalsgenossen im Beinahunglück, wussten wir beide noch nicht, dass sein Team heute Abend ins EM-Viertelfinale einziehen und die Fans erneut hupend und hysterisch den Kiez lahmlegen würden – und zwar zu seinem Schaden, denn wie kann man als Taxifahrer Umsatz machen, wenn man definitiv die ganze Nacht nicht mehr rauskommt aus der Taxigasse, weil zehntausende Fans den Verkehr kollabieren lassen?

Ähm, wo war ich? Ach ja: bei der Schuldfrage. Nein, nein, natürlich treffe ihn keine Schuld, beschwichtigte ich ihn, setzte mich zitternd aufs Rad und fuhr vorsichtig zum Flohmarkt in der Museumsstraße, wo ich stapelweise Vinyl und CDs (Foto) für empörend wenig Geld erstehen konnte, darunter mehrere klasse erhaltene Zappascheiben aus den 60ern für keine drei Euro das Stück.

Nach dem Präludium – dem fast folgenlosen Kontakt mit der feuchten Straße – folgte als Finale also nun der feuchte Traum eines jeden Plattensammlers. So konnte ich ein insgesamt äußerst positives Fazit dieses Sonntags ziehen.

Nur die neue Hose musste gleich am ersten Tag in die Wäsche.

25 Mai 2008

Der rettende Pfosten

Eingangs der Annenstraße schickt sich ein gewichtiger Tourist in unkleidsamen Shorts an, mir hirnlos vors Rad zu stolpern.

Ohne Blickkontakt nimmt er Kurs auf die Straße. Das tut er auf eine verblüffend behende Weise, die keinesfalls korrespondieren will mit seiner ausgesprochenen Körperfülle – und vor allem nicht mit dem gewaltigen Rollkoffer, der kregel hinter dem Mann her hoppelt.

Nur noch ein wagemutiges Ausweichmanöver kann es jetzt verhindern, dass ich in unmittelbarer Zukunft (also in rund einer Sekunde) die gallertartige Masse dieses Touristenkörpers tief eindellen werde, mit ungewissen Folgen auch für mich und mein Rad.

Doch genau in dieser entscheidenden Sekunde bleibt er mit seinem Trolley an einem Pfosten hängen. Sein massiger Körper wird abrupt zurückgerissen, ich husche haarscharf vorbei.


A
uch der Rest des Tages bleibt recht ereignislos.

21 April 2008

Vier Lesben auf der Reeperbahn

Während des Auftritts von Turner Cody in der Großen Freiheit denke ich: Jeder Künstler ist auf jeden Fall einmalig, doch nur die wenigsten sind wirklich originell. Zweifellos ein Satz fürs Poesiealbum.

Dann kommt auch schon das Hauptprogramm: Adam Green. „How do you call four lesbians on the Reeperbahn?“, fragt er uns. Keiner weiß die Antwort. Die gibt dann Green: „The Beatles!“

Keiner lacht. Warum auch? Der Green’sche Humor ist relativ hermetisch, und ich fotografiere lieber meine Füße, die auf faszinierende Weise von den Deckenspots ausgeleuchtet werden. Das Faszinierende daran erschließt sich sicherlich nur mir, was eine Verwandschaft zu Adam Greens Humor herstellt, schon klar.

Um einen Song mitfilmen zu können, stelle ich meinen Bierbecher auf einer Holzbank ab, und exakt 1,3 Sekunden danach wischt ein euphorisierter Green-Jünger ihn mit einer versehentlichen spastischen Bewegung vom Brett. Merkwürdigerweise werde ich nicht nass, das hätte gepasst.

Schon okay, lächle ich dem entschuldigend blickenden Unglücksraben ohne große Wehmut zu (ich hatte bereits zwei Bier; das dritte auszutrinken wäre eh nur schädlich gewesen). Er akzeptiert den Ablass erleichtert, und ich schwinge mich aufs Rad und karriole nach Hause.

Ausnahmsweise funktioniert sogar die Vorderlampe.