Ok, einverstanden. Sollte dann fairerweise aber auch umgekehrt gelten.
Voilà:
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23 September 2012
21 September 2012
Das Leben kann so einfach sein
Ich war ja sooo dumm.
Seit anderthalb Jahrzehnten suche ich nach einem Bannspruch, der mich schlagartig vom Kobern der Huren befreit. Anderthalb Jahrzehnte habe ich wirkungslose Konter gesetzt wie „Nein danke, ich bin verheiratet“ (Antwort: „Das kriegt die doch nicht mit.“) oder „Ich bin schwul“ (Antwort: „Ich dreh dich um.“).
Und gestern fliegt mir der Bannspruch wie zufällig zu, eine spontane Eingebung, die so naheliegend ist, dass ich mich frage, wieso ich nicht schon von anderthalb Jahrzehnten darauf gekommen bin.
„Kommste ma mit?“, fragt die Hure in der Davidstraße. „Nö“, sage ich. „Warum nicht?“ Und dann rutscht es mir raus, knapp, klar und schnörkellos:
„Kein Geld.“
Blam! Die Hure prallt zurück wie das Elbhochwassser vor der Flutschutzwand, dreht wortlos eine Pirouette und ist weg. Kein Geld: Das Leben kann so einfach sein.
Dieser beglückende Vorfall war ein später Höhepunkt des ersten Tags des Reeperbahnfestivals, dessen Spektrum von einer Smashing-Pumpkins-artigen Band aus Singapur namens Monster Cat bis zum mitternächtlichen Gig des ESC-Sternchens Lena im Schmidts Tivoli reichte.
Kein Geld. Hoffentlich vergesse ich den Spruch nicht wieder.
PS: Lorna Thomas von der großartigen irischen Folkpunkband Skinny Lister beugte sich übrigens nur rein zufällig in dem Moment vor, als ich auf den Auslöser drückte. Dieses Dekolleté ist also reiner Zufall, ich schwör!
Seit anderthalb Jahrzehnten suche ich nach einem Bannspruch, der mich schlagartig vom Kobern der Huren befreit. Anderthalb Jahrzehnte habe ich wirkungslose Konter gesetzt wie „Nein danke, ich bin verheiratet“ (Antwort: „Das kriegt die doch nicht mit.“) oder „Ich bin schwul“ (Antwort: „Ich dreh dich um.“).
Und gestern fliegt mir der Bannspruch wie zufällig zu, eine spontane Eingebung, die so naheliegend ist, dass ich mich frage, wieso ich nicht schon von anderthalb Jahrzehnten darauf gekommen bin.
„Kommste ma mit?“, fragt die Hure in der Davidstraße. „Nö“, sage ich. „Warum nicht?“ Und dann rutscht es mir raus, knapp, klar und schnörkellos:
„Kein Geld.“
Blam! Die Hure prallt zurück wie das Elbhochwassser vor der Flutschutzwand, dreht wortlos eine Pirouette und ist weg. Kein Geld: Das Leben kann so einfach sein.
Dieser beglückende Vorfall war ein später Höhepunkt des ersten Tags des Reeperbahnfestivals, dessen Spektrum von einer Smashing-Pumpkins-artigen Band aus Singapur namens Monster Cat bis zum mitternächtlichen Gig des ESC-Sternchens Lena im Schmidts Tivoli reichte.
Kein Geld. Hoffentlich vergesse ich den Spruch nicht wieder.
PS: Lorna Thomas von der großartigen irischen Folkpunkband Skinny Lister beugte sich übrigens nur rein zufällig in dem Moment vor, als ich auf den Auslöser drückte. Dieses Dekolleté ist also reiner Zufall, ich schwör!
18 September 2012
Fundstücke (164)
2. Warum ich immer mal wieder ganz gerne Produktrezensionen auf Amazon.de lese.
3. Ein vergötternswerter Mensch aus Rendsburg hat drei Stunden auf meiner Seite verbracht und dabei 200 Einträge aufgesaugt. Das ist übrigens auch ungefähr mein Lesetempo im Internet.
4. Ein Satz, der so vieles auf den Punkt bringt. Vielleicht alles. Entdeckt in der Ufafabrik in Berlin.
16 September 2012
Der 7. Bloggeburtstag
Irgendwas ist ja immer: So hat der Webveteran Don Dahlmann seit vielen Jahren sein Blog überschrieben, und im Grunde stimmt das ja, auch hier, auf der Rückseite der Reeperbahn.
Doch immer öfter ist immer seltener was. Oder die Leistungsfähigkeit meiner Antennen lässt nach. Vielleicht laufe ich auch abgestumpfter über den Kiez als noch vergangenes Jahr. Oder ich habe mir früher selbst dann, wenn nur wenig war, etwas aus den Fingern gesogen, damit es so aussieht, als sei irgendwas ja immer, in und auf St. Pauli.
Na ja, jedenfalls hat die Blogfrequenz hier merklich nachgelassen. Das hat sicherlich etwas zu bedeuten, worüber ich mir demnächst mal ernsthaftere Gedanken machen werde. In erster Linie aber hat es (logischerweise) dazu geführt, dass auch die Besucherquote rückläufig ist.
Im Vergleich zum Jahr davor ist der Schnitt auf rund 17 000 monatliche Flaneure und rund 25 000 angeklickte Blogtexte gesunken. Das ist ein Rückgang um über 10 Prozent. Dafür blieben sie – bzw. Sie – wenigstens pro Besuch deutlich länger hier, nämlich 1:40 Minuten gegenüber 1:10 in der vergangenen Saison. Das ist allerdings noch nicht das Niveau von 2010, als die Verweildauer im Schnitt bei 1:54 Minuten lag.
Doch auch dafür gibt es Gründe. Meine Beiträge sind kürzer geworden, und das kommt Ihnen entgegen – schließlich erodiert Ihre Aufmerksamkeitsspanne unaufhaltsam. Das schließe ich zumindest rück, weil es mir selbst so geht. 700-seitige Bücher würde ich aufgrund ihrer offenkundigen literarischen Adipositas erst gar nicht mehr anfangen zu lesen, wenn ich den Kindle nicht hätte, der ihren Umfang auf segensreiche Weise erst mal verschleiert. Und wenn mir aufgeht, dass ich gerade mitten in einem Buch stecke, das in der Welt des toten Papiers so viel Luft verdrängt wie ein Backstein, dann bin ich längst angefixt.
Doch ich schweife ab. Also zurück zur Statistik. Insgesamt besuchten mich seit September 2005 knapp 1,43 Millionen Menschen und interessierten sich für 2,24 Millionen Seiten. In diesen sieben Jahren versuchte ich Ihnen mit 2318 Blogstücken eine Reaktion zu entlocken, was oftmals auch gelang: Ich erntete im Schnitt zehn Kommentare pro Beitrag, insgesamt genau 22.328.
Das gilt übrigens auch weiterhin: Hier wird nur deshalb gebloggt, weil und so lange Sie etwas dazu sagen.
Und natürlich, weil Ms. Columbo mir jedes Jahr zum Bloggeburtstag einen Kuchen backt.
14 September 2012
Das Herz von St. Pauli auf US-Tour
Der Kiezbummel gestern Abend mit Andreas endete nach allerkürzester Zeit in der „Korall Bar“. Ja, ich habe das e auch vermisst, aber den ganzen Abend nicht gefunden, auch nicht auf der Getränkekarte.
Jedenfalls blieben wir hängen in dieser netten Kneipe, die seit April an der Ecke Hein-Hoyer- und Simon-von-Utrecht-Straße derart fleißig ihr Auskommen zu finden versucht, dass sie es bisher versäumt hat, am Haus ihren Namen anzubringen. Vielleicht wüssten wir sonst sicherer, ob der Korall Bar ein e abhanden gekommen ist oder nicht.
Wir wandten uns eh bald wichtigeren Themen zu, vor allem Andreas’ mehrmonatiger Amerikareise als Roadmanager, Fahrer, Begleiter und Bespaßer seiner musizierenden Frau Tish, die er in einem grandiosen Blog verewigt hat.
Die beiden hatten bei ihrer Tour durch 42 Bundesstaaten die schrullige Idee, das US-Publikum regelmäßig mit dem auf Deutsch gesungenen Kiezgassenhauer „Das Herz von St. Pauli“ zu überraschen – siehe Video.
Ich würde mich ja so was nicht trauen: einfach auf die Bühne gehen und „Das Herz von St. Pauli“ singen. Dafür stehe ich manchmal sehr dicht vor der Bühne. Manchmal auch zu dicht.
Bei einem Solokonzert von John Cale in den 80ern stand ich mal in der ersten Reihe, als Cale mit der ihm eigenen Vehemenz „Fear is a man’s best friend“ zischte, schrie, brüllte – und spuckte.
Die Spucke des Mannes, der damals mit Andy Warhol, Lou Reed und Nico abhing, flog meterweit und fand auf meiner Wange ihr Ende.
Natürlich habe ich mich seither nie mehr geduscht.
11 September 2012
(Fast) Ohne Worte (109)
09 September 2012
Mein kleiner Sonnenschein
Seit das Kleine da ist, hat sich mein Leben, mein Alltag, einfach alles total verändert.
Das Kleine war mit 2030 Gramm ein Leichtgewicht, ganz zart und filigran. Doch seit seiner Ankunft reißt es ununterbrochen die Klappe auf und schaufelt fröhlich in sich hinein, was man ihm auch anbietet. Erstaunlicherweise nimmt es trotzdem kein Gramm zu. Aber das sei normal, sagt Ms. Columbo.
In den ersten Nächten jedenfals bekamen ich und das Kleine kaum eine Stunde Schlaf, weil es immer mehr wollte, mehr, mehr. Aber wenn es mich dann anstrahlt mit diesem gleißend hellen, intensiven und hellwachen Blick, dann kann ich ihm einfach keinen Wunsch abschlagen. Und es gibt mir so viel zurück.
Außerdem ist es unglaublich leise. Echt wahr, das Kleine ist so leise, dass man nicht mal seinen Atem hören kann, das muss man sich mal vorstellen. Und allmählich kommt es auch nachts zur Ruhe. Mittlerweile schläft es manchmal sogar schon sechs Stunden durch, traumlos, wie es scheint.
Kurz: das Kleine ist einfach hinreißend, ich bin total vernarrt. Ich umhege und umsorge es, kann es den ganzen Tag verliebt anstarren, und wenn ich mal raus muss, fühle ich mich sofort unruhig, bin grundlos besorgt und denke nur an zu Hause. Und dann beeile ich mich, zu ihm zurückzukehren, um stundenlang mit ihm herumzuspielen.
Es scheint mich sogar bereits zu erkennen, denn immer, wenn ich ins Zimmer komme und es berühre, leuchtet es augenblicklich auf und strahlt mich hellwach an.
Das Kleine ist wirklich mein kleiner Sonnenschein, ich wüsste gar nicht mehr, wie ich ohne es leben könnte – ohne mein neues MacBook Pro 15" mit 2,6 Gigahertz und 512-SSD-Flashspeicher.
Ich glaube, ich taufe es auf den Namen Retina.
08 September 2012
Pareidolie (48): Terror im Treppenviertel
Wir haben das Blankeneser Treppenviertel von jeher als Oase der Ruhe in Erinnerung.
Man läuft durch umrankte Pfade, schaut Kapitänswitwen in die Rabatten und in der Ferne dem Fluss beim Fließen zu. Und wenn man dann auch noch ein Bänkchen findet zum Sinnieren Arm in Arm, dann ist das Paradies ganz nah.
So war es zumindest in all den Jahren immer, aber diesmal nicht. Nach wenigen Minuten flog eine startende Passagiermaschine über uns hinweg, fünf Minuten später die zweite, dann die dritte und immer so fort.
War das damals auch schon so, dass Blankenese in der Einflugschneise von Fuhlsbüttel liegt? Oder bauen sie gerade da oben eine Umgehungsstraße, und die Flugzeuge fliegen eine Umleitung? Sehr irritierend jedenfalls das alles, möglicherweise sogar schädlich für die traditionell atemberaubenden Immobilienpreise hier im Treppenviertel.
Und das befürchten wohl auch die aufgeregten pareidolischen Blankeneser Schilderfüße.
PS: Eine ganze Pareidoliegalerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.
05 September 2012
Bombige Erkenntnisse
Eins ist sicher: Das nächste Mal, wenn wir mitten in der Nacht irgendwohin evakuiert werden, legen wir uns sofort auf die dort parat stehenden Pritschen.
Gestern, bei unserem Evakuierungsdebüt wegen 750 Kilo übriggebliebenem Weltkriegssprengstoff, begingen wir nämlich den Fehler, nach dem Eintreffen in der Notunterkunft erst einmal anderthalb Stunden an einen Resopaltisch rumzusitzen und zu twittern und zu lesen, ehe wir uns dann doch endlich hinlegten – und prompt nur fünf Minuten später mit der Entwarnung behelligt wurden.
Um kurz vor 3 Uhr in der Früh lagen wir wieder in unserem Bett auf St. Pauli. Den Stadtteil prägte auch bei unserer Rückkunft noch jene gespenstische Leere, wie sie sonst nur an Weihnachten herrscht und selbst dann nicht.
Es ist übrigens interessant, was man so zusammenrafft, wenn es kurz vor Mitternacht plötzlich heißt: Alle Mann raus hier, in zehn Minuten könnte das Viertel in Schutt und Asche liegen. Meine Wahl fiel auf Folgendes:
– die zum Glück stets reisefertig bestückte Toilettentasche
– eine Haushose
– die Geldbörse
– das iPhone
– den Kindle
– die externe Festplatte mit den jüngsten Time-Machine-Sicherungen
– die Digitalkamera (die ich allerdings versehentlich doch liegen ließ)
Diese Auswahl zeigt eins ganz deutlich: einen erschreckenden Hang zu Gadgets. Und wissen Sie was? Je ne regrette rien. Ich würde es wieder tun.
Obwohl sich mir der Sinn der Haushose gerade nicht mehr so recht erschließen will.
04 September 2012
Ein Königreich für einen Bunker
Typisch: Wir kriegen mal wieder ü-b-e-r-h-a-u-p-t nichts mit. Erst dank einer besorgten SMS von German Psycho aus Mallorca (!) erfahren wir soeben vom Fund zweier Weltkriegsbomben auf dem Heiligengeistfeld, das dummerweise um die Ecke liegt.
Ein Schnellcheck auf Spiegel online ergibt nichts, und just als ich eine Antwort à la „Wovon reden Sie überhaupt?“ tippen will, kommt von draußen auch schon eine polizeiliche Lautsprecherdurchsage – Inhalt: alle pronto ab nach Hause, Fenster und Türen schließen, ab Mitternacht wird zurückentschärft. „Irgendwas ist hier immer“, mault Ms. Columbo.
Seit dieser Durchsage können wir zusehen, wie der Kiez allmählich zur Ruhe kommt. Das übliche Gepöbel wird rar, kaum noch ein Auto fährt durch die Seilerstraße, nur das ewige Surren der Klimaanlage der Spielothek gegenüber hält die Stellung.
Dieses Surren übrigens wird nicht nur zwei Weltkriegsbomben auf dem Heiligengeistfeld überleben, sondern auch die Apokalypse. Wie die Kakerlaken und Chuck Norris.
Ich glaube, ich nutze diese präexplosive Stille und lege mich heute einfach mal früh schla (bummmm)
02 September 2012
Was ist schon normal?
„8 Euro 10 für ESSEN??? Spinnst du?“
Die kompakte Struwwelblonde mit Sonnenbrille fasst es einfach nicht. Ihr Freund, ein schlaksiger Softie mit Brille und Zopf, steht peinlich berührt vorm Kiezbäckertresen im Silbersack und will dem Verkäufer gerade einen Zehner rüberreichen.
„NEIN! Das! Tust! Du! Nicht!“, schreit sie, springt vor, entreißt ihm den Schein, springt zurück und bleibt kampfeslustig im Ladeneingang stehen. Der Kiezbäcker schaut ungerührt. Die Brötchentüte liegt auf dem Tresen.
Halb dreht sich der Schlaks zu seiner Herzallerliebsten um, in einer unschlüssigen Bewegung, die alles sagt über die Machtverhältnisse ihrer Beziehung. „Hör mal …“, setzt er an mit mausgrauem Stimmchen, doch sie unterbricht ihn mit einem bestechenden Argument: „8 Euro 10 für BRÖTCHEN??? Bist du BESCHEUERT?“
Er lächelt schmerzlich. „Es sind ja nicht nur Bröt…“ „NEIN!“, schreit sie, „NEIN!“ Er blickt sich entschuldigend um, doch ich erwidere seinen Blick nicht. Ich käme halt nur gerne bald dran.
Allerdings ist sonntagsmorgens beim Kiezbäcker meine Langmut groß, schon aus Sicherheitsgründen: Man weiß nie, wer von der Nacht übrigblieb und in welchem mentalen Aggregatzustand. Man weiß nie, welche Handlungsoptionen den von all dem eventuell beträchtlich geschädigten Hirnen im Eskalationsfall plausibel erscheinen.
Geduld, unbeteiligtes Herumstehen, leises „La Paloma“-Pfeifen: Das sind Strategien, um den frühmorgendlichen Brötchenkauf mit hoher Wahrscheinlichkeit unfallfrei zu absolvieren. Und live bei öffentlichen Konflitklösungsstrategien dabei zu sein, ist ja auch von wissenschaftlichem Interesse (ich hatte Soziologie im Nebenfach).
„Komm, gib mir die zehn Euro wieder“, fleht er sie leise an. „Du bist BESCHEUERT!“, ruft die Blonde aus sicherer Entfernung. Er begreift, hier ist verbal kein Weiterkommen. Erneut kramt er in seiner Börse. Dort findet er noch einen Zehner, den er dem Kiezbäcker rüberreicht.
„NEEEIIIN!“, schreit es von der Tür her. Nach Kassieren des Wechselgeldes kostet ihn die Tüte jetzt schon 18 Euro 10, denn von der Blonden kriegt er den entwendeten Zehner mit Sicherheit nicht wieder zurück, schon aus Prinzip nicht.
Der Kiezbäcker hat das alles mit der stoischen Gelassenheit eines Streetworkers bzw. Kriegsreporters verfolgt. Wahrscheinlich denkt er das Gleiche wie vergangenen Sonntag, als er die Kundenorder „Drei normale und ein Franzbrötchen“ mit der abgeklärten Gegenfrage „Was ist schon normal?“ beseufzte.
Und dann bin ich auch schon dran.
PS: Das Bild ist übrigens nur ein Symbolfoto. Der Kiezbäcker hat viel bessere Brötchen. Viel bessere!
31 August 2012
Noch eine undichte Stelle
Heute feierten die Zeitschrift Titanic sowie ihr politischer Arm, die Partei DIE PARTEI, ihren juristischen Sieg über den Papst (vgl. Blogeintrag von gestern) auf dem Gehsteig vorm Hamburger Landgericht.
Die Juliausgabe des Heftes mit dem Slogan „Die undichte Stelle ist gefunden!“ darf jetzt wieder frei verkauft und somit auch abgebildet werden (siehe oben links). Allerdings musste ich vor Ort feststellen, dass zumindest ein Mitglied der Partei DIE PARTEI dem Papst auf allzu authentische Weise nacheifert (siehe oben rechts).
Und ich meine damit nicht, dass sein Anzug beschissen sitzt.
30 August 2012
Geplatzt
Er hätte so schön werden können, mein Tag morgen im Landgericht. Minutiös war alles durchgeplant.
Zum Aufwärmen um 9:55 Uhr wäre entschieden worden, wie viel Kohle Günther Jauch dem Gong-Verlag entwringen darf. Um 10:30 dann die Unterlassungsklage der Volksmusikerin Stefanie Hertel gegen den Klambt-Verlag, ehe in der gleichen Sache um 12 Uhr erneut Günther Jauch tätig geworden wäre.
Alles natürlich nur Geplänkel vorm Hauptkampf um 13:30 Uhr: Papst Benedikt XVI. gegen die Titanic. Gut gegen Böse, Soutane gegen Satire: Das war mein Ziel, deshalb wäre ich hingegangen, hätte mich durch Jauch, Hertel & Co. gekämpft, heimlich nicht nur Hasenbrote reingeschmuggelt, sondern möglichst auch das iPhone zum Livetwittern aus dem Gerichtssaal.
Doch zu meiner namenlosen Enttäuschung ließ Gottes Stellvertreter hienieden heute Nachmittag den Prozess platzen. Er kniff den Schwanz ein, was natürlich nur im übertragenen Sinne gemeint ist.
Was mach ich jetzt morgen an meinem freien Freitag – nur Jauch und Hertel ohne Ratzinger? Immerhin bleibt mir das oben zu sehende Bild. Es zeigt die außergewöhnlich schlecht getroffene Wachsfigurenversion des Papstes und lag neulich auf der Reeperbahn, flankiert von einem toten Ast.
Was immer das zu bedeuten hat.
29 August 2012
27 August 2012
Der alte Kacker
Vor der Postfiliale unten an der Ecke zieht ein betagter Raucher öffentlich die Hosen runter, um den Straßenbaum zu düngen – und zwar nicht flüssig, wie es alle tun, sondern fest, was zwar seltener, doch nach meinem Geschmack noch immer erheblich zu oft vorkommt.
Danach steht er auf, zieht – ohne sich in irgendeiner Form zu säubern – die Hosen wieder hoch und durchwühlt unverzüglich einen nahen Mülleimer nach leeren Flaschen. Er findet drei.
Diese doch recht betrübliche Beobachtung dokumentiere ich nur der Fairness halber für alle jene, die erwägen, auf dem Kiez für 14 €/qm aufwärts eine Wohnung zu beziehen, weil es hier ja so wahnsinnig „hip“ ist.
Übrigens wüsste ich auf die Schnelle auch nicht, wo der alte Kacker sein Geschäft sonst hätte halbwegs sozialkompatibel verrichten sollen. In den zahllosen umliegenden Kneipen wäre er keinesfalls unbeschadet bis zu den Sanitäranlagen vorgedrungen, und das öffentliche Pissoir auf der Reeperbahn ist für die Aufnahme von Feststoffen gar nicht ausgerüstet.
Insofern imitierte er lediglich das von breiten Bevölkerungsschichten fatalistisch tolerierte Verhalten hiesiger Hunde, an deren Aa Herr- und Frauchen ebenfalls jegliches Interesse verlieren, wenn es erst einmal das Licht dieser deprimierenden Welt erblickt hat.
Sonst war es aber ein schönes Wochenende.
26 August 2012
Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (76)
24 August 2012
Diese dummen Diebe
Die beiden schwarzen Plastikbänder da rechts am Fahrradlenker baumeln nutzlos in der Luft. Aus gutem Grund: Sie hielten bislang meinen Tacho in Position, und der wurde mir gerade geklaut.
Erstaunlicherweise geschah das erst ein halbes Jahr nach seiner Befestigung, was nur einen Schluss zulässt: Die Hamburger Diebe leiden unter bestürzender Formschwäche.
Dafür spricht auch, dass der fürs Abmontieren Verantwortliche das Tachopendant am Vorderrad unangetastet ließ. Das ist ungefähr so clever, als klaute man nur einen Schuh.
Doch vielleicht, lieber Dieb, kann ich Sie über Ihr Versäumnis hinwegtrösten, indem ich Ihnen nachrufe, dass das Ensemble sich eh von Anfang an tapfer jedweder Inbetriebnahme gesperrt hatte. Vulgo: Die beiden blödsinnigen Billigteile (von Aldi, glaub ich) haben nie auch nur eine Sekunde lang funktioniert.
Und wozu überhaupt ein Tacho? Dafür habe ich schließlich Google Latitude. Kurz: Ich bin froh, dass er weg ist, der Schamott.
Leider nur zur Hälfte.
21 August 2012
Der Schrank des Schreckens
Neulich im überfüllten ICE. Wir sitzen im Gang auf dem Boden, gemeinsam mit einer Polizistin, die einen Roman liest, wahrscheinlich von Stieg Larsson.
Plötzlich, in einer Kurve, schwingt der verglaste Schrank mit den Werbedisplays auf und donnert volley gegen die Klotür. Hätte gerade jemand das Örtchen verlassen wollen, läge er jetzt mit Schädelbasisbruch unter der Vakuumschüssel.
Ich versuche den wieder zurückschwingenden Schrank – übrigens ein circa zentnerschwerer Trumm – wieder zuzudrücken, doch nirgends rastet etwas ein. Bei der nächsten Kurve schwingt er wieder auf und gefährdet Menschenleben.
Ich kämpfe mich durch den Zug und erkläre drei Wagen weiter einer Schaffnerin das Problem. „Isch kümmär misch“, sagt sie ohne hochzuschauen, ihr Akzent ist frankophil, der ICE kommt ja auch aus der Schweiz. Wieder zurück stelle ich mich an den Schrank, damit er nicht aufschwingt. Nach einer Viertelstunde wechsle ich mich mit der Polizistin ab, die im Stehen weiterliest.
Vom Zugpersonal lässt sich niemand blicken. Eine halbe Stunde nach der Erstmeldung kämpfe ich mich erneut durch den Zug, um zu erfahren, was denn jetzt Sache sei in Sachen Kundenleben retten. Im Zugbegleiterabteil finde ich alle Bediensteten in trauter Runde, auch die Frankophone.
Wo sie denn bliebe, frage ich ob der lässigen Herumlungerei mit unverhohlener Erregung. „Isch bin seit Basäl an Bord“, sagt sie müde aufschauend, „isch ’abe auch nur swei Füßö!“
Das regt mich noch mehr auf, ich zetere herum, schimpfe, blöke, aber alle schauen mich nur mit halb heruntergelassenen Jalousienlidern derart öde an, als wäre ich ein Film mit Adam Sandler.
Ich dampfe zornschnaubend ab, die Polizistin lächelt bei meiner Rückkehr weise ob meiner Schilderung. Eine weitere Viertelstunde später kommt endlich ein Offizieller und erschrickt beim Anblick der Polizistin. Wahrscheinlich denkt er, sie sei inzwischen alarmiert worden und sichere den Tatort. Mit grimmigem Vergnügen lasse ich ihn in dem Glauben.
Eilfertig untersucht er den Displayschrank. „Völlisch richtisch, was Se sache“, wendet er sich dann beifallheischend an mich, während er mit einem Auge die Polizistin im Blick behält, „ä Sichäheidsrisigo. Mer müsse de Waache ewwaguiere.“
Meint er „evakuieren“? Haben Sie das auch gehört? Erst eine Stunde lang unbeeindruckt die eigene Kundschaft der Gefahr, nach dem Toilettengang zügig erschlagen zu werden, anheimstellen, und dann auf einmal ewaguiere wollen?? Eine unkalkulierbare Verspätung in Kauf nehmen? Auf Spiegel online landen? Nein, nein, so haben wir nicht gewettet, ICE-Begleiter!
Haben wir auch nicht, denn mit einem Schraubendreher schafft der Mann es doch, den Schrank des Schreckens irgendwie zu fixieren. Er evakuiert nicht, und es gibt auch keine Toten. Wir sitzen wieder im Gang, außer Gefahr.
Die Polizistin schaut mich an und lächelt mit jenem spöttischen Fatalismus, den jeder regelmäßige Bahnnutzer im Lauf der Zeit mimisch virtuos zu beherrschen lernt. „Er hätte uns ja wenigstens“, sagt sie, „ein Freigetränk spendieren können.“
Aber man darf nicht zu viel verlangen. Immerhin haben wir überlebt.
19 August 2012
Blau gemacht
16 August 2012
Eine Frage von Leben und Tod
Heute morgen plötzlich saß dieses Insekt an der Badezimmerdecke. Die Decke ist ziemlich hoch, da kommt man ohne Leiter nicht ran. Es sei denn, man stellte sich auf den Badewannenrand, aber einen Oberschenkelhalsbruch riskieren wegen eines Insekts?
Entscheidend ist eh, um was genau es sich handelt. Ist es eine Motte oder ein Schmetterling? Diese Frage entscheidet über Leben und Tod.
Wir beschlossen, erst einmal abzuwarten. Das Tier sollte selbst über sein Schicksal entscheiden – egal, ob es nun Motte war oder Schmetterling. Also öffneten wir morgens, bevor wir die Wohnung verließen, das Badezimmerfenster sperrangelweit. Eine Option. Eine Chance.
Als wir abends zurückkamen, saß das Insekt noch immer an der exakt gleichen Stelle. Ein Beharrungsvermögen, das mir Respekt abnötigt. Langweilt es sich nicht, so ohne In- und Output? Hat es nichts zu tun? Keine Verpflichtungen? Was sagt die Familie dazu? Hat sie schon eine Vermisstenanzeige aufgegeben?
Fragen, auf die das Insekt keine Antwort wusste. Oder jedenfalls keine gab. Ms. Columbo richtete einen Fön auf das Tier. Seine Flügel flatterten im heißen Luftstrom, doch bewegte es sich keinen Millimeter. Es blieb sitzen, wie angewurzelt.
Abends verließen wir das Haus. Vorher hatten wir erneut das Badezimmerfenster offengelassen. Als wir nach Hause kamen, saß der geflügelte Stoiker noch immer an der gleichen Stelle. Muss er denn nicht fressen? Und wenn ja, was – meine bügelfreien Oberhemden?
Dieses da an der Decke sitzende Tier verändert das Klima in der Wohnung. Wir fühlen uns wenn nicht bedroht, so doch stumm belagert. Dabei tut es nichts, gar nichts. Es sitzt nur da, als hätte es alle Zeit der Welt. Als lauerte es auf seine Chance.
Sicherlich weiß es nicht, dass ich eine Waffe in der Hinterhand habe, bei der ihm auch die Deckenhöhe nichts mehr nützte: einen Staubsauger. Aber ich würde natürlich nur eine Motte dieser letalen Behandlung unterziehen, keinen Schmetterling.
Ist vielleicht ein Zoologe anwesend? Das wäre super. Bis zur gerichtsfesten Identifikation der Spezies belassen wir es erst mal weiter bei einem sperrangelweit offenen Badezimmerfenster.
Der Staubsauger scharrt allerdings schon mit den Hufen. Nur dass Sie’s wissen.
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