Mit den fröhlichen Worten „Komm, lass uns Jennifer Lopez auf den Hintern starren!“ lockte ich Ms. Columbo heute Abend erfolgreich in die o2-Arena nach Stellingen. Und da ich gebenedeit bin unter den Musikjournalisten, durften wir das Konzert in der Loge ihrer Plattenfirma Warner Music verbringen.
Die Wände dort sind geschmückt mit Porträts der bedeutendsten Labelkünstler, also Kalibern wie Miles Davis, Ray Charles, Neil Young, Lou Reed … Warner-Chef Bernd Dopp genoss sichtlich meine sinnierende Bewunderung dieser geballten Galerie der Kreativität und erzählte nicht unstolz, er sei mit sämtlichen abgebildeten Künstlern persönlich bekannt, nur mit einem nicht: Frank Sinatra.
Dabei hatte er alles versucht und ihm einst, in den 80ern, die Bitte um ein Treffen mit einer in die Garderobe geschickten Flasche Schampus schmackhaft zu machen versucht. Der Assistent des Meisters beschied ihm allerdings nach sorgfältiger Prüfung Folgendes: „Mr. Sinatra zieht es vor, Sie nicht zu treffen. Doch er bedankt sich für den Champagner.“ Für The Voice war diese Lösung anscheinend das Musterbeispiel einer Win-win-Situation.
Dopp informierte mich des Weiteren darüber, dass Paul Simons Tage in der Galerie bald gezählt seien, denn die Rechte an seinem Lebenswerk seien just an Sony Music verkauft worden. „Ehe Sie das Bild wegwerfen, geben Sie es mir“, hörte ich mich spontan sagen – und zwar leider nicht eingedenk der hier im Blog unlängst geschilderten Strategie, zu Hause kulturelle Bestände im großen Stil abzubauen.
Sofort schritt Dopp zur Wand, nahm das Bild ab und überreichte es mir. „Wir hätten es wirklich weggeworfen“, sagte er. Verblüfft und dankbar nahm ich das Geschenk an und schaffte es später beim Rausgehen sogar, das Foto an den Sicherheitskräften vorbeizuschmuggeln, ohne des Diebstahls verdächtigt zu werden.
Ich war also losgezogen, um Jennifer Lopez auf den Hintern zu starren – und kehrte zurück mit dem gerahmten Porträt eines der größten Songpoeten der Popgeschichte (vgl. „Duncan“ oder „The Boxer“).
Eigentlich habe ich das also nicht verdient. Und Lopez’ Hintern ist keineswegs so spektakulär, wie immer alle sagen.
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28 Oktober 2012
26 Oktober 2012
Pareidolie (50): Das taucht was
Die Hamburger Fotografin Gundel Deckert kann natürlich nichts dafür, aber ihre abstrakt wirkenden Wasserbilder bringen meine eigenartigen visuellen Sensoren ziemlich auf Touren.
Durch die Vernissage im Speditionshaus lief ich jedenfalls mit voll pareidolisiertem Tunnelblick – und wurde prompt an einigen Stellen fündig.
Oder zeigt das abgebildete Fotodetail einer mallorquinischen Mittelmeeroberfläche etwa keinen schlafenden spitznasigen Mann, der in eine Gustav-Klimt-artig gemusterte Decke gehüllt ist? Und hält er nicht eine flokatiummantelte Wärmflasche in der rechten Hand?
Sehen Sie: Jetzt sehen Sie es auch.
PS: Eine ganze Galerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.
Durch die Vernissage im Speditionshaus lief ich jedenfalls mit voll pareidolisiertem Tunnelblick – und wurde prompt an einigen Stellen fündig.
Oder zeigt das abgebildete Fotodetail einer mallorquinischen Mittelmeeroberfläche etwa keinen schlafenden spitznasigen Mann, der in eine Gustav-Klimt-artig gemusterte Decke gehüllt ist? Und hält er nicht eine flokatiummantelte Wärmflasche in der rechten Hand?
Sehen Sie: Jetzt sehen Sie es auch.
PS: Eine ganze Galerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.
25 Oktober 2012
23 Oktober 2012
Time to say goodbye
Der Beginn einer neuen Ära ist stets von Übergangsproblemen geprägt.
Seit mehreren Wochen versuchen wir unsere Bücher zu verschenken, weil wir auf E-Reader umgestiegen sind. Doch die jahrzehntelang gewachsene Wand scheint trotz mehrfacher Ortstermine mit vermeintlich guten Freunden kaum abzunehmen.
Dabei schlugen hier schon Leute mit Rollkoffern auf, sogar mehrfach. Dem ersten Kandidaten hatte ich für 50 Euro freie Auswahl versprochen – und null Euro, wenn er alles mitnähme, inklusive Brettern, Streben und Haken. Unter fadenscheinigen Vorwänden („Platzprobleme“) wählte er die Variante für 50 Euro. Die er uns übrigens immer noch schuldet.
Am vergangenen Sonntag nötigten wir daher ein halbes Dutzend Menschen aus dem innersten Zirkel, sich zwecks freier Bücherentnahme gefälligst in unserem Wohnzimmer einzufinden. Sogar der Heavy-Kindle-User German Psycho war dabei, allerdings – wie Sie völlig richtig vermuten – aus ganz anderen Gründen: Er sollte jeden, der sich am Ende der Veranstaltung ohne Bücher zu fliehen anschickte, höflich an seine Pflichten erinnern – mithilfe seiner Chromaxt.
Gelockt hatten wir nicht nur mit der Aussicht auf kostenlosen Lesestoff, sondern auch mit Espresso und portugiesischen Natas, was schließlich sogar den Franken aus seiner Eimsbütteler Höhle auf den Kiez trieb. Dabei erstickt dieser heillose Büchermessi zu Hause bereits jetzt zwischen Zellulosestapeln, für deren Produktion halb Manaus abgeholzt werden musste.
Ihn dabeizuhaben erschwert die ganze Sache zudem auf der Diskussionsebene erheblich. „Wasss?“, blökte er beim empörten Fingern im Regal, „du verschenkst Eckhard Henscheids Trilogie des laufenden Schwachsinns?? Die hast du von MIR!“ Müde schaute ich vom Espresso hoch. „Kannst du das beweisen?“, fragte ich zurück, „ist etwa eine Widmung drin?“
Widmungen hält der Franke allerdings generell für uncool, weshalb sein Vorwurf ungefähr so gut belegt war wie die Existenz des Yeti. Muffelnd steckte er also die Schwachsinnstrilogie in eine Stofftasche, die ich ihm gutmütig hinhielt, während er kopfschüttelnd irgendwas von „Ist sogar die Erstauflage“ murmelte.
Bevor wir die Meute aufs Regal losließen, hatten wir natürlich alle echten Herzensbücher und signierten Preziosen diskret beiseite geschafft. Und manches Lieblingswerk, das es nicht als E-Book gibt, habe ich neulich nach Amerika verschickt, wo es gerade jetzt, in diesem Moment, wie ich soeben per Mail erfuhr, fachgerecht guillotiniert, eingescannt und mir demnächst im Kindle-Format wieder zugemailt wird. Ein E-Phönix aus der Asche!
Wir ernten übrigens sehr viel Kritik, seit wir unseren Abschied vom toten Holz eingeleitet haben. Wie könnt ihr nur!, heißt es häufig. Die Sinnlichkeit des Anfassens! Das Rascheln der Seiten! Der Duft! Ja, klar. Aber haben Sie schon mal die gebundene Ausgabe von David Foster Wallace’ „Unendlicher Spaß“ mit auf eine Urlaubsreise genommen? Ich schon.
Nein, ich blättere mit großem Vergnügen einhändig per Tastendruck, trage liebend gern eine virtuelle Bücherwand in der Jackentasche herum wie einen verborgenen Schatz. Und ich lese weitaus mehr, öfter und länger, seit der Kindle mein Leben bereichert.
Am Ende hatte übrigens auch German Psycho seine speziellen Pflichten vergessen und einen halben Meter sinnlich anzufassender, raschelnder, duftender Bücher aus dem Haus geschafft. Und trotz alledem ist die Wand erneut kaum geschrumpft.
Sogar der „Faust“ steht noch da. Banausen, echt.
20 Oktober 2012
Der Tag der seltsamen Satzfetzen
Beim Kiezbäcker stand heute Morgen ein bulliger Vollbartträger vor mir in der Schlange und sagte: „So, und jetzt noch was nur für die Augen.“
Noch ehe ich imaginieren konnte, was er damit wohl meinen könnte – vielleicht Schwarzwälder Kirsch mit Sahnehäubchen? – konkretisierte er seinen Wunsch: „Zwei Brötchenhälften mit Mett!“ Natürlich reagierte der Kiezbäcker wie üblich: mit fatalistischer Gelassenheit.
Später auf dem Flohmarkt hörte ich im Vorübergehen einen weiteren sehr seltsamen Satzfetzen. Eine Frau sagte zur anderen: „… ich habe nämlich ein Problem mit toten Vögeln: Sie machen mir Angst.“
Wenn Sie also demnächst auf St. Pauli unterwegs sein sollten, passen Sie besser auf, was Sie sagen: Matt hört mit.
Und verbloggt es.
Noch ehe ich imaginieren konnte, was er damit wohl meinen könnte – vielleicht Schwarzwälder Kirsch mit Sahnehäubchen? – konkretisierte er seinen Wunsch: „Zwei Brötchenhälften mit Mett!“ Natürlich reagierte der Kiezbäcker wie üblich: mit fatalistischer Gelassenheit.
Später auf dem Flohmarkt hörte ich im Vorübergehen einen weiteren sehr seltsamen Satzfetzen. Eine Frau sagte zur anderen: „… ich habe nämlich ein Problem mit toten Vögeln: Sie machen mir Angst.“
Wenn Sie also demnächst auf St. Pauli unterwegs sein sollten, passen Sie besser auf, was Sie sagen: Matt hört mit.
Und verbloggt es.
18 Oktober 2012
Die Generation 50 plus unter sich
Matt: Bringst du mir morgen mal die neue „Pastewka“-Box mit?
Franke: Klar. Schickst du mir eine Mail zur Erinnerung?
Matt: Gern, wenn du mich an die Erinnerungsmail erinnerst.
Franke: Das habe ich bis heute Abend wieder vergessen.
Matt: Ich auch. Aber ich versuche, dran zu denken.
Franke: Ebenfalls.
Zum Glück läuft die Serie freitags auch im Fernsehen.
Franke: Klar. Schickst du mir eine Mail zur Erinnerung?
Matt: Gern, wenn du mich an die Erinnerungsmail erinnerst.
Franke: Das habe ich bis heute Abend wieder vergessen.
Matt: Ich auch. Aber ich versuche, dran zu denken.
Franke: Ebenfalls.
Zum Glück läuft die Serie freitags auch im Fernsehen.
16 Oktober 2012
15 Oktober 2012
Um elf Cent reicher
Das Fahrrad immer draußen vor unserem Haus anzuschließen, führt nicht nur dazu, dass es regelmäßig – der Schnitt beträgt etwa drei Jahre – gestohlen wird. Erheblich öfter dient es als Ablagefläche, wobei Sattel und Gepäckträger ungefähr gleich oft die Leidtragenden sind.
Meist sind es Getränkebehälter, die halb oder ganz ausgetrunken auf meinem Fahrrad abgestellt werden. Neben Bierbüchsen fand ich auch schon mehrfach Plastikbecher mit gelblichen Flüssigkeiten vor, bei denen ich stets hoffte, es möge sich doch bitte um Limonade handeln. Überprüft habe ich es freilich nie, auch olfaktorisch nicht.
In Western oder Krimis der 70er hätte der breitkrempig behütete Held in einem solchen Fall die Augen zu Schlitzen verengt, einen Finger in den Becher getunkt, dann dran geleckt und gesagt: „Urin. Es ist Urin.“
Aber das hier ist das 21. Jahrhundert, wir sind auf St. Pauli, solche Sachen müssen unbedingt ungeklärt bleiben.
Halbaufgegessenes Fastfood ist ebenfalls eine beliebte Hinterlassenschaft, die mein Fahrrad geduldig aufbewahrt, bis Herrchen es morgens losschließt. Neulich lagen sogar mal zwei Münzen auf dem Sattel, ein 10- und ein 1-Cent-Stück. Herzlichen Dank.
Das neuste Geschenk vom Universum war ein grauer Wollschal von gar nicht mal unbescheidener Provenienz, der achtlos um den Lenker geschlungen war. Er schien mir ob seiner Qualität nicht geeignet für den nur wenige Meter entfernten Mülleimer, in den ich sonst alles entsorge, was ich auf dem Rad vorfinde (bis auf die elf Cent).
Deshalb fasste ich ihn mit spitzen Fingern an und drapierte ihn auf dem Lenker des Nachbarfahrrads. Dafür möchte ich mich hiermit unaufrichtig entschuldigen.
Meist sind es Getränkebehälter, die halb oder ganz ausgetrunken auf meinem Fahrrad abgestellt werden. Neben Bierbüchsen fand ich auch schon mehrfach Plastikbecher mit gelblichen Flüssigkeiten vor, bei denen ich stets hoffte, es möge sich doch bitte um Limonade handeln. Überprüft habe ich es freilich nie, auch olfaktorisch nicht.
In Western oder Krimis der 70er hätte der breitkrempig behütete Held in einem solchen Fall die Augen zu Schlitzen verengt, einen Finger in den Becher getunkt, dann dran geleckt und gesagt: „Urin. Es ist Urin.“
Aber das hier ist das 21. Jahrhundert, wir sind auf St. Pauli, solche Sachen müssen unbedingt ungeklärt bleiben.
Halbaufgegessenes Fastfood ist ebenfalls eine beliebte Hinterlassenschaft, die mein Fahrrad geduldig aufbewahrt, bis Herrchen es morgens losschließt. Neulich lagen sogar mal zwei Münzen auf dem Sattel, ein 10- und ein 1-Cent-Stück. Herzlichen Dank.
Das neuste Geschenk vom Universum war ein grauer Wollschal von gar nicht mal unbescheidener Provenienz, der achtlos um den Lenker geschlungen war. Er schien mir ob seiner Qualität nicht geeignet für den nur wenige Meter entfernten Mülleimer, in den ich sonst alles entsorge, was ich auf dem Rad vorfinde (bis auf die elf Cent).
Deshalb fasste ich ihn mit spitzen Fingern an und drapierte ihn auf dem Lenker des Nachbarfahrrads. Dafür möchte ich mich hiermit unaufrichtig entschuldigen.
13 Oktober 2012
Bye, Nils
Mitte oder Ende der 90er, als ich noch mit J. befreundet war, erzählte er mir, er würde häufig mit dem Sänger Nils Koppruch verwechselt.
In der Tat sahen die beiden sich ähnlich, doch es gab einen Unterschied: Immer, wenn man Koppruch auf den Straßen oder in den Kneipen von St. Pauli begegnete, sah er – im Gegensatz zu J. – übernächtigt aus.
Er schien wenig zu schlafen und viel zu arbeiten, als Musiker und als Maler. Schon früh hatte er tiefe Falten im Gesicht, er war praktisch immer unrasiert, und wenn man seinem Blick begegnete, fielen einem die dunklen Augen auf.
Am Mittwoch ist Nils Koppruch plötzlich gestorben, mit 46.
Meine Generation.
Seinen tiefen Stirnfalten wird man auf St. Pauli nie mehr begegnen. Und bald werden auch die Kerzen und Blumen vor seinem Atelier in der Wohlwillstraße wieder verschwunden sein.
In der Tat sahen die beiden sich ähnlich, doch es gab einen Unterschied: Immer, wenn man Koppruch auf den Straßen oder in den Kneipen von St. Pauli begegnete, sah er – im Gegensatz zu J. – übernächtigt aus.
Er schien wenig zu schlafen und viel zu arbeiten, als Musiker und als Maler. Schon früh hatte er tiefe Falten im Gesicht, er war praktisch immer unrasiert, und wenn man seinem Blick begegnete, fielen einem die dunklen Augen auf.
Am Mittwoch ist Nils Koppruch plötzlich gestorben, mit 46.
Meine Generation.
Seinen tiefen Stirnfalten wird man auf St. Pauli nie mehr begegnen. Und bald werden auch die Kerzen und Blumen vor seinem Atelier in der Wohlwillstraße wieder verschwunden sein.
10 Oktober 2012
Der ununterdrückbare Reflex
Auf der Reeperbahn und drumherum ist es unvermeidlich, unablässig angebettelt zu werden. Am scheißfreundlichsten tun es die zahlreich auf dem Gehweg lagernden Punks.
Wenn du dich näherst, unterbrechen Sie kurz das Tätscheln ihrer Hunde, tänzeln geschmeidig herbei, machen ironische Verbeugungen, während sie mit Plastikbechern rasseln, und verabschieden dich übertrieben höflich; schließlich weiß man nie, ob man sich nicht noch mal sieht im Leben. Oder später am Tag.
Paradoxerweise unterliege ich dem ununterdrückbaren Reflex, das tagtägliche Ansinnen der Punks stets mit einem gemurmelten „Nein, danke“ zu beantworten – ganz so, als böten sie mir etwas an, statt etwas von mir zu wollen. Im Nachhinein schüttle ich immer den Kopf über mich, doch wenn mich das nächste Mal ein Punk anbettelt, das weiß ich schon jetzt, rutscht mir garantiert wieder dieses ununterdrückbare „Nein, danke“ raus.
Die Reeperbahnpunks müssen sich schwer wundern über mich. Aber was soll ich tun? Das ist wohl eine Typenfrage. Oder genetisch bedingt. Denn wenn mich jemand anrempelt, sage ich auch automatisch „Entschuldigung“ statt „HEY! AUFPASSEN, DIGGA!!“
Als ich neulich mal wieder über die Reeperbahn lief, geriet ein Mann, der mir entgegenkam, gerade ins Schleppnetz eines becherschüttelnden Punks. Er schaute den devot grinsenden Burschen düster an und sagte dann einen Satz, den ich mir merken muss. Dringend.
Der Mann sagte: „Lass ma gut sein.“
Genial. Warum kommen immer nur andere Leute auf so was? Und warum rutscht mir morgen stattdessen garantiert wieder ein ununterdrückbares „Nein, danke“ raus?
Vielleicht bin ich doch nicht kieztauglich. Nach 16 Jahren auf der Reeperbahn und drumherum wäre das allerdings eine derart betrübliche Erkenntnis, dass ich sie hiermit innerlich empört von mir weise.
Wenn du dich näherst, unterbrechen Sie kurz das Tätscheln ihrer Hunde, tänzeln geschmeidig herbei, machen ironische Verbeugungen, während sie mit Plastikbechern rasseln, und verabschieden dich übertrieben höflich; schließlich weiß man nie, ob man sich nicht noch mal sieht im Leben. Oder später am Tag.
Paradoxerweise unterliege ich dem ununterdrückbaren Reflex, das tagtägliche Ansinnen der Punks stets mit einem gemurmelten „Nein, danke“ zu beantworten – ganz so, als böten sie mir etwas an, statt etwas von mir zu wollen. Im Nachhinein schüttle ich immer den Kopf über mich, doch wenn mich das nächste Mal ein Punk anbettelt, das weiß ich schon jetzt, rutscht mir garantiert wieder dieses ununterdrückbare „Nein, danke“ raus.
Die Reeperbahnpunks müssen sich schwer wundern über mich. Aber was soll ich tun? Das ist wohl eine Typenfrage. Oder genetisch bedingt. Denn wenn mich jemand anrempelt, sage ich auch automatisch „Entschuldigung“ statt „HEY! AUFPASSEN, DIGGA!!“
Als ich neulich mal wieder über die Reeperbahn lief, geriet ein Mann, der mir entgegenkam, gerade ins Schleppnetz eines becherschüttelnden Punks. Er schaute den devot grinsenden Burschen düster an und sagte dann einen Satz, den ich mir merken muss. Dringend.
Der Mann sagte: „Lass ma gut sein.“
Genial. Warum kommen immer nur andere Leute auf so was? Und warum rutscht mir morgen stattdessen garantiert wieder ein ununterdrückbares „Nein, danke“ raus?
Vielleicht bin ich doch nicht kieztauglich. Nach 16 Jahren auf der Reeperbahn und drumherum wäre das allerdings eine derart betrübliche Erkenntnis, dass ich sie hiermit innerlich empört von mir weise.
08 Oktober 2012
So haben wir nicht gewettet!
Von: Matt Wagner
An: Reinhold Beckmann
Date: Mon, 8 Oct 2012 23:20:26 +0200
Subject: So haben wir nicht gewettet!
Lieber Reinhold Beckmann,
heute wende ich mich in einer etwas delikaten Angelegenheit an Sie, aber wat mutt, dat mutt, wie wir hier in Hamburg sagen. Aber das wissen Sie ja, Sie wohnen ja auch hier.
Ich muss ein klein wenig ausholen. Im Dezember vergangenen Jahres waren ich und weitere Hamburger Journalistenkollegen zum Weihnachtsessen der Kölner Agentur Position ins Kiezrestaurant Abendmahl eingeladen. Ein hochgeschätzter Traditionstermin, bei dem es alljährlich so kulinarisch wie feuchtfröhlich zugeht. Medienleute, Sie wissen ja …
Die promillebefeuerte Stimmung an jenem Abend mag auch mit ein Grund für eine kleine Wette gewesen sein. Zufällig nämlich saß ich neben Frau Paul aus Ihrer Redaktion, und wir diskutierten angeregt bei ein, zwei (oder drei) Gläsern Wein über die damals noch hochbrisante Frage, wer wohl Nachfolger von Thomas Gottschalk bei „Wetten, dass …“ werden würde.
Für Frau Paul war sonnenklar: Johannes B. Kerner würde es werden und niemand sonst. Ich bestritt das vehement, es ging hin und her, ich brachte aller vertraglichen Verpflichtungen zum Trotz sogar Sie ins Spiel. Auf dem Höhepunkt der Diskussion schlug Frau Paul mir eine Wette vor. Sollte Kerner es werden, so lautete der Deal, hätte ich ihr eine Flasche Wein zu spendieren, wenn nicht, dann umgekehrt. Wenn Sie mögen, können Sie diesen Vorgang sogar im Internet nachlesen, denn ich habe ihn damals unter dem Titel „Kerner und der Weltuntergang“ verbloggt.
Nach Abschluss dieser Wette herrschte eine für mich, wie ich fand, außergewöhnlich komfortable Situation. Denn sobald irgendeiner der sieben Milliarden Erdbewohner mit Ausnahme von Johannes B. Kerner den Job bekommen würde, wäre ich um eine Flasche Wein reicher. Ich will jetzt nicht sagen, dass meine Gewinnchance 7.000.000.000:1 war. Aber sie war größer als die von Frau Paul, so viel war sicher.
Nur wenige Tage nach diesem Essen im Abendmahl schienen meine Chancen allerdings zu schwinden, denn die Agenturen meldeten die Rückkehr Kerners zum ZDF. Oha, dachte ich, wird hier etwa das Feld bereitet für die Übernahme von „Wetten, dass …“? Eine Mail an Frau Paul, in der ich ihr konzedierte, auf dem richtigen Weg zu sein, blieb leider unbeantwortet.
Zum Glück wurde es Kerner aber dann doch nicht. Wie wir alle inzwischen wissen und ich damals schon felsenfest ahnte, kam schließlich doch ein anderer der sieben Milliarden Erdbewohner zum Zug, nämlich Markus Lanz. Am 11. März stand die Personalie fest, und augenblicklich schrieb ich eine zwar tröstende, allerdings auch die Einlösung unserer Wette ansprechende Mail an Frau Paul, in der ich um Abstimmung der Übergabemodalitäten bat.
Doch wieder keine Antwort.
Kein guter Stil.
Und bis heute: kein Wein.
Deshalb wende ich mich in meiner Ratlosigkeit nun an Sie, ihren Chef. Vielleicht können Sie in dieser – wie gesagt: delikaten – Angelegenheit vermitteln. Es muss auch kein teurer Wein sein, da bin ich gesprächsbereit. Aber es sollte ein Wein sein. Schließlich haben wir gewettet.
Zeugin war übrigens ironischerweise eine Kollegin aus der Redaktion von Markus Lanz, aber das nur am Rande.
In der Hoffnung auf eine baldige und positive Antwort verbleibt Ihr ergebener Medienkonsument
Matt Wagner
PS: Eine trockene Spätlese vom Moselweingut Kallfelz würde ich nicht von der Bettkante stoßen.
PPS: Frau Paul ist natürlich auf CC.
05 Oktober 2012
Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde
Hm, wenn ich die Sachlage historisch richtig rekonstruiere, dann waren jene Uhren, die durchs bloße Mitsichherumtragen in Gang gehalten wurden, einst deswegen das große Ding, weil sie weder händisch aufgezogen noch mit Batterien betrieben werden mussten.
Diese Uhren vereinten auf verblüffend sinnige Weise das damalige Bedürfnis nach allumfassender körperlicher Entlastung (kein nerviges Aufziehen mehr) mit dem aufkeimendem Ökotrend (weniger umweltschädliche Batterien).
In diesem historischen Kontext ist für mich Naivchen der strombetriebene Automatikuhrenbeweger, den ich diese Woche (und wahrscheinlich wieder mal erst mit jahrelanger Verspätung) bei Tchibo entdeckte, eine recht überraschende Entdeckung. Bei Amazon kann man für so was übrigens auch gerne mehr als 39 Euro ausgeben, zum Beispiel 180.
Dafür kriegt man dann aber auch einen Megaautomatikuhrenbeweger aus neuseeländischem Gehäuseholz mit verchromten Scharnieren und Hochglanzklavierlack in Makassaroptik (was immer das ist). Und alles nur, damit die Uhr niemals nicht wackelt.
Ja, es ist eine fremde und seltsame Welt. Vor allem für einen, der nur eine Uhr hat: die da rechts oben auf dem Monitor meines Macbooks.
Habe ich eigentlich schon den Deppenbindestrich erwähnt, den Tchibo in die Produktbezeichnung eingebaut hat? Nicht?
Diese Uhren vereinten auf verblüffend sinnige Weise das damalige Bedürfnis nach allumfassender körperlicher Entlastung (kein nerviges Aufziehen mehr) mit dem aufkeimendem Ökotrend (weniger umweltschädliche Batterien).
In diesem historischen Kontext ist für mich Naivchen der strombetriebene Automatikuhrenbeweger, den ich diese Woche (und wahrscheinlich wieder mal erst mit jahrelanger Verspätung) bei Tchibo entdeckte, eine recht überraschende Entdeckung. Bei Amazon kann man für so was übrigens auch gerne mehr als 39 Euro ausgeben, zum Beispiel 180.
Dafür kriegt man dann aber auch einen Megaautomatikuhrenbeweger aus neuseeländischem Gehäuseholz mit verchromten Scharnieren und Hochglanzklavierlack in Makassaroptik (was immer das ist). Und alles nur, damit die Uhr niemals nicht wackelt.
Ja, es ist eine fremde und seltsame Welt. Vor allem für einen, der nur eine Uhr hat: die da rechts oben auf dem Monitor meines Macbooks.
Habe ich eigentlich schon den Deppenbindestrich erwähnt, den Tchibo in die Produktbezeichnung eingebaut hat? Nicht?
03 Oktober 2012
02 Oktober 2012
Meine Begegnung mit dem Hulk
Nach mehr als einem Jahr des Trainierens haben sich an der Beinpresse im Fitnessstudio 170 Pfund als mein persönliches Optimum herauskristallisiert.
Die erste Übungsausführung hat es zwar jedes Mal ganz schön in sich, weil der Anfangswiderstand überwunden werden muss. Ist das aber erst einmal geschafft, ringe ich mir in der Folge rund 70 Wiederholungen ab, plus 100 kurze.
Gut, die Latte an der Beinpresse lag auch schon mal eine Zeitlang auf 190 Pfund, doch da ächzten und knirschten meine Knie derart, dass ich ihrem Gnadengesuch stattgab. Schließlich tu ich das alles nur für sie: Muskelaufbau zwecks Entlastung der verschlissenen Gelenke. Dazu sag ich an dieser Stelle nicht mehr, sonst wird es schnell unappetitlich, und Ms. Columbo liest diesen Eintrag nicht zu Ende.
Während ich am Samstag mein Programm an der Beinpresse durchzog, schnürte ein Hulk Marke Deathmetalroadie durchs Studio. Seine Wallelocken fielen ihm bis auf die Schultern, mit denen Samson den Einsturz selbst des Burj al Arab mühelos verhindert hätte.
Der Hulk trug Grungebart und Holzfällerhemd, jede seiner Waden waren praller als Claudia Roths Oberschenkel zusammen. Insgesamt gab der nicht eben hochgewachsene Mann dadurch eine erstaunlich quadratische Figur ab. Das Verhältnis Länge zu Breite war allenfalls 1,2:1, wenn überhaupt.
Er schlenderte durch den Raum, schaute sich interessiert die Geräte an, setzte sich mal hier-, mal dorthin, probierte, zog und drückte. Irgendwann saß er auch an der oben erwähnten Beinpresse.
Einen Fuß hatte er auf die Platte gestellt, den anderen auf den Boden. Und jetzt drückte er mit ungefähr jener Anstrengung, mit der eine Geisha den Fächer führt, um dir Luft zuzufächeln, die Platte vor und zurück. Hätte nur noch gefehlt, dass er sich dabei eine Büchse Bier aufmacht und in der neuen Ausgabe des Metal Hammer blättert.
Einen Blick aufs eingestellte Gewicht konnte ich leider nicht erhaschen. Dabei hätte ich schon brennend gern gewusst, was er sich da so aufgelegt hatte und warum er das Ganze ein- und nicht zweibeinig drückte.
Ich absolvierte weiter mein Programm und behielt den Trumm unauffällig im Auge. Irgendwann griff er nach seinem Handtuch und verließ das Gerät. Ich wartete kurz, damit meine Neugier nicht auffiel, und näherte mich dann wie zufällig der Beinpresse.
Zunächst fand ich den Stift gar nicht, der das Gewicht einstellt. Mein Blick wanderte nach unten, immer tiefer und tiefer, und dann sah ich es.
Hulk hatte 490 Pfund gedrückt, das Höchstgewicht. Mit einem Bein.
Ich fühlte mich ein wenig betäubt. Hochgerechnet auf beide Beine heißt das: Der Mann wäre in der Lage, an der Beinpresse, wo ich die Überwindung des Anfangswiderstands von 170 Pfund routinemäßig mit einem erbärmlichen Ächzen zwangskommentiere, ungefähr eine halbe Tonne zu drücken.
Was macht so einer beruflich – hebt er den Bandbus von Motörhead in Parklücken, die zum Rangieren zu eng sind? Übt er Speerwerfen mit Baumstämmen? Jongliert er zum Aufwärmen nicht mit Kegeln, sondern mit Otti Fischer?
170 ist eine ziemlich fade Zahl, ehrlich gesagt.
Die erste Übungsausführung hat es zwar jedes Mal ganz schön in sich, weil der Anfangswiderstand überwunden werden muss. Ist das aber erst einmal geschafft, ringe ich mir in der Folge rund 70 Wiederholungen ab, plus 100 kurze.
Gut, die Latte an der Beinpresse lag auch schon mal eine Zeitlang auf 190 Pfund, doch da ächzten und knirschten meine Knie derart, dass ich ihrem Gnadengesuch stattgab. Schließlich tu ich das alles nur für sie: Muskelaufbau zwecks Entlastung der verschlissenen Gelenke. Dazu sag ich an dieser Stelle nicht mehr, sonst wird es schnell unappetitlich, und Ms. Columbo liest diesen Eintrag nicht zu Ende.
Während ich am Samstag mein Programm an der Beinpresse durchzog, schnürte ein Hulk Marke Deathmetalroadie durchs Studio. Seine Wallelocken fielen ihm bis auf die Schultern, mit denen Samson den Einsturz selbst des Burj al Arab mühelos verhindert hätte.
Der Hulk trug Grungebart und Holzfällerhemd, jede seiner Waden waren praller als Claudia Roths Oberschenkel zusammen. Insgesamt gab der nicht eben hochgewachsene Mann dadurch eine erstaunlich quadratische Figur ab. Das Verhältnis Länge zu Breite war allenfalls 1,2:1, wenn überhaupt.
Er schlenderte durch den Raum, schaute sich interessiert die Geräte an, setzte sich mal hier-, mal dorthin, probierte, zog und drückte. Irgendwann saß er auch an der oben erwähnten Beinpresse.
Einen Fuß hatte er auf die Platte gestellt, den anderen auf den Boden. Und jetzt drückte er mit ungefähr jener Anstrengung, mit der eine Geisha den Fächer führt, um dir Luft zuzufächeln, die Platte vor und zurück. Hätte nur noch gefehlt, dass er sich dabei eine Büchse Bier aufmacht und in der neuen Ausgabe des Metal Hammer blättert.
Einen Blick aufs eingestellte Gewicht konnte ich leider nicht erhaschen. Dabei hätte ich schon brennend gern gewusst, was er sich da so aufgelegt hatte und warum er das Ganze ein- und nicht zweibeinig drückte.
Ich absolvierte weiter mein Programm und behielt den Trumm unauffällig im Auge. Irgendwann griff er nach seinem Handtuch und verließ das Gerät. Ich wartete kurz, damit meine Neugier nicht auffiel, und näherte mich dann wie zufällig der Beinpresse.
Zunächst fand ich den Stift gar nicht, der das Gewicht einstellt. Mein Blick wanderte nach unten, immer tiefer und tiefer, und dann sah ich es.
Hulk hatte 490 Pfund gedrückt, das Höchstgewicht. Mit einem Bein.
Ich fühlte mich ein wenig betäubt. Hochgerechnet auf beide Beine heißt das: Der Mann wäre in der Lage, an der Beinpresse, wo ich die Überwindung des Anfangswiderstands von 170 Pfund routinemäßig mit einem erbärmlichen Ächzen zwangskommentiere, ungefähr eine halbe Tonne zu drücken.
Was macht so einer beruflich – hebt er den Bandbus von Motörhead in Parklücken, die zum Rangieren zu eng sind? Übt er Speerwerfen mit Baumstämmen? Jongliert er zum Aufwärmen nicht mit Kegeln, sondern mit Otti Fischer?
170 ist eine ziemlich fade Zahl, ehrlich gesagt.
30 September 2012
Volksverdummung auf dem Kiez
Hier in St. Pauli stößt man zurzeit öfter auf das oben abgebildete Plakat; es wendet sich gegen die Gentrifizierung unseres Viertels. Inhaltlich kann man das ja durchaus gutheißen – doch ästhetisch ganz und gar nicht.
Wir beide, Ms. Columbo und ich, fühlten uns jedenfalls unisono an antijüdische Hetzplakate der Nazis erinnert: Ein ins Groteske übersteigertes Menschenmonster – Goebbels hätte von „Volksschädling“ gesprochen – macht sich über etwas her, das eigentlich uns allen gehört. Die Grundidee des Plakats steht verblüffend unverblümt in dieser Propagandatradition; die volksverdummende Plumpheit der Darstellung ebenso.
Hier zum Vergleich zwei historische antisemitische Beispiele (Quellen: links, rechts), von deren Überzeugungskraft sich die hiesigen Antigentrifizierer anscheinend inspirieren ließen:
Man könnte fast zum Fan der Gentrifizierung werden.
Wir beide, Ms. Columbo und ich, fühlten uns jedenfalls unisono an antijüdische Hetzplakate der Nazis erinnert: Ein ins Groteske übersteigertes Menschenmonster – Goebbels hätte von „Volksschädling“ gesprochen – macht sich über etwas her, das eigentlich uns allen gehört. Die Grundidee des Plakats steht verblüffend unverblümt in dieser Propagandatradition; die volksverdummende Plumpheit der Darstellung ebenso.
Hier zum Vergleich zwei historische antisemitische Beispiele (Quellen: links, rechts), von deren Überzeugungskraft sich die hiesigen Antigentrifizierer anscheinend inspirieren ließen:
Man könnte fast zum Fan der Gentrifizierung werden.
27 September 2012
Pareidolie (49): Die Lösung des Roswell-Rätsels
Wenn wirklich 1947 in Roswell Aliens abgestürzt sind, dann weiß ich jetzt auch, wo und wie sie von der US-Regierung schließlich um die Ecke gebracht wurden:
im Hörnumer Hafen auf Sylt, erstickt mit einem armdicken Tau.
PS: Eine ganze Galerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.
im Hörnumer Hafen auf Sylt, erstickt mit einem armdicken Tau.
PS: Eine ganze Galerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.
26 September 2012
Öffentliche Selbstkritik
Ich muss ja eine hämische Genugtuung eingestehen, wenn Leute, die oberschlau dem denglischen Zeitgeist nach dem Mund reden wollen, orthografisch – und in der Folge auch semantisch – voll gegen die Wand fahren.
Dafür findet man natürlich überall Beispiele („Back Shop“ etc.), aber selten so schöne wie heute in Westerland auf Sylt. Der gute Jan Schwarze, der möglicherweise gar nicht mal schlecht darin ist, Sanitäreinrichtungen zu entwerfen, hat nämlich mit seinem „Bad Design“ ein wunderbares Eigentor geschossen.
Jeder Kunde aus dem englischen Sprachraum wird über so viel öffentlich demonstrierte Selbstkritik erstaunt sein und sich lieber einen Baddesigner suchen, der sein Handwerk auch versteht.
Und wer der deutschen Rechtschreibung halbwegs mächtig ist, wird dem guten Herrn Schwarze raten, sich künftig (nein: am besten gestern) vor Deppenleerzeichen tunlichst zu hüten.
Wie hiermit geschehen.
Dafür findet man natürlich überall Beispiele („Back Shop“ etc.), aber selten so schöne wie heute in Westerland auf Sylt. Der gute Jan Schwarze, der möglicherweise gar nicht mal schlecht darin ist, Sanitäreinrichtungen zu entwerfen, hat nämlich mit seinem „Bad Design“ ein wunderbares Eigentor geschossen.
Jeder Kunde aus dem englischen Sprachraum wird über so viel öffentlich demonstrierte Selbstkritik erstaunt sein und sich lieber einen Baddesigner suchen, der sein Handwerk auch versteht.
Und wer der deutschen Rechtschreibung halbwegs mächtig ist, wird dem guten Herrn Schwarze raten, sich künftig (nein: am besten gestern) vor Deppenleerzeichen tunlichst zu hüten.
Wie hiermit geschehen.
25 September 2012
Sylt unter
Hey, Ms. Columbo, sagte ich irgendwann im Juli sinngemäß zu Ms. Columbo, lass uns Ende September ein paar Tage auf Sylt verbringen. Spätsommer am Meer, verstehst du, mit Strand, Sonnenöl und Waffeleis, das wird ein Fest!
„Morgen“, sagt Ms. Columbo gerade in der Westerländer Ferienwohnung zu mir, wo wir tolle Filme auf DVD gucken, „soll laut Wetterbericht nur die Hälfte an Regen runterkommen.“
Das wird ein Fest!
„Morgen“, sagt Ms. Columbo gerade in der Westerländer Ferienwohnung zu mir, wo wir tolle Filme auf DVD gucken, „soll laut Wetterbericht nur die Hälfte an Regen runterkommen.“
Das wird ein Fest!
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Standort: Hamburg
Kjerstraße, 25980 Westerland, Deutschland
24 September 2012
Sooo Billstedt
Am dritten Tag des Reeperbahnfestivals machten sich allmählich Verschleiß-, wenn nicht gar Zerfallserscheinungen bemerkbar. So vergaß ich sowohl den Zettel mit meinem Tagesprogramm als auch meinen Fotopass.
Verstört irrte ich über den Kiez, wo zum Glück jeder zweite Laden reeperbahnfestivaltechnisch bespielt wurde. In einige kam man allerdings nicht mehr rein. Und vor anderen war die Schlange lächerlich lang.
Wegen des Rappers Cro, der die schrullige Angewohnheit hat, nur mit einer Pandamaske aufzutreten, reichte sie vom Docks bis fast zur Davidwache. Ohne mich! Stattdessen holte ich mir mein persönlich längstes Konzert des Festivals ab, nämlich eine volle Stunde Okta Logue im Angie’s.
Für das kürzeste sorgte hingegen die britische Rapperin Speech Debelle (Einschub: Mein saublödes Rechtschreibprogramm verbesserte ihren Namen gerade eigenmächtig in „Debile“). Ich erwischte sie just in dem Moment, als sie den letzten Vers ihres Auftritts ins Auditorium schmetterte und dann ging.
Was nach diesen handgestoppten 34 Sekunden blieb, war der rein optische Eindruck einer stämmigen Frau in Jogginghose. Der lustigste Moment des Festivals passierte aber im Café Five an der Reeperbahn und hatte mit Musik nichts zu tun.
Zwei junge Frauen stritten sich auf dem Damenklo, wie mir aus glaubwürdiger Quelle zugetragen wurde, bis der einen der Kragen platzte. „Halt die Klappe!“, rief sie ihrer Kontrahentin zu, „du klingst sooo Billstedt!“
Bei Billstedt, das für Nichthanseaten, handelt es sich um einen sogenannten Problemstadtteil, der gewiss zu den Hauptentsendungsgebieten der hier am Wochenende regelmäßig einfallenden Prollmassen gehören dürfte. Ja, es liegen mir sogar intuitive Indizien dafür vor, dass eventuell jemand aus Billstedt den abgebildeten Mümmelmann auf der Wandtapete der Hasenschaukel verschönert hat.
Wie auch immer: In ihrem von einem innigen Abgrenzungswunsch motivierten Ausruf „Du klingst sooo Billstedt!“ schien die junge Frau eine Herkunft aus einem kultivierteren Hamburger Stadtteil nahelegen zu wollen.
Mein Eindruck vom Kiezpublikum während der drei Festivaltage war ähnlich: Hier dominierten endlich mal nicht die krakeelenden Wer-ist-schneller-hackedicht-Heinis, sondern Indiefans aller Altersgruppen. Die Sauf-, Gröl- und Pöbelfraktion ging gleichsam in der Masse der Musikinteressierten unter, sie wurde komplett absorbiert.
Das Wochenende auf den Straßen St. Paulis war demzufolge geradezu eins zum Wohlfühlen, und diesen Satz habe ich noch nie in dieser Deutlichkeit ausgesprochen.
Daher mein Appell an die Verantwortlichen: Wiederholt bitte das Reeperbahnfestival jede Woche. Egal, wer dann noch sooo Billstedt klänge: Seine Stimme wäre nur noch ein Hintergrundrauschen.
Ich finde diesen Vorschlag übrigens ziemlich großartig.
Verstört irrte ich über den Kiez, wo zum Glück jeder zweite Laden reeperbahnfestivaltechnisch bespielt wurde. In einige kam man allerdings nicht mehr rein. Und vor anderen war die Schlange lächerlich lang.
Wegen des Rappers Cro, der die schrullige Angewohnheit hat, nur mit einer Pandamaske aufzutreten, reichte sie vom Docks bis fast zur Davidwache. Ohne mich! Stattdessen holte ich mir mein persönlich längstes Konzert des Festivals ab, nämlich eine volle Stunde Okta Logue im Angie’s.
Für das kürzeste sorgte hingegen die britische Rapperin Speech Debelle (Einschub: Mein saublödes Rechtschreibprogramm verbesserte ihren Namen gerade eigenmächtig in „Debile“). Ich erwischte sie just in dem Moment, als sie den letzten Vers ihres Auftritts ins Auditorium schmetterte und dann ging.
Was nach diesen handgestoppten 34 Sekunden blieb, war der rein optische Eindruck einer stämmigen Frau in Jogginghose. Der lustigste Moment des Festivals passierte aber im Café Five an der Reeperbahn und hatte mit Musik nichts zu tun.
Zwei junge Frauen stritten sich auf dem Damenklo, wie mir aus glaubwürdiger Quelle zugetragen wurde, bis der einen der Kragen platzte. „Halt die Klappe!“, rief sie ihrer Kontrahentin zu, „du klingst sooo Billstedt!“
Bei Billstedt, das für Nichthanseaten, handelt es sich um einen sogenannten Problemstadtteil, der gewiss zu den Hauptentsendungsgebieten der hier am Wochenende regelmäßig einfallenden Prollmassen gehören dürfte. Ja, es liegen mir sogar intuitive Indizien dafür vor, dass eventuell jemand aus Billstedt den abgebildeten Mümmelmann auf der Wandtapete der Hasenschaukel verschönert hat.
Wie auch immer: In ihrem von einem innigen Abgrenzungswunsch motivierten Ausruf „Du klingst sooo Billstedt!“ schien die junge Frau eine Herkunft aus einem kultivierteren Hamburger Stadtteil nahelegen zu wollen.
Mein Eindruck vom Kiezpublikum während der drei Festivaltage war ähnlich: Hier dominierten endlich mal nicht die krakeelenden Wer-ist-schneller-hackedicht-Heinis, sondern Indiefans aller Altersgruppen. Die Sauf-, Gröl- und Pöbelfraktion ging gleichsam in der Masse der Musikinteressierten unter, sie wurde komplett absorbiert.
Das Wochenende auf den Straßen St. Paulis war demzufolge geradezu eins zum Wohlfühlen, und diesen Satz habe ich noch nie in dieser Deutlichkeit ausgesprochen.
Daher mein Appell an die Verantwortlichen: Wiederholt bitte das Reeperbahnfestival jede Woche. Egal, wer dann noch sooo Billstedt klänge: Seine Stimme wäre nur noch ein Hintergrundrauschen.
Ich finde diesen Vorschlag übrigens ziemlich großartig.
23 September 2012
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