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11 November 2022

Zurück in Polettos Palazzo


Endlich wieder Palazzo! Diesen wilden Mix aus Koch- und Körperkunst hatte in den letzten beiden Jahren leider Corona gecancelt. Die Eintrittspreise (99 Euro für die Bühnenloge an normalen Tagen, 3.600 Euro für die Direktionsloge an Silvester) decken ein recht breites Spektrum zwischen Bürgergeld und Bonzenjahresbonus ab, doch wir waren dankenswerterweise eh eingeladen. Und mit uns traditionell auch der legendäre Franke, diesmal sogar samt Sohn, einem hochtalentierten baldigen Volljuristen. Der Apfel fällt also manchmal doch weit vom Stamm!

Damit will ich dem Franken natürlich keineswegs zu nahe treten; er hat halt nur ganz andere „Qualitäten“, deren ausführlicher Dokumentation sich dieses Blog unter großen persönlichen Opfern des Betreibers seit sehr, sehr Langem verpflichtet fühlt.

Dazu, zu des Franken Qualitäten, gehört es zum Beispiel, sich der oralen Elimination von Eismeerlachstatar mit Avocado, Babyromanasalat und Kräutervinaigrette zu widmen. Eben dies hat uns Palazzo-Küchenchefin Cornelia Poletto als Vorspeise komponiert. Als Appetizer jonglierte vorher ein Australier namens Jeromy Nuuk mit bis zu sieben Bällen gleichzeitig, und das geht gar nicht. Punkt. Aber so steht es geschrieben, und zwar hier. Also muss es wahr sein.

Nach der Bauchrednernummer von Daniel Reinsberg fragt eine Tischnachbarin bass ratlos in die Runde: „Wisst ihr, wie er das macht?“ Im Prinzip ja: reden, ohne ’s Maul aufzumachen. Rein ablauforganisatorisch bleibt hingegen vieles im Unklaren. Wie es etwa möglich ist, auch Buchstaben glasklar hervorzubringen, zu deren Artikulation man nun mal notwendigerweise die Gosch’n öffnen muss (zum Beispiel Vokale), das hat der feine Herr Reinsberg natürlich für sich behalten.

Als Zwischengang kommt Parmesansuppe mit grünem Spargel und Grissinicrunch. Man lässt uns zudem als ultimative Verlockung einen gut gefüllten Nachschlagtopf samt Kelle da, was – wie ich zugeben muss – nicht nur für den Franken eine Versuchung darstellt, der zu widerstehen uns einfach die charakterliche und sittliche Reife fehlt. Und zwar mehrfach hintereinander.

Weiter geht’s mit Comedy, Seil- und Mitmachnummern, viel Musik der Hausband und dem Hauptgang „Polettos Chickeria“: glasierte Perlhuhnbrust mit Süßkartoffelpüree, wildem Brokkoli und Vadouvanjus. Vadouwatt?, fragen Sie sich bestimmt jetzt auch, und die Antwort lautet laut Google: eine indische Gewürzmischung. Wieder was gelernt.

Nach dem Dessert (Vierländer Apfel „caldo e freddo“ mit Salzkaramellsauce) und der abschließenden Handstandnummer von Junru Wang (Foto), deren Rückenmuskulatur mindestens so eindrucksvoll ausgestaltet ist wie ihre Balancierfähigkeiten, geht es heiter wieder heim nach St. Pauli.

Der krisenbedingt etwas abgespeckte Palazzo 2022 wirkt nun hoffentlich nur in der Erinnerung nach und nicht auch in Form einer heimischen Omikronzucht. Bei einer ordentlichen Dauerdurchlüftung des gemütlichen Spiegelzelts hätten wir uns jedenfalls noch wohler gefühlt.

Ach ja: Sollten Sie noch ein hochskurriles Weihnachtsgeschenk suchen – „Die Frankensaga“ ist weiterhin lieferbar und harret eines entsetzenbereiten Publikums.




17 November 2019

Essen, was aufn Tisch kommt

Nach langer Zeit ist es mal wieder passiert: Ich habe vorm Franken meinen Teller leer. Wer hier seit rund anderthalb Jahrzehnten mitliest, weiß sehr wohl, wie erwähnenswert diese Tatsache ist.

Wir sind im Palazzozelt an den Deichtorhallen, wo man uns mit Artistik, Kulinarik und Showeinlagen verwöhnt. Das hier ist der erste Gang, Vitello tonnato, Scheiben vom Holsteiner Kalb mit Tunfisch und Kapernäpfeln, und der Franke staunt: „Du vor mir fertig? War ja noch nie da.“ Doch, war es wohl, aber jeder meiner raren Erfolge wird natürlich vom Grundrauschen der Vielzahl seiner zerschmetternden Siege überdröhnt. „Aber der Abend“, droht er, „ist ja noch lang.“

Das stimmt – lang, aber dank der Künstler- und Artistenschar kurzweilig. Vor allem die Conferencière, die US-Amerikanerin Ariana Savalas, sorgt für gehobenes Niveau und verleiht dem Showmotto „Glanz & Gloria“ Glam und Glitzer, nicht nur wegen ihres in allen Spektren einer Discokugel funkelnden Abendkleides.

Wir sind derweil beim Zwischengang, confiertem Eismeerlachs mit Zitronenknusper, übergossen (von mir als Dienstleister für alle am Achtertisch) mit einem Blumenkohlsüppchen. Hier ist der Sieger nicht hundertprozentig feststellbar, da wir alle Nachschlag nehmen. Wertung zur Güte: Remis.

Zwischen den Nummern der Artisten – darunter ein Spanier namens Ramiro Vergaz, der mit bis zu sechs kapitalen Kegeln jongliert, was eindeutig von den Naturgesetzen so nicht vorgesehen ist – neckt Frau Savalas am Nachbartisch einen Gast mit Spötteleien über sein Outfit (Sweatshirt und Jeans). Zwar trage ich zum Glück einen mitternachtsblauen Schurwollanzug von Gieves & Hawkes, doch mir wird unschön bewusst, dass angesichts meines Sitzplatzes der Franke die letzte Brandmauer zwischen Savalas und mir ist. Im Notfall wäre zwar er zum Glück als Opfer leichter erlegbar, doch verspricht er für diesen Fall der Fälle, jeden auf Interaktivität erpichten Künstler eindringlich an mich zu verweisen.

Nun zum Hauptgang: Rücken und Bäckchen vom spanischen Eichelschwein mit knackigem Wokgemüse und Gewürzjus. Dazu spielt die Band Boomraiders Schweinerock. Darf sie herzlich gern, doch täte sie das etwas leiser, könnte man sich bei Bedarf auch mal mit seinem Tischgegenüber unterhalten. So bleibt mir als Gesprächspartner im Wesentlichen meine Brandmauer, der Franke, gegen den ich beim Hauptgang sehr, sehr knapp verliere.

Das vermaledeite Problem bei diesem von der Hamburger Spitzenköchin Cornelia Poletto konzipierten Menü ist aber auch, dass es viel zu gut mundet, um sich ernsthaft eines gebremsten Esstempos befleißigen zu können. Nach jedem Bissen denkt man: Hmm, jetzt gerne schon den nächsten. Und schwups, ist schon wieder ein Gang weg. Hier im Palazzozelt jedenfalls wird besonders gern und rasch gegessen, was auf den Tisch kommt.

Dieser Mechanismus setzt übrigens nur bei den Aufstrichen nicht ein, die als Amuse-Gueule in Porzellanschiffchen auf dem Tisch stehen. Merkwürdig durchschnittlich, geradezu gewöhnlich, wundert man sich – bis man im Programmheft auf die Sponsorenliste stößt. Darunter: Exquisa. So was schafft natürlich Sachzwänge, gegen die sich wohl auch eine Cornelia Poletto nicht wehren kann. Dann eben wenigstens hübsche Porzellanschiffchen als Trägermedium.

Nach atemberaubenden Trapez-, Bänder- und Stangennummern steht das Dessert an: Kokosbaiser mit Mascarponecreme, exotischen Früchten und Ananassorbet. Ein buntschillernder Strauß sich nur scheinbar widersprechender, doch letztlich miteinander verschmelzender Aromen; von allen am Tisch – Carnivoren wie Vegetariern – erhält das Dessert die Bestnote.

Der Franke und ich trennen uns hierbei schiedlich, friedlich unentschieden. Mehr von diesem seit rund anderthalb Jahrzehnten andauernden Wettstreit zwischen Goliath und mir dann nächstes Jahr. Oder spontan noch mal in den kommenden Wochen: Das Palazzozelt steht hier noch bis März.

Savalas verschonte uns übrigens beide. Tragen Sie also bloß nicht Sweatshirt und Jeans!


PS: Es gab natürlich von allen Gängen eine vegetarische Variante. Wie mir Ms. Columbo bestätigte, waren auch diese von erheblicher Qualität; ihre leise monierte Würzdezenz bei der Vorspeise (Auberginen-Caponata) sei, wie sie sagt, eine Klage auf hohem Niveau.

PPS: Zu dieser Veranstaltung waren wir eingeladen.

Foto: Palazzo Produktionen GmbH




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16 August 2019

„Du Laif-Sdail-Veggedarier!“

Noch recht frisch auf dem Kiez zu Hause ist das Brewdog in den Tanzenden Türmen (Foto) eingangs der Reeperbahn. Dort gibt es hochpreisiges Craftbier und gute Burger, darunter vegetarische und vegane. Dass es Ms. Columbo und mich oft montags dort hinzieht, liegt an einem Brewdog-Angebot, das man schwerlich ablehnen kann: zwei Veggieburger zum Preis von einem. Da die Teile einzeln mit zweistelligen Preisen durchaus überteuert wirken, sieht das bei zweien zum selben Preis schon ganz anders aus. 

Als ich dem Franken ein feierabendliches Treffen ebenda vorschlage und von diesem verlockenden Angebot erzähle, reagiert er trotz der Aussicht auf ein fleischloses Abendessen erstaunlich erfreut. Was ist bloß los mit dem Franken, diesem menschgewordenen Carnivoren? Noch während ich innerlich herumrätsle, dämmert mir die Lösung: Der Franke denkt, er könne beide Burger alleine vertilgen. Aber so haben wir nicht gewettet! 

Dergestalt ertappt, versucht der Franke natürlich sofort das Thema zu wechseln, indem er sich auf meine Essgewohnheiten stürzt. „Du Laif-Sdail-Veggedarier!“, scheitert kläglich ein erster Beleidigungsversuch, und nicht nur an der auslautverweichenden Trägheit der fränkischen Zunge. Gleichwohl möchte er seine Kompatibilität mit aktuellen Ernährungstrends unterstreichen: „Ich esse nur dreimal die Woche Fleisch“, barmt er um Lob. „Und Wurst natürlich.“

Da fällt mir ein, wie der Franke mir vor Jahren mal erzählt hat, wie er seine Brote einst als Kind dick mit Leberwurst belegte und darauf flächendeckend eine zentimeterdicke Schicht Senf auftrug. Mir ging es generations- und soziokulturell bedingt ähnlich mit Blut- und Fleischwurst. Ah, selige Kindheit aufm Land!

Heutzutage könnte man mit derlei Gebaren höchstens noch bei Muttern punkten, aber nicht mehr in einer Stadt wie Hamburg, wo die Leute sogar beim Wodkakaufen eher nach der Flasche greifen, die sich per Aufdruck als „vegan“ ausweist. Na ja, wie ich bei früherer Gelegenheit schon mal erwähnte: Auch Zyankali ist vegan.

Der Brewdog-Besuch fand schließlich zu dritt statt. Ms. Columbo und ich teilten uns die beiden vegetarischen Burger zum Preis von einem (ich entschied mich schon aus Kalauergründen für das Modell „Hail Seitan“) – und der Franke tat, was menschgewordene Carnivoren nun mal tun: einen aus Echttier ordern.




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11 Dezember 2016

Der Franke macht endlich Druck!

Als 2011 mein E-Book „Die Frankensaga“ erschien, wünschten sich nicht wenige eine Druckausgabe. Seither sind fünf Jahre vergangen, die Zahl der Geschichten wuchs – und jetzt ist es Zeit für eine stark aufgeblähte, sogar um den genialen Michael-Rudolf-Text „Franken! Schluss! Aus! Sense!“ ergänzte Neuausgabe.

Und was soll ich sagen: Es gibt sie neben der E-Book-Version – gerade auch im Hinblick auf Weihnachten, wenn Sie wissen, was ich meine – nun auch gedruckt, also zum Anfassen und Aufblättern, entweder bei Amazon oder bei epubli und eigentlich auch sonst überall.

Anlässlich dieses Ereignisses erlaube ich mir Ausschnitte aus dem neuen Vorwort zu zitieren, denn besser könnte ich es auch nicht sagen. Voilà:

Seit der gefeierten Erstauflage der Frankensaga wurde das Material immer kalorienreicher. Während die Republik in die knöchernen Hände der Vegetarier und Veganer fiel, leistete ein Mann auch im vergangenen Halbjahrzehnt tapferst Widerstand, indem er unverdrossen Nürnberger Rostbratwürste und all ihre engen Verwandten vertilgte: der Franke.

Und ich war und blieb in all diesen Jahren sein Eckermann – eine Erkenntnis, die zu gleichen Teilen von Stolz und Selbstekel flankiert ist. Nun also kommt die exorbitant erweiterte Frankensaga in der Vollfettstufe – eine erschütternde Sammlung persönlich erlebter Geschehnisse, bei denen mehr Tiere zu Schaden kamen als in der Gesamthistorie aller kasachischen Zoos. Und ergänzt um die definitve Frankenanalyse des unvergleichlichen Michael Rudolf.

Das Lesen all dieser Texte erfolgt ausdrücklich auf eigene Gefahr. Sollten Sie aber alle bisherigen Staffeln von „The Walking Dead“ ohne Harm überstanden haben, wird Ihnen auch dieser erschütternd tiefe Einblick ins Leben des Franken nichts anhaben können. Oder nur wenig.

Eine Garantie dafür lasse ich mir aber nicht aus den Rippen leiern. Ich bin nicht rechtsschutzversichert.



Die Frankensaga – Vollfettstufe
Taschenbuch, 9,80 Euro, ISBN: 9783741874000
Hardcover, 17,99 Euro, ISBN: 9783741873966
E-Book, 3,99 Euro, ISBN: 9783741874680





13 Juli 2016

Unter muss rein


Mannigfaltigster Natur sind die Arten und Weisen, wie man einem Franken versehentlich zu nahe treten kann.

Zum Beispiel reagiert er höchst unwirsch, wenn man mit einem kapitalen Lachkrampf zusammenbricht, weil er einen ursprünglich hartgesottenen Konsonanten so ausspricht, als wäre der ein Pfund Butter in der Mittagssonne am Äquator („Dang-ge“).

Ich hingegen bleibe selbst dann, wenn es in der Folge im Zwischenmenschlichen gewittert, stets wirsch. Schon aus Eigenschutz: Schließlich sollte man es tunlichst vermeiden, einem aus fränkischem Mutterboden fehlgesprossenen Echauffator weitere Eskalationsgründe zu liefern.

Manchmal aber gießt man Öl ins Feuer, ohne es zu wollen. Mit zum Schlimmsten, was man diesem eigenwilligen Menschenschlag antun kann, gehört zum Beispiel die Benennung des Franken als „Franken“.

„Ich bin Unterfranke!“, knurrt der Franke dann gewöhnlich mit schneidender Unnachgiebigkeit, als hätte ihn diese fehlende Spezifizierung wirklich getroffen. Aber das hat sie ja auch.

Wenn etwa wieder mal ein Serienkiller oder Amokläufer durch sein Heimatland marodiert und ich ihm das mit freundlichstem Lächeln – also wirsch – vorhalte, dann schaut er sich die Sache in der Regel kurz an und blafft dann: „Der Tüb ist Middelfrang-ge! Wir haben nicht mal die gleiche Schbraache!“

Um Außenstehende vollends zu verwirren, gibt es übrigens auch Oberfranken. Dass daraus möglicherweise eine für ihn wenig schmeichelhafte Hierarchie des Frankentums abzuleiten sei, streitet der Franke – Verzeihung: der Unterfranke – indes mit Verve ab. Im Gegenteil: Er scheint sich und seinesgleichen für geradezu gebenedeit unter den Frankenvölkern zu halten.

Bei der noch zu erstellenden, dann aber stark erweiterten und refurbishten Neufassung der „Frankensaga“ sehe ich mich jedenfalls mehr oder weniger gezwungen, dieses Unter irgendwie, irgendwo unterzubringen.

Im Vorwort reicht, oder?

PS: Ein weniger treffendes Symbolbild war wahrscheinlich noch nie. Na ja, immerhin sind die Nudelsmileys, die ich vorm Haus entdeckte, ziemlich wirsch drauf.


 

 
 
 

06 Juli 2016

„Blödmann!“

Der Franke ist zwar der weltweit größte FC-Bayern-Fan von ganz Eimsbüttel, hat aber gleichwohl schon Planungsfehler in Dimensionen gemacht, dass du dir an den Kopf fasst.

Einmal saß er während eines Champions-League-K.O.-Spiels im Flugzeug, ein andermal im Zug und einmal auf einer italienischen Halbinsel fest. Erst mal munter terminieren und am Ende feststellen: Da war doch was, nämlich ein Bayern-Spiel – so ist er, der Franke.

Am vergangenen Samstag aber toppte er all dies auf eine Weise, welche die Historie seines Fehlverhaltens augenblicks pulverisierte. Völlig arglos und ohne Blick in den Kalender hatte er sich vor Wochen von seiner Freundin zu einem Wochenende in Stettin beschwatzen lassen, wo er in eine Tanztheatervorführung unter offenem Himmel verschleppt werden sollte.

Auf all das ließ er sich bereitwilligst ein – ohne zu bedenken, dass ein Europameisterschaftsviertelfinale des deutschen Teams, dem er auf ähnlich hündische Weise zugeneigt ist wie dem FC Bayern, parallel vonstatten gehen sollte.

Als ihm das Dilemma dämmerte, blieb ihm nur noch lautes Wehklagen und Haareraufen (wozu er, wie ich neidvoll zugestehen muss, wenigstens noch in der Lage ist) – und der Auftrag an mich, ihn live per SMS auf dem Laufenden zu halten.

Nun, dies geschah auch: 


Dankbarkeit sieht anders aus, wie ich als Hesse finde. Je nun. So ging es weiter: 


Aus seiner schmallippigen Antwort vermochte ich unschwer eine gewisse Frustration zu destillieren, doch das fand ich eher ermunternd. Schließlich war er drauf und dran, eins der dramatischsten Duelle zwischen Deutschland und Italien zu versäumen – irgendwo im Nirgendwo und wahrscheinlich im Angesicht von Männern in Strumpfhosen. Kein Grund, nicht Öl ins Feuer zu gießen: 


Inzwischen aber verspürte ich nicht nur eine verdammte Chronistenpflicht – manchmal muss ein Mann tun, was ein Mann tun muss –, sondern auch das Bedürfnis, seine ausweglose Lage nicht auch noch durch Süffisanz zu verschärfen. Na ja, ein bisschen zumindest.

Denn mittlerweile war der arme, in der polnischen Diaspora gefangene Franke, wie ich später erfuhr, bereits zwangsversetzt worden, da mein ständiges Simsen nicht nur seine Freundin kirre machte, sondern wohl auch die ganze Tanztheaterveranstaltung in Gefahr brachte. Den Männern in Strumpfhosen wär’s wahrscheinlich recht gewesen: Dann hätten sie die Verlängerung vielleicht noch in der Theaterkneipe mitgekriegt.

Verlängerung also. Und nicht nur das: auch noch Elfmeterschießen. Das Drama aller Dramen, und der Franke sitzt blind und taub in einem Amphitheater in Westpommern. Aber er hat ja mich und meine SMS. 



Gut, die letzte war ein Rückfall ins Sarkastische, sie bohrte in einer tiefen, tiefen Frankenwunde, die sich hienieden nie mehr schließen lassen wird, aber verdammt: Ich bin auch nur ein Mensch. Einer mit Schwächen.

Und er ist ja selber schuld. Das Desaster, in das er fern der Heimat geriet, kann man nicht mal mit einem Anfängerfehler entschuldigen – die oben geschilderten Beispiele verpasster oder nur unzulänglich verfolgter, aber definitiv unverpassbarer Spiele zeigen das überdeutlich. Der Franke kompensierte das zu diesem Zeitpunkt aus reinem Selbstschutz längst mit einer Prise Fatalismus: 


Als alles vorbei war, das Drama, die Euphorie, die Erledigung des Italientraumas – also all das, an das man sich als Fußballfan ewig erinnern wird (sofern man es gesehen hat …) –, habe ich ihm weitere SMS-Dienste angeboten.

Zum Beispiel im Halbfinale, während er wahrscheinlich rituellen Fruchtbarkeitstänzen aus Nordostsibirien beiwohnt. Oder beim Endspiel (Achtsamkeitsworkshop in Worpswede).

Komisch, dass er darauf noch gar nicht geantwortet hat.







05 Mai 2015

Nürnberg und die Folgen

Durchaus mit vorwurfsvollem Unterton informierte ich gestern den Franken darüber, dass ich nach nur drei Tagen Aufenthalt im fränkischen Nürnberg ein ganzes Kilo mehr auf die Waage bringe.

„Wahrscheinlich warst du einfach noch nicht aufm Klo“, versucht er sich und seine Ethnie zu rechtfertigen. „Also bitte“, antworte ich, „über solche Werte informiere ich immer nur inflationsbereinigt.“

Nein, meine Theorie geht eher von einer spezifisch fränkischen Kalorienausstattung sämtlicher oral zuführbarer Dinge aus. Nehmen wir die Kässpätzle, welche ich arglos in einem Restaurant namens Nürnberger Alm orderte: Nicht nur handelte es sich dabei um einen schier monströsen Berg Kulinarik, der mir beinah die Sicht auf Ms. Columbo versperrte, auch die verschwenderische Üppigkeit, mit der die unschuldigen Nudeln käsekontaminiert waren, ließ mich vor Schreck erst mal am Alm-Schwarzen nippen.

Apropos Alm-Schwarzes: Bier serviert man drunten an der Pegnitz generell in Mindestgrößen, die hier in Hamburg bereits das obere Ende der Fahnenstange bilden. Und wagte es ein Schankwirt, dem Gast Frankenwein in einer Abgabemenge von lediglich 200 Milliliter (-> das Wort sieht übrigens recht lustig aus) zu offerieren, so bewürfe der ihn umstandslos mit Bocksbeuteln.

Nein, ein Viertele muss es generell sein, und die gewöhnlich ausschankdiensthabende Fränkin würde den Teufel tun und trotz alledem den Eichstrich nicht deutlich überschreiten. Alles hier in Nürnberg nämlich ist voller, dicker, breiter, höher, gehäufter als in hanseatischen Breiten – nur am Ende sympathischerweise die Rechnung nicht.

Unter diesen Umweltbedingungen wäre es kaum verwunderlich, wenn das hier seine Tage und Jahre fristende Frankenvolk kurzatmig, teigig und adipös durch die Stadt walzte, kaum mehr fähig, die Kaiserburg zu ersteigen, weshalb es sich lieber in Lokalen wie der Nürnberger Alm ächzend hinter die Holzbänke zwängen und erst mal eine Portion Kässspätzle vertilgen müsste, was das Ersteigen der Kaiserburg erst recht in eine ungewisse Zukunft vertagte.

Doch so voluminös wie vermutet greift der Nürnberger Franke gar nicht Raum. Natürlich: Eine gewisse Stämmigkeit, ein pralles Ausfüllen der durchweg geschmacklosen Kleidung ist in der Altstadt, die hauptsächlich Gegenstand unserer Feldforschungen war, keineswegs zu leugnen. Am anatomischen Extremismus mancher US-amerikanischen Vorbilder indes orientiert sich der durchschnittliche Frankenkörper noch immer nur eher vage.

Wie also vermeidet er es, binnen drei Tagen ein Kilo zuzulegen, im Jahr also ungefähr hundert? Ich weiß es nicht, und der Hamburger Franke („Wie: Ihr habt nicht mal Nürnberger Rostbratwürste gegessen? Ihr Vegetarier!“) erst recht nicht.

Die gewisse Bequemlichkeit der Bevölkerung hinsichtlich aller Bewegungsabläufe manifestiert sich übrigens auch in den Graffiti, wie das Bild oben beweist. Statt selbst etwas irgendwohin zu pinseln, streicht der pfiffige Nürnberger lieber (hinter)sinnigerweise etwas weg.

Herauskommt Sozialkritik auf Fränkisch. Und danach erst mal ein Berg Kässpätzle. Oder ein paar Rostbratwürste im Weckla.





28 November 2014

Unsere Pausen sind lila


Seitdem es in den Zeisehallen das Restaurant Lila Nashorn gibt, landen ich und der Franke mittags immer wieder dort. Wir sind zu Marionetten – nein: eher Sklaven – der dortigen hohen Kochkunst geworden.

Vor einiger Zeit spendierten uns die Betreiber einfach so mal ein Mittagessen, weil wir „immer wiederkommen“. Wahrscheinlich hätten sie das sogar gemacht, wenn sie gewusst hätten, dass wir sowieso immer wiedergekommen wären. Aber jetzt erst recht.

Das Ausgeben eines Mittagessens haben sie inzwischen mit Hilfe von Jetons formalisiert. Pro Essen gibt es einen, wenn man zehn Stück beisammen hat, wird man zum nächsten Lunch eingeladen – und kurioserweise kriegt man dafür auch wieder einen Jeton.

Allerdings habe ich den Verdacht, dass sie das nicht mit jedem machen, sondern nur mit mir und dem Franken. Zumindest rede ich mir das in meinem charakterlich zweifelhaften Bedürfnis, mich geschmeichelt fühlen zu wollen, gerne ein.

Die Küche ist, wie gesagt, von hoher Kunst geprägt, allerdings auch gutbürgerlichen Zuschnitts, will sagen: tierlastig. Da ich mich seit einiger Zeit einer massentierhaltungsnachfragevermeidenden Nahrungszuführung befleißige, das Lila Nashorn aber gleichwohl nie mehr missen möchte, bin ich weitgehend zurückgeworfen auf den zum Glück gloriosen Salatteller mit (hoffentlich keiner Massentierhaltung entspringenden) gebratenen Shrimps.

Ich höre Sie, liebe Veganer und -etarier, vor ihren stationären und mobilen Endgeräten jetzt empört aufjaulen, doch es ist nun mal noch kein Meister vom Himmel gefallen, und ich bin halt noch in der Ausbildung.

Der Franke indes haut sich fröhlich die Rouladenkreationen, Rinderfiletformadibilitäten, Kasselerkunstwerke und Wunderschnitzel rein, als wäre gehobene Hausmannskost ab morgen verboten. (Dabei sind die Grünen doch in der Opposition.)

Apropos Franke: Wenn der mal ein paar Kilo abnehmen wollte, bräuchte er sich nur das Brusthaar zu rasieren. Zum Glück aber ist die Jahreszeit vorbei, in der man Gefahr läuft, hie und da an diese doch recht bedrückende Tatsache erinnert zu werden. Aber das nur nebenbei.

21 März 2014

Immer wieder Nuggi

Kramer, der Franke und ich hatten bereits gestern den frühlingsbeseelten Entschluss gefasst, heute sofort nach der Arbeit runter zu radeln zum Museumshafen in Övelgönne. 

Das Ziel unserer Träume: Nuggi’s Elbkate. 

Bei Nuggi’s Elbkate handelt es sich um einen vergrößerten Kiosk mit verkleinerten Preisen direkt an der Hafenkante, in dem eine dralle schwarze Lebefrau die köstlichsten Matjesbrötchen seit Erfindung der Niederlande rüberreicht, und zwar im Takt eines melancholischen Calypsos oder so ähnlich. 

Sie dreht diese hier so herrlich unpassende Begleitmusik immer runter, wenn jemand was bestellen will, und dann wieder rauf, wenn sie z. B. eine Bockwurst in den Kochtopf wirft.

Wir würden – so der genial ausgetüftelte Plan – die dralle Lebefrau, bei der es sich möglicherweise um Nuggi höchstselbst handelt, um Matjesbrötchen und Astraknollen bitten, uns damit ans Ufer setzen und sinnierend gen Westen schauen, in die untergehende Sonne. Schweigend würden wir essen und trinken. 

Es würde Stille herrschen – bis auf das leise Lecken der Elbwellen am dümpelnden Eisbrecher Stettin. Bis auf das Geräusch, das ein Kronenkorken macht, wenn er sich vom Flaschenrand der Astraknolle löst. Bis auf das Knirschen und Knacken der Zwiebelringe zwischen unseren Zähnen. 

Und genau so kam es dann auch – wenn man vom Sabbeln, Sülzen, Flachsen, Labern, Lachen und Lästern absieht, mit dem Kramer (l.) und der Franke (r.) diesen genial ausgetüftelten Plan genussvoll zunichte machten. 

Der Franke und ich durchliefen dabei, wie ich gestehen muss, drei komplette Zyklen mit Matjes und Astra, während der berufsrenitente Kramer in Richtung Erbsensuppe und Krakauer ausscheren zu müssen glaubte.

Tja, und wegen all dem müssen wir schon bald wieder runterradeln zu Nuggi’s Elbkate. Am besten sobald die Sonne das nächste Mal plant, in der Elbe unterzugehen. Morgen?

15 Dezember 2013

Das Blaue vom Himmel

Des Franken neue Freundin zieht es unverständlicherweise zu ihm in den Norden. Also brauchte er Leute, die beim Umzug helfen. 

Kramer und ich waren leider nicht schnell genug auf den Bäumen, also wurden wir vom Fleck weg dienstverpflichtet. Um die trübe Lage zu beschönigen, versprach uns der Franke das Blaue vom Himmel herunter, nämlich: 

1. selbstgemachte Frikadellen à la Schömel, die in Form und Größe in die Hand passen wie die Brüste einer Frau
2. trockenes Wetter
3. eine pipisimple Einlagerung des Krimskrams per Aufzug

Statt aufs Blaue vom Himmel lief es am Ende aber – wie natürlich a priori abzusehen – volle Lotte aufs Graue vom Toten Meer hinaus: 

1. Chili con Carne 
2. Nieselnässe
3. vielfaches Besteigen eines vierstöckigen Treppenhauses
4. Muskelkater am Tag danach

Immerhin mundete das Chili con Carne vorzüglich, und an sedierendem Abschlussbier ließ es der Franke ethnisch bedingt ebenfalls nicht mangeln. Auch der Zwischengang vorm Umzug (Weißwürste mit Brezen und Händlmaiers süßem Senf) schien zunächst zu seinen Gunsten zu sprechen, doch zu diesem Zeitpunkt wussten wir auch noch nichts von den vier Stockwerken.

Beim nächsten Mal hab ich a priori Rücken, aber so was von.

PS: Das abgebildete Sofa dient nur der beispielhaften Illustration. Jenes, das wir transportieren mussten, war in erheblich desolaterem Zustand – ein Anblick, den ich Ihnen allen nicht zumuten wollte.

20 November 2013

So nah und doch so fern


Ungefähr einmal die Woche kehren der Franke und ich mittags beim Büffetinder ein, füllen uns zwei-, dreimal die Teller und wechseln danach pappsatt ins benachbarte Torrefaktum, um mit einem Espresso der drohenden nachmittäglichen Verdauungsträgheit präventiv entgegenzuwirken. 

Das Torrefaktum gibt Bonuskarten aus. Wenn man zehn Espressi getrunken hat, bekommt man den elften umsonst. So weit die Theorie. Die Praxis vor Ort erwies sich nun als erheblich trüber: Handwerker statt Barista, Leitern statt Kaffeemühlen, Leere statt Espresso.

Mein elfter also verfällt ersatzlos. Und ich war sooo nah dran. Aus Frust gehe ich jetzt auf eine Schiffsreise – mit Ms. Columbo und vorab gebuchter Espressoflatrate.

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10 November 2013

Der gescheiterte Rettungsversuch

Heute wollte ich einen bei Amazon entdeckten Digital/Analog-Wandler offline kaufen, um den Einzelhandel zu unterstützen – und vor allem, weil ich generell das, was ich gern hätte, augenblicklich haben möchte und nicht erst in drei Tagen. Die liebe Ungeduld, eine alte Schwäche.

Bei Amazon kostet das Ding 15,89 €. Ich druckte also Bild und Beschreibung aus, radelte zuversichtlich nach Altona zum Media Markt (der – ich weiß, ich weiß – die ganzen kleinen Läden auf dem Gewissen hat) und zeigte dort beides illustrationshalber vor. Dieses Modell, sagte man mir, sei gerade nicht vorrätig, aber dafür ein anderes. Der Preis betrage allerdings … räusper, hüstel … 69,99 €. 

„Bitte …?“, japste ich so erschrocken, als hätte man mir allen Ernstes erzählt, der Franke habe sich in den Veganismus verliebt. „Das ist 55 Euro teurer als online!“ Die Frage, die zudem unausgesprochen im Raum stand, lautete: Kann man Digitales derart viel besser in Analoges verwandeln, dass es einen Preisunterschied von zwei DVD-Rekordern rechtfertigt? Die standen nämlich stapelweise überall rum bei Media Markt, für schmale 25 Tacken das Stück.

„Sie schicken mich zu Amazon!“, warnte ich den Verkäufer. Der fühlte sich jedoch dadurch keinesfalls unter Rabattierungsdruck gesetzt, sondern sah seine Beratertätigkeit, was mich betraf, als beendet an und wandte sich der nächsten Kundin zu.

Meine Ankündigung war eh nicht ganz ernst gemeint, denn statt zu Amazon ging ich lieber rüber zu Conrad schräg gegenüber. Wieder zeigte ich den Ausdruck meines online entdeckten Digital/Analog-Wandlers vor. 

„Ja, den haben wir da“, sagte der Verkäufer mit bereits verdächtig kleinlautem Timbre, „aber für 41,95.“

„Wie bitte?“, keuchte ich, „26 Euro teurer? Allein für die Ersparnis kriege ich bei Media Markt ja einen kompletten DVD-Spieler!“ Der Mann zuckte mit den Schultern. „Sie schicken mich schnurstracks zu Amazon!“, rief ich mit nur halb gespielter Fassungslosigkeit nun schon zum zweiten Mal binnen einer Viertelstunde aus. 

„Ja, was soll ich sagen?“, sagte er, „kann ich verstehen.“

Und dann fuhr ich nach Hause, bestellte bei Amazon für 15,89 den Digital/Analog-Wandler, obwohl ich darauf nun rund drei Tage warten muss – und werde in diesem Leben den Einzelhandel wohl nicht mehr retten, sorry.

29 Oktober 2013

Gerettet vom Franken (ich geb’s ja zu)


Eine perfekt choreografierte Pannenserie verhinderte heute Abend das Feierabendbier und sorgte ersatzweise für den wissenschaftlichen Nachweis, dass mein „neuer“ Flohmarkttrenchcoat doch nicht wasserdicht ist. Aber der Reihe nach.

Gegen 17 Uhr schiffte es wie aus Kieztouristenblasen samstagsmorgens um zwei, weshalb ich dem Franken vorschlug, das Schietwetter bei einem Ratsherrenpils im vorzüglichen Restaurant Lila Nashorn auszusitzen. Als bester Freund herzhafter Genüsse fester wie flüssiger Provenienz war er, wie nicht anders zu erwarten, sofort einverstanden.

Keinen Widerstand gegen einen meiner Vorschläge zu leisten, bedeutet übrigens in der Frankenwelt bereits höchstes Lob, weshalb ich mich geradezu geschmeichelt fühlte von seinem grummelig hingemuffelten Ja. Er nahm die Wendeltreppe, ich schob das oben am Balustradengeländer angekettete „neue“ gebrauchte Fahrrad in den legehennenkäfigengen Fahrstuhl, quetschte mich dazu und drückte E für Erdgeschoss. 

Nach wenigen Sekunden blieb der Aufzug stecken. Ich fingerte an den Knöpfen herum, nichts tat sich.  „Franke!“, rief ich, keine Antwort. Handy raus – kein Netz. „FRANKE!!!“ Da plötzlich, gedämpft und von ferne: seine Stimme. Sie klang – und ich schäme mich nicht, das zu sagen – schalmeiengleich in meinen Ohren, denn dadurch war die Chance, hier doch nicht die Nacht verbringen zu dürfen, deutlich gestiegen, es sei denn, der Franke beschlösse, sich für all die als Demütigungen getarnten Hommagen der letzten Jahre (vgl. „Die Frankensaga“) zu rächen und mich meinem Schicksal zu überlassen. 

Tat er aber nicht, dieser raue herzensgute Sohn eines bewundernswert bier-, wurst- und weinorientierten Volksstamms, sondern versuchte Hilfe zu alarmieren. Der Monteur, der bereits den ganzen Tag über am unwilligen Lift herumgeschraubt hatte, sei leider vor wenigen Minuten gegangen, hieß es von einer Passantin, wie mir der Franke, der mich mittlerweile zwischen erstem Stock und Erdgeschoss lokalisiert hatte, zurief. 

Ich drückte derweil einfach mal interessiert den gelben Notknopf des Fahrstuhls, dessen Baujahr man nur mit der Radiokarbonmethode ermitteln könnte. Es machte „MÖÖÖÖÖP!!!“, und zwar in der Kabine. Mir fielen fast die Ohren ab. Das Prinzip Gegensprechanlage war zum Zeitpunkt des Einbaus anscheinend noch fernste Zukunftsmusik gewesen. 

Was nun? Monteur weg, Franke ratlos, Notknopf ohne Außenwirkung – was täte Bruce Willis in solch einer Lage?

Er würde Gewalt anwenden. Ich probierte die Finger am Rand der Tür in den Schlitz zu zwängen. Der Franke auf der anderen Seite kam auf dieselbe Idee – und siehe da, uns zwei vom mittäglichen Roastbeef wohlgestärkten Kraftbolzen gelang es gemeinsam, die heftig widerstrebende Fahrstuhltür brutal aufzuwuchten. 

Ich war frei! Frei! Und inzwischen reif für mindestens zwei Feierabendbier. Doch das Lila Nashorn hatte noch nicht auf und es zudem draußen aufgehört zu regnen – weshalb wir spontan beschlossen, die unverhoffte Trockenphase zu nutzen und doch rasch nach Hause zu huschen. 

Kurz hinterm Lessingtunnel freilich öffnete der Himmel alle Schleusen. Den Überresten des Orkans Christian gefiel es, Regen in horizontalen Fontänen durch Altona und St. Pauli zu peitschen. Und als ich zu Hause auf dem Kiez ankam, hätte man mit dem Auswringwasser meines Trenchcoats ein algerisches Dromedar drei Monate lang vorm Verdursten bewahren können. 

Der Trench freilich trocknet von selber wieder. Das geplante Feierabendbier mit dem Franken aber ist perdu für immer. Es ist so traurig.

15 August 2013

Franke ahoi!

Unglaublich, aber wahr: Der Franke – haha, halten Sie sich bitte gut fest! –, hat den Segelschein gemacht. Den Segelschein! Original aufm Wasser! 

Ich weiß, das ist ungefähr so, als bewürbe sich ein Usbeke ums Jodeldiplom. Doch dem im Schatten des Josefspitals aufgewachsenen Naturburschen kam sein Ansinnen komischerweise überhaupt nicht komisch vor.  

Als Folge desselben nervte er uns monatelang – und zwar mittags mit unvermittelt heruntergemurmelten Knotenknüpftechniken, nachmittags mit sorgenvollen Windstärkenmeldungen und abends mit dauerhafter Unabkömmlichkeit – er musste ja zum Segeltraining.  

Wenn er ausnahmsweise doch mal mitkam zum Grillen an die Elbe, knechtete er uns mit komplett uninteressantem Fachwissen. Düste zum Beispiel ein Motorboot im Abendlicht von rechts nach links elbaufwärts, fragte er mich: „Was fällt dir an diesem Boot auf?“  

„Es fährt im Abendlicht von rechts nach links elbaufwärts“, rollte ich mit den Augen. „Und woran erkennst du, dass es von rechts nach links fährt?“, bohrte der Franke weiter. „Eventuell daran, dass es offenkundig von rechts nach links fährt …?“, versuchte ich ihn mit zusammengekniffenen Augen zur Räson zu bringen.

„Nein!“, rief der Franke daraufhin triumphierend aus, „sondern daran, dass du ein GRÜNES LICHT siehst! Wenn es nämlich von links nach rechts führe, sähst du ein ROTES Licht!“

Vielleicht verhielt es sich auch umgekehrt mit den Farben, so genau weiß ich das nicht mehr. Jedenfalls war alles absolut hoffnungslos, und ich nagte verdrossen weiter an meiner gegrillten Aubergine, während der Franke sich glühenden Blicks auf die rot und grün die Elbe durchpflügenden Boote die dritte Bratwurst reinpfiff.

Wir alle sehnten den Tag seiner Theorieprüfung herbei, die er dank einer appgestützt fehlberechneten Fahrtzeit („Scheiß Google Maps!“, schimpfte er noch Tage später) und einer unerklärlich frankenfeindlichen roten Welle erst mit zehnminütiger Verspätung antrat und gleichwohl bestand.

Vor der einige Tage später folgenden praktischen Prüfung gerierte er sich als fahriges Nervenbündel, das von zu rettenden Bojen faselte, wegen der vorhergesagten Windstärke vier Panik schob und drauf und dran war, Steuer-, Back- und Bücherbord zu verwechseln. Doch auch dieses Examen absolvierte der Mann aus dem weinberggesprenkelten Binnenland erfolgreich.

„Einen Vorteil hat das Ganze ja“, wandte ich mich in des Franken Gegenwart seufzend an Kramer. „Ich sehe uns schon auf dem Sonnendeck Cocktails schlürfen, während Käptn Ahab uns über die Weltmeere schippert.“  

Warum der Franke daraufhin irgendwas von einem Baum salbaderte, der uns beide von der Jolle fegen würde, weiß ich auch nicht. Im Herbst will er übrigens weitere Prüfungen ablegen, die ihn dazu berechtigen, nicht nur über die Alster, sondern auch quer durch Dreimeilenzonen zu marodieren. 

Wo ist eigentlich Windstärke zwölf, wenn man sie mal braucht?


PS: Weiteren Frankenhorror gibt es in meinem E-Book „Die Frankensaga“ für einen stark untertriebenen Preis bei Amazon.