Ich war in der Grundschule, als das von Jane Birkin schamlos-lustvoll gestöhnte Chanson „Je t’aime … moi non plus“ zum internationalen Skandal wurde. Fast 40 Jahre später – genauer gesagt: heute Abend – fasste mir dieselbe Jane Birkin an den Oberschenkel. Aber der Reihe nach.
Im Schauspielhaus, wo sie auftreten soll, haben Ms. Columbo und ich eine Dreierloge im zweiten Stock bekommen, mit bestem Blick auf die Bühne. Irgendwann geht Jane Birkin singend durchs Parkett. Wir lehnen uns übers Geländer und schauen uns das von oben an.
„Hier sind wir sicher“, sage ich erfreut zu Ms. Columbo, denn wir beide sind nicht gerade Rampensäue, die sich gern ins Scheinwerferlicht zerren lassen und dort dann ekstatisch einen Sirtaki improvisieren. Wirklich nicht.
Plötzlich ist Birkin verschwunden – und taucht in der Loge unter uns wieder auf. Spot an, Freude im Publikum. Oha, denke ich, die Einschläge kommen näher. „Die Gefahr wächst“, flüstere ich spaßeshalber Ms. Columbo zu. Unter uns erlischt der Scheinwerfer, man hört Birkin nur noch singen. Aber wo ist sie jetzt?
Die Tür zu unserer Loge öffnet sich, ein Livrierter vom Theater hält sie auf. Und dann kommt die Poplegende Jane Birkin persönlich hereingehuscht in unsere kuschelige Dreierloge. Sie geht geduckt, schließlich will sie den Saal überraschen. Es ist dunkel, sie tastet sich vorwärts, und jetzt kommt mein Oberschenkel ins Spiel.
Fast 40 Jahre nachdem ich kleiner Hosenscheißer zum ersten Mal eine Ahnung davon bekommen habe, wie es sich anhört, wenn eine Frau lustvoll stöhnt, fasst mir genau diese Frau an den Oberschenkel. Aus Gründen der Balance.
An der Brüstung richtet sie sich auf und singt. Der Scheinwerfer flammt auf und flutet unsere Loge mit Licht, und irgendwie schaffe ich es, ein supermieses Foto zu schießen, mit Ms. Columbos kupferbraun aufstrahlendem Haar überbelichtet im Vordergrund und dahinter, halb im Dämmer, der Rücken von Jane Birkin. Jubel im Publikum, das geschlossen zu uns hochschaut.
Birkin dreht sich um, noch immer im gleißenden Licht, ihre charakteristische Lücke zwischen den Schneidezähnen blitzt auf. Irgendwie überdreht schüttelt sie Ms. Columbo die Hand, lächelt mir und meinem Oberschenkel zu, huscht hinaus aus der Loge und entert wenige Sekunden später wieder die Bühne.
„Je t’aime … moi non plus“ stöhnt sie übrigens den ganzen Abend nicht. Aber das hatte ich sowieso nicht erwartet.
Den Rest allerdings auch nicht.