24 November 2011

Der Schlösserflop



Nimmt man die überschaubare Anzahl der Freundschafts- und Liebesschlösser als Maßstab, die neben der Kneipe Rutsche in der Friedrichstraße an einem eigens zu diesem Behufe angebrachten Gitter befestigt wurden, dann steht es ausgerechnet hier im Rotlichtviertel gar nicht gut ums Zwischenmenschliche.

Andererseits würde ich – selbst wenn ich die Absicht hätte, gemeinsam mit Ms. Columbo als Zeichen unserer unverbrüchlichen Liebe irgendwo ein Schloss anzubringen und sodann den Schlüssel in die Elbe zu werfen – einen extra dafür künstlich geschaffenen Ort wie diesen tunlichst meiden.

Und so scheinen auch die lieben Liebenden auf dem Kiez zu denken. Zumal der Verdacht naheliegt, dass die meisten der wenigen dort hängenden Schlösser auch noch von der Rutsche selbst befestigt wurden – sonst gäbe es wohl eine deutlich höhere Varianz. Doch im Grunde hängen dort nur zwei verschiedene Modelle.

Na ja: nice try, wie der Brite sagt.

23 November 2011

Die Dekoration der Leere



Merkwürdig, aber im Urlaub fällt mir liebend gern besonders wenig zum Bloggen ein. Jede Idee bleibt halbfertig. Genau wie dieser Eintrag.

Und deshalb passt dieses Foto des halbaufgebauten Riesenrads auf dem Dom natürlich bestens.

Gute Nacht.

21 November 2011

Seid umschlungen, Neuronen!



Den Briefkasten an der Postfiliale
(l. o.) unten an der Ecke hat jemand mehrfach mit einem rotweißen Sperrzonenband umschlungen. Jetzt stehe ich davor mit meinen wichtigen Briefen wie ein Freier aus Heinsberg-Waldfeucht vor einer Schmuckstraßentranse: relativ ratlos.

Klar, aller Wahrscheinlichkeit nach ist hier ein Witzbold am Werk gewesen, und die Funktionsfähigkeit dieses Briefkastens wird vom Sperrzonenband in keiner Weise eingeschränkt. Gleichwohl gibt es – zumindest in meiner von wichtigen Briefen kontaminierten Fantasie – diese winzige Wahrscheinlichkeit, dass es sich vielleicht doch um eine neue schrullige Kommunikationsmethode der Post handeln könnte, die mir signalisieren soll:

Dieser Kasten wird bis auf Weiteres nicht mehr geleert.
Werfen Sie nichts hinein, es würde erbarmungslos verrotten.


Psychologisch und neuronal gesehen verrät dieses bang imaginierte Szenario natürlich einen erschreckenden Mangel an Risikofreude. Und obgleich mir das völlig bewusst ist, schlurfe ich mit meinen wichtigen Briefen wieder nach Hause. Heute werde ich sie – sicher ist sicher – am Schalter abgeben.


Bitte lachen Sie JETZT.

20 November 2011

Schwer benebelt



Küstennebel mit 21,8 Umdrehungen wäre uns natürlich lieber gewesen als diese seit Tagen überm Nordseestrand hängende trübe Suppe.

Immerhin war das Meer zumindest akustisch präsent. Und es hat sogar seine ästhetischen Reize, jeglicher Weitsicht beraubt zu sein, wie das Foto hoffentlich ein wenig verdeutlicht.

Den Durchblick verschaffen wir uns dann ab morgen wieder auf dem Kiez. Selbst der dickste Nebel kann dort nicht den Weg zur nächsten Kneipe verbergen; dazu ist sie einfach zu nah.

Und das Stöffchen mit den 21,8 Umdrehungen gibt’s garantiert in jeder.

18 November 2011

Vom Dürfen und Müssen



Sogar die Einwohner von St. Peter-Ording selbst sind sich nicht ganz sicher, wie man ihren Ortsnamen überhaupt richtig schreibt.

Auf Verkehrsschildern, Autobeschriftungen und Reklametafeln sieht man diverse Varianten – mal mit und mal ohne Leerzeichen hinterm Punkt, mal mit und mal ohne Bindestrich zwischen Peter und Ording.

Alles ein bisschen verwirrend für Hamburger auf Nordseetour – aber egal: Viel wichtiger ist das freie (!) WLAN hier im Hotel, und wer jetzt sagt, aber gestern haben Sie doch noch von „Internetmist“ und so gesprochen, dem halte ich entgegen, dass ich auch von einer „Anwandlung“ gesprochen habe und keineswegs vom endgültigen Abschiednehmen.

Jedenfalls kann man sich hier im Hotel umsonst ins Web einloggen, und das tun durchaus einige der Gäste, wie mir der Inhalt des Ordners Freigaben unverblümt verrät. Erstaunlicherweise sind auch jetzt, im Jahr 2011 n. Chr., noch immer sonnige Gemüter darunter, die ihren Rechner ohne jeden Zugangsschutz betreiben.

Diese Nachlässigkeit würde es jedem moralisch ungefestigten Naseweis erlauben, ungestört auf ihren Festplatten herumzuschnüffeln, sich von dort Musik zu stibitzen, spaßeshalber Ordner zu löschen oder in Fotosammlungen herumzustöbern, die vielleicht doch eher privat hätten bleiben sollten, aber so was von …

Wer weiß, vielleicht gibt es hier im Hotel sogar einen solchen moralisch ungefestigten Naseweis, der diese Gelegenheit gerade schamlos ausnutzt, und wenn ja, sollte das unbedingt angeprangert werden.

Draußen am Strand hingegen gibt es kein WLAN, sondern nur das gute alte schneckige Edge – und jenseits der Salzwiesen eine Strandlandschaft von derart ungezügelter Breite, Weite und Langgestrecktheit, dass man sich schon bang fragen muss, was wohl passieren würde, wenn man jetzt mal sehr dringend wohin müsste.

Aber das ist eine andere Geschichte, die – sofern sie stattgefunden hätte – eher in die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Dummy gehörte als hierher.


17 November 2011

Eine gefährliche Anwandlung



Als der Franke nach seinem, meinem und zwei anderen Büros im Verlag auch noch das Domizil der Grafik als place bei Foursquare anlegte und seither fünfmal am Tag mit gesenktem Kopf und hektisch auf dem Smartphone herumtippend auch noch dort hinrennt, um seinen Mayorstatus bis in alle Ewigkeit und dreimal drüber hinaus zu zementieren, wurde mir klar:

Ich muss meinen Account wieder löschen.
Und das habe ich gestern auch getan.

Wenn ich künftig mal wieder bei Andronaco ehrfürchtig vor einem Parmesankrater stehen sollte, kann ich den Anblick, den Duft und das Pröbchen genießen, ohne dort „einzuchecken“. Es ist wie eine Befreiung.

Vielleicht sollte ich auch diesen ganzen Internetmist sein lassen. Keine Mails mehr, kein Blog, nix Facebook, null Twitter – was wäre das Leben leicht und heiter, zwänge einen die virtuelle Welt nicht tagtäglich hundertmal zum Hingucken, Abrufen, Einloggen, Checken, Hoch- und Runterladen.

Wenn jemand zufällig gerade eine Auslastungslücke bei seiner Zeitmaschine feststellt, dann bitte ein Beam in die späten Siebziger.

Nicht mich – den Franken.

15 November 2011

Sprechdurchfall ist wohl nicht strafbar



Es war schon eine ganze Ecke nach Mitternacht, die Straßenlampen tünchten die Seilerstraße ins allnächtliche matschiggelbe Licht, als von draußen wieder einmal Lärm jenes Zuschnitts erscholl, der mich bewog, seufzend ans Fenster zu treten.

Verantwortlich für die sonische Belästigung war eine Männerstimme, und zwar ganz allein. Der Mann stand gegenüber am Straßenrand, er laberte und salbaderte, gestikulierte und barmte, schimpfte, schrie und zeterte.

Man kann ohne Übertreibung sagen: Der Mann regte sich kapital auf, ab und wieder auf – und hatte dabei wahrscheinlich das dankbarste Publikum seiner bisherigen Karriere als Straßenrethoriker: ein halbes Dutzend Kiezpolizisten.

Das Auditorium stand im Halbkreis um ihn herum und lauschte aufmerksam. Fünf Minuten, zehn Minuten, eine Viertelstunde. Doch was das alles sollte, worum es ging, was des Mannes erstaunlich dauerhaften Adrenalinerguss ausgelöst hatte und somit einen Solovortrag von geradezu kinskiesker Wucht und Epik am Laufen hielt: Das erschloss sich mir auch nach 25 Minuten noch nicht.

Gerade die aus meiner Laiensicht drei opportunsten Optionen – a) verhaften, b) verschwinden oder c) auch mal was sagen, irgendwas – schien die Schmier nicht im geringsten zu erwägen.

Nach ungefähr einer halben Stunde Zeugenschaft ungebremsten Gestikulier- und Sprechdurchfalls wurde mir das Balkonkino allmählich langweilig; schließlich bin ich aus der Vergangenheit erheblich mehr Action gewohnt, und auch „mein Fass hat Grenzen“ (Stromberg).

Heute morgen, als ich noch halb schlaftrunken wieder ans Wohnzimmerfenster trat und den trüben Blick über die Seilerstraße schweifen ließ, waren alle Protagonisten spurlos verschwunden.

Ich war fast ein bisschen überrascht.

13 November 2011

Hundstage

Beim Anschließen des Fahrrads am Schlachthofflohmarkt passierte mir etwas, das zwar auf St. Pauli unablässig droht, dem ich aber seit vielen Jahren dank Disziplin, Daueralarmiertheit und wahrscheinlich auch viel Glück stets entgangen war: in die Hinterlassenschaft eines Hundes zu treten.

Die Sohlen meiner Straßenschuhe entpuppten sich als für diesen Fall optimal gerillt, und man sah mich in der Folge durch die Umgebung der Marktstraße streifen auf der Suche nach raren Rasenflächen, die ich zur Verwunderung von Passanten dann im Stile eines Skilangläufers überquerte. Sogar rückwärts.

Kurz: Es war ein Scheißtag – und ein später hämischer Kommentar des Schicksals zu einem anderen Tag vergangene Woche. Ich hatte mit dem Rad an einem Baum in der Großen Bergstraße gestoppt und, um nicht absteigen zu müssen (denn absteigen ist die Pest), den Fuß an einem Gitter abgestützt, welches rund um den Baum herum angebracht war.

Während ich irgendwas ins iPhone tippte – wahrscheinlich den Kalauertweet „Betreiber von Legebatterien: Eiertollahs“ – hörte ich plötzlich eine männliche Stimme etwas sagen, von dem mir nur die Worte „… Hundehaufen getreten …“ ins Bewusstsein drangen.

„Wie bitte“, fragte ich alarmiert den Mann, der inzwischen auf dem Rundgitter Platz genommen hatte, „ich habe in einen Hundehaufen getreten?“ Ich stieg ab und inspizierte die Sohle.

„Nein, ich habe gesagt: Hoffentlich haste nich in einen Hundehaufen getreten“, sagte der Mann, ein anscheinend bereits seit einigen Jahren verrenteter Grauschopf. „Das hier iss nämlich ’n Sitzplatz.“

„Oh …“, machte ich, „ich dachte, das wäre so eine Art … Baumschutz … Entschuldigung.“ Er grummelte irgendwas, und ich fuhr weiter.


Unterwegs überlegte ich, ob seine verklausulierte Form, mich auf mein Fehlverhalten hinzuweisen, vielleicht typisch deutsch sei, und kam zu dem Schluss: auf jeden Fall.

An all das musste ich jedenfalls heute wieder denken, als ich wie ein Skilangläufer über Rasenstücke rutschte, um die tiefen, gewundenen, scheißscheißegeeigneten Rillen meiner Straßenschuhe vom Hundekot zu befreien.

Dem Verklausulierer aus der Großen Bergstraße wäre gewiss ein zufriedenes „Siehste“ entfahren. Doch er wird es zum Glück nie erfahren.


PS: Das kongenialste Foto zu diesem Beitrag erspare ich Ihnen, zumal ich es auch gar nicht angefertigt habe. Stattdessen irgendwelche Hunde, die bemüht unbeteiligt in den Edekaladen in der Paul-Roosen-Straße starren. Sie gehören natürlich zum Kreis der Verdächtigen.


11 November 2011

Eine Frage der (Un-)Moral



„Hey, warte mal“, pfeife ich den Franken auf dem Weg zum Feierabendbier zurück, „ich habe da mal eine juristische Frage.“

Sie bezieht sich, wie der Franke nur wenige Sekunden später erläutert bekommt, auf die im ganzen Viertel flashmobartig verteilten Sattelmützen, ein Werbegag des Mercado. Mein Fahrrad wurde nicht bedacht, weil es in den Zeisehallen stand und nicht draußen; deshalb verfüge ich jetzt über keinen Überzug.

„Wenn jetzt der Besitzer dieses Fahrrads“, schildere ich dem Franken die Sachlage und zeige auf ein Fremdvelociped, neben dem ich meins gerade ankette, „noch gar nicht mitgekriegt hat, dass jemand seinem Rad eine Sattelmützte überzog, und ich sie jetzt abziehe, um sie meinem überzuziehen: Ist das dann Diebstahl?“

Der Franke ist keineswegs elektrisiert von dieser hochmoralischen Fragestellung, sondern reagiert darauf wie ein sibirischer Tiger, dem man mit einer gedünsteten Karotte vorm Maul herumwedelt. Ihn, den Franken, zieht es mit Macht zum Fassbier und weg von sophistischen Diskussionen über Recht und Moral in der Novemberkälte.

Also schließe ich vorläufig die Akte Sattelmütze, mein Fahrrad an den gleichen Pfosten wie das fremde und mich seufzend dem Franken an, der bereits ins Aurel vorgelaufen ist. Dort geht es hoch her und irgendwann um Monty Python’s.

Kramer erzählt von einem Gagvideo auf YouTube, das die Kritik, die einst nach der Veröffentlichung von „Das Leben des Brian“ aufbrandete, karikiert, in dem es sie umdreht. Im Video regt sich ein Plenum über dieses sogenannte Christentum auf, das ja ganz offenkundig eine Parodie auf „Das Leben des Brian“ sei. Dessen Hauptprophet Jesus Christus sei empörenderweise sogar mit den gleichen Initialen ausgestattet worden wie der heilige John Cleese!

Darauf noch ein Helles. „Ich habe den Sinn des Lebens für 5,99 € gekauft“, informiert uns der Monty-Python’s-kundige Franke. „War trotzdem überteuert – denn den gibt es gar nicht“, proste ich ihm heiter zu, und irgendwann heißt es aufbrechen.

Die beiden Fahrräder sind immer noch einträchtig zusammengebunden, eins davon hat einen rotleuchtenden Sattel.

Und so eins – ups – steht jetzt auch in der Seilerstraße auf St. Pauli.

10 November 2011

Pareidolie (35–38)

Vor allem Bad- und Sanitärbereiche sind ein reicher Quell interessanter Pareidolien, wie man an den unten folgenden Fotodokumenten gut sehen kann.

Es ist übrigens nicht erst seit heute auffällig, wie viele uns umgebende Gegenstände aufrichtig entsetzt sind oder gotterbärmlich um Hilfe schreien. Auch diesmal gibt es dafür wieder erschütternde Beispiele. Manche sehen aus, als säßen sie gerade versehentlich in „Paranormal Activity 3“.

Nicht zuletzt deshalb ist es mir ein Anliegen, die heutige Reihe mit einem Fundstück zu beschließen, welches eher dem positiven Denken zugeneigt zu sein scheint und sich so erfreulich abhebt von der Mehrheit der lautlosen Klageweiber. Trotz offenkundiger Sehbehinderung scheint dieses Spülkastendetail mit einem zufriedenen Lächeln durch die Welt zu gehen.

Und d
aran, an diesem Spülkasten, sollten wir alle uns mal ein Beispiel nehmen.









PS: Eine ganze Galerie gibt es übrigens bei der Pareidolie-Tante.

08 November 2011

Keine Chance mehr für die Schanze?



„Also jetzt glaube ich auch, dass die Schanze gentrifiziert wird“, sagte Ms. Columbo, als wir gestern im Zirkusweg dieses Plakat auf einer Litfaßsäule erblickten.

Und das stimmt: Es gibt kaum ein stärkeres Indiz dafür, dass ein Stadtviertel von gehobener Bürgerlichkeit infiltriert wurde, als der Bau einer Waldorfschule.

Wenn man diese von einem esoterischen Rassisten gegründete und von seinem Denken weiterhin subkutan kontaminierte Verbildungseinrichtung erst mal im Viertel hat, dann ist alles zu spät. Schon das Deppenleerzeichen auf dem Plakat ist Vorbote verheerenden Unheils.

„Wo ist eigentlich der schwarze Block, wenn man ihn mal braucht?“, wäre mir deshalb beinah rausgerutscht. Doch zum Glück
wird das niemand je erfahren.

07 November 2011

Wie macht sich die „Frankensaga“?



Seit einigen Monaten ist jedermann der Verkauf selbstproduzierter eBooks über Amazon möglich. Ein großer Schritt für Amateure, ein möglicherweise gefährlicher für die Verlage – denn „die Einzigen, die im Verlagswesen noch nötig sind", glaubt Amazon, „sind der Autor und der Leser.“

Wie die private Produktion und Vermarktung eines eBooks funktioniert, welche Tücken man kennen und welche Tricks man anwenden sollte, hat Wolfgang Tischer in aller Ausführlichkeit geschildert – ein Beitrag, der übrigens stetig fortgeschrieben wird und nicht nur deshalb für eBook-Novizen hochinteressant bleibt. Dem möchte ich hier keine Konkurrenz machen, sondern nur ein kurzes Zwischenfazit zur „Frankensaga“ ziehen, die seit dem 10. Oktober bei Amazon erhältlich ist.

Mein sportliches Ziel war es, damit den 99 Euro teuren Kauf eines Kindle-Lesegerätes zu refinanzieren – und das funktionierte gut: Nach knapp zwei Wochen waren 45 Exemplare der „Frankensaga“ verkauft und der Kindle damit amortisiert.

Natürlich ist das – in absoluten Zahlen gerechnet – sehr wenig. Dennoch rangierte das Buch damit zeitweise unter den Top 60 der „Kindle-ebooks bezahlt“-Charts, was ein trübes Licht wirft auf die Gesamtverkäufe. Entsprechend ging es auf und ab: Mal rutschte die Frankensaga auf 3998 ab, berappelte sich plötzlich wieder auf 383, und zum Zeitpunkt dieser Niederschrift ruft sie von Rang 4.065 aus um Hilfe. (Die Sie ihr übrigens gerne gewähren dürfen.)

Wie auch immer: Auf dem Tantiemenkonto schlugen sich die Verkäufe der ersten beiden Wochen mit über 100 Euro nieder, natürlich vor Steuern. Dabei half sicherlich die Verlinkung in Udo Vetters lawblog; auch hier auf der Rückseite der Reeperbahn und auf Twitter habe ich immer mal wieder ein wenig Werbung dafür gemacht.

Die Verkaufsdynamik ließ nach den ersten zwei Wochen deutlich nach, doch Tage ohne jede Transaktion sind noch immer selten. Vor Weihnachten – das ist das nächste sportliche Ziel – soll die „Frankensaga“ sich dreistellig verkauft haben. Und dann dürfte auch bereits die erste Überweisung von Amazon eingetroffen sein, denn Erlöse werden erst zwei Monate, nachdem sie anfielen, ausbezahlt.

Seitdem das Buch bei Amazon online gegangen ist, läuft jedenfalls alles automatisch und – wie man loben muss – reibungslos und rund. Was ich bedauerlich finde: Anders als beim Verkauf von physischen Produkten wie Büchern oder CDs erhalte ich als eBook-Verkäufer von Amazon keine Information darüber, wer das elektronische Buch erworben hat.

Das macht die Transaktion unschön anonym – wie in der Buchhandlung eben. Doch bei Käufen im Internet treten die Handelspartner normalerweise in irgendeiner Form in Kontakt, man weiß, an wen man sich bei Problemen wenden muss, man kann auch mal nachfragen; all das ist nicht der Fall, wenn es um eBooks geht.

Nur wenn es rezensiert wird, erfahre ich etwas über die netten Menschen, die es erworben haben, und immerhin haben sich bisher zwei meiner Neugier erbarmt – danke vielmals! Doch wer sind die anderen? Was denken sie über ihren Kauf? Keine Ahnung.

In einem eigenen Amazon-Bereich kann ich lediglich eine täglich aktualisierte Statistik abrufen, die mich über die Zahl der Verkäufe und den Tantiemenstand informiert. Aber auch das empfinde ich als sehr erfreulich – und es steigert den Anreiz, über weitere Ideen nachzudenken, die eBook-fähig sein könnten. Denn in erster Linie macht es Spaß und ist sehr befriedigend, so etwas mit vergleichsweise wenig Aufwand selbst auf die Beine zu stellen und urplötzlich Inhaber einer ASIN-Nummer zu sein. Genauer gesagt: der ASIN-Nummer B005US3P5O.

Diese psychologische Komponente hat Amazon erkannt und nutzt sie aus – im Gegensatz zu den Verlagen, die wahrscheinlich zu viel Angst um ihre Corporate Identity haben, als dass sie sich mit der Schaffung eigener Onlineplattformen, die Autoren eine Selbstvermarktung erlaubten, dem Risiko einer Verwässerung aussetzen. Wir werden sehen, wohin das führt.

Mein Fazit jedenfalls ist positiv. Nur die Erlöse im nordamerikanischen Raum sind suboptimal. Lediglich ein einziges Exemplar der „Frankensaga“ wurde bisher über Amazon.com verkauft. Gesamterlös: 4,44 Dollar. Vor Steuern.

06 November 2011

Heimsiege können wir erst mal abhaken



Nachdem ich mittags im Stadion wieder einmal einen Bierbecher ohne Spielerfoto ausgehändigt bekam, wusste ich natürlich schon, dass es nie und nimmer zu einem Heimsieg gegen Fürth reichen würde.

Zwar drehte der FC St. Pauli in der zweiten Halbzeit erst einmal das Spiel, wandelte einen 0:1-Rückstand in eine 2:1-Führung um, doch ich ließ mich davon nicht im Geringsten aufs Glatteis führen. Schließlich bin ich kein Anfänger.

Stattdessen wartete ich gottergeben auf den Ausgleichstreffer. Selbst als die Greuther einen Mann vom Platz gestellt bekamen, schüttelte ich nur amüsiert den Kopf. Darauf fiel ja nur ein Depp rein. Dass der Ausgleich dann aber erst in der Nachspielzeit fiel, musste ich als eine besondere Schikane des Schicksals interpretieren.

Doch überraschen konnte mich dieses Ereignis natürlich nicht, schließlich hatte ich verdammt noch mal keinen Spielerbecher erwischt, und wir alle hier wissen ganz genau, was das bedeutet.

Vorm Spiel schon düpierte mich der Bierstand mit dekorativ gestapelten Bechern ohne jeden Aufdruck, was mich kurzzeitig in Schockstarre versetzt. „Warum gibt es denn keine mit Namen?“, fragte ich den Tresenmann niedergeschlagen und im Tonfall stiller Verzweiflung. „Die sind aus“, antwortete er in aller Unschuld, „es müssen erst neue bedruckt werden.“

Anscheinend wusste der arme Mann in keiner Weise, was das für die Heimspielstatistik seines FC St. Pauli bedeuten musste, nämlich ganz und gar nichts Gutes. Doch es kam noch schlimmer. „Wann gibt es denn Nachschub“, fragte ich ihn bang. Und dann sagte er den schlimmsten Satz, seit Marius Ebbers sich den Ellenbogen ausgekugelt hat: „Erst nach der Winterpause.“

Wir müssen uns die Punkte für den Aufstieg erst mal auswärts holen.

05 November 2011

Mein ausgeglichenes Konzertkarmakonto



Anna Ternheim scheint dünner zu sein als beim letzten Mal, und weil ich eine neue Kamera habe, die in HD filmen kann, sieht man das auch besonders deutlich.

Wegen ihr fuhr ich nachmittags zu Saturn in die Mönckebergstraße, wo sie einen klitzekleinen Akustikgig spielte, während aus dem Saturn-Lautsprechersytem die übliche Kryptik à la „Servicedesk für 24“ drang, zum Glück und wundersamerweise nur zwischen den Songs.

Gestern hatten sich ja manche Kommentatoren vor Abscheu über meinen Besuch des Jean-Michel-Jarre-Auftritts gar nicht mehr eingekriegt. Nun, mit meiner Aufwartung für Frau Ternheim, dürfte ich mein Konzertkarma für diese Woche wohl wieder ausgeglichen haben.

Es sei denn, irgendjemand reagiert mit Abscheu auf fein gezupfte Folkmelancholie – und so was soll es ja auch geben, wahrscheinlich vor allem unter Jean-Michel-Jarre-Fans.

04 November 2011

Nein, Dylan wird hier nicht erwähnt



Das zu kleine Zeitfenster zwischen Arbeitsende und Konzertbeginn bietet eine gute Gelegenheit, in der o2-Arena mal wieder etwas Überteuertes mit ordentlich E-600-irgendwas zu essen.

Ms. Columbo nimmt eine Pilzpfanne, ich entscheide mich für eine kapitale Currywurst mit lecker Purinbasenstickstoff und heftig Polysacchariden. Dann geht es rein in den Saal zu Jean Michel Jarre.

Darf ich vorstellen: Das ist der Mann, der die Leinwandgöttin Charlotte Rampling erst ins Bett und dann vor den Traualtar verschleppte, nur um seine Ehe nach zwei Jahrzehnten per Seitensprung zu pulverisieren.

Auf Deutsch: Er hatte Rampling, rammelte aber auswärts. Nicht gerade jarremant, wenn Sie mir diesen Kalauer gestatten.

Auf dem Weg zu unserem Platz mussten wir auch noch über H. P. Baxxters lange Beine steigen. Und über die die seiner ebenso blonden, aber deutlich tiefer dekolletierten Begleitung.

Entscheidend aber war sowieso die Tatsache, dass wir heute Abend in der o2-Arena die gleiche Bühne vor uns sahen, auf der vor drei Tagen erst der Meister gestanden hatte, ganz ohne Laserlarifari.

03 November 2011

Ein Satz ohne Lametta



Als ich mich nach dem Bauch-Rücken-Kurs bei Chris, dem Schlächter, zerstört zurück in die Umkleide schleppte, schoss mir der Loriot’eske Satz „Früher war mehr Dehnung“ durch den Kopf.

Den sollte ich verbloggen oder wenigstens vertwittern, dachte ich mit letzter Kraft. Kurz darauf aber drohte ein interessanter Dialogfetzen am Nachbarspind diesen Kalauer zu überdecken.

„Wie viele seid ihr denn in eurem Betrieb?“, fragte ein Halbnackter einen anderen Halbnackten. „Sechs Mann“, antwortete sein Kumpel, „vier Männer und zwei Frauen.“

Über dieser hübschen Pluralbildung und -auflösung wäre mir beinah die Loriot’eske Dehnung entfleucht, doch wie man sieht, schafften es beide Elemente unbeschadet bis nach Hause.

Unterwegs versuchte ich noch die tanzenden Türme eingangs der Reeperbahn in ihrer ganzen urbanen Abendstimmung für die Nachwelt festzuhalten. Die Spätfolgen des Bauch-Rücken-Kurses bei Chris, dem Schlächter, verhinderten das allerdings zuverlässig.