31 Oktober 2014

Reif fürs Land?


Eine als „kulinarisch“ bezeichnete Flussreise durch Frankreich bis runter nach Macon wird vor allem von einer Begleiterscheinung geprägt: Wein zu allen Gelegenheiten, derer es denn auch (beinah allzu) viele gibt.

Und ich wäre natürlich ein schlechter Gast unseres Nachbarlandes, wenn ich mich der guten gallischen Sitte des bereits mittags einsetzenden Weinkonsums verweigerte. Zurück in Deutschland musste ich jedenfalls jetzt erst mal abstillen. Sinnvollerweise mit Bier.

Unser Besuch im Abteirestaurant der Kochlegende Paul Bocuse in Mont d’Or markierte in vinologischer Hinsicht übrigens den Höhepunkt, zumindest mengenmäßig. Meine Tischnachbarin, die den mit Zirkuskitsch en gros dekorierten Esstempel vor vielen Jahren schon einmal aufgesucht hatte, versicherte vorfreudig vorab: „Bei Bocuse ist das Glas immer voll.“

Und in der Tat: Eine kaum überschaubare Schar Bocuse’scher Ober wieselte allzeit bienenfleißig durch die Reihen, um der Unzumutbarkeit bereits wieder halbleerer Gläser entschieden und rasch zu begegnen.

Statt betulicher Fahrten über Saône und Rhône sehen wir uns aber schon längst wieder dem hektischen Kiezalltag ausgesetzt. Und mir ist heute erstmals überdeutlich bewusst geworden, was mich an St. Pauli am meisten stört.

Es ist nicht die Hundekacke oder die Wochenendekotze an den Hauswänden, es sind nicht die Irren, Durchgeknallten oder volltrunkenen Vollpfosten, nein:

Es ist die Tatsache, dass ich nie die Straße überqueren kann, ohne erst mal ein Auto vorbeilassen zu müssen.

Vielleicht bin ich doch allmählich reif fürs Land. Oder gleich ein Weingut in Frankreich.

2 Kommentare:

  1. Oh ja, doch, das Landleben hat Vorteile. Solange man nicht in die Stadt muss.
    Straßen einfach so mal überqueren klappt, zumindest auf den Nebenstraßen, hier ganz gut noch.

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