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21 Juni 2010

Ein Werk von schieferer Bedeutung



Auf dieses beeindruckende Beispiel für Kunst im öffentlichen Raum stieß ich am Wochenende in Altona.

Das raffiniert vernetzte Strich- und Linienmuster mit dem markanten Winkel von 91 (sic!) Grad oben rechts (sic!!!) soll offensichtlich die inzwischen überholte Idee des Räumlichen mit deutlich empörtem Duktus aufs zweidimensional Flächige herunterbrechen und klassische Künstlerpositionen als zerschredderten Kommunikationsprozess in den (gerade abgeschafften!) „Raum“ stellen.

Affektive und transformierende Motivation der die Funktionalität von Le Corbusiers Tapetencolorierungen noch einmal insistierend untermauernden Arbeit ist zweifellos eine neue Ethik des Mit- und vor allem Gegeneinanders, in deren atemberaubend wagemutigem Rostrot eine latent lauernde Gewaltsymbolik „aufgehoben“ ist, deren radikal kapitalismuskritische Sprengkraft erst bei Kunstlicht frappant zutage tritt.

Vielleicht interpretiere ich aber auch einfach zu viel hinein in diese Fahrspuren von Palettenwägelchen im Mercado zu Ottensen.

17 Juni 2010

Fundstücke (83)



1.
In der 1976er Erstauflage des rororo-Taschenbuchs „Hasenherz“ von John Updike (das man übrigens hier skandalöserweise für nur einen Cent kaufen kann, um mal unauffällig an den Beitrag von gestern anzuknüpfen) findet sich auf Seite 260 (und ausschließlich auf Seite 260!) eine derartige Häufung absurdester Tippfehler, dass als Erklärung nur ein Sabotageakt des Setzers in Frage kommt. Wenn Sie das hier lesen, Mister X: Bitte sagen Sie uns, warum Sie das getan haben. Es interessiert mich wirklich! Zumal wir dann gemeinsam klären könnten, was ein „Scamag“ ist; die
Sächsische Cartonnagen-Maschinenfabrik in Dresden können Sie ja kaum gemeint haben. Entdeckt hat den vogelwilden Buchstabensalat Ms. Columbo.



2.
Nirgendwo wäre diese Zierpalme deplatzierter gewesen als vor dem durch sie hervorragend verdeckten Wegweiser im Gesundheitsamt Altona. Glückwunsch an den unbekannten Strategen, der diese nicht einfach zu findende Stelle mit traumhafter Sicherheit ausfindig machte.

3.
Nicht vergessen: Wir leben heute im gloriosen Morgen von vorvorgestern – und in der guten, alten Zeit von übermorgen. (Jaja, das habe ich bestimmt schon mal getwittert.)

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30 März 2010

Be stupid



Nicht nur in Berlin stößt man auf öffentlich besichtigbare Merkwürdigkeiten, auch beim Schlendern durch Hamburg geraten immer wieder Dinge ins Blickfeld, die des Stutzens wert sind, zumindest für mich.

In der Großen Bergstraße stieß ich heute mal wieder auf das Ergebnis höchst eifrigen Kalauerns unter Friseuren, weshalb mir diese Berufsgruppe bereits seit längerem ans Herz gewachsen ist.

„Komm-hair“ bietet jedenfalls in seiner geschickten bilingualen Verschmelzung eines Imperativs mit dem dezenten Hinweis auf die Art des Geschäftsmodells viel Grund zur Freude. Hätte ich diesen Berufsstand noch nötig, ich wäre glatt geneigt gewesen, den Komm-hair-Friseur in Anspruch zu nehmen.



C&A hingegen scheint sich von seinem Geschäftsmodell komplett verabschiedet zu haben. Verkaufen die nicht eigentlich Klamotten? Wenn sie aber nicht mal mehr ihre Schaufensterpuppen einkleiden können (außer mit Socken), dann darf man ihnen wohl auch keineswegs mehr zutrauen, ihre Kundschaft auszustatten. Vielleicht hat C&A sich einfach den neuen Diesel-Werbespot „Be stupid“ allzu kritiklos zu Herzen genommen.

Jedenfalls mied ich nach dem Anblick des Herrenensembles (der auch mit Damen und Kindern variiert wurde) diesen Laden sorgsam und beschränkte mich auf das, was ich im Grunde eh am besten kann: die Flanage.


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06 März 2010

Wie ich mal vergeblich der Mediamarkt-Werbung vertraut habe

Von: Matt Wagner
Datum: 5. März 2010 21:43:46 MEZ
An: kontakt@mediamarkt.de

Lieber Mediamarkt,

heute erhielt ich dein neues Werbefaltblatt und war augenblicklich elektrisiert: Du offeriertest Elvis’ „Comeback Special“ von 1968 in der „Deluxe Edition“ für sagenhaft schmale 5,90 Euro. Das ist für drei DVDs des Kings ein richtig gutes Angebot.

Sofort warf ich mich aufs Rad und strampelte gen Altona, um das Teil zu erwerben, und zwar gleich mehrfach, denn ich habe Freunde, die scheuten bisher die Kosten. Vor Ort allerdings fand ich Dutzende von 5,90-Angeboten, doch ausgerechnet dieses nicht. Nur die lächerliche „Special Edition“, ein Machwerk auf lediglich einer DVD, das zurecht für unter 6 Euro verramscht wird.

Also fragte ich einen Mitarbeiter nach der „Deluxe Edition“. Der Schnauzbart zuckte die Schultern: „Ich mach nur Fernsehen.“ Immerhin zeigte er mir die vage Richtung der DVD-Abteilung: „Da hinten hinterm Pfeiler.“ Ich taperte dorthin und fragte eine junge Frau in Mediamarktrot nach der Triple-DVD.

Sie wusste gar nichts, wandte sich aber an einen Kollegen. Der sagte, das Teil sei wohl noch auf den Paletten. „Außerdem“, sekundierte die Frau, „gilt der Prospekt erst ab heute Abend“. Warum er dann schon am hellichten Morgen der Mopo beiliegt, vermochte sie nicht zu sagen.

„Etwas, das im Prospekt beworben wird, sollten Sie auch im Angebot haben“, formulierte ich eine – wie mir schien – Binsenweisheit. Die junge Frau zog die Schultern hoch bis an die Ohren, lächelte schief wie der Turm von Pisa und giggelte nervös: „Da kann ich ja nichts dafür! Außerdem habe ich gerade erst angefangen!“

So kam ich nicht weiter, das war klar. Daher wandte ich mich an den Informationsschalter vorne an der Kasse und schilderte mein Problem, indem ich meine Binsenweisheit wiederholte: „Etwas, das im Prospekt beworben wird, sollten Sie auch im Angebot haben.“

Der Mann hinterm Tresen gab mir sofort und bedingungslos recht, und die Frau an seiner Seite telefonierte eilfertig mit der zuständigen Abteilung. Fernmündlich erfuhr sie von einer nur hälftig erfolgten Lieferung, und unter der fehlenden Hälfte müsse sich auch die Elvis-„Deluxe Edition“ befinden. Außerdem sei man beim Umbauen.

Was das eine mit dem anderen zu tun hatte, wurde mir spontan nicht klar, doch die beiden am Infoschalter hatten gleich einen praktischen Rat für mich, so dass ich dieser Dialektik nicht auf den Grund gehen mochte: Ich solle doch einen anderen Mediamarkt aufsuchen, zum Beispiel den in Harburg.

Gute Idee. Für die „Deluxe Edition“ für 5,90 würde ich zur Not auch nach Graceland fahren. Also bestieg ich die S-Bahn nach Harburg. Für die folgenden Ereignisse kannst du nichts, Mediamarkt, trotzdem schildere ich sie kurz. Bereits am Bahnhof Dammtor nämlich stockte die Fahrt. Eine Lautsprecherstimme informierte uns über eine „betriebsfremde Person im Gleis zwischen Hauptbahnhof und Berliner Tor“, so dass diese Bahn „auf unbestimmte Zeit“ hier verweilen müsse.

Zehn zähe Minuten später meldete sich die Stimme noch einmal. Man müsse nun wegen der betriebsfremden Person im Gleis den Strom abstellen. Und schon erloschen alle Lichter. Ich seufzte und radelte nach Hause, innerlich Elvis’ Klassiker „Devil in disguise“ vor mich hinsummend.

Abends um sechs wollte ich es noch einmal probieren. „Ruf lieber vorher beim Mediamarkt in Harburg an“, riet meine Gattin, „nicht, dass du umsonst die Reise antrittst.“ Und eine Reise ist das vom Kiez aus, weiß Gott. Also rief ich an.

Es meldete sich eine Frau Suhrmann. Ich schilderte ihr mein Anliegen, erläuterte den Flop in der Altonaer Filiale und erkundigte mich explizit nach „Elvis Presley's '68 Comeback Special Deluxe Edition“. Sie eruierte das Ganze und gab Entwarnung: „Davon sind ausreichend Bestände vorhanden.“

Großartig. Also ging ich neuerlich auf Weltreise, durchs wilde Hammerbrook über die Elbe gen Süden, die betriebsfremde Person war längst aus dem Gleis, ob am Stück oder nicht, werde ich morgen aus der Mopo erfahren, und irgendwann stand ich im Mediamarkt Harburg vor den 5,90-Stapeln und fand die „Deluxe Edition“ nicht.

Ich wandte mich an einen Mitarbeiter. Er durchwühlte die Stapel und hielt mir die gelassen triumphal die lächerliche „Special Edition“ vor die Nase. „Nein“, sagte ich, „schauen Sie mal auf Ihren Prospekt: Dort ist die ,Deluxe Edition' abgebildet, die hat ein ganz anderes Cover.“

Grummelnd ging er zu seinem Computer, ich folgte ihm. Er tippte und grummelte, und nach ungefähr drei Minuten fand er immer wieder nur die Schmalspurversion. „Aber ich suche die mit den drei DVDs“, insistierte ich. „Drei DVDs für 5,90 Euro?“, sagte er vorwurfsvoll, „das geht ja auch nicht.“ „Aber SIE bewerben sie doch!“, rief ich, „in Ihrem eigenen Prospekt!“

Und dann kam der Mann mir mit dem Totschlagsargument schlechthin: Es handele sich um einen Druckfehler. Die Leute, die das Layout für den Prospekt entwürfen, hätten keine Ahnung von Filmen, die suchten sich die Cover aus dem Web, und dabei ginge halt manchmal was schief. Wie jetzt gerade bei Elvis.

„Aber deswegen habe ich doch vor der Weltreise angerufen!“, jammerte ich. „Wen denn?“, frage er. „Frau Suhrmann!“, heulte ich. „Wir sind auch nur Menschen. Menschen machen Fehler.“

Sein zweites Totschlagsargument binnen fünf Minuten. Für ihn war die Sache damit erledigt, und ich schlich geschlagen davon. Er kam nicht mal auf die Idee, mir irgendeine Art der Kompensation für den vergeudeten halben Tag anzubieten, zum Beispiel ein Bonbon, einen Espresso, zwei 4-GB-USB-Sticks oder wenigstens die Stanley-Kubrick-Box als Blu-ray.

Aber es ist ja noch nicht zu spät.

Mit erschöpften Grüßen, Mediamarkt, dein elvisdeluxeeditionsloser

Matt

02 März 2010

Weggeknurrt



Wie man Huren, Koberer und „Hasse-ma-n-Euro?“-Schnorrer elegant abtropfen lässt, weiß ich dank 15-jährigen Kieztrainings inzwischen aus dem Eff-eff. Aber Leute vom WWF?

Ich wäre ratlos gewesen, hätte mich vielleicht sogar auf ein höflich-ablehnendes Gespräch eingelassen, doch zum Glück hatte ich den Franken an meiner Seite.

Als der Typ vom WWF seinen Stand verließ, um uns anzusprechen, knurrte der Franke ihn auf unnachahmliche Weise final weg. Und zwar mit folgenden, souverän im Majestatis pluralis formulierten Worten:

„Wir hassen Tiere.“

Genial. Und übertragbar: Sollten mich demnächst Katholiken in der Fußgängerzone missionieren wollen, wüsste ich schon, wie ich sie abschmettern könnte. Zum Beispiel mit dem Satz: „Sorry, ich stehe auf Sex mit Erwachsenen.“

Müsste klappen.

PS: Natürlich hasse ICH keine Tiere. Auch nicht die Beispielkaninchen auf dem Foto.



11 Januar 2010

Es pocht unterm Flüssigpflaster

Es hat etwas von einem Naturgesetz à la „Morgens geht die Sonne auf“, dass man sich beim Wechseln einer Druckerpatrone besudelt.

Zu den spezifischen Extras gehört es hingegen, sich hinterher beim Säubern blutig zu rubbeln und jetzt ein Flüssigpflaster auf dem Fingergelenk tragen zu müssen.

Statt zu funktionieren, suppen jedenfalls die billigen Nachbaupatronen, und ich zockele per Bus zum Mediamarkt, weil man dort gerade jeden zehnten Einkauf qua Lotterie rückerstattet – und wie man weiß, sind Druckerpatronen, die keine Nachbauten sind (von denen ich seit dem Blutigrubbeln die Nase voll habe), vom Preis-Leistungsverhältnis her so ziemlich das Ungünstigte diesseits von Kokain. Eine gewonnene Rückerstattung würde sich also lohnen.

Bei Mediamarkt erstehe ich ein Set neuer teurer Druckerpatronen und stelle mich in die durch die anscheinend sehr erfolgreiche Aktion, jeden zehnten Einkauf rückzuerstatten, meterlange Schlange. Danach zockle ich wieder nach Hause, wo ich beim Auspacken feststelle, dass eine der neuen Druckerpatronen nicht mehr originalversiegelt und zudem bereits teilweise ausgelaufen ist.

Schreckliche Erinnerungen ans Michbesudeln, Blutigrubbeln und Flüssigpflaster bedrängen mich augenblicklich, und ich begebe mich postwendend wieder in Daisy-kompatible Winterkleidung, um erneut den Weg per Bus gen Mediamarkt anzutreten.

In der Druckerpatronenabteilung ist man bestürzt. Man übernimmt umstandslos die volle Schuld und bietet einen Umtausch an. „Dann geben Sie mir einfach eine unversehrte Patrone, und die Sache ist geritzt“, schlage ich Naivling vor, und zwar im Rhythmus des Pochens unterm Flüssigpflaster.

„Dafür brauchen Sie einen Eigentumsschein“, sagt die Mediamarkt-Frau.

„Hier, der Kassenzettel“, sage ich und zeige ihr den Kassenzettel.

„So geht das nicht“, erläutert sie mit dem kalten Lächeln derjenigen, die vom Sinn einer bürokratischen Maßnahme, welche das Leben hierzulande auf sinnlose Weise verlangsamt, voll überzeugt ist. „Mit dem Kassenbeleg gehen Sie jetzt zum Service. Dort lassen Sie sich einen Eigentumsschein geben. Dann kommen Sie wieder hierher, und wir geben Ihnen eine neue Patrone.“

Na gut. Ich dackle zum Service und betrete den Raum. Sofort stürzt sich ein Sicherheitsmann auf mich, denn ich hatte die Schlange vor der Tür übersehen. Sie ist mehrere Meter lang. Zum Glück habe ich etwas zu lesen dabei.

Irgendwann später bin ich dran, man stellt mir aufgrund des Kassenzettels einen Eigentumsschein aus und konfisziert die Patrone. Danach steige ich wieder hoch in den zweiten Stock, wo man mir eine eine neue Druckerpatrone aushändigt.

„Damit“, sagt die Mediamarkt-Frau, „gehen Sie jetzt an die Kasse, und das war’s.“

„An die Kasse?“, sage ich mit geweiteten Augen, „aber …“
„Nur so läuft das“, sagt die Frau und wendet sich einem Kunden zu, der ratlos vor der Canon-Druckerpatronenpalette steht.

Die Schlange vor der Kasse ist meterlang. Irgendwann später. Im Tausch gegen den Eigentumsschein erhalte ich einen neuen Kassenzettel und darf die Patrone ohne weitere Hindernisse mit auf die Busfahrt nach Hause nehmen.

Damit verfüge ich nun unverhofft über zwei Kassenzettel, und sofort erwacht meine Spielernatur. Habe ich jetzt bei der abendlichen Mediamarkt-Lotterie, die jeden zehnten Kassenbeleg erstattet, sofern man die richtige Endziffer trifft, nicht die doppelte Chance? Natürlich! Alles könnte ein gutes Ende nehmen.

Fiebrig überprüfe ich die Endziffern: zweimal die 9.

Gezogen wird die 3.

Immerhin funktioniert die neue Patrone. Und das Pochen im Fingergelenk spüre ich nur noch, wenn ich lache.

24 Dezember 2009

Santa Graus



An anderer Stelle habe ich es schon einmal betont: Wer von Anhängern monotheistischer Religionen nicht mit Hass, Empörung oder Mitleid bedacht wird, sollte seine Außenwirkung ernsthaft hinterfragen.

Doch auch die Außenwirkung manch monotheistischer Religion ist bisweilen dazu angetan, Gefühlswallungen negativer Art bei uns Nichtkontaminierten hervorzurufen. Der hüftsteife Santa-Claus-Roboter ist dafür ein gutes Beispiel.

Was bloß bewegt einen Altonaer Pizzeriachef mit wahrscheinlich römisch-katholischem Hintergrund, so etwas vor seiner Tür aufzustellen und leeren Blicks „Ho ho ho“ brummen zu lassen? Sänge das … Ding … wenigstens Verdi!

Und damit allen frohe Weihnachten.


29 November 2009

Nichts wie raus

Die beiden jungen Blondinen, die kurz nach Mitternacht in Altona unseren S-Bahnwagen betraten, lachten und scherzten. Zwei fröhliche Teenager auf dem Weg in die Nacht.

Es war keineswesgs abzusehen, dass eine der beiden sich unmittelbar vor Erreichen der Station Reeperbahn exorbitant erbrechen würde, und zwar in mehreren kräftigen Schüben, die gelbrot und lautstark auf den Boden pladderten.

Noch während dies in unserer unmittelbaren Nähe geschah, hielt die Bahn, und selten zuvor in unserer HVV-Geschichte war das Aussteigen von einem derartigen Gefühl der Erleichterung geprägt wie diesmal.

Mein Mitgefühl galt den uns entgegenbrandenden Massen, die nun nichtsahnend hineindrängten. Ihr Schicksal war besiegelt, daran war nichts mehr zu ändern.

Die beiden Kreuztaler Anwälte haben mit dieser ganzen Geschichte übrigens nicht das Geringste zu tun.

05 November 2009

Wie ich mich mal gegen Schweinegrippe habe impfen lassen

Wenn wirklich die Pandemie kommen sollte, dann gnade uns Rösler. Denn schon jetzt ist das Gesundheitsamt heillos überfordert, dabei verlieren sich gerade mal sechs Leutchen in der Empfangshalle.

Darunter der Franke und ich: Wir wollen uns impfen lassen. Zwei wuselköpfige Damen händigen uns Formulare aus, die wir ausfüllen sollen. Kugelschreiber haben sie aber leider keine. Schade. Eine impfwillige Kundin, die ihr Ausfüllpensum schon erledigt hat, bietet mir ihren an – unter der Maßgabe, ihn nachher wieder zurückzugeben. Ich werde sie nie mehr wiedersehen.

Wir füllen unsere Formulare aus. Der Franke braucht allein drei Minuten und zwei Extrazeilen, um seine ganzen Allergien niederzuschreiben. Bin ehrlich verwundert, dass „Atemluft“ auf seiner Liste fehlt.

Danach erhalten wir Wartemarken. Allerdings behalten die wuselköpfigen Damen kein Pendant mit der gleichen Nummer, um den Wartemarkenstapel später abarbeiten zu können, was mich erstaunt; außerdem schicken sie die Leute in verschiedene Gebäudetrakte, was mich noch mehr erstaunt. Ich bin sehr neugierig, welchen genialen neuen Kniff das Gesundheitsamt bezüglich der Wartemarken ausgetüftelt hat.

Der Franke erhält eine Impfersatzbescheinigung. „Warum haben Sie ihm jetzt so eine Impfersatzbescheinigung ausgehändigt und mir nicht?“, frage ich beleidigt. „Weil ich so tüddelig bin?“, fragt die Gesundheitsamtsdame rhetorisch zurück. Gute Theorie.

Oben, vor Raum 3, sitzen vier schweigende Männer und warten. Erneut huschen wuselköpfige Damen hin und her, aber andere. Dialogfetzen:
„Dr. XY schläft noch. Meinst du, ich soll ihn anrufen?“
„Hm, ich weiß nicht. Vielleicht ja.“

Man schließt eine Tür auf und wieder zu, man läuft ziellos über die Gänge, man gibt sich ostentativ überfordert. Dabei ist doch noch gar nichts passiert, keine Pandemie weit und breit, nur sechs Impfwillige in Wartestellung. Und nicht 6000.

Irgendwann tritt ein Weißkittel aus einem der Räume und fragt: „Wer ist der Nächste?“ Tja, wenn wir sechs das wüssten. Alle schauen ratlos auf ihre Wartemarken. Spätestens jetzt müsste das geballte behördliche Organisationsgenie sich Bahn brechen.

„Also, ich hab 163“, murmelt der tatterige Rentner neben mir und schaut sich unsicher um. Meine 171 kann gegen diese Superzahl nicht anstinken. „Irgendjemand niedriger als 163?“, ruft der Weißkittel in die Runde und stützt dabei die Arme herausfordernd in die Seiten. Schweigen im Gang, der Rentner wackelt in den Impfraum.

Das Wartemarkensystem scheint noch nicht ganz ausgereift. Vielleicht aber bis zur Pandemie.

Endlich bin ich dran. Zwischen dem Rentner und mir hatte noch einer die 167, die restlichen Zahlen fehlten, doch das verwundert nicht, schließlich wurde wir von der tüddeligen Dame in der Halle in verschiedene Gebäudetrakte geschickt.

Der Arzt fragt, ob ich gegen Hühnereiweiß allergisch sei. Mein schnippischer Gedanke, „Das geht doch aus dem Formular hervor, das ich mit einem geliehenen Kuli ausgefüllt habe, den ich nicht mehr zurückgeben kann, weil ich seine Besitzerin nie mehr wiedersehen werde, ehe mir eine Wartemarke ausgehändigt wurde, die praktisch keine Funktion hat“, bleibt fest verschlossen in meinem Kopf, und ich verneine.

Er desinfiziert meinen Oberarm und haut mir eine volle Kanüle Pandemrix rein. Das kleine sterile Stoffquadrat, das er beim Herausziehen der Spritze auf die Wunde drücken will, fällt ihm leider runter.

„Nein, nein“, deutet er mein kurzes Zucken falsch, „das hebe ich auf.“ Allerdings kommt er nicht ran, weil er immer noch die Spritze festhalten muss, die tief in meinem Oberarm steckt. Ratlos wandert sein Blick über den Tisch, an dem wir sitzen. Nirgends ein weiteres Stoffquadrat.

Schweigend sitzen wir da, die Spritze ragt aus meinem Arm, der Arzt schaut unstet umher. Irgendwann reicht ihm eine der wuselköpfigen Damen ein Ersatztüchlein, jetzt kann er die Spritze rausziehen.

Auf dem Gang treffe ich den Franken wieder. Auch ihn haben sie nach der Hühnereiweißallergie gefragt, aber wohl aus anderen Gründen: Sie hatten bestimmt keine Lust, seine enzyklopädische Tier-, Pollen- und Gräserliste Posten für Posten durchzugehen.

Heute war ein Arbeitskollege ebenfalls dort zum Impfen. Während der Behandlung kam eine der wuselköpfigen Damen herein und fragte: „Sag mal, was ist denn das für eine Charge hier? Die sieht doch ganz anders aus als die von heute morgen!“

Die Pandemie kann kommen.


13 September 2009

Fünf Prozent sind keine Hürde

„Harry’s Fliesenmarkt“ verzeihe ich leichtherzig seinen Deppenapostroph. Und dafür gibt es Gründe.

Als ich dort am Wochenende im St.-Pauli-T-Shirt auflief, schloss mich einer der Chefs sofort ins Herz. „Einen Weltpokalsiegerbesieger bediene ich gern!“, frohlockte der herzensgute Mann sofort und beantwortete hochmotiviert alle aufkommenden Fliesenfragen.

Zudem schien nach und nach in Nebensätzen sein bedrückendes Schicksal auf, welches ihm „Harry’s Fliesenmarkt“ tagtäglich aufbürdet. Dort nämlich, erzählte er, arbeiteten lauter HSV-Fans und nur einer, der dem FC St. Pauli anhinge: er.

Gefangen in der Diaspora, das ist fast wie Waterboarding.

Umso liebenswerter umhegte er natürlich mich, den Weltpokalsiegerbesiegerhemdträger. Es kam im Zuge dessen sogar zum Kauf des Modells Avanti Grau R9 (Foto), und als er den Abholzettel für die Kasse ausfüllte, kritzelte er unten kommentarlos „- 5 %“ drauf.

Fragend sah ich ihn an. „Für den FC St. Pauli“, antwortete er mit einem melancholischen Lächeln. Und dann kehrte er zurück in die bedrückende Tristesse seines HSV-geprägten Arbeitsalltags.

St.-Pauli-Fans sollten im Bedarfsfall also erwägen, „Harry’s Fliesenmarkt“ in vollem FC-Ornat aufzusuchen, trotz der betrüblichen HSV-Kontamination. Oder genau deswegen: Denn dort braucht jemand Unterstützung.

Dafür rückt er auch was raus, schätze mal so fünf Prozent.


11 September 2009

Fundstücke (56): Der Preis der Macht



In welchem Ausmaß die Macht dich zerstört, zerknautscht und unschön vermännlicht: All das zeigt dieses erschütternde neue Foto von Angela Merkel auf einem CDU-Wahlplakat in Altona.

Man möchte Merkel unter diesen Umständen gar keine weitere Amtszeit mehr wünschen. Denn wo will sie denn noch hinmutieren – zum Hulk?



08 September 2009

Die Uhr geht, und die Gurké



Von
: Matt
Betreff: Die Uhr geht, und die Gurké
Datum: 8. September 2009 00:21:57 MESZ
An: v?@hamburg-altona.intercityhotel.de

Liebes „InterCityHotel“ am Paul-Nevermann-Platz,

jeden Morgen komme ich so gegen 9:20 Uhr an dir vorbei, und jeden Morgen steht deine Uhr verlässlich auf drei Minuten nach halb 11. Das ist falsch, doch gleichwohl schon sehr, sehr lange so; ich glaube, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich von Jahren spreche.

Jedesmal, wenn ich an der Fußgängerampel stehe und den stoischen immergleichen Zeigerstand deiner Uhr sehe, „InterCityHotel“, dann durchzuckt mich der kleine Blitz eines sanften Schreckens, doch inzwischen habe ich Routine beim augenblicklichen Selbstberuhigen und weiß praktisch in der gleichen Sekunde, wenn ich deine Uhr sehe, dass ich doch nicht verschlafen habe.

Allerdings wäre es mir dennoch erheblich lieber, könnte ich an deiner Uhr schlicht und einfach das tun, was sie der Umgebung rund um den Bahnhof Altona tagein, tagaus in stoischer Gleichmut signalisiert: die Zeit ablesen.

Doch das geht nicht, denn sie steht ja. Hast du, liebes „InterCityHotel“ am Paul-Nevermann-Platz, eigentlich schon mal darüber nachgedacht, dass man denken könnte oder gar sollte, wo draußen die Uhr nicht geht, würden drinnen eventuell auch die Betten nicht gemacht, die Toiletten nicht geputzt und die Bratenreste von gestern zum Gammelgulasch von heute?

Da denk bitte mal drüber nach,
„InterCityHotel“. Und dann bring endlich deine Uhr zum Laufen, verdammt noch mal.

Mit hoffnungsvollsten Grüßen
Matt

PS: Bei der Gelegenheit könntest du eigentlich auch gleich deine beiden hässlichen Binnenmajuskeln („InterCityHotel“) entsorgen, aber das entscheidet wahrscheinlich mal wieder irgendeine Zentrale, ich weiß. Trotzdem.

PPS: Die Überschrift habe ich übrigens entlehnt aus Gert Mattenklotts „Versuch über die Albernheit“.

11 Juni 2009

12 Mai 2009

Die Wahrheit hinter DHL

Manche Menschen sind mir ein Rätsel.

Ich meine: Wer setzt sich bloß hin und verschwendet Lebenszeit, um ein denunzierendes Logo zu entwerfen, das Motiv teuer auf Klebepapier drucken zu lassen und es dann an Altonaer Briefkästen zu pappen?

Und warum nur so viel Aufwand wegen eines Transportunternehmens?

Wäre diese Lebenszeit nicht besser investiert gewesen, wenn man Goethe gelesen hätte oder meinetwegen auch Charlotte Roche oder auch einen Abend lang das Muster der Wellen am Elbstrand in Neumühlen? Ganz bestimmt.

DHL leitet sich übrigens in Wahrheit ab von den Anfangsbuchstaben der Unternehmensgründer Adrian Dalsey, Larry Hillblom und Robert Lynn. Sagt Wikipedia.



13 März 2009

Nur noch Wurst und Knochen

War heute mittags und abends mit dem Franken bei Holli & Toddi, um jeweils eine Currywurst mit Bratkartoffeln zu verspeisen.

Die Strafe folgte auf dem Heimweg: Mitten auf dem Bahnsteig in Altona lag ein riesiger abgenagter Knochen von gewiss 30 Zentimetern Länge. Er war nicht sofort einem Tier zuzuordnen, wenn überhaupt.

Alle Menschen schauten entsetzt und machten einen Bogen drumherum. Dann kam zum Glück die S-Bahn.

Vegetarismus wird mir immer sympathischer.



27 Januar 2009

Die Kritik der kleinen Vernunft

Normalerweise zeichnet sich ja offizielles Schildersprech durch spröde Sachlichkeit aus. Gestanzte, schnörkellose Klarheit: Das sind Schilder, wie ich sie kenne. Und mag.

Nur selten hingegen begegnet man in diesem so eng abgesteckten Metier Formulierungen, die ihr Anliegen mit Raffinesse und Hintersinn zu vermitteln versuchen. Das muss sich ändern, beschloss irgendwann das Bezirksamt Altona – und entwickelte das abgebildete Schild für eine Elbtreppe in Neumühlen. Text: „Vernünftige fahren hier nicht mit dem Rad. Anderen ist es verboten.“

Zumindest eins erreicht das Prachtstück mühelos: Man bleibt davor stehen und versucht aufzudröseln, welche der angesprochenen und abgebildeten Bevölkerungsgruppen nun was darf und wenn ja, warum nicht.

Auch Radfahrer steigen zunächst sinnierend ab, ehe sie kopfkratzend weiterradeln – und durch den Rückseitentext erneut semantisch desorientiert werden. Denn was meint das Bezirksamt Altona denn nun auch noch mit den ironisierenden Anführungsstrichen?

Nach einigem Herumrätseln sind wir schnell weitergeeilt – auch wenn wir diese Treppe ohne Fahrrad und Mutter mit Kind in der Hosentasche wahrscheinlich gar nicht hätten benutzen dürfen.

29 Oktober 2008

Betrag zu hoch!

Seit bekannt geworden ist, welch apokalyptische Folgen der Individualverkehr hat, fährt ja praktisch niemand mehr Auto.

Wir aber waren Ende der 90er echte Avantgardisten, als wir nach dem Diebstahl des Fiats einfach sagten: Du wirst nicht ersetzt, Uno!

Vorher waren wir mit ihm für den Wocheneinkauf stets zu Toom in Altona gefahren, wo am Eingang des Parkplatzes eine Schranke war, die sich hob, wenn man eine Parkkarte zog.

Kurioserweise waren die Ausfahrtschranken meist oben, so dass ich die jeweilige Parkkarte gar nicht am Toom-Automaten auslösen musste. Eine vergessene alte Karte befand sich daher schon seit einiger Zeit in meiner Börse. Spaßeshalber steckte ich sie eines Tages mal in den Automaten, um die inzwischen aufgelaufenen Parkgebühren zu ermitteln. Sie waren dreistellig. Das war lustig.

In den Folgemonaten, ja -jahren wurde die alte Parkkarte zum running gag. Meine Schuld beim Toom-Parkplatz wuchs und wuchs. Irgendwann sagte der Automat Sachen wie „30 553 DM – Betrag zu hoch!“.

Wenn dann gerade zufällig ein Toom-Kunde in der Nähe war, starrte ich länger als notwendig aufs Display, seufzte tief auf, zog kopfschüttelnd die Karte aus dem Automaten und schlurfte von dannen – einer düsteren Zukunft als Fußgänger entgegen, während mein Wagen den Rest seiner rostigen Jahre unausgelöst auf dem Parkplatz von Toom verbringen musste. Denn 30 553 Mark hatte ich selten dabei.

Irgendwann hatten wir dank der Diebe kein Auto mehr. Wir kauften nun dort ein, wo man zu Fuß hingehen konnte. Toom, sein Parkplatz und der Automat gerieten in Vergessenheit. Doch heute morgen, viele Jahre und eine Währungsumstellung später, fand ich die Parkkarte wieder. Sie lag in einem verstaubten ehemaligen Gewürzgurkenglas, in dem sich außerdem noch ein Klebezettelblock und viele kleine Münzen befanden, darunter sogenannte „Groschen“, die Älteren unter uns werden sich noch erinnern.

Die Parkkarte jedenfalls weckte nostalgische Gefühle – und führte mich in Versuchung. Ich brach etwas früher zur Arbeit auf, um vorher noch bei Toom vorbeizufahren. Einfach mal schauen, wie hoch der Betrag jetzt wäre, ungefähr acht Jahre nach der historischen Meldung „30 553 DM – Betrag zu hoch!“.

Ich betrat Toom voll nervöser Vorfreude. Der Parkautomat stand noch immer im Eingangsbereich, wie damals. Ich ging hin und führte die Karte ein. Meine Hände zitterten leicht. Was würde er sagen? Läge ich schon bei einer Million, und zwar Euro?

Der Automat surrte und summte, er checkte die Karte, und dann … spuckte er sie wieder aus wie ein trockener Alkoholiker die Weinbrandbohne.

Welch eine Enttäuschung: Der Parkautomat gehörte einer neueren Generation an. Es handelte sich um ein anderes, aktualisiertes Modell. Mein alte Parkkarte war ihm so fremd wie meinem MacBook eine Floppydisc. Wie schade.

Ich seufzte tief auf, obwohl kein anderer Toom-Kunde in der Nähe war, zog kopfschüttelnd die Karte aus dem Automaten und schlurfte geschlagen von dannen.

Vielleicht haben sie den alten Automaten ja nur deswegen ausgetauscht, weil ihn die Meldung „30 553 DM – Betrag zu hoch!“ irgendwann depressiv gemacht hatte.

Ja, so war es, bestimmt.


29 März 2008

Wohl doch ein Dobermann

Wer auf der Südseite der Elbchaussee wohnt, gilt gemeinhin als zu viel reich und verschwiegen, um sich auch noch mit so etwas Lästigem wie Humor abgeben zu können.

Umso erstaunter waren wir beim Anblick des abgebildeten Schildes, welches uns eingangs einer wuchtigen, vielleicht einem Gynäkologen gehörenden Elbchausseevilla vor allzu großer Nähe warnte und dies zugleich persiflierte.

Beim sprichwörtlichen Understatement der Elbhangbewohner ist dennoch nicht mit einem Pekinesen als Wachhund zu rechnen, sondern mit einem aus taktischen Gründen verniedlichten Dobermann. Wir wagten es daher nicht, in die Villa vorzudringen, um vom Südbalkon aus einen besseren Hafenblick zu gewinnen.

Heute übrigens gaben die Kollegen (und Kolleginnen!) der Stiftung Warentest bekannt, 50 Gynäkologen unter die – ähem – Lupe genommen zu haben.

Vielleicht war ja zufällig der Besitzer des bisschen Hunds dabei, aber das werden wir natürlich nie erfahren.