13 Dezember 2006

Der Schokoripper

Schokolade ist in der Redaktion eine bedrohte Spezies, vor allem dank Kramer. Stets schnürt er verschlagen durch die Räume auf der Suche nach der nächstbesten Rippe. Der Franke und ich leben in ständiger Alarmbereitschaft.

Ich liebe kalte Schokolade, doch sie im Eisfach zu deponieren, ist angesichts der Bedrohungslage fatal. Schließlich kann man nicht den ganzen Tag in der Küche Wache schieben. Es gibt zurzeit nur zwei halbwegs sichere Methoden, Kramer zu stoppen. Die eine: Leg eine frische Tafel ins Eisfach. Er wird sich nicht trauen, sie anzubrechen. Zu offenkundig wäre die Tat, zu klar die Spur
.

Die andere, diametrale Methode: Leg einen winzigen Rest hinein. Er wird sich nicht trauen, ihn völlig zu eliminieren. Offenbar denkt er, es fiele nicht auf, wenn er sich hie und da eine Rippe einverleibt, doch scheut er taktisch klug davor zurück, gar nichts mehr übrigzulassen; er befürchtet wohl unkalkulierbare Sanktionen seitens der Geschädigten. Zu Recht.

So belässt es Kramer beim sukzessiven, doch niemals irreparablen Mümmeln. Natürlich macht ihn jeder neu festgestellte Schwund zum Hauptverdächtigen. Genauer gesagt, gibt es überhaupt niemand sonst, auf den auch nur ein Fitzel des Täterprofils zutreffen würde. Er versucht mit diesem Generalverdacht offensiv umzugehen, wählt dabei aber oft plumpeste Methoden. Beispielsweise baut er sich vor mir oder dem Franken auf, inspiziert ungeniert unsere Bisleys und delektiert sich in aller Öffentlichkeit an den dort entdeckten süßen Schweinereien.

Damit hofft er wohl die Vermutung zu zerstreuen, er sei auch der gefürchtete Heimlichesser, und stünde hinfort nicht mehr im Fokus der Ermittlungen. Doch egal, wie Kramer agiert, er kommt immer auf sein Quantum Gummibärchen oder Halbbitter mit ganzen Nüssen.

Offene Aufforderungen, auch er möge gefälligst einmal – EINMAL! – die Vorräte auffüllen, tat er lange Jahre unwirsch ab, ehe er wirklich einmal eine Tafel mitbrachte, sie generös als vergesellschaftet deklarierte, selbst zwei Drittel davon verputzte und sodann davon ausging, er habe nun auf Jahre hinaus wieder das Recht, durch die Räume zu schnüren auf der Suche nach der nächstbesten von uns finanzierten Rippe.


Kramers Schnorrerei erreichte jüngst einen neuen Höhepunkt, und zwar, weil er seinen Begehrlichkeitskanon entscheidend erweiterte. Seit er einen neuen Rechner zu Hause hat, herrscht hier Alarmstufe Rot. Wozu CD-Rohlinge kaufen, so seine ökonomisch nachvollziehbare Überlegung, wenn doch auf Matts Schreibtisch ein ganzer Stapel davon herumliegt? Diesem Treiben, das wurde mir sofort klar, darf man keinesfalls mit der gleichen Toleranz begegnen wie dem Mundraub, der ja immer als minderschweres Vergehen galt; nein, Gleichmut ist hier keinesfalls eine Option.

So stellte ich ihn schon bald nach seinem Paradigmenwechsel (der allerdings keine Entlastung der Schokofront bedeutete, o nein) scharf zur Rede, nachdem er wieder einmal während meiner Mittagspause auf Rohlingseroberungsfeldzug gegangen war. Warum, fragte ich den Schädling schneidend, kaufe er sich eigentlich nicht selber welche, hm?

„Weil ich keine brauche“, hieß es patzig. Wenn das stimme, führte ich ihm scharfsinnig vor Augen, bräuchte er sich doch wohl kaum welche von mir zu – nun ja – borgen. Und er solle mich gefälligst bald mit Ersatzrohlingen versorgen.

Kramer, der schon während meiner Ausführungen deutliche Zeichen von Unwillen zeigte, begann ob dieses Anliegens empört zu schnauben. Dann dampfte er ab, doch nicht ohne mir Folgendes entgegenzuschleudern: „Du bist eine gierige Sau, gibt’s ja gar nicht!“

Hm. Warum habe ich jetzt bloß das Gefühl, ER sei ethisch auf der richtigen Seite? Zur Sicherheit habe ich jedenfalls eine frische, noch verschweißte Rohlingsspindel angeschafft. Wenn die Schokoladenerfahrung übertragbar ist, dann wird Kramer sich da erst mal nicht rantrauen.

Aber wahrscheinlich wächst er mit seinen Aufgaben.

Weitere Kramereien

Kollateralschäden der Klimakatastrophe

Duck dich, Sylt!

Null zu eins

Der Walabend

11 Dezember 2006

Blau ist das neue Rot

Es hatte ja durchaus seinen Sinn, jahrhundertelang auf rotes Licht als Sexsignal zu setzen. Dafür gab es Gründe, und zwar gute. Schon im Wort Erotik versteckt sich die Farbe des Feuers und des Kuschelns, des Fleisches und des Blutes.

Solch eine Tradition sollte man ernstnehmen, und die meisten Fachläden hier auf dem Kiez tun das auch; das Rotlichtviertel ist wirklich noch eins.

Ein Shopbetreiber in unserer Nachbarschaft aber will weg vom millionenfach Erprobten. Sein Ekel vorm Immergleichen war wohl noch stärker war als die Beweiskraft von Äonen.

Tja, und nun setzt dieser Shop auf die bisher noch weitgehend unerforschte Verführungskraft von Leichenblau. Viel Glück.

Er nennt sich „SeXeS“, was gewitzterweise als Anagramm konzipiert ist: Das Wort liest sich – ähem – von vorn wie von hinten. Wenn man hineinlugt, hat man das Gefühl, man beträte die Matrix oder den Zugang zur Lagerstätte außerirdischer Eier wie in „Alien“.

Ich glaube, ich geh da nicht rein. Es sei denn, Ms. Columbo zwingt mich, wegen der Pärchenkabinen.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Blaubezug
1. „Blue eyes cryin' in the rain“ von The Everly Brothers
2. „Ode to big blue“ von Gordon Lightfoot
3. alles von der Blue Man Group

Saturday Night Fever

Die Julklappparty bei unserem Freund GG begann turbulent. Schon nach einer Viertelstunde versuchte eins der herumtollenden Kinder, sich im Fallen an meinem Weinglas abzustützen. Der Gastgeber musste mir mit einem seiner Hemden aushelfen.

Nach einer neuen Unterhose wagte ich nicht zu fragen; ich hoffte einfach, der riesige dunkle Fleck in meinem Schritt bliebe dank des Schummerlichts verborgen. So war es wohl auch. Nehme ich mal an.

Mit C., einem Musikjournalisten aus Berlin, der Bob Dylan schon 60-mal live gesehen hat, geriet ich in einen kleinen Disput. Er behauptete, Dylan betrachte Studiofassungen seiner Songs immer nur als Anfang einer langen Weiterentwicklung, worauf ich ihm triumphierend entgegenwarf, die definitive Fassung zumindest von „Desolation Row“ sei ja wohl die im Studio entstandene, oder etwa nicht.

„Nein“, widersprach er kühl, „die definitive Version war Glasgow. Oder Aberdeen.“ Merke: Man hat keine Chance gegen einen, der schon 60 Dylan-Konzerte gesehen hat, während man selbst gerade mal fünf zusammenkratzen kann.

Dafür wusste C. nicht, wer „Quincy“ gespielt hat. Auch zwei in die Diskussion verwickelte Texaner konnten meine etwas unsicher vorgetragene Theorie („Jack Klugman?“) nicht verifizieren, und ich musste mindestens fünf Leute mit diesem Problem behelligen, ehe A. sie endlich bestätigte.

Aus dem Julklappsack fischte Ms. Columbo für uns eine Rolle Designerklopapier („Topi“, 3-lagig, 200 Blatt). Auf der Heimfahrt strich ich die Vorzüge dieser Ziehung heraus. Normalerweise muss man beim Julklapp damit rechnen, irgendetwas total Unbrauchbares mit nach Hause zu nehmen, was allenfalls dank eines weiteren Julklapps wieder vom heimischen Interieur subtrahiert werden kann. Eine Rolle Designerklopapier aber, so führte ich aus, löse sich über kurz oder lang restlos auf und sei somit ein Julklappgeschenk geradezu idealen Zuschnitts.

Ms. Columbo war inzwischen längst zu müde, um zu widersprechen.

Ex cathedra: Die 3 definitiven Studiofassungen von Dylan-Songs
1. „Desolation Row“
2. „Hurricane“
3. „I want you“

09 Dezember 2006

Barfuß bei Aldi

Auf dem Weg zur Aldifiliale in Ottensen – irgendwo in der Nähe des verstrahlten Hauses, in dem man gerade Polonium 210 und Hinweise auf den Fall Litwinenko gefunden hat – gehen zwei Männer vor mir her. Einer davon ist barfuß.

Er trägt auch nur eine halbe Hose, und seine recht plumpen Waden werden umschmeichelt vom Dezemberwind. Endlich, freue ich mich, habe ich ein Symbolbild für die Klimakatastrophe.

Der Mann ist ausstaffiert mit Piratenkopftuch und Tarnjacke. Ob sich Schuhe in seiner Plastiktasche befinden, kann ich nicht sagen; das, was die Tasche quaderförmig ausbeult, sieht aber nicht so aus. Mit seinem Kumpel unterhält er sich ganz normal, als sei es keineswegs verhaltensauffällig, kurz vor Weihnachten barfuß durch Ottensen zu laufen.

An der Aldikasse begegne ich ihm wieder. Der Kassierer signalisiert erfreutes Wiedererkennen. Auch grüßt der Barfüßige lächelnd eine Bekannte in der Nachbarschlange.

Alles scheint ganz normal zu sein. Alle tun so, als sei der Mann entweder nicht barfüßig oder als sei es Sommer und deshalb okay, barfüßig umherzulaufen, oder als sei es inzwischen völlig üblich, dem Dezember schuh- und strumpflos hallo zu sagen.

Vielleicht ist es ein noch stärkeres Symbol für die Klimakatastrophe: dass man ihre Auswirkungen aufs Stadtbild längst gelassen hinnimmt.

Ms. Columbo ist übrigens eine entschiedene Befürworterin der allgemeinen Winterlosigkeit, ungeachtet sämtlicher Konsequenzen für Bangladesh, den Golfstrom oder die Mückenüberlebensrate. Ob der atlantische Kontinentalhang vor Norwegen nun abrutscht oder nicht: Hauptsache, sie hat nicht mehr so kalte Flossen.

Kann man ja auch irgendwo nachvollziehen.

08 Dezember 2006

Was ich mir als Kind gewünscht habe

Das hat man nun davon! Viele Wochen lang geschah nullkommanichts im Blog von Frau Dagteller, und das mit der fadenscheinigen Begründung frischer Mutterschaft. Ihr Stillen hatte gleichsam ihr Verstummen zur Folge.

Als ich sie unlängst traf, beschimpfte ich sie deswegen lauthals, ja, ich bedrohte sie sogar mit der schärfsten aller Bloggerwaffen: der Ankündigung nämlich, sie demnächst mit Schimpf und Schande von der Blogrolle zu jagen.

Prompt schreibt sie wieder – und rächt sich gleich aufs Fürchterlichste, nämlich mit einem Stöckchen, noch dazu einem, in das man Arbeit reinstecken muss.

Statt mir Fragen zu stellen wie „Was ist deine Lieblingspasta?“, die ich einfach hätte abtun können mit einem knappen „Penne“, triezt sie mich mit „Was hast du dir als Kind gewünscht?“ Rückfrage: Wen interessiert das überhaupt außer Frau Dagteller und vielleicht noch Ms. Columbo?

Wahrscheinlich niemand, aber wat mut, dat mut, schließlich hat sie wieder angefangen zu bloggen, da darf man sie erst nach einer Karenzzeit wieder düpieren. Also, nach mehrminütigem Nachdenken kristallisierte sich der sehnlichste Wunsch des just eingeschulten Matt aufs Deutlichste aus dem vielstimmigen Summen der Erinnerung.

Dieser Wunsch hatte damals sogar den Charakter eines inständigen Flehens und lautete ungefähr so: Ich will nie, nie mehr mit Wollstrumpfhosen in die Schule geschickt werden!

Nur wenige Jahre später, ungefähr mit 10, 11, wollte ich dann unbedingt den Literaturnobelpreis gewinnnen und fing an, Geschichten über Superhelden zu schreiben. Niemand hat mir damals gesagt, dass Superhelden überhaupt nicht nobelpreisfähig sind.

Solch folgenreiche Irrtümer ziehen sich durch mein ganzes Leben.

PS: Ich werfe das Stöckchen folgenden armen Opfern zwischen die Beine, ohne zu wissen, wie sie zu dieser Unsitte überhaupt stehen: Angelofshadow, Felix und Anke.

07 Dezember 2006

Tannenzapfenzupfen (6)

(Foto via FHS Holztechnik)

Diese Rubrik hätte ich am liebsten unbenannt in „Gammelsprech“, zumal ich das Copyright auf diesen Begriff habe. Als Bebilderung wäre freilich nur Unappetitliches in Frage gekommen, und dafür sorgt ja schon die körperverletzende Promoprosa, die ich hier alle paar Wochen zusammenscheuche. Also bleibt's beim bewährten Tannenzapfenzupfen. (Woher dieser hübsche Rubrikenname kommt, steht
hier
.)


Wie immer gilt: Alles Blaugefärbte wurde Originalpressetexten der Musikbranche entnommen, natürlich inklusive der bisweilen eigenwilligen Orthografie.

Diesmal geht's in einem Rutsch vom Gruselgenre Denglisch bis zu Metaphern, die an etwas erinnern, was man nach drei Wochen aus einer kaputten Kühltruhe holt.


1. „Very entertaining ist auch die Website zu ,Knights Of Cydonia’ , auf der alle Hauptdarsteller gefeatured werden und es zudem auch einen Quiz gibt. Try it!!!”

2.
„Auf der Skala des ewig gültigen, dessen was wahr ist und sein wird, liegt Chris Garneau’s Stimme irgendwo zwischen Flüssigkeit und Materie.“

3.
„Er stieg im Frühjahr 2005 bei Chris ein, um dessen außergewöhnliche Songs mehr Leben einzuhauchen, so dass sie noch nachgesungen würden, nachdem wir alle von diesem Planeten verschwunden sind.“ (Aha, und von WEM …?)

4.
„Dankbarer Weise tragen LaVern Baker und Patsy Cline zu einer sehr weißen, sehr männlichen, sehr klassischen Rock-Selektion bei.“ (Hä? Baker und Cline sind Frauen. Und Baker schwarz. Vielleicht ist aber auch genau das Gegenteil von dem gemeint, was da steht. Nichts ist unmöglich.)

5. „Konsequenter und unerlässlicher denn je brauchen die Gejagten heute ihre standhaften Koalitionspartner. Es gilt niemand geringeren als den Tod wegzuscheissen! Ein kolossaler Schlachtstoß aus Leidenschaft und Potenz hat sich völlig unprätentiös zu einer mächtigen Gegengarnison formiert. Hellwach stehen die Ketten gebildet. Alle sprühen Alles.“

6.
„Jeder seiner Bogenstriche trifft direkt in die Eingeweide und berührt so zutiefst.“ (… ich stell’s mir gerade vor.)

Was bisher geschah

5
, 4, 3, 2, 1

Das Zucken des Zeigers


Alltäglich begegne ich dieser Uhr, sogar jeden Morgen direkt nach dem Aufstehen, und zwar an einem Ort, der eigentlich einer Uhr nicht gemäß ist. Dennoch vermag sie gemeinhin auch dort treu und unbeeindruckt ihren Dienst zu tun.

Bis heute. Als ich den besagten Ort betrat, lag der Sekundenzeiger gleichsam in den letzten Zuckungen. Er schuftete unermüdlich und in stummer Verzweiflung, doch all sein Trachten und Streben reichte nicht mehr aus, auch nur die nächste Sekunde zu wuppen. Es war, als läge Clark Kent im Bett mit einem Brocken Kryptonit statt mit Lois Lane.

Und was soll ich sagen: Es rührte mich, diesem hoffnungslosen kleinen Stäbchen beim Scheitern zuzuschauen. Er gab einfach nicht auf, wie Thomas Doll. Sysyphos bei der Arbeit – ein trauriger Anblick, aber auch ein sehr tapferer. Weitermachen, immer weitermachen: Dieser Lehrsatz eines zeitgenössischen Philosophen schoss mir unwillkürlich durch den Kopf. Doch es war alles nutzlos.

Andererseits stand die Uhr auf fünf vor zwölf, und somit war es gut, dass er keine Sekunde mehr weiterkam. Alles hat seine zwei Seiten.

PS: Ja, ich gebe zu, ich habe die beiden großen Zeiger von viertel nach auf fünf vor zwölf gedreht. Doch ich achtete peinlich genau darauf, den zuckenden Sekundenzeiger nicht zu berühren, ehrlich.

PPS: Er ist erlöst. Ich habe die Batterie gewechselt.

05 Dezember 2006

Wichtige Fragen (3)

Ernsthaft: Wozu braucht man eigentlich mehr als ein Handy?

Ich habe es wirklich noch nicht verstanden.

(Alle Leute, die mir jetzt mit „Damit ein Akku immer voll ist“ kommen, wissen ja, wo der Ausgang ist.)


Weitere wichtige Fragen:
2, 1

04 Dezember 2006

Eine Riesenschweinerei


Die Abmahnwelle gegen Blogger und kleine Elektrogeschäfte, die Media-Markt-Anwalt Joachim Steinhöfel, der „Pitbull in Robe“, bundesweit entfacht, zeigt erste deutliche Folgen: Von meiner geplanten Anschaffung eines Flachfernsehers plus 5.1-Anlage wird garantiert ein Händler nicht profitieren – der Media-Markt.

Heute Abend brachte Wiso (s. Ausschnitt) die schäbige Praxis des angeblichen Billigheimers noch einmal auf den Punkt. Pikant: Im Werbeblock direkt vor dem Beitrag lief ein Media-Markt-Spot … Sie haben also die Sendung mitfinanziert, die ihre fiesen Praktiken entlarvt – eine sicherlich in den Sand gesetzte Investition.

Was mich an diesem Werbeclip besonders bestürzt, ist zweierlei. Zum einen, dass ein alter Held von mir sich hergibt für ein Unternehmen wie dieses, nämlich Harald Schmidt. Er leiht seine Stimme im Spot einem Schwein. Ist die Verwendung eines Schweins eigentlich nur zynisch oder ein in seiner Offenheit umso arroganterer Hinweis, wie wir den Media-Markt wahrnehmen sollen?

Noch bestürzender, geradezu schockierend aber ist der „Saubillig“-Song, den das Schwein singt. Es ist eine Adaption von Rio Reisers „König von Deutschland“. Die Älteren unter uns werden sich noch an Rio erinnern, diesen wilden, romantischen Linken und leidenschaftlichen Antikapitalisten. Er erfand unsterbliche Songslogans wie „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, „Keine Macht für niemand“ oder „Allein machen sie dich ein“ – und sang diese Zeilen, als risse er sich dabei das Herz aus dem Leib.

Rios Melodie singt jetzt ein Schwein. Und sie wird eingesetzt als Werbung für einen Konzern, der einen marodierenden Pitbull in Robe von der Leine lässt und kleinen Händlern und Bloggern die hässliche Fratze des Kapitalismus zeigt. Was haben sich Rios Erben bloß dabei gedacht?

Schmidt (freiwillig) und Rio (posthum) als Büttel des Media-Markt-Schweins: Ich habe mich schon mal wohler gefühlt in dieser Welt.

Auch wenn ich jetzt besser weiß, wem ich mein Geld gebe und wem nicht.

03 Dezember 2006

Von jetzt an: DER Blog!

So, jetzt ist Schluss! Ich verabschiede mich hiermit öffentlich vom stets verkrampften Versuch, „das“ Blog zu sagen. Nicht, weil der Duden mir seit August eh die Wahl lässt, nein: Das „der“ rutschte mir immer wieder unwillkürlich durch.

Um Blog mit „das“ einzuleiten, musste ich mir stets eine Willensanstrengung abringen, die einem lockeren Smalltalk sehr abträglich war und der Präzision meiner Ausführungen sowieso.

Nein: „Blog“ will offenbar männlich sein, nicht sächlich – was ich gut verstehen kann. Und wenn ich mich so umschaue und -höre, dann hat er, der Blog, diese Forderung schon ziemlich flächendeckend durchsetzen können. Die Phonetik hat längst triumphiert über die Etymologie.

Intuitiv orientieren sich die meisten Menschen nämlich an der klanglichen Nähe zu „Block“, und der ist nun mal männlich. Und ist ein Blog nicht eh so etwas wie ein Notizblock? Na bitte. Warum sich also klammern ans Ideal, wenn die Praxis sie doch ständig Lügen straft? Etwa nur, weil einige verbohrte Alt-Blogger und ihre Jubelperser störrisch darauf beharren?

Nein!, rufe ich ihnen tapfer zu. Und untermauere das mit einem berühmten Dylan-Vers: „You better start swimmin', or you'll sink like a stone, for the times they are a-changin’.“

So ist es.

Der Blog.
Der, der, der.

Fotomontage: Betonblog, Maennerseiten.de, stern.de

01 Dezember 2006

Reduced to the limit

Wozu braucht man eigentlich Werbeagenturen? Gewöhnlich brechen die sich doch nur gewaltig einen ab – und dann versteht das Volk ihre raffitückische Pidginprosa trotzdem nicht.

Nein, nein, diese ganzen verkopften „Come in and find out“-Sprücheverpfuscher könnten was lernen hier im burschikosen St. Pauli.

Genauer gesagt in der
Hein-Hoyer-Straße, wo unser kleiner Kiezfischladen zeigt, wie man Botschaften auf ihren Kern verdichtet: „Muscheln“.

Nicht mal „frische Muscheln“.

Nicht mal die Sorte, und erst recht kein Ausrufezeichen. Als einzige Extravaganz leistet sich dieser verführerische Slogan zwei Unterstriche, und fertig. Muscheln.

Ich liebe es.

30 November 2006

Mitten in der Arena

Die Agentur Arena, Inhaberin der Übertragungsrechte für die Fußballbundesliga, mailte mich diese Woche an, weil ich mal Premierekunde war. Jetzt möchte sie mich auch gern als Abonnenten.

Lieber nicht, gab ich in meiner Antwort zu verstehen. Erläuternd führte ich aus, ihr Geschäftspartner Premiere sei m. E. ein nicht ganz seriöser Verein, der möglicherweise zurückgeschickte Entschlüsselungskarten hat verschwinden lassen, um ein bisschen Schadensersatz zu kassieren. Und das würfe doch ein seltsames Licht auf Pay-TV-Anbieter generell und somit auch auf sie, Arena, weshalb ich die Entwicklung zunächst einmal mit gesunder Skepsis beobachten wolle.

So weit, so gut. Dachte ich. Doch am Tag darauf erhielt ich eine weitere Mail von Arena. In einer einleitenden Floskel zeigte man sich bestürzt über meinen Anlass zur Klage. Gleichwohl, hieß es dann aber unvermittelt weiter, freue man sich, mich vielleicht doch bald wieder als Kunden gewinnen zu können und hoffe, mir mit dieser „Information“ weitergeholfen zu haben.

So, so. Ich schrieb sinngemäß Folgendes zurück: Mit ihrer Mail hätten sie, Arena, bewiesen, wie pimpe ihnen ein ernsthafter Kundenkontakt sei; sonst hätten sie wohl kaum einfach nur ein paar dämliche Textbausteine wahllos und widersprüchlich auf einen Haufen geschmissen. Das Bekunden eigener Freude nämlich, so fuhr ich stichhaltig fort, ginge nirgendwo als „Information“ durch; allenfalls sei ihr Sichfreuen schön für sie, aber keineswegs nützlich für mich.

Alles in allem, signalisierte ich beherzt, habe sich meine Skepsis gegenüber Premiere nun auch ein wenig auf sie, Arena, ausgeweitet, und an meinem Beobachterposten sei vorerst erst recht nicht mehr zu rütteln.

Eine erneute Arena-Mail steht noch aus. Wenn sie noch kommt, erhoffe ich mir als Absender einen Menschen und keinen Computer.

Ob der's besser machen würde, ist allerdings nicht sicher.

29 November 2006

Nichts geht mehr

Beim abendlichen Heimradeln erweist sich der Verkehr als völlig lahmgelegt. Alles steht, Bus an Auto, Auto an Bus. Warnblinkanlagen flackern, ungeduldige Menschen stehen in der Bahrenfelder Straße zwischen Auspuffrohren und Kühlergrills herum. Alles sind ratlos. Klar ist: Nichts geht mehr. Stillstand. Eine Zivilisation am Rande der Hilflosigkeit.

Kurioserweise traut sich dennoch keiner weg von seinem Wagen, obwohl ja auch niemand damit durchbrennen könnte. Eine Krux. Als Fahrradfahrer aber grinst man der Malaise souverän ins Gesicht und schlängelt sich virtuos durch den autoimmobilen Parcours.

Und der zieht sich hin, alle Achtung. Auch in der Kleinen Rainstraße steht Wagen an Wagen. Nichts nervt den urbanen Menschen mehr, als zur Untätigkeit, zum Verharren an einem bezugslosen Ort verdammt zu sein – vor allem, wenn er nicht weiß, warum. Woher kommen wir, wohin gehen wir – und wann endlich, verdammt noch mal?

Nur der Radfahrer wird es bald erfahren, denn er zwängt sich durch kleine blechgesäumte Lücken, er nutzt kurz den Gehweg, hüpft fidel über den Bordstein zurück auf die zugestellte Straße, stützt sich an der Wand eines – haha – Schnellbusses ab und erreicht schließlich den Anfang des Staus, der gerade halb Altona lahmlegt.

Und hier haben wir den Übeltäter. Wo die Kleine in die Große Rainstraße übergeht, parkt ein roter Golf halb auf der Straße, und genau dort kommt nun ein Bus nicht mehr um die Kurve. Ein Umstand, der sich in Form zunächst stockenden, dann stehenden Verkehrs rückwärts fortgepflanzt hat und sich inzwischen wahrscheinlich der Stresemannstraße nähert oder sogar schon der Abfahrt Bahrenfeld, und vielleicht leckt der Stau auch bereits gierig hoch auf die Autobahn und führt zu zähem Fließen bis hinauf nach Schnelsen-Nord und irgendwann bis Flensburg.

Und alles wegen eines roten Mittelklassewagens. Hier an der Ecke, vorm Golfus delicti, ist Volksauflauf. Polizei sichert die Lage. Alles wartet auf den Abschleppwagen. Bis dahin ruht weiter still und starr, was doch zum Sichbewegen geschaffen ist. Schaulustige besprechen die Lage. Nicht bei den Buskunden, aber bei den Fuß- und Müßiggängern herrscht vorfreudige Erwartung. Beim Abschleppen zuzusehen, ist immer eine feine Sache.

Noch feiner wäre es allerdings, der Fahrer des roten Golfs kehrte jetzt zurück und müsste sich dem Volkszorn stellen. Ich habe eine solche Situation mal in der Friedensallee erlebt, wo ein unsensibler Automobilist ebenfalls einen Bus blockiert hatte. Bei seiner Rückkehr erkannte er gleich die Brisanz der Situation und versuchte sich gleichsam unsichtbar ins Auto zu flüchten. Die nahezu tollwütigen Busfahrgäste allerdings stellten ihn und schrien ihm Vorwürfe entgegen, von denen ein mit Schaum vor dem Mund vorgetragenes „Ich habe ein krankes Kind zu Hause! Was denkst du dir eigentlich, du!“ der niederschmetterndste war.

Noch nie habe ich eine Menschenmenge so nah an ihrer Verwandlung zum Lynchmob gesehen wie damals. Daran merkt man, welche Bedeutung die Bewegungsfreiheit hat. Kein Wunder, dass Gefängnisinsassen manchmal sogar Dächer entern, nur um sich mal ungestört die Füße vertreten zu können.

Heute jedenfalls droht dem Golffahrer ebenfalls großes Ungemach, träte er unbefangen an sein Gefährt heran. Doch wenn er schlau ist, gesellt er sich einfach unauffällig zum potenziellen Lynchmob und schaut mit innerem Bedauern zu, wie sein Wagen demnächst abgeschleppt wird. Im Endeffekt kommt ihn das billiger – und ist deutlich weniger riskant.

So lange kann ich aber nicht warten. Also radle ich weiter und erfreue mich einer gähnend leeren Reststrecke bis zum Bahnhof Altona. Unterwegs wiege ich mich in der süßen Gewissheit, wieder ein wenig Blogstoff aufgesammelt zu haben.

So hat selbst das Lahmliegen des Hamburger Individualverkehrs noch sein gerüttelt Maß Gutes.

28 November 2006

Eisberg, wo bist du?

Sollte die Firma Titanic-Reisen sich wundern, wieso ihr Absatz von Reisen nach New York nicht richtig in die Puschen kommt: Ich hätte da eine These.

Der Fairness halber muss allerdings erwähnt werden: Beim Unternehmen titanic.de kann man wider Erwarten keine Schiffsreisen, sondern nur Flüge und Bahnfahrten buchen.

Die Aufforderung „Versuchen Sie Ihr Glück!“ hat dennoch ein – nun ja – G’schmäckle.

27 November 2006

Wie ein Dieb in der Nacht

Als ich heute den Saturn-Laden an der Mönckebergstraße verließ, wo ich meine Füße samt Aufzugsschacht fotografiert hatte und um die riesigen Plasmafernseher herumgeschlichen war wie ein ausgehungerter Pitbull um rohes Lammhack, fand ich mein Fahrrad blockiert vor.

Irgendein Witzbold hatte das Speichenschloss am Hinterrad, dessen Existenz mir bis dahin nicht einmal bewusst gewesen war, mit brutalstmöglicher Gewalt zusammengedrückt, so dass es jetzt seiner ureigenen Aufgabe mit Entschlossenheit nachkam, nämlich das Hinterrad störrisch am Drehen zu hindern.

Infolgedessen war mein Rad vollends lahmgelegt. Zwar konnte ich es vom Pfosten abschnallen, doch das war es dann auch. Einen Schlüssel fürs Speichenschloss hatte ich natürlich nicht – wie auch, wenn ich von dessen Existenz erst auf solch düpierende Weise erfahren musste?

Wie sich wenig später herausstellte, gibt es kaum eine blödere Situation, als mit einem blockierten Fahrrad durch die halbe Stadt zu müssen. Das Hinterrad musste ich unter Aufbietung meiner fitnessclubgestählten Muskelkraft zuverlässig von jeglichem Bodenkontakt fernhalten, was mich einem bösen Verdacht aussetzte.


Die Blicke der Passanten und S-Bahnfahrer beschuldigten mich nämlich wortlos, aber beredt des schäbigen Fahrraddiebstahls. Immerhin schritt keiner von diesen Feiglingen ein, was mir allerdings wenig Hoffnung macht für den Fall, dass mein Rad wirklich mal geklaut und von einem Dieb durch die halbe Stadt gehievt werden sollte.

Im Fahrradladen in der Talstraße, wohin ich mich mit letzter Kraft und taubem Arm schleppte, musste man den Bolzenschneider bemühen, um diesem elenden Speichenschloss den Garaus zu machen. Wenigstens schaute mich der leicht dickliche Teenager, der das Werkzeug sachkundig ansetzte, nur dumpf und teilnahmslos an.

Das rettete halbwegs meinen Abend.

Die Fundstücke des Tages (30)

1. Nur 14 Monate Bloggen haben gereicht: Beim Suchwort „Reeperbahn“ liefert Google weltweit rund 1,3 Millionen Suchergebnisse – und führt dieses Blog auf Rang 3! Bin baff. Höher werde ich allerdings zu Recht nicht kommen, denn www.reeperbahn.de und Wikipedia sind natürlich unschnackelbar.

2. Vorgestern war jemand hier, der absolvierte in 178 Sekunden 29 Seitenaufrufe. Wie geht das? Diese Leistung erinnert mich an den 16-jährigen SMS-Weltrekordler, der in gut 41 Sekunden eine Nachricht von 160 Zeichen Länge in sein Handy gehackt hat. Vielleicht war er das ja mit den 29 Seitenaufrufen – Ang Chuang Yang, warst du das?

3. Schöner Verschreiber in einer Filmbeschreibung bei Amango: „Hautrolle“ … Leider war nicht die Rede von einem Nacktmodell, sondern vom großartigen William H. Macy. Sonst hätte es auch eine Spur zu plump gewirkt.

4. Das gestrige Foto von Axel Schulz birgt ein merkwürdiges Detail, auf das ich im Beitrag – aus Angst, mich zu verzetteln – nicht näher eingehen mochte: seine merkwürdig gichtig verbogene Hand, die auch beim Mützenhochschieben starr blieb, wie ich dank eigener Inaugenscheinnahme bezeugen kann. Kam das vom Kampf? Hat Schulz Rheuma? Hier kann möglicherweise ein Fachmann wider Willen weiterhelfen.

Alle bisherigen Fundstücke des Tages:
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10,
11, 12, 13,
14, 15, 16, 17, 18, 19, 20,
21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, Oh, my Google!

25 November 2006

We can only lose

Klar, Axel Schulz ist ein tapsiger Bär mit Berliner Zungenschlag, und man mag den Burschen gern. Aber er sollte nicht boxen.

Und wenn er schon ein Jahr lang trainiert, um doch wieder zu boxen, obwohl alle Welt sich vor den Kopf schlägt und sagt: Axel, tu das nicht, dann sollte Axel keinesfalls zu einer akustischen Latinsoulversion des Doors-Songs „Light my fire“ einmarschieren.

Klar, er gilt als „weicher Riese“, weil er entscheidende Kämpfe immer verliert, und die weiche Version eines Riesenhits passt da gut ins Bild. Aber warum um alles in der Welt sucht sich ein Boxer, der immer verliert, einen Song aus, in dem es klipp und klar heißt: „We can only lose“ …?

Auch das restliche Umfeld stimmte hinten und vorne nicht, vom Kirmessender RTL mal ganz abgesehen. Schulzens Interviewer nämlich war Kai Ebel, und der hat vielleicht Ahnung von der Formel 1, aber vom Faustkampf so viel wie ein Nacktmull von Quantenphysik.

Und obwohl alle Welt sich vor den Kopf schlägt und sagt: Kai, tu das nicht, interviewt der Kai Boxer, die nicht boxen sollten, und dann kommen Fragen dabei heraus wie diese: „Axel, wie geht's jetzt weiter? Was denken Sie: Erst mal in der Nacht schlafen?“

Nein, die Doors hatten Recht.
Wir konnten nur verlieren heute Abend.

Ex cathedra: Die Top 3 der Doors-Songs
1. „Love street“
2. „Love her madly“
3. „L. A. Woman“

Nena?

Typische Frage an einen Musikjournalisten.
Aber schwer zu beantworten – wegen der fehlenden Absenderadresse.

24 November 2006

10 und schon Samariter

Unterm Hochbahnhof Holstenstraße gibt es einen vernachlässigten Fahrradunterstand, der etwa so viele ruinierte wie fahrbereite Räder beherbergt. Dort sprach mich gestern ein ungefähr 10-jähriger Junge an.

„Entschuldigung“, sagte er schüchtern und gebeugten Rückens – offenbar kostete es ihn viel Überwindung, mich anzusprechen. Ich nahm einen Ohrhörer heraus.

„Hier drüben“, sagte der Junge mit Spatzenstimme und ging vor, mitten hinein ins Gewirr der Radruinen. Da ich selten von 10-Jährigen angesprochen werde, sondern höchstens in der Zeitung davon lese, was dabei herauskommt, wenn Männer 10-Jährige ansprechen, konnte ich kein exaktes Verhaltensprogramm für diesen Fall abrufen. Etwas unsicher ging ich ihm nach.

„Hier“, sagte er und zeigte auf ein Rad, das an einem Poller lehnte, „das Schloss ist kaputt, und jetzt kann jeder das Fahrrad mitnehmen. Ich weiß nicht, was ich tun soll.“

Sogleich fühlte ich mich gerührt. Denn was muss man sich nicht alles anhören über die nachwachsende Jugend! Kein Deutsch sollen sie mehr können, ihre sozialen Fähigkeiten ausschließlich an Killergames schulen und darob sowieso direktemang einer arbeitslosen, gewalttätigen und drogengeprägten Zukunft entgegendelirieren.

Und jetzt das: ein Kind, das sich kümmert.
Ein empathisches Kind.
Ein Wunder!

Noch ehe ich das Rad näher inspizierte, sprach ich dem Jungen ein aufrichtiges Lob aus. Innerlich verband ich dies mit dem Wunsch, der sympathische Bursche möge sich hinfort erinnern an die unauflösliche Verknüpfung von Tat und Belobigung; und er möge sie als Ermunterung auffassen für weitere gute Taten auf einem hoffentlich nicht von oben genannten Aussichten geprägten Lebensweg.

Zurück zum Schloss. In der Tat schlotterte dem Rad die Sicherungskette lose ums Gestell. Allerdings stand auch das kleine Bügelschloss untätig offen. „Hast du schon probiert, das Schloss zuzudrücken?“, fragte ich den Jungen. „Nein“, musste er zugeben. Ich drückte den Bügel ins Loch, und er rastete ein. Das Rad war gesichert.

Wäre der Bursche auch noch selbst auf diese Idee gekommen (die, ehrlich gesagt, verdammt nahelag), hätte ich ihm mindestens die Gründung eines Konzerns à la Microsoft zugetraut. Doch dann wäre seine Sorge niemals an die Öffentlichkeit gedrungen.

Mir ist es so rum lieber.

23 November 2006

Fußball auf Fränkisch

Mit dem Franken in einer Kneipe Champions League zu gucken, ist ein schwieriges Geschäft. Wenn gerade seine Bayern nicht spielen, verfällt er nämlich in eine konsequente Muffelstarre. Vor allem dann, wenn Bremen spielt.

Halbkreisförmig und mit aufgestütztem Kopf sitzt der Franke dann trübe da. Meist schweigt er, nur manchmal purzelt ihm feindseliges Gegrummel aus dem Mund.

„Hühnerhaufen“, wirft er etwa mit müdem Triumph in die desinteressierte Runde, wenn die Bremer eine Kombination des Gegners nicht augenblicklich stoppen können. „Kein Foul“, kommt es unvermittelt aus dem fränkischen Muffelzentrum, wenn beispielsweise Frings gerade einen Ellenbogen ans Jochbein gerammt bekommt.

Und unser Jubeln und Klatschen beim Siegtor kommentiert er mit: „Die können euch nicht hören. Ihr seid albern.“ Aber glücklich!, erläutere ich dem Griesgram frohgemut. Und erinnere ihn an gemeinsame Momente im Wohnzimmer beim Konsum meist öder Bayernspiele, als sein zartfühlendes „Hau ihn um!“-Geschrei Richtung Fernseher noch lange durch die Häuserschluchten St. Paulis hallte, trotz der geschlossenen Fenster.

Auch sah ich ihn schon bei Toren auf der richtigen Seite zutiefst aufgewühlt vom Freischwinger rutschen und ein animalisches „Jaaaaaa!“ brüllen, welches von einer Provenienz war, für die er sich jedesmal hinterher entschuldigen zu müssen glaubte. Zurecht übrigens – schließlich musste ich weiter mit den Nachbarn leben, nicht er.

Werder Bremen gewann heute Abend wirklich gegen Chelsea, und im Kiez-Beach an der Reeperbahn herrschte selige Ausgelassenheit. Nur im Zentrum des Glücks hockte ein pechschwarzes Loch, und es kam aus Franken.

Ich gestehe: Dieser Anblick verdoppelte meine Freude über Bremens Coup. Aber sagt's ihm nicht, sonst kommt er nächstes Mal nicht mehr mit.

Die bisherigen Teile der Frankensaga
19. Der Kulturstoffel 18. Fußball auf Fränkisch! 17. Auhuuu! 16. Die Bettelblickattacke 15. Der Franke bleibt störrisch 14. Der unvollendete Panini-Coup 13. Duck dich, Sylt! 12. Auf Partypatrouille 11. Laggs auf vier Uhr 10. Der Franke ist überall 9. Die Greeb-Pfanne 8. Erste gegen dritte Liga 7. Die verspätete Riesenkartoffel 6. Der historische Tag 5. Der Alditag 4. Der Faschingskrapfen 3. Der Klozechpreller 2. Der Dude 1. Das Alte Land