06 Januar 2010

Krustenfixiert

Heute fiel mir ein schier genialischer Aphorismus ein, den ich sogleich vertwittern wollte. Plötzlich aber erschien er mir viel zu großartig, um als 140-Zeichen-Marginalie ein paar Hundert Followern vor die Füße geworfen und somit in den Internetorkus des baldigen Vergessens getreten zu werden.

Also hob ich ihn mir zwecks literarischer Verwendung auf. Und jetzt habe ich ihn vergessen.

Vielleicht lag das an der amnesischen Wirkung des Krustenbratens, den der Franke und ich mittags an einem einschlägigen Stand im Mercado zu uns nahmen. Ich machte die Verkäuferin explizit auf meine Krustenfixierung aufmerksam und betonte, ich nähme auch gern ausschließlich die Kruste, ohne weitere Fleischbeilage.

Sie lächelte ablehnend und schnitt mir kopfschüttelnd ein Stück ab, dessen Krustenanteil ich als eher suboptimal empfand, doch was war dagegen zu tun? Nichts. Der Kunde ist vielleicht König, doch eine Krustenbratenverkäuferin Gott. Mindestens.

Der Franke orderte sabbernd vor Verlangen das gleiche Mahl, und als er damit an den Tisch trat, fiel mir sofort eins auf: Er hatte mehr Kruste abgekriegt als ich. „Du hast mehr Kruste abgekriegt als ich!“, greinte ich empört. „Und das, obwohl ich meine Krustenfixierung doch wohl klar und deutlich verbalisiert hatte!“

„Ja-ha“, feixte der Franke, während er den ersten Bissen bereits zufrieden mümmelte. „Und weißt du, was die Verkäuferin zu mir gesagt hat: ,Tun Sie mir einen Gefallen: Zeigen Sie’s ihm nicht.’“

Manchmal hasse ich die ganze Welt, aber manchmal auch nur Krustenbratenverkäuferinnen. Insofern ein hassarmer Tag.

PS: Da ich vor lauter empörtem Greinen das Fotografieren vergaß, gibt es heute mal wieder ein Bild, das nur sehr partiell etwas mit dem Eintrag zu tun hat. Aufnahmeort: Zeisehallen, vorm großen Wintereinbruch.


Fundstücke (63): Lose Zusammengekehrtes

1. Im Mercado, Ottensen: Bei Bürobedarf Jürgensen liegt eine tote Maus zwischen den Regalen. Beim Nudelitaliener hingegen wieseln ihre Artgenossen den Angestellten fröhlich zwischen den Beinen rum. Papier ist anscheinend weniger nahrhaft als Pasta.

2. Meine berüchtigte Sammlung ekliger Bandnamen habe ich in der Vergangenheit aus Pietät über mehrere Einträge verstreut (nämlich hier, hier, hier und hier). Heute gibt es mal wieder Nachschub. Zuletzt nämlich kamen mir folgende absolut ekelerregende Bandnamen unter: „Feuerschwanz“, „Knochenfabrik“, „Casanovas Schwule Seite“, „Angeschissen“, „Blumen am Arsch der Hölle“ sowie „Oma Hans“. Der Musikantentruppe „Kommando Sonne-Nmilch“ (sic!) habe ich hingegen die Aufnahme in die Liste verwehrt. Nicht eklig genug.

3. Flohmarktdialog. Kundin (irritiert, mit vorwurfsvollem Unterton): „Darf man hier denn rauchen?“ Händler (rauchend): „Weiß ich nicht. Ich rauche. Nicht so viel fragen – machen.“

4. Segals Gesetz besagt: „Ein Mensch mit einer Uhr weiß, wie spät es ist. Ein Mensch mit zwei Uhren ist sich nie ganz sicher.“ Mir ist der mit den zwei Uhren näher – obwohl ich keine einzige besitze.


03 Januar 2010

Achtung: Pornografie – nicht weiterlesen!



Stammleser Joshuatree wollte auch während seines Aufenthaltes in Salzburg nicht auf die Lektüre dieses Blogs verzichten, wofür ich ihn sehr mag.

Doch als er vom Terminal des Hotels Goldenes Theater aus hier vorbeischauen wollte, verwehrte ihm das der hoteleigene prüde Browser. Begründung: „Die Rückseite der Reeperbahn“ sei pornografisch.

Keine Ahnung, was genau man in der Stadt Mozarts unter Pornografie versteht, doch es scheint sich weitgehend zu decken mit der Definition von Mahmud Ahmadinedschad. Und wenn das so ist, dann verhängte das Goldene Theater die Sperre natürlich völlig zu Recht.

Ich habe derweil mal im Fotoarchiv gekramt, um wenigstens einen Grund nachzuliefern. Und fand doch wahrhaftig was mit – festhalten! – VÖGELN.


02 Januar 2010

Die ersten Rätsel der neuen Dekade



Manche werden sich noch an den rattenscharfen Eintrag „Simsalabim“ erinnern, in dem ich ernsthafte Zweifel an der Natürlichkeit der Brüste von Biggi Bardot äußerte (es fielen Formulierungen wie „Kunstbusenwunder“ etc.).

Nun ist Frau Bardot bei mir vorstellig geworden, um die Echtheit ihres Vorbaus zu bestätigen. Sagen kann man allerdings viel, wenn der Tag lang ist (bzw. die Nacht kurz).

Will sagen: Bisher bleibt es bei einer wenig handfesten Behauptung, und es steht Aussage gegen Aussage. Updates folgen, sobald neue Erkenntnisse gewonnen werden konnten.

Die hätte ich auch gern hinsichtlich des abgebildeten Stuhls, der unter gewiss nicht geringen Mühen an einem Wegweiser in Fischmarktnähe befestigt wurde.

Doch sicherlich wird auch in dieser Sache hier bald jemand vorstellig, um alles aufzuklären. In diesem Sinne: ein frohes neues JA.


PS: Einen dem letzten Satz verblüffend ähnlichen Tweet habe ich wieder entfernt, damit es nicht so aussieht, als kupferte ich von mir selber ab.


31 Dezember 2009

Offener Brief zu Silvester (4)



Unten am Fischmarkt herrschte heute Nachmittag die Ruhe vor dem Sturm. Doch wer weiß, ob der einsame Anhänger die Nacht unbeschadet überstehen wird.

Ein sorgenvoller Gedanke, der mich übrigens alljährlich an Silvester heimsucht und stets zu einem warnenden Appell in Form eines Blogeintrags gerinnt.

In diesem Jahr formuliere ich ihn allerdings nicht neu, sondern verweise auf die insgesamt bereits drei inständigen Vorgängereinträge, deren kassandrische Prophetie bisher noch jedes Jahr am Neujahrstag die Welt verblüffte. Außer mir natürlich.

Man sieht sich 2010, hoffentlich noch mit allen Körperteilen – und zwar am besten genau dort, wo sie naturgemäß hingehören.

(Nein, das war jetzt nicht anzüglich gemeint.)

Falsche Signale

Sie sieht aus wie 90 plus, und wahrscheinlich ist sie das auch. Hutzelig, krumm und ohne Gebiss sitzt sie im Rollstuhl vor der Postfiliale an der Ecke, vor der die Fenster der parkenden Autos hübsch mit Schnee gepudert sind.

Gerade war sie am Geldautomaten, jetzt kommt sie zentimeterweise auf mich zugeruckelt. In der linken Hand, die auf ihrem Bauch liegt, hält sie die komplette Januarrente, und zwar in Form einer unbestimmten Anzahl von 50-Euro-Scheinen.

Das Geld leuchtet rot im weißen Licht des Kiezwinters. Ich weiß nicht genau, ob die Gefahr, an der Reeperbahn ausgeraubt zu werden, statistisch signifikant größer ist als in Altenmark an der Alz. Aber ich weiß, dass eine circa 90-Jährige im Rollstuhl mit einem Bündel rötlich leuchtender 50-Euro-Scheine vorm Bauch nicht gerade entmutigende Signale an potenzielle Diebe sendet.

„Sie sollten Ihr Geld lieber wegstecken“, empfehle ich. Ihr Rollstuhl ist inzwischen zum Stillstand gekommen. „Ich weiß“, sagt sie mit zahnarmem Lächeln und brüchiger Uromastimme, „das ist gefährlich.“

Sie beginnt mit zittrigen Fingern die Scheine in die Börse zu friemeln. Es klappt nicht, man müsste ihr tatkräftig helfen. Man müsste ihr die Börse und die Scheine abnehmen und …

Ich bin aber dann doch lieber Brötchenholen gefahren. Schließlich will ich Silvester auf German Psychos Party verbringen – und nicht auf der Davidwache.

29 Dezember 2009

Ohne Worte (66): Der Slogan des Jahrzehnts



Mit freundlichen Grüßen an Mario Barth.

Keine Traute

Vom Weihnachtsbesuch im elterlichen Heimatdorf (Detailfoto) mit unverändertem Körpergewicht zurückzukehren, ist eigentlich kein Anlass, um gleich montags wieder im Fitnessstudio einzukehren.

Dort saß ein Typ Marke Hell’s-Angels-Türsteher am Bizepstrainer: Glatze bis zum Stammhirn, schwarzes Muskelshirt mit Runenzeichen und tätowiert bis zur Poritze. Sein Nachbar am Adduktorengerät, ein deutlich schmaleres Hemd, fragte den Trumm: „Machst du Zirkel?“

„Nee“, antwortete der (mit einer erstaunlich dünnen Stimme, ähnlich der von Hänschen Rosenthal, falls sich an den noch jemand erinnert). „Das ist gut“, atmete der Schmale hörbar auf, „ich will nämlich zwischen unseren beiden Geräten wechseln.“

„Kein Problem“, kam es zurück. Allerdings blieb der Brocken dessen ungeachtet weiter sitzen. Ab und zu wuppte er ein paar Züge (natürlich einarmig), dann ruhte er wieder in sich wie ein Buddha des Bösen, und zwischendurch schnackte er mit Inkasso-Henry, der ihm pumpend und ächzend gegenüber saß.

Der Schmale trippelte derweil unruhig hin und her, setzte sich mal links und mal rechts neben den Tätowierten, stellte sich in die Nähe an den Tisch, tat, als müsste er was trinken, lief auf und ab – und traute sich bis zu seinem frustrierten Abgang nicht mehr, den Muskelmann an seine Zusage zu erinnern.

Zu Hause vertrimmt er wahrscheinlich ersatzweise seinen Hamster.

25 Dezember 2009

Bousdoukos hat auch eine ruhige Seite

Die automatische Damenstimme in der U3 betont unsere Haltestelle irgendwie komisch.

„Nächste Station: Sankt P…AU…li“, flötet sie. Beim Diphtong hebt sie die Stimme, und zwar anzüglich. „Als wenn sie sagen wollte: ,Sie wissen schon …'“, analysiert Ms. Columbo. Ganz genau. Ein vokales Augenzwinkern. Die Hochbahn weiß eben, was sie dem Kiez schuldig ist.

Rund um die Reeperbahn herrschte heute überwiegend Feiertagsruhe. Allerdings haben wir die Herbertstraße dahingehend nicht überprüft. Allweihnachtlich sollen sich dort ja die Entrechteten und Geknechteten besonders ballen, um sich für – sagen wir – 150 Euro temporär die Einsamkeit abkaufen zu lassen.

Wir hingegen taperten quer durch die Stadt, um im Mundsburgkino Fatih Akins „Soul Kitchen“ zu gucken. Ein Film, der wirkt, als hätte er sich an einem Aufputschmittel verschluckt, so penetrant ballert er uns mit bedeutsam gemeinter Musik zu, so überdreht ramentert das Ensemble durch die Kulissen; vor allem Adam Bousdoukos
als bandscheibenvorfallgeschädigter Gastronom.

Übrigens war Bousdoukos am Dienstag, als ich mit dem Franken und Kramer beim Mercadoitaliener speiste, ebenfalls aufgetaucht und goutierte mit ein paar Freunden die hervorragenden (weil selbstgemachten) Nudeln. Allerdings machte er privat weit weniger Krach als im Film, und wäre mir „Soul Kitchen“ am Dienstag bereits bekannt gewesen, so hätte ich Bousdoukos dafür sicher ausdrücklich belobigt.

Denn kaum etwas ist mir unangenehmer, als wenn man mich beim Lasagneessen mit Deppenleerzeichen (Foto) oder Lärm behelligt, der über das eh schon dezibelintensive Geplapper und Gelaber Kramers und des Franken hinausgeht.

Zusätzlich erträglich wäre höchstens eine Damenstimme, die „Sankt P…AU…li“ flötet, doch in der U-Bahn esse ich so gut wie nie Lasagene, vor allem keine selbstgemachte.


24 Dezember 2009

Santa Graus



An anderer Stelle habe ich es schon einmal betont: Wer von Anhängern monotheistischer Religionen nicht mit Hass, Empörung oder Mitleid bedacht wird, sollte seine Außenwirkung ernsthaft hinterfragen.

Doch auch die Außenwirkung manch monotheistischer Religion ist bisweilen dazu angetan, Gefühlswallungen negativer Art bei uns Nichtkontaminierten hervorzurufen. Der hüftsteife Santa-Claus-Roboter ist dafür ein gutes Beispiel.

Was bloß bewegt einen Altonaer Pizzeriachef mit wahrscheinlich römisch-katholischem Hintergrund, so etwas vor seiner Tür aufzustellen und leeren Blicks „Ho ho ho“ brummen zu lassen? Sänge das … Ding … wenigstens Verdi!

Und damit allen frohe Weihnachten.


21 Dezember 2009

Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (18): Pooca, Hamburger Berg



Die Fassade der „Pooca-Heiligebimbambar“ ist mit tausenden von Passbildern aus dem Automaten verziert. Man kommt nicht umhin, davor stehenzubleiben und sich eine Weile der bunten Parade der Mimiken zu widmen.

Ein Effekt, auf den der Besitzer der Bar sicherlich spekuliert. Wer erst einmal stehengeblieben ist, so ein altes Koberergesetz an der Reeperbahn, ist schon so gut wie drin im Laden.

Die Automatenfotos stammen allerdings, wie es scheint, nicht von den bisherigen Gästen der Heiligebimbambbar, sondern wohl von professionellen Darstellern, die sich in interessanten Posen üben. Jene Volksnähe, welche die gesichtsgesättigte Fassade gerne ausstrahlen möchte, wird damit aber ein wenig beeinträchtigt.

Ich betrat übrigens das Pooca trotz der vielgesichtigen Argumente nicht, was vielleicht damit zusammenhing, dass sie gerade geschlossen hatte.

Doch kommt Zeit, kommt Bar. So ist das ja immer.

Die gute Samariterin



Kälte, Eis und Schnee senken die Vollhorstquote auf dem Kiez erheblich, wie dieses Foto der Seilerstraße von heute Abend eindrucksvoll beweist: Kein einziger ist darauf zu sehen.

Doch es gibt ja auch eine erstaunlich hohe Anzahl furchtbar netter St. Paulianer, die aber auf diesem Foto ebenfalls nicht zu sehen sind. Einer Vertreterin dieser Spezis begegnete ich unlängst bei Edeka, und zwar an der Kasse.

Ich Vollhorst hatte meine Börse zu Hause vergessen, und nach dem Zusammenkramen all meines Kleingeldes kam ich auf genau 1,31 Euro zu wenig. Die Schlange hinter mir runzelte bereits die Stirn, doch was tat die Verkäuferin? Sie erbot sich, mir 1,31 Euro ihres Trinkgeldes zu leihen.

Ich wusste bis dahin schändlicherweise nicht einmal, das Supermarktverkäuferinnen überhaupt trinkgeldberechtigt sind. Doch so ist es; die 1,31, die sie mir herüberreichte, sprachen Bände. Verlegen und unter Rückzahlungsversicherungs- und Dankesgestammel nahm ich die Münzen an, nur um sie ihr kumuliert um meine eigenen kläglichen Vorräte sogleich wieder auszuhändigen.

„Bis 3 bin ich noch hier“, sagte sie. Ich huschte nach Hause, holte meine Börse und eine Flasche Weihnachtslikör, huschte wieder zu Edeka – und fand die Samariterin nicht mehr. Weder an der Kasse noch im Laden.

Ihren Namen hatte ich mir leider nicht gemerkt. Und um eine x-beliebige Kollegin mit einer Personenbeschreibung („Diese dralle Blonde mit Zopf“) zu belästigen, fehlte mir traditionellerweise der Mut.

Eine Stunde später unternahm ich den nächsten Versuch – diesmal mit Erfolg. Die auf 2 Euro aufgestockte Rückzahlung nahm dieser Engel des Advents ebenso erfreut entgegen wie den Weihnachtslikör.

Insgesamt waren das die teuersten vier Brötchen meines Lebens. Keine Ahnung, warum ich mich auf dem Nachhauseweg trotzdem reicher fühlte als vorher.


17 Dezember 2009

Zurück aus dem Wachkoma

Dieses Blog lag tagelang aus vollkommen ungeklärten Gründen im Wachkoma.

Während die Welt sich rührend um mich sorgte, gelang mir nicht die kleinste vernehmbare Äußerung, und die verzweifelte Hoffnung, man möge sich doch bittebitte via Twitter (links in der Leiste unterm Kalender, liebe Leser!) informieren, sie trog.

Stattdessen erhielt ich stirnrunzelnde Kommentare (nur per Mail, sie wurden ebenfalls nicht veröffentlicht) und sogar sorgenvolle Anrufe. Auch Hilfsangebote waren dabei, was mich besonders freute; Dank gebührt vor allem nodch, der technische Unterstützung in Aussicht stellte.

Das Phänomen des plötzlichen Lahmliegens, das aus dem Nichts gekommen war, verschwand indes auf genau die gleiche Weise – und das ist so hocherfreulich wie beunruhigend. Denn es kann wieder passieren.

Immerhin hat es sein Gutes: Ich merkte, wie sehr mein tägliches Bloggen mir ans Herz gewachsen war – und wie vielen Lesern es ähnlich ging. Zumal ich in der Zwischenzeit sogar einige berichtenswerte Erlebnisse hatte hier auf dem Kiez, darunter die splitternacktesten Tatsachen, die mir hier je unterkamen, es ist unfasslich.

Doch dazu mehr in den nächsten Tagen. Sofern jenes höhere Wesen, das wir alle verehren, mich lässt: das Internet.

14 Dezember 2009

Wie ich meine Schokovorräte retten werde



Seit Jahren betätigt sich Kollege Kramer als skrupelloser Schokoripper. Und er wird immer schamloser.

Tagtäglich kommt er inzwischen hereingeschlurft, murmelt dumpf „Brauche Schokolade“ und öffnet hinter meinem Rücken umstandslos den Bisley, um aus der dritten Schublade von oben meine Tafel „Ritter Sport Voll-Nuß“ hervorzukrame(r)n. Davon bricht er mit der gleichen Hand, mit der er sich kurz zuvor im Schritt kratzte, eine ordentliche Rippe ab und verzehrt sie sogleich, und zwar mit der Emsigkeit eines ausgehungerten Eichhörnchens.

Das geht natürlich nicht, und ich tüftele seit längerem an Gegenmaßnahmen. Eine Zeitlang hatte ich recht großen Erfolg mit der Taktik, die Schublade, in der die Schokolade lagert, regelmäßig zu wechseln. Kramer zog die gewohnte auf, stierte dumpfen Blicks hinein, entdeckte nirgends die Süßigkeit, machte mir zeternd Vorwürfe und entfernte sich unter protestierendem Gebrabbel.

Das waren schöne Zeiten.

Irgendwann aber kam der Fuchs auf den Dreh, probeweise mal eine andere Schublade aufzuziehen, und bingo. Sein Vorgehen führt also letztlich immer zum Erfolg. Der Franke, seinerseits lange triste Jahre der bevorzugt von Kramer Gebeutelte, hat sich inzwischen gänzlich von der Schokoladenlagerhaltung verabschiedet. Er schnorrt jetzt bei Bedarf selbst ab und zu ein Stück bei der temporär anwesenden 400-Euro-Kraft.

Aufgrund dieser plötzlich versiegten Frankenquelle war ich es, der zunehmend in den Fokus Kramers geriet – mit den oben geschilderten Folgen. Allerdings glaube ich nun eine Taktik ausgetüftelt zu haben, die der Raffinesse des systematischen Mundräubers Rechnung trägt, ihn aber gleichwohl in eine psychologische Falle lockt.

In der als Ort der Verheißung fest etablierten dritten Schublade von oben nämlich deponiere ich neuerdings nur noch ein ganz klein wenig Schokolade, im Schnitt eine Drittelrippe. Die wahren Vorräte indes befinden sich nun – aufgemerkt – im vierten Schubfach.

Darauf wird Kramer nie kommen, da er ja wie üblich in der dritten fündig wird, wenngleich in einem frustrierenden Ausmaß. Er wird sich – so meine Hoffnung – im Lauf der Zeit derart über den empörenden Mangel ebenda ärgern, dass er seine Raubzüge nach und nach ganz einstellt, zumal ein bei ihm noch immer vorhandenes Quäntchen Anstand ihn erstaunlicherweise davon abhält, Reste ratzeputz zu verzehren.

Eine geniale Taktik, wie ich finde. Kramer darf nur nie erfahren, dass das Paradies inzwischen umgezogen ist und am üblichen Ort lediglich ein Köder deponiert wurde, der in gleichem Maße beschwichtigend wie frustrationssteigernd wirken soll.

Zum Glück liest er dieses Blog nicht. (Hoffentlich.)

09 Dezember 2009

Ikea spart an allem



Diesen tautologischen Slogan von Ikea, den wir am S-Bahnhof Billwerder-Moorfleet entdeckten, hat die gewiefte Werbeagentur erst einmal ohne zwei nötige Kommas ausgeliefert. Wahrscheinlich hat sie die Satzzeichen als Pfand zurückbehalten, bis Ikea die Rechnung bezahlt.

Oder es handelt sich um gewollte Selbstironie; vielleicht will Ikea damit augenzwinkernd anspielen auf die beim Zubehör seiner Möbel oftmals fehlende eine Schraube (mindestens).

Dann freilich nähme ich alles zurück.


08 Dezember 2009

Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (16)



Im Dock gegenüber den Landungsbrücken werkeln sie angeblich an der Jacht des russischen Fantastilliardärs Roman Abramowitsch.

Damit niemand einen Blick darauf erhaschen kann, haben sie ein hausförmiges grünes Ganzjachtkondom drübergestülpt.

Das sieht abends sehr schön aus.