08 Februar 2008

Eine Botschaft aus Reihe null

Der Plan war gut – wie fast alle meine Pläne, die letztlich an der Wirklichkeit scheitern.

Der Plan lautete: Ich erledige all das, was freitagsnachmttags erledigt werden muss, esse gegen 18 Uhr vorgezogen zu Abend und gehe dann rüber ins Stadion, wo ich mir das Spiel des FC St. Pauli gegen Jena anschaue.

Guter Plan. Einziges Problem: Kurz vor halb sechs stelle ich erschrocken fest, dass der Anpfiff nicht etwa um 19, sondern bereits um 18 Uhr stattfindet. So schnell hat man mich noch nie zwei Käsebrote und einen Mix aus Rauke und Feldsalat reinschaufeln sehen.

Zwei Minuten vor Anpfiff erreiche ich hechelnd meinen Platz auf der Haupttribüne in der ersten Reihe, direkt hinter der Werbebande. Doch dort, auf Platz 73, sitzt schon jemand.

„Ähem“, hüstele ich, „das müsste mein Platz sein.“ Der junge Mann mit Wollmütze bleibt ganz ruhig. „Welche Reihe?“, fragt er. „Reihe eins“, sage ich, denn so steht es auf meiner Karte, und die Reihe hinter der Werbebande ist ja wohl Reihe eins, das kann ja gar nicht anders sein.

„Das hier ist Reihe null“, grinst der Mann, „das da ist die eins“, wobei er auf die gefühlt zweite Reihe zeigt. Heißt es nicht immer so schön, das hier sei der etwas andere Club? Quod erat demonstrandum. Wo sonst in Deutschland, Europa oder dem Rest der Welt gibt es eine Reihe null?

Kurz vor der Halbzeitpause meldet sich mein Magen. Die zwei Käsebrote plus Salatmix waren zu wenig. Am Grill ordere ich eine Currywurst. Mein Nachbar fragt: „Haben Sie auch Thüringer?“ Die Frau hinter der Theke bejaht und zeigt auf den riesigen runden Grillrost mit den diversen Sorten. „Das sind doch keine echten Thüringer!“, demonstriert der Mann Sachkunde. „Wohl“, antwortet die Frau. „Im Leben nicht!“, kontert der Mann – und bestellt zwei Krakauer.

Später trete ich versehentlich das Bier meines Sitznachbarn in Reihe eins um. Er will mich zum Nachschubholen verdonnern. Ich biete ihm ersatzweise das Umgießen meines Bieres in seinen ja nunmehr wieder aufnahmebereiten Becher an, was er ablehnt. Dann eben nicht. So geht dieses Duell genauso unentschieden aus wie das Spiel des FC St. Pauli gegen Jena.

Einer aus der Reihe vor mir (also null) dreht sich nach dem Abpfiff um und sagt: „Schon wieder zwei Punkte verloren, wie in Köln – so wird das nichts mit dem Aufstieg!“

Mit dem Aufstieg? Seit August vergangenen Jahres dreht sich mein ganzes Hoffen und Bangen um nichts weiter als das Vermeiden des Abstiegs, und der Typ aus Reihe null moniert gesunkene Aufstiegschancen?

Ich bin zu konsterniert, um mehr als ein hilfloses Grinsen hinzukriegen. Aber vielleicht sollte ich echt einen Aufstiegsplan schmieden für meinen kleinen Stadtteilverein. Mehr als an er Wirklichkeit scheitern kann er ja nicht, und mit so was kenne ich mich sehr gut aus.

07 Februar 2008

Marions Kochbuch revisited revisited

Das ARD-Magazin PlusMinus hat gerade dankenswerterweise die Methoden der beiden Massenabmahner von Marions Kochbuch thematisiert. Auch ich gehöre ja zu den naiven Dummchen, die dem Duo kulinare ins Netz gegangen sind.

Vollends grotesk wurde der Abmahnamoklauf aber erst heute: Bloggerkollege René soll unfassbare 3500 Euro zahlen, weil er ein Bildschirmfoto aus dem PlusMinus-Beitrag gezeigt hat, auf dem Folkert Knieper, Fotograf von Marions Kochbuch, zu sehen ist.

Klingt wie ein kapitaler Hirnriss. Und diese Idee ist nicht etwa auf dem Mist der ARD gewachsen, welche die Rechte an dem Beitrag hält und ihn für jedermann abrufbar archiviert hat, sondern eine Geistesgeburt von Kochbuch-Knieper.

Der Mann ist also einerseits damit einverstanden gewesen, vor Millionen von Menschen im Fernsehen aufzutreten, bemüht aber sofort wieder die Gerichte, sobald jemand diesen Auftritt per Foto dokumentiert.

Als bisher lupenreiner Demokrat und brutalstmöglicher Fan unseres Rechtssystems beschlichen mich durchaus erste Zweifel am Sinn vons Janze, wenn der Mann sogar mit diesem miesen Aschermittwochsscherz noch durchkäme. Und an zunehmender Grundgesetzverdrossenheit kann doch nun wirklich kein Gericht Deutschlands ein Interesse haben.

Es sei denn, es will heimlich mein revolutionäres Potenzial fördern. Kann es natürlich haben.


Der knarrenlose Kiez

Seit Dezember herrscht Waffenverbot auf St. Pauli. Bei den anfänglichen Kontrollen zog die Polizei trotzdem noch allerhand Quatsch aus dem Verkehr, vor allem Messer und Pfeffersprays.

Seit kurzem aber lässt die Fundfrequenz dramatisch nach. Und bei den letzten beiden Wochenendaktionen war das Ergebnis nach Zeitungsmeldungen besonders bestürzend: Man fand überhaupt keine Waffen mehr. Nichts. Keine einzige.

Die ganzen Muskeltürken, Irokesenalbaner, Glatzenfaschos, Lederjackenrussen, Ludenleibwächter und Kampflesben gehen also wirklich und wahrhaftig ohne Knarren und Klingen
auf Kiezbummel. Bei Kontrollen klimpern sie handzahm mit den Wimpern, lassen sich so triumphierend wie ergebnislos abtasten und ziehen dann friedlich weiter über Reeperbahn und Seitenstraßen.

Vielleicht beantworten sie sogar das
in den Kneipen unablässig vorgebrachte „Wolle Rose kaufe?“ nicht mehr mit Kieferbruch, sondern dem Kauf einer Rose. Alles ist möglich. Es scheint, als wären Löwen zu Lämmern geworden, einfach nur wegen eines gelben Schildes.

Oder hat man uns in ein Paralleluniversum gebeamt, und wir haben es bloß noch nicht gemerkt? Das finde ich noch heraus – und wenn ich mich zurückbeamen muss.

05 Februar 2008

Die Katze beißt sich irgendwohin



Wir sehen hier einen der zahlreichen Ausgänge der S-Bahnstation Reeperbahn. Er befindet sich am östlichen Ende, und früher stand rechts um die Ecke immer ein Dealer.

Mich hat er nie angesprochen, was ich insgeheim immer ein wenig beleidigend fand. Warum ignorierte er mich? Wahrscheinlich sehe ich aus, als bräuchte ich alles, nur keine Drogen. Oder als sei ich abgebrannt. Offiziell jedenfalls war ich froh, beim üblichen Sprint zum Bahnsteig nicht in Verkaufsgespräche verwickelt zu werden.

Inzwischen steht hier schon lange kein Dealer mehr. Vielleicht eine anhaltende Spätfolge der Schill-Beust-Episode, die darauf setzte, die drogenaffine Klientel aus dem Blickfeld der Touristen zu drängen, damit Hamburg netter aussieht, als es ist.

Schlaumeier werden mich natürlich jetzt in den Kommentaren fragen wollen, woher ich überhaupt gewusst haben mag, dass es sich bei jenem Mann, der mich nie ansprach, um einen Dealer handelte, wo er mich doch erst einmal beweiskräftig hätte ansprechen müssen, um sich mir als solcher zu enttarnen.

Ihm hing ja schließlich, so werden die Schlaumeier sicherlich vorhaben fortzufahren, kein Schild mit der Aufschrift „Dealer“ um den Hals. Das stimmt. Aber ich wusste es trotzdem. Genauso wie ich intuitiv weiß, ob jemand hetero ist, eine Hure beim Arbeiten oder ein Franke in freier Wildbahn.

Oder ein Schlaumeier, der jetzt denkt, ich hätte den ganzen Beitrag hier nur so dahersalbadert, weil ich unbedingt das Foto unterbringen wollte.

04 Februar 2008

Beginn einer neuen Ära

Erinnert sich eigentlich noch jemand an Bücher? Ich meine nicht das, was man zu Weihnachten verschenkt, was in der Amazon-Bestenliste auftaucht und sich bei Thalia zu Bergen türmt.

Sondern das, was man aufschlägt und langsam Seite für Seite von vorne bis hinten in der richtigen Reihenfolge durchliest. Bücher. Diese zusammengehefteten Papierseiten, die mal wichtig waren, so verdammt wichtig. In der Ära vor dem Internet, vor Spiegel online, vor der iTunes-Bibliothek mit zehntausend Songs, vor dem Job, der sich immer tiefer hineingefressen hat in dein Leben, deine Freizeit, deinen Urlaub.

Echte Bücher, zerzaust und gealtert durch echtes Lesen. Ich habe festgestellt, dass ich mich kaum noch daran erinnere, aus all den genannten Gründen. Früher habe ich Bibliotheken verschlungen, wild durcheinander, Hauptsache Buchstaben – von „Perry Rhodan“ bis Dostojewski, von Goethe bis Kerouac, von Dan Shocker bis Nabokov und von Rimbaud über Highsmith bis Brussig.

Und jetzt reicht es Woche für Woche nur noch für die FAS und den Spiegel und ein paar Flackerblicke in Fach- und Konkurrenzzeitschriften. Das musste sich ändern, unbedingt. Und seit heute hat sich das geändert, zumindest ist ein Anfang gemacht.

Heute nämlich hatten Ms. Columbo und ich unsere erste gemeinsame Lesestunde. Wir setzten uns pünktlich um halb 10 hin mit je einem Buch – und lasen. Sonst nichts. Keine Musik nebenbei, kein Mailcheck zwischendurch, kein Film im Hintergrund. Nicht mal das Telefon hat geklingelt, danke schön.

Am kommenden Montag folgt die nächste Lesestunde. Vielleicht gehen wir irgendwann sogar auf zwei pro Woche. Eine neue Ära hat begonnen. Sie ist so was von 20. Jahrhundert.

Aber vielleicht hat sie eine strahlende Zukunft.

Der stumme Besucher

Als ich heute morgen durchs Treppenhaus federe, um Brötchen zu holen, sehe ich es schon vom letzten Absatz aus. Wieder einmal sitzt ein Gestrandeter der Kieznacht von außen an der Glastür.

Ich weiß wirklich nicht, worin die heimelige Strahlkraft ausgerechnet unserer Haustür genau besteht, doch sie ist zweifellos da. Andere Häuser scheinen mir nämlich viel seltener heimgesucht zu werden.

Vorsichtig öffne ich die Haustür, es soll sich ja niemand verletzen. Mit Bata-Illic-hafter Geschwindigkeit strafft sich der Rücken, der mir zunächst halb entgegensackte. Er gehört zu einem derangierten Mann mit tiefen Gesichtsfalten. Ich schätze ihn auf etwa 50, vielleicht ein Russe. Seine rotschwarz karierte Jacke gibt ihm etwas Holzfällerhaftes.

„Würden Sie bitte den Eingang freimachen?“, sage ich. Er schaut wortlos und ohne sichtbare Regung hoch. Dann versucht er seinen widerständigen Körper ein paar Zentimeter nach rechts zu wuchten, damit ich vorbeikomme.

Er kann es natürlich nicht wissen, aber das reicht mir nicht. Nicht nach all dem, was da kumuliert schon vor unserer Tür saß im Lauf von zwölf Jahren; nicht nach all dem, was dort schon rauchte und soff, kiffte und kackte, schiffte und spritzte.

„Nein, ganz frei bitte“, präzisiere ich und bleibe halb hinter ihm stehen. Ächzend müht er sich hoch, und als er auf die Beine kommt, taumelt er zwei, drei Meter nach vorne, bis er den Aufstehschwung schadlos abgefangen hat. Er bleibt noch immer stumm.

Danke“, sage ich und gehe an der nächsten Ecke die Zeitung holen. Als ich zurückkomme, schlurft er mir entgegen. Er schaut mich an mit halb gesenktem Kopf, sein Blick ist fast ausdruckslos. Doch um seinen Mund hat sich so viel Zerknirschung und Melancholie eingenistet, dass er mir plötzlich leid tut.

Und das ist das Einzige, was ich im Vorübergehen für ihn tun kann.

03 Februar 2008

Als Weltretter fehlbesetzt

Neulich haben sie den mächtigen Ahorn (Foto: Oktober 2007) vorm Haus gefällt. Jetzt liegen dort nur noch Sägespäne. Die Stelle sieht aus wie ein geköpfter Ameisenhaufen.

Obwohl wir den Baum als Seilerstraßeninventar mochten, reagierten wir auf sein Ableben erschreckend emotionslos. Ich hätte wohl nicht einmal ernsthaft erwogen, mich an ihn zu ketten, wäre mir der Plan seiner Hinrichtung rechtzeitig zugetragen worden.

Jetzt ist er jedenfalls weg. Vom Balkon aus können wir das Treiben und Taumeln der Kieztouristen nun noch besser beobachten. Ganz schön bestürzend, diese pragmatische Sichtweise.

Und wo wir schon mal dabei sind: Vor einigen Wochen war doch ganz Deutschland aufgerufen, abends um acht für fünf Minuten das Licht zu löschen, als Zeichen gegen den Klimawandel. Der Ruf erging auch an Ms. Columbo und mich, denn nicht nur du, sondern auch wir sind Deutschland, jaha.

Wahrscheinlich hätte ich sie sogar überreden können, gemeinsam mitzutun (solange wir nicht hätten offline gehen müssen …), doch mir fiel die Aktion erst um elf wieder ein. Und es wäre ja wohl wirklich lächerlich gewesen, dann noch für fünf Minuten alleine im Dunkeln zu sitzen, während das viel klimasensiblere Restdeutschland bereits um acht seine bürgerliche Pflicht erfüllt hatte.

Nein, wir sind nicht richtig geeignet zum Weltretten. Ob ich am 24. Februar trotzdem grün wählen soll? Und darf?

02 Februar 2008

Nur gucken, nicht essen

Wir essen im La Sepia am Schulterblatt. Am Nebentisch sitzt ein illustres Herrentrio.

Einer ist klein und hüftvergoldet, trägt Schnauzer und eine merkwürdige Matrosenmütze mit der Aufschrift „Blues“. Der zweite hat sich zur Lederjacke eine strohfarbene Sturmfrisur im 80er-Jahre-Gedächtnisstil verpassen lassen, und der dritte ist ein Durchschnittsblonder.

All das schaue ich mir allerdings erst genauer an, nachdem Ms. Columbo mir unter Verweis auf die Sturmfrisur zuflüstert: „Schau mal, der sitzt die ganze Zeit vor seinem Teller und isst nichts.“

Das ist wahr. Der Limahlklon stiert versonnen ins Ungefähre, doch sein Besteck hat unverhofft frei. Doch erst, als der Kellner das Geschirr des Trios abräumt, wird das ganze Ausmaß der Merkwürdigkeit deutlich. Denn offensichtlich hat keiner der drei etwas gegessen.

Alle Teller weisen nach menschlichem Ermessen die exakten Liefermengen auf, sogar die Salatschüssel des Matrosenmützenmannes. An der eigenwilligen Speisekartenprosa, die „Ziegen uns Schaafs Käse“ anbietet und dafür sogar Geld verlangt, kann es nicht gelegen haben, denn dann hätten die Drei ja erst gar nicht bestellt.

Manche Rätsel lassen sich nur lösen, indem man jene befragt, die sein Geheimnis kennen. Wer das nicht tut, muss hinfort mit quälender Ungewissheit weiterleben.

Wie wir.

31 Januar 2008

Vorboten der nächsten Klinsmania

Die Pannen der heute-Sendung werden immer süßer. Sie gewinnen sogar eine persönliche Note.

Sportmann Wolf-Dieter Poschmann saß da und wartete aufs Stichwort seiner Kollegin Petra Gerster. Die sagte auch im Grunde alles richtig auf, nur seinen Namen nicht.

Sie nannte ihn nämlich „Jürgen“, nicht „Wolf-Dieter“.

Vielleicht ist das schon ein Vorbote der nächsten Klinsmania, keine Ahnung. „Jürgen“ jedenfalls zuckte kurz, als hätte er auf eine heiße Herdplatte gefasst, ohne das zeigen zu dürfen, und grinste dann gequält.

Gerster war natürlich jetzt in einer grässlichen Lage: Livesendung, Namen des Kollegen nicht gewusst, ganz übel. Doch keine Lage ist so grässlich, dass man sie nicht mit einem kleinen Rettungsversuch noch gründlich verschlimmbessern könnnte.

„Entschuldigung“, lächelte Gerster gezwungen, „HANS-JÖRG Poschmann“.

Diesen Augenblick zeigt das Foto. Hans-Jörg. Die Würde, mit der Wolf-Dieter die finale Zerschmetterung ertrug, muss man praktisch schon wieder bewundern.

Richtig gute Freunde werden Petra und Poschi aber jetzt nicht mehr.

Es strömt in Gießen

In der Bar Die Welt ist schön läuft zwar die ganze Zeit Housepop, doch zum Glück dezent genug, um sich unterhalten zu können.

Andernfalls hätte ich Andreas’ Erinnerung an seinen originellsten Studentenjob auch gar nicht mitgekriegt: das Ausliefern von 25 000 Klobürsten. Nicht schlecht. Da kann ich nicht mithalten.

Auch nicht beim Dreher des Tages. Den lieferte nämlich Ms. Columbo, und sinngemäß ging der so: Es gießt in Strömen, es strömt sogar in Gießen.

Chapeau. Dabei war heute in Hamburg nur Nieselwetter, und jetzt leuchten draußen gar die Sterne.

Versteh einer die die Sinfonie der Synapsen.

30 Januar 2008

Kampf der Systeme

Heute erprobte sich in Altona ein Lieferwagen der Paketpost erfolgreich als Bahnschranke, und das sehr effektiv.

Warnblinkend parkte er die Straße Am Sood zu, es gab kein Durchkommen. Er versperrte so ausgerechnet einem ebenfalls wild blinkenden DPD-Konkurrenten die Durchfahrt.

Beide Wagen waren verwaist, doch uns war sofort klar: Das hier war der Kampf der Systeme, hier focht Godzilla gegen Frankensteins Monster, und das mitten in Altona, vor unseren Augen.

Allerdings schien dieser Kampf gerade unentschieden zum Stillstand gekommen zu sein. Die eingedellte Stelle überm rechten Vorderrad des gelben Wagens verwies jedoch auf vorausgegangene Action.

„Ein Unfall!“, frohlockte ich gegenüber dem Franken, mit dem ich auf dem Weg zum Lunch war. DPD vs. DHL: Symbolträchtiger hätte das kaum sein können. Höchstens wenn auch noch ein grünes PIN-Auto in all das verwickelt gewesen wäre. Aber man kann nicht alles haben.

Als ich die Szenerie fotografierte, kam plötzlich der DHL-Mann zurück. „Wir hatten keinen Unfall!“, wedelte er abwiegelnd mit den Armen. Er wäre uns natürlich keinerlei Rechenschaft schuldig, doch er begann zu erklären.

Er habe den Wagen zwecks ortsnaher Auslieferung einfach mal dort abgestellt, weil Am Sood eh selten frequentiert sei. Und der zufällig dann doch ebenda langkommende DPD-Wagen habe die willkommene Gelegenheit einer unüberwindlichen DHL-Sperre einfach nur gewitzt genutzt, um sein Gefährt ebenfalls illegal abzustellen und rasch auszuliefern. Natürlich glaubten wir ihm kein Wort, zumal der DPD-Mann nun ebenfalls angelaufen kam und blaffte: „He, wie parkst du denn?“


„Wir hatten keinen Unfall“, flüstere der Gelbe uns noch einmal schnell zu, ehe er sich seinem Pendant zuwandte und die explosive Situation alsbald beendete, indem er seine Tour fortsetzte.

Tja, und so hatte auch dieser Tag wieder seine kleine banale, verblogbare Attraktion.

29 Januar 2008

Tannenzapfenzupfen (8)

(Foto via FHS Holztechnik)


Manchmal reicht ein einziger Satz, um zu wissen: Dieses Buch wird niemals mein Freund, zumindest nicht in der deutschen Übersetzung. Glücklicherweise stand dieser eine entscheidende Satz schon in der Pressemitteilung zu Snoop Doggs autobiografischem Roman „Love don’t live here no more“. Ein Service, der einem viel Zeit spart.

Der Satz heißt: „Auf den Straßen hingen wir mit den Baby-Bitches aus der Hood ab, die für uns ihre T-Shirts lüfteten und ihre Titties zeigten.“

Wahrscheinlich sind solche Übersetzungen mitverantwortlich dafür, dass der deutsche HipHop (vor allem der aus Berlin) oft so merkbefreit peinlich ist.


Vielen Texten aus den Tiefen der Promoabteilungen geht es aber kaum besser. „Die zweite Compilation dieser Ausgabe wird compiled von Sofia Coppola“, meinte mir unlängst jemand mitteilen zu müssen. Doch nicht immer wird man mit Denglisch gequält. Fast noch peinigender: von Kompetenz ungetrübter Sprachehrgeiz.

„Die Band gründete sich, um sich selbst zu gründen. Und um zu ergründen, ob die Gründe die Band zu gründen, begründet werden können. Aus diesem Grund gründete sich die Band, die eigentlich keine Band sondern eine Bande ist.“

Eins von den zwei Kommas, die diesem Geschwurbel fehlen, hat der nächste Satz zuviel, doch er erreicht wenigstens semantisch eine gewisse Reflektionsebene. „Newsletter zu schreiben“
, räsoniert da ein Promoter, „macht immer noch soviel Spass, wie ein Stacheldrahtsalat zum Frühstück.“

Beim Newsletterlesen geht’s mir ganz ähnlich.

Was bisher geschah: 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1



27 Januar 2008

Der blutende Finger

Er ist höchstens 20, seine Augen wurden zu kleinen Schlitzen im Lauf der Samstagnacht, seine Lippen sind wie aufgespritzt.

Doch das Auffälligste an ihm ist sein Stahlhelm.

Vielleicht ist es ein Relikt der Wehrmacht, vielleicht auch ein Bundeswehrhelm, damit kenne ich mich nicht aus. Jedenfalls trägt er ihn ohne jede Scham. Denn das, was er seinen Begleitern – einem dicken Irokesenpunk und einem hageren Graubart mit einem Sechserpack Adelskroner – zu sagen hat, das sagt er auch dem Rest der Pennykundschaft, so laut bricht das alles aus ihm heraus.

Es geht um seinen Finger. Der blutet nämlich, und den hält er jetzt dem Kassierer eine Spur zu dicht vor die Nase. „Bei euch liegen Glasscherben im Regal!“, blafft der Stahlhelm, „was sagsten dazu? Warum liegen bei euch Glasscherben im Regal, hä?“

Er ruft es mit einer Mischung aus Empörung und Genuss, irgendwie freut er sich über den Zwischenfall und das Blut, das in einer dünnen Rinne an seinem Handgelenk hinunterläuft und im Ärmel verschwindet.

„Ich verklag euch!“, ruft er, „in Amerika ginge das!“

Der Kassierer bleibt ungerührt, er beobachtet lieber den Irokesen, der ihm gerade 1,83 Euro in kleinstmöglichen Münzen vorzählt und zweimal von vorne anfangen muss. „Wir sind aber nicht in Amerika“, murmelt er dann doch, ohne den Stahlhelm anzuschauen.

„Die haben Glasscherben im Regal!“, triumphiert der dicklippige Helmträger lautstark und beschreibt mit seinem hochgereckten Arm einen Halbkreis für uns, das Publikum, damit wir auch alle seinen blutenden Finger sehen können.

„Nu lass man“, sagt leise der Hagere mit dem Bier, und das wirkt. Alle drei trollen sich nach draußen, und als ich kurz darauf ebenfalls die Reeperbahn betrete, spielt der blutende Finger längst keine Rolle mehr.

Dafür hat das Adelskroner stark an Bedeutung gewonnen.

Meine erste Sendung

Wer gute Musik mag, kann sich heute nachmittag um 17 Uhr auf ByteFM die Sendung Mixtape anhören.

Die Songliste habe ich zusammengestellt. Wiederholung: morgen früh um 10.

PS: Ich moderiere NICHT selber.

PPS: ByteFM hat sogar ein eigenes Blog.

Kirschenlogik bei Edeka

Im Zuge der skurrilen Zigarrettenaffäre um unseren Hamburger Altkanzler fiel mir heute etwas ganz Erstaunliches auf: Ab 1974 hieß das deutsche Kanzlerpaar fast ein Vierteljahrhundert lang immer Helmut und Hannelore.

Den Rucksackhippie, der mir nachmittags am Schulterblatt (Foto) chemisch bedingt vors Fahrrad taumelte, hätte diese verblüffende und öffentlich überhaupt noch nicht diskutierte Erkenntnis aber bestimmt keinen Deut interessiert, selbst wenn ich sie ihm erläutert hätte.

Er reckte die Faust und brüllte der Roten Flora entgegen: „Es lebe die anarchosyndikalistische Republik Deutschland!“ Ich umkurvte ihn mühsam, was er nicht mal merkte, so konzentriert widmete er sich seinem Taumeln, Brüllen und Fäusteln.

Schon morgens war ich bei Edeka einer skurrilen Person begegnet. Sie war vor mir an der Kasse, eine kleine Knuddelkugel südländischer Herkunft, vielleicht 50, aber geschminkt auf zehn Jahre jünger. Und überrascht vom immensen Kirschenpreis: acht Euro das Kilo.

Die nicht gerade saisonalen Früchte kamen nämlich aus Chile. „Wann ik stärbe“, idealisierte sie ihre Fehlentscheidung, „dann die acht E’uro bleibe hiä. Abä Kirschä nämme ik mit – sin in meine Bauch, wenn ik stärbe!“

Eine bestechende Logik, die ich mit einem anerkennenden Lächeln belohnte. Und das half ihr auch sichtlich über die Acht-Euro-Kirschen hinweg.

26 Januar 2008

Die Rettung des Kapitalismus auf einem Bierdeckel

Heute fiel mir übrigens ein, wie man auf einen Schlag sämtliche wirtschaftlichen Probleme unseres Landes ein für alle mal lösen könnte, inklusive Alterssicherung.

Und zwar so: Man verpflichtet einfach per Gesetz jeden Bürger, sein Einkommen komplett wieder auszugeben, Monat für Monat. Bis auf den letzten Cent.

Dafür erhält er ab dem 60. Lebensjahr eine monatliche Rente von 2000 Euro; wenn er mehr will, kann er einen Teil seines erzwungenen Komplettkonsums ja auch riestern, kein Problem.

Die Einkommenssteuer wird selbstverständlich ersatzlos abgeschafft. Dafür schießt die Mehrwertsteuer auf – sagen wir – 40 Prozent.

Die Effekte wären fantastisch: Durch die erzwungene Konsumexplosion jubelten die Unternehmen, schafften Arbeitsplätze ohne Ende, und parallel quölle der Staatshaushalt über vor lauter Mehrwertsteuer, von der natürlich neben dem ganzen Infrastrukturblabla auch die 2000 Euro Prokopfrente bezahlt werden müssten.

An den Details muss man natürlich noch feilen, aber das kann ja Friedrich Merz machen; der braucht eh ein Comeback.

So, und jetzt, nach der Rettung des Kapitalismus auf einem Bierdeckel, gehe ich schlafen.


25 Januar 2008

Nomen est omen, aber nur zufällig

Einer wie Jérôme Kerviel, der 4,9 Milliarden Euro verschwinden ließ, sollte eigentlich nicht mittellos auf der Flucht sein, sondern wenigstens ein, zwei Milliönchen in der Tasche haben. Für schlechte Zeiten.

Es muss sich sehr merkwürdig anfühlen, jetzt, in diesem Moment, irgendwo auf der Welt klein und einsam in einer Hotelbar zu sitzen, mit Sonnenbrille auf der Nase und einem Mojito davor, und sich zu vergegenwärtigen, das fünffache Bruttoinlandsprodukt von Simbabwe in den Sand gesetzt zu haben.

Wahrscheinlich folgte Kerviel allzu bedenkenlos Will Oldhams nonchalantem Rat: „Bitte lieber um Vergebung als um Erlaubnis.“ Eine Verhaltensweise, die man aber nur dosiert einsetzen sollte – und in einer Kneipe der Hamburger Hell’s Angels schon mal gar nicht.

Der volltrunkene Volltrottel, der gestern dort hineinwankte und den Wunsch äußerte, „einmal Verbrecher zu sehen“, brachte damit die Anwesenden dazu, spätestens jetzt welche zu werden, und zwar zu seinen Ungunsten.

Trotzdem kamen er und Jerome Kerviel glimpflicher davon als der Fußballspieler Bekim Kastrati, dessen Schicksal eine lateinische Redensart aufs Bitterste zu bestätigen scheint. Scheint! Denn diese Redensart war, ist und bleibt natürlich abergläubischer Humbug.

Sonst dürfte sich
ja eine wie Kerstin Schlapper-Rammelmann überhaupt nicht mehr aus dem Haus trauen.

Foto: die Zeitung mit den vier Buchstaben

23 Januar 2008

Warum in Hessen, wo am Sonntag gewählt wird, die Todesstrafe nicht abgeschafft werden kann

Von: mattwagner
Betreff: Todesstrafe in Hessen
Datum: 13. Januar 2008 21:18 MEZ
An: Roland.Koch@
******.de

Sehr geehrter Herr Koch,

laut Artikel 21 der hessischen Verfassung droht das Land bei besonders schweren Verbrechen noch immer mit der Todesstrafe. Können Sie mir sagen, ob Sie sich im Falle einer Wiederwahl für die Abschaffung einsetzen werden und wenn ja, in welchem Zeitraum?

Sofern dies nicht auf Ihrer Prioritätenliste stehen sollte, wüsste ich gerne, warum nicht.
Vielen Dank für Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Wagner


Von: Roland.Koch@******.de
Betreff: Ihre Mail vom 13. Januar 2008
Datum: 23. Januar 2008 17:11:15 MEZ
An: mattwagner


Sehr geehrter Herr Wagner,

(… ) In Art. 21 Abs 1 Satz 2 der Hessischen Verfassung heißt es, dass jemand bei besonders schweren Verbrechen zum Tode verurteilt werden kann. Die Todesstrafe wird in Art. 109 Abs. 1 Satz 3 der Hessischen Verfassung ein weiteres Mal erwähnt.

Zum Verständnis dieser Regelungen der Hessischen Verfassung muss berücksichtigt werden, dass die Hessische Verfassung die erste Verfassung eines deutschen Landes war, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden und noch in Kraft ist. Als sie am 1. Dezember 1946 in einer Volksabstimmung angenommen wurde, war die Todesstrafe im damals geltenden Strafgesetzbuch bei besonders schweren Verbrechen noch vorgesehen. Nach dem Krieg ist sie in Deutschland in mehr als 100 Fällen auch verhängt, in Hessen allerdings nie vollstreckt worden. Erst das Grundgesetz hat sie durch seinen Art. 102 im Jahre 1949 abgeschafft. Seitdem gibt es sie auch in Hessen nicht mehr.

Da das Grundgesetz die Todesstrafe verbietet, darf kein Bundesland sie wieder einführen. Dass die Todesstrafe im Text unserer Landesverfassung noch enthalten ist, hat also keine praktische Bedeutung mehr.

Um den Wortlaut der Verfassung gleichwohl zu ändern, wäre allerdings (…) eine Volksabstimmung nötig. Nach Art. 123 erfordert eine Verfassungsänderung zunächst ein mit mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Landtags beschlossenes Gesetz, dem anschließend das Volk mit der Mehrheit der Abstimmenden zustimmt.

In diesem Fall könnte die Bevölkerung aber nur darüber abstimmen, ob die Todesstrafe weiter im Verfassungstext stehen soll, obwohl es darauf wegen des Verbots der Todesstrafe im Grundgesetz nicht ankommt. Eine solche Volksabstimmung, die sich isoliert auf die Frage der Todesstrafe bezieht, haben bisher alle politischen Parteien in Hessen nicht für sinnvoll gehalten.

Der hierfür primär zuständige hessische Gesetzgeber hat sich in der zu Ende gehenden Legislaturperiode eingehend mit der Frage des grundsätzlichen Veränderungs- und Ergänzungsbedarfs der Hessischen Verfassung beschäftigt.
(…) Die angestrebte Einvernehmlichkeit für einen Gesetzentwurf zur Änderung der Hessischen Verfassung, der selbstverständlich auch die Aufhebung der Passagen zur Todesstrafe beinhalten würde, konnte jedoch nicht erzielt werden.

Der Bedeutung einer Reform der Hessischen Verfassung würde es nicht gerecht werden, wenn seitens Landesregierung durch die Einbringung eines Gesetzesentwurfs in den Hessischen Landtag eine beabsichtigte Verfassungsänderung vorgegeben würde. Es bleibt vielmehr auch in der künftigen Legislaturperiode Aufgabe aller im Hessischen Landtag vertretenen demokratischen Parteien, einen für alle Seiten tragfähigen Konsens zu finden, was aus meiner Sicht zu begrüßen wäre.

Mit freundlichen Grüßen

Roland Koch


Foto: Wikipedia

Kärtchen, wechsel dich!

Eine feine Sache, so ein Schleswig-Holstein-Ticket. Für 29 Euro fährst du durchs ganze Bundesland und kannst auch noch vier Leute mitnehmen.

Ms. Columbo und ich sind aber nur zwei. Deshalb stelle ich mich in Flensburg (Foto) an den Automaten, um die Nächstbesten gegen einen kleinen Obolus an unserer Fahrkarte zu beteiligen – eine Win-Win-Situation. Doch niemand kommt.

Dafür spricht mich auf dem Weg zum Bahnsteig ein stämmiger Mittdreißiger an und fragt, ob wir mit dem Schleswig-Holstein-Ticket nach Hamburg führen. Erfreut bestätige ich. „Ich muss bis Schleswig“, sagt er, „aber ich habe kein Geld.“

Na gut, wir nehmen ihn trotzdem an Bord. Schadet nichts, nützt aber auch nichts. Als der Schaffner kommt, reicht er uns einen Kugelschreiber und bittet um den Eintrag der Namen. So verstehe ich ihn jedenfalls und reiche die Karte samt Kuli zunächst unserem fremden Mitfahrer, der kurz verständnislos kuckt, doch dann klaglos JENS WINKLER hinschreibt, in Großbuchstaben.

Die Namen von Ms. Columbo und mir möchte der Bahnmann danach gar nicht mehr, einer reicht ihm. WINKLER ist damit binnen Sekunden vom Schnorrer zum Haupteigentümer der Karte aufgestiegen. Bei einer weiteren Kontrolle wäre er derjenige, an dem unser aller Reiseschicksal hinge, doch fährt er nur bis Schleswig.

Unterwegs greift er die Titelschlagzeile der Frankfurter Rundschau auf, die Ms. Columbo gerade liest, und sinniert darüber, ob man in der jetzigen Lage sein Vermögen nicht lieber in Gold statt in Aktien investieren solle. „Ich dachte, er hätte kein Geld“, muffelt Ms. Columbo später, nachdem WINKLER sich in Schleswig umstandslos verabschiedet hat.

Die restlichen anderthalb Stunden vergehen angespannt, doch ohne weitere Kontrolle, zum Glück. Kurz vorm Hauptbahnhof betritt ein junger Mann unser Abteil und fragt, ob wir ein Schleswig-Holstein-Ticket über hätten. Nein, das benötigten wir noch für die U-Bahn bis St. Pauli.

„Die Fahrten zahle ich Ihnen“, bietet er an, nachdem er sich vergewissert hat, dass mit „JENS WINKLER“ ein Männername auf der Karte steht. „Ich gebe Ihnen die dreizwanzig.“ Das entspricht exakt dem Betrag, den wir jetzt am Automaten zahlen müssen. Doch immerhin sind wir damit die Gefahr, die von JENS WINKLER ausgeht, endgültig los; jeder HVV-Kontrolleur hätte uns aus WINKLERs physischer Abwesenheit einen Strick drehen können.

„Aha, in Schleswig ist der Herr also ausgestiegen, hm? Und warum steht dann nicht IHR Name auf der Karte, Herr Wagner, wo Sie doch die längere Fahrt hatten, hm? Mitkommen. Personalausweise.“


Ja, so hätte es kommen können, doch so kann es jetzt nicht mehr kommen. Denn ein anderer besitzt das JENS-WINKLER-Schleswig-Holstein-Ticket, mit allen Risiken, die das bedeutet.

Statt froh und dankbar für den günstigen Ausgang der Geschichte zu sein, verspüren wir aber am Hauptbahnhof das kriminielle Bedürfnis, wenigstens eine winzige Amortisation der bisher unverändert 29 Euro gekosteten Länderkarte zu erzielen. Wir kaufen also zwei Kurzstreckentickets für 1,30 das Stück – im Wissen, dass ihre Gültigkeit nicht ganz bis nach St. Pauli reicht.

Ein Risiko von zweimal 40 Euro Strafe für einen maximalen Erlös von 60 Cent.
Super Deal. Doch wahren Meistern geht es eben nicht um mathematisch messbare Beute, sondern um Ruhm und Ehre.

Und siehe da: Alles geht gut. Wir haben die Kosten fürs Schleswig-Holstein-Ticket damit von 29 auf 28,40 Euro gedrückt. Nach diesem Coup können wir demnächst auch größere Dinger drehen.

Zum Beispiel so etwas wie Rififi.

21 Januar 2008

Unter Dänen



Die kleine dänische Bucht in Gråsten, wo wir einen Kurzurlaub verbringen, erinnert ein wenig an Bodega Bay.

Gestern morgen schrien uns die Möwen gar auf eine Art aus dem Schlaf, die jenem elektronischen Sound ähnelte, den Oskar Sala für Hitchcocks Horrorvögel am Trautonium zurechtgebastelt hatte.

Das Wetter hier ist rau, die Hütte warm, das Raclette zischt, der Grappa fließt, und Mülleimer heißen „Miljøstation“.

Was kann es Erholsameres geben?