Dennoch wirkt unser Balkon magisch auf Tauben. Er ist ihr Elysium, das Paradies auf Erden, der Platz, wo man als Taube sein möchte, ein Refugium zum Spaßhaben und Altwerden. Aber warum? Keinen Schimmer.
Das ist, wie gesagt, die Situation am Tag, wenn es hell ist. Und nachts bleiben sie der Einfachheit halber gleich da. Der Balkon über uns hat so hübsche kleine Boxen im Boden (Foto), deren Länge, Tiefe und Zuschnitt der Balkonbauer zweifellos dem Taubenwunschkatalog entnommen hat. Für jedes Täubchen ein Kabäuzchen.
Sobald es dunkelt, kuschelt sich die Vogelschar dort hinein, gurrt selig, schlummert alsbald einem weiteren wunderbaren Tag auf unserem Balkon entgegen und lässt von Zeit zu Zeit glücklich und traumverloren Taubenkacke leis herniederklatschen. Diese Gluckscheißer!
Die bereits mehrfach alarmierte Hausverwaltung signalisiert zwar stets abwiegelndes Mitgefühl, doch was ihren Problemlösungseifer angeht, ist sie so aktiv wie ein Eifelvulkan. Nein, der Balkon ist verloren, keine Frage. Dennoch habe ich vor einiger Zeit beschlossen, den nachtflugscheuen Tauben wenigstens das Leben zur Hölle zu machen.
Also öffne ich seit Wochen stets gegen Mitternacht die Balkontür, greife den bereitstehenden Schrubber und fuchtele damit vor den Täubchenkabäuzchen herum wie ein Jedi mit dem Lichtschwert.
Allerdings reagieren die Vögel zunehmend unwilliger auf meine Attacken.
Anfangs reichte es noch, nach dem Schrubber zu greifen, um die Federpest zur Flucht zu zwingen. Nach einigen Tagen aber musste ich bereits eine falkenähnliche Zustoßbewegung vollführen, um überhaupt noch eine Reaktion zu erzielen. Neuerdings nehmen die Luftratten sogar diese Maßnahme mit provokantem Gleichmut hin; sie zwingen mich dadurch, einen Schritt hinaus auf den taubenkackverdreckten Balkon zu tun (in Hausschuhen!), um meine Reichweite zu erhöhen.
Gestern erwischte ich erstmals eine hart mit der Schrubberbürste, was sie schließlich einen Rückzug in Erwägung ziehen ließ; die taumelnd herabsinkende Feder war das Unterpfand meines allerdings schnell wieder verlodernden Triumphes.
Denn alles bleibt vergebens. Mein Terror wirkt nicht. Auch heute Abend saßen sie wieder da, als wäre nie etwas gewesen oder – schlimmer – als nähmen sie mich nicht richtig ernst. Gelassen erwarteten sie mein Hinaustreten in den Dreck, meine Schrubberattacke, die ganze wütend entfesselte physische Gewalt, bevor sie schnippisch hinausflatterten in die Nacht.
Wie hat Gandhi das eigentlich hingekriegt? Er hatte doch nicht mal einen Schrubber.