Und zwar muss man deshalb vorne einsteigen, weil damals eine allgemeine Fahrscheinvorzeigepflicht eingeführt wurde. Seither gewährt jeder Schnellbusfahrer erst dann Einlass in sein rollendes Reich, wenn die ihm hingehaltene Karte sein Wohlgefallen fand. Eigentlich kein schlechtes Prinzip, denn es erspart der Stadt Kosten für zusätzliche Kontrolleure.
Umso baffer war ich heute früh, als ich im 37er über die Reeperbahn rollte und plötzlich von einer jungen attraktiven Blondine angesprochen wurde. „Guten Tag, Kontrolle“, lächelte sie hinreißend, während ihre gelockten Strähnen im Sonnenlicht funkelten wie Goldfäden, sofern die Sonne geschienen hätte. „Zeigen Sie mir bitte Ihren Fahrschein.“
Wenn ich mit zwei Seltsamkeiten auf einmal konfrontiert werde, legt mich das lahm. Das wusste ich vorher gar nicht, jetzt schon. Denn die ganze Situation schien mir schlicht surreal. Während ich wie ferngesteuert nach meiner Brieftasche kramte, fasste ich die zwei Seltsamkeiten innerlich in Form einer Zwillingsfrage zusammen.
Warum, fragte ich mich statt sie, kontrollieren die Verkehrsbetriebe mit Extrapersonal die Fahrscheine von Passagieren, deren Fahrscheine soeben bereits vom Schnellbusfahrer kontrolliert wurden?
Und wo sie das schon mal tun: Warum sind die Kontrolleure plötzlich jung, hübsch, weiblich und lassen güldne Locken im imaginären Sonnenlicht schimmern, statt wie bisher strähnhaarig, ächzend und missgelaunt 60-jährige Prekariatsbäuche durch den viel zu schmalen Gang zu wuchten?
Natürlich erwischten die beiden Grazien keinen einzigen Schwarzfahrer. Wie auch? Und natürlich fing ich mich in meiner Verwirrung nicht früh genug, um die Damen auf die Absurdität ihres Tuns hinzuweisen.
Vielleicht machen die Verkehrsbetriebe das ja auch extra und setzen weibliche Kontrolleure nur in Linien ein, wo sie garantiert keine von uneinsichtigen Schwarzfahrern gelangt bekommen können. Eigentlich sehr fürsorglich.
Und ein sehr starkes Indiz für volle städtische Kassen, allem Gejammer des Senats zum Trotz.
(Das Foto entstand zwar an einer Haltestelle der Linie 36 an der Elbchaussee, doch es passt erstaunlich gut.)