Wenn man auf dem Land lebt – sagen wir: in Uckersdorf –, ist die Wahrscheinlichkeit immens klein, vom Restaurant seiner Träume quasi zu Hause aufgesucht zu werden. Anders auf St. Pauli.
Um die Ecke, nämlich zwei Fußminuten entfernt am Millerntorplatz, hat unlängst das Tai Pan eröffnet. Mit einem traumhaften Konzept für Fischfans wie uns: Sushi all you can eat, mittags für neunneunzig, abends für vierzehnneunzig. Da kann man nichts gegen sagen, wirklich nicht. Und wie wir heute erneut feststellen konnten: we can eat hell of a lot.
Man sitzt am fixen Laufband und fischt (harhar) sich flugs die von einer durchsichtigen Plastikhaube beschirmten Schälchen herunter. Der besondere Gag des Restaurants aber ist die zusätzliche warme mongolische Küche, die auf dem begrüßenswerten Büffetprinzip beruht.
Man schreitet das Angebot gemessenen Schrittes ab und füllt sukzessive seinen Teller mit rohen Köstlichkeiten, darunter Krabben, Ente, diverse Pilzsorten und Gemüse. Sodann wählt man eine nummerierte Klammer, welche die erwählte Soße bezeichnet, heftet diese an den Teller und trägt denselben zur Küchendurchreiche, wo der original asiatische Koch ihn voller Tatendrang entgegennimmt, um alles auf einer riesigen Pfannenfläche à la Wok kurzzubraten. Famose Idee.
Auf dem Sushilaufband bewirkt die knappe Kalkulation des Tai Pan zwar eine relativ geringe Fischdichte, doch ist alles nur eine Frage der Geduld, welche ja zu den höchstangesehenen Tugenden gehört. Und wenn man allzulang auf den nächsten Lachshaps warten muss, behilft man sich eben mit einem schnippisch kompilierten Teller am Mongolenbüffet.
Für eine kleine Trübung des Vergnügens sorgte heute ein Kerl mit hochgeschobener Sonnenbrille über dem Ludenmecki, der die (durchsichtigen!) Plastikhauben aus unerfindlichen Gründen jeweils anhob, um das sushige Darunter aus beängstigend kurzer Distanz genauer in Augenschein zu nehmen. Meist klappte er danach allerdings die Haube wieder herunter. Da wir laufbandtechnisch gesehen einen Platz hinter ihm hatten, kamen diese entweihten Schälchen für uns natürlich nicht mehr in Frage; immerhin hätte Herr Ludenmecki Vogelgrippeviren auf den Tun geatmet haben können.
Ms. Columbo war das aber längst egal, sie hatte deutlich mehr Weißwein zu sich genommen als gewöhnlich, und das macht sie stets toleranter gegenüber dem Fehlverhalten ihrer Umwelt. Stattdessen nötigte sie mich wider alle Vernunft zu einem letzten frittierten Bananenbällchen zum Dessert, ehe wir die zwei Fußminuten nach Hause antraten, die seltsamerweise heute fünf dauerten.
Ein sehr empfehlenswertes Restaurant, das Tai Pan.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Meeresbewohnern
1. „Ice fishing“ von Bill Morrissey
2. „Save the whale“ von Country Joe McDonald
3. „The fisherman“ von Leo Kottke.
Zusammengefasst klingt das nach einem wunderschönen Abend, wenn ich das einmal so trivial sagen darf. Bis auf die geringe Fischdichte und Ludenmecki`s Bakterienstreuung natürlich.
AntwortenLöschenBeim letzten Sushi-Abenteuer wurde mir Tintenfisch (in ausreichender Dichte) in Reis und Gervais (!) Frühlingsquark gereicht. Ich war anfänglich verwundert, hielt ich doch Frühlingsquark generell für kein typisch japanisches Gericht. Mein Gaumen beruhigte mich, Verwunderung blieb.
Ein wunderschöner Abend (und das war er wirklich) kann gar nicht trivial sein.
AntwortenLöschenDer Gervais zum Tintenfisch scheint mir in der Tat das Ergebnis einer gewagten Durchmischung zweier Küchenphilosophien zu sein. Aber entscheidend ist immer auf'm Platz, in diesem Fall auf der Zunge. Und dort scheint die Kombination ja gut angekommen zu sein.
Meine Freundinnen und ich haben aus dem Running-Sushi-Essen immer ein kleines Spiel gemacht. Jeder zählte die kleinen Tellerchen mit, die er verzehren konnte. Wer am Ende am wenigsten hatte, musste ein Lied in der Karaokebar im gleichen Gebäude singen... War sehr amüsant. Unser Rekord lag glaube ich bei 30 Tellerchen.
AntwortenLöschen30 Tellerchen – aber zusammen, nicht wahr? Alles andere weigere ich mich zu glauben.
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