29 Mai 2013

Ein Spiegel-Bashing aus gegebenem Anlass


Barbara Supp, stellvertretende Ressortleiterin „Gesellschaft und Reportagen“ beim Spiegel, erzählt in der aktuellen Druckausgabe (Foto), wie sie mit heftigen Krankheitssymptomen in die Hände eines Homöopathen fiel und trotzdem überlebte.

Supp will uns nach überstandenem Typhus anscheinend warnen vor wirkungslosen Zuckerkügelchen. Wow. Doch sie schießt sich und ihrem Magazin mit dieser Story voll ins eigene Knie – und zwar mit einem Dum-Dum-Geschoss.

Das wirklich Erschreckende an Supps Erfahrungsbericht ist nämlich nicht die Binsenweisheit, dass Homöopathie Humbug ist, sondern die Tatsache, dass eine stellvertretende Ressortleiterin bei einem der Aufklärung verbundenen Medium wie dem
Spiegel über so wenig Skepsis, so wenig gesunden Menschenverstand und stattdessen derart verrostete Hirnrisssensoren verfügt, dass sie sich dem lebensgefährlichen Verdünnungsflachsinn eines Homoöpathen auslieferte.

Hat diese Frau das vergangene Jahrhundert, das sie immerhin 41 Jahre lang miterleben durfte, komplett verschlafen? Nur so nämlich ist erklärlich, dass erst unmittelbare Todesgefahr sie vom Glauben an magische Vorstellungen erlöste – und das sogar trotz des tragischen Schicksals einer Freundin, die vergeblich glaubte, ihren Krebs mit Globuli behandeln zu können.

Es ist erschütternd und erschreckend, dass beim
Spiegel Leute von derart treuherziger Naivität beschäftigt sind. Und es es ist erschütternd und selbstzerfleischend, wenn diese Leute ihre treuherzige Naivität auch noch öffentlich darstellen dürfen, ohne dass eine noch höhere interne Instanz sie vor sich selbst und damit den Ruf des Spiegel als der Aufklärung verbundenem Magazin schützt.

Immerhin wissen wir jetzt wenigstens eins: Vom
Spiegel als Hort der Investigation, als Medium der Wahrheitsfindung ist nicht mehr viel übrig. Dort arbeiten Menschen, denen erst mit 41 Grad Fieber in der Klinik allmählich dämmert, dass sie drauf und dran waren, der Scharlatanerie zum Opfer zu fallen. Sie arbeiten nicht beim Goldenen Blatt, nicht bei der Freizeit-Revue – beim Spiegel.

Und statt vor Scham feuerrot anzulaufen und alle Mitwisser zu bitten, diese Peinlichkeit nie, nie, niemals öffentlich werden zu lassen, kriegen sie im
Spiegel ausgiebig Raum, um alles zuzugeben – und nutzen ihn auch noch.

Kurz: Ich will Augstein wieder haben. Oder zur Not auch Aust.

PS: Homöopathiegläubige bitte ich übrigens inständig, von Kommentaren abzusehen – und stattdessen Zuckerkügelchen gegen aufflammende Empörung zu schlucken.


12 Kommentare:

  1. Nihilistin29.05.13, 10:50

    Ui, Herr Matt - da steckt ja Ihrerseits richtig Emotion dahinter? Wattnlos?

    Was aber viel noch wichtiger ist: Haben Sie wirklich in den letzten 3-7 Jahren den Spiegel noch als Hort der Wahrheitsfindung gesehen? Ächt jetzt? Ich selber habe mit dem gedruckten Spiegel vor 7 Jahren aufgehört (Geld zu schade) und vor 3 Jahren mit Spiegel Online (Zeit zu schade). Ich fand, der Unterschied zum FOC*S war nur noch in Millimetern zu messen. Es gibt besseres auf der Welt.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Sie wissen doch, verehrte Nihilistin, dass Sie in mir einen wackren und engagierten Kämpfer gegen Esokram und Wahnvorstellungen vor sich haben. Wenn auch einen erfolglosen.

      In puncto Spiegel haben Sie leider Recht. Was mein Abo angeht, so bin ich aber wie ein riesiges Kreuzfahrtschiff: Ich habe einen sehr langen Bremsweg …

      Löschen
  2. Und prompt knallt es bei Ihnen an der Ecke.
    Die Reeperbahn war gesperrt, der Polizeihubschrauber knatterte hier herum, das MEK (oder SEK) war auch da...
    Und was den Spiegel (SPON erst recht) angeht, da habe ich auch aufgehört zu lesen.

    AntwortenLöschen
  3. Und ich hänge im langweiligen Ottensen rum. Alte Erkenntnis: Überall ist es aufregender, wo ich nicht bin.

    AntwortenLöschen
  4. Hallo Herr Wagner, ich kann Ihre Aufregung gut verstehen, ist diese doch mehr als berechtigt. Sie schwächen aber Ihre immer beeindruckende Schlagkraft unnötig durch unsachliche Übertreibungen. "Ich weiß von einer Patientin..." heißt mitnichten, dass die Autorin mit dieser befreundet war. Das "tragische Schicksal" dieser Frau ist m.E. hinlänglich bekannt aus Funk und Fernsehen und wird - zu Recht - immer wieder von Homöopathiegegnern herangezogen.
    Also bitte etwas mehr Coolness - dann haut so ein Text viel besser rein ;-)

    AntwortenLöschen
  5. Bei mir hat es seinerzeit (2009 glaube ich) auch gut zehn Jahre benötigt, um das Offensichtliche zu erkennen: Der "Spiegel" ist längst überflüssig.

    AntwortenLöschen
  6. Oha, schon der zweite Hammer aus der Spiegel-Ecke in den letzten Tagen, dessen ich gewahr wurde. Nicht gut.

    AntwortenLöschen
  7. Augstein senior ist ja leider schon von uns gegangen.
    Aust macht einen auf Pferdezüchter bzw. Landwirt.

    Bliebe noch Augstein junior. Wenn er nicht den Freitag-Herausgeber spielt, dann spielt ab mit bzw. gegen Blome "Fernsehstreitgespräch". Das ist sowas wie "2 Stühle -- 1 Meinung", was wir noch aus "RTL Samstag Nacht" kennen.

    Vielleicht wird Augstein junior mal ein richtig guter Journalist...
    Das Kaliber eines Rudolf Augsteins hat er jedenfalls nicht.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich hatte in der Tat auch eher auf die Wiederauferstehung des Alten gesetzt.

      Löschen
  8. Also, ich habe die von Ihnen empfohlenen Kügelchen genommen, aber die wirken ja gar nicht ...

    AntwortenLöschen
  9. Ja, wenn Sie sie auch nicht richtig schütteln! Oder rühren!

    AntwortenLöschen
  10. Beraternase01.06.13, 14:42

    Ärztewitz: Kommt eine Mutter in die Notaufnahme. Das Kind (putzmunter) hätte alle Globoli Fläschen ausgetrunken. ... Schallendes Gelächter der Ärzteschaft.

    AntwortenLöschen