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15 Oktober 2011
Wer nicht fragt, kriegt auch keine Antwort
Nach einigen Wochen Pause traf ich mal wieder Thorsten persönlich in seinem Gemüseladen an. Zuletzt war das Geschäft entweder geschlossen gewesen, oder die Gattin stand hinterm Tresen.
Auf seine gar nicht so unwahrscheinliche Begrüßungsfrage „Auch mal wieder da?“ wäre mir, sofern er sie vorgebracht hätte, möglicherweise spontan der arglose Satz „Ich war regelmäßig hier, aber zuletzt hat mich immer Ihre Frau bedient“ herausgerutscht, wobei mir garantiert im Augenblick des Aussprechens der ungewollt mitschwingende Subtext ein unschön schiefes Lächeln ins Gesicht gepinselt hätte.
Doch da Thorsten die Frage gar nicht stellte, konnte ich holperfrei die übliche Feldsalatorder platzieren und sie mit dem Kauf eines kapitalen Kräutersaitlings aufs Vorzüglichste abrunden.
Und weil es nun mal ungewöhnlich ist, dass ein Tag so pannenlos verläuft wie dieser, wurde er auch am Himmel über St. Pauli ordnungsgemäß angekreuzt.
21 März 2009
Der endlose Einkauf
Im Gemüseladen. Meine strategische Position ist heute – im Gegensatz zu vielen anderen Freitagen – sehr günstig: Nur zwei Leute sind vor mir dran, und die gehören auch noch zusammen.
Allerdings hat das Paar einen recht langen Einkaufszettel dabei, und der wird Frucht für Frucht, Staude für Staude, Pilz für Pilz abgearbeitet. Stand ich zunächst als einziger hinter den beiden in der Schlange, so ist sie inzwischen zu beträchtlicher Länge angewachsen.
Wie immer hier im Gemüseladen nimmt die Kundschaft das Warten mit kieztypischer Stoik hin; die Qualität der Ware und der Charme des Chefs dämpfen jeden Gedanken an Rebellion.
Das Paar vor mir will jetzt auch noch Champignons. Und Schalotten. Aber bitte nur mittelgroße.
„So, das war’s“, sagt die Frau dann und kramt nach ihrer Börse. „Ach, eine Birne – zwei!“, fällt ihr noch ein, und Thorsten, der Gemüsemann, kramt erfreut nach den Birnen. Die Schlange schweigt ergeben. Erneut startet das Paar den Bezahlvorgang.
„Avocado“, sagt der Mann unversehens. Ach ja, die Avocado. Natürlich. Thorsten holt eine, die Rechnung wird ergänzt, endlich kommt die Börse zum entscheidenden Einsatz. Ich traue dem Frieden noch immer nicht, doch das Paar ist schon beim Einpacken, jetzt verabschiedet es sich sogar wortreich, quetscht sich an der Schlange vorbei, öffnet die Tür, und ich sage zu Thorsten: „Zwei Bund Rauke, bitte.“
Thorsten lächelt wissend, es ist die übliche Order. Danach, das wissen wir beide, kommt es unerbittlich zum Feldsalat. Er greift nach der Rauke.
„FENCHEL!“, kreischt es plötzlich panisch vom Ausgang her, „wir haben den Fenchel vergessen!“
Alle schauen sich um. Das Paar müht sich aufgeregt an der Schlange vorbei. Sie kommen zurück, etwas hat überlebt, es ist noch nicht vorbei.
Thorsten wendet sich an mich und fragt: „Ist das okay? Oder sollen sie sich wieder hinten anstellen?“ Ich knirsche vernehmlich mit den Stirnfalten – und beschließe dann, meinen sardonischen Tag ein andermal zu nehmen.
Fenchel ist es einfach nicht wert.
PS: Das heutige Raukenfoto darf übrigens gerne unter Quellenangabe und Verlinkung für nichtkommerzielle Zwecke verwendet werden, und zwar weltallweit. Schließlich ist heute Feiertag – und für mich gar ein inneres Missionsfest.
Allerdings hat das Paar einen recht langen Einkaufszettel dabei, und der wird Frucht für Frucht, Staude für Staude, Pilz für Pilz abgearbeitet. Stand ich zunächst als einziger hinter den beiden in der Schlange, so ist sie inzwischen zu beträchtlicher Länge angewachsen.
Wie immer hier im Gemüseladen nimmt die Kundschaft das Warten mit kieztypischer Stoik hin; die Qualität der Ware und der Charme des Chefs dämpfen jeden Gedanken an Rebellion.
Das Paar vor mir will jetzt auch noch Champignons. Und Schalotten. Aber bitte nur mittelgroße.
„So, das war’s“, sagt die Frau dann und kramt nach ihrer Börse. „Ach, eine Birne – zwei!“, fällt ihr noch ein, und Thorsten, der Gemüsemann, kramt erfreut nach den Birnen. Die Schlange schweigt ergeben. Erneut startet das Paar den Bezahlvorgang.
„Avocado“, sagt der Mann unversehens. Ach ja, die Avocado. Natürlich. Thorsten holt eine, die Rechnung wird ergänzt, endlich kommt die Börse zum entscheidenden Einsatz. Ich traue dem Frieden noch immer nicht, doch das Paar ist schon beim Einpacken, jetzt verabschiedet es sich sogar wortreich, quetscht sich an der Schlange vorbei, öffnet die Tür, und ich sage zu Thorsten: „Zwei Bund Rauke, bitte.“
Thorsten lächelt wissend, es ist die übliche Order. Danach, das wissen wir beide, kommt es unerbittlich zum Feldsalat. Er greift nach der Rauke.
„FENCHEL!“, kreischt es plötzlich panisch vom Ausgang her, „wir haben den Fenchel vergessen!“
Alle schauen sich um. Das Paar müht sich aufgeregt an der Schlange vorbei. Sie kommen zurück, etwas hat überlebt, es ist noch nicht vorbei.
Thorsten wendet sich an mich und fragt: „Ist das okay? Oder sollen sie sich wieder hinten anstellen?“ Ich knirsche vernehmlich mit den Stirnfalten – und beschließe dann, meinen sardonischen Tag ein andermal zu nehmen.
Fenchel ist es einfach nicht wert.
PS: Das heutige Raukenfoto darf übrigens gerne unter Quellenangabe und Verlinkung für nichtkommerzielle Zwecke verwendet werden, und zwar weltallweit. Schließlich ist heute Feiertag – und für mich gar ein inneres Missionsfest.
02 September 2008
Das Killerargument
Heute wollte mir eine Promoterin zum Abschluss ihrer Mail die Frage stellen: „Oder wie wollen wir das machen?“ Das glaube ich zumindest herausfiltern zu dürfen aus der Zeile, die wirklich da stand:
„Doer wie wollen wir das amchen?“
Das zugegeben leicht bäurisch wirkende Verb „amchen“ hat einen scheuen Charme, der viel zu selten gewürdigt wird – ebenso wie die schlichte Überzeugungskraft meines Obst- und Gemüsehändlers Thorsten.
Natürlich hätte er alle möglichen Argumente sammeln und kommunizieren können, die seine Orangen zum Must-have geamcht hätten. Aber einfach „Lecker“, ohne Ausrufezeichen: Killer!
Gekauft habe ich trotzdem Rauke, Feldsalat und eine Avocado.
„Doer wie wollen wir das amchen?“
Das zugegeben leicht bäurisch wirkende Verb „amchen“ hat einen scheuen Charme, der viel zu selten gewürdigt wird – ebenso wie die schlichte Überzeugungskraft meines Obst- und Gemüsehändlers Thorsten.
Natürlich hätte er alle möglichen Argumente sammeln und kommunizieren können, die seine Orangen zum Must-have geamcht hätten. Aber einfach „Lecker“, ohne Ausrufezeichen: Killer!
Gekauft habe ich trotzdem Rauke, Feldsalat und eine Avocado.
15 September 2007
Matt im Lomi-Lomi-Land
Gemüsehändler Thorsten erweckt nicht gerade den Eindruck, als besuchte er abends nach dem Pastinakenverpacken noch Bachblütenkurse oder forschte intensiv nach seinem Wurzelchakra.
Es ist also eher der Gutmütigkeit dieses sympathischen St. Paulianers zu danken, dass bei ihm am schwarzen Brett alle möglichen Angebote esoterischer Natur hängen dürfen – und nicht umstandslos und zu recht dort landen, wo auch verschimmelte Avocados im (seltenen) Bedarfsfall ihre letzte Ruhe finden.
Während ich mich in der Warteschlange auf den freitäglichen Raukekauf vorbereite, gewahre ich daher u. a. ein schriftlich hinterlassenes Angebot zur „Aus- und Weiter Bildung zum Lomi Lomi Nui Practitioner“. Wer jetzt stirnrunzelnd stutzt, muss sich Ignoranz vorwerfen lassen; denn dabei handelt es sich natürlich um eine spezifische Ausprägung der berühmten hawaiianischen Tempelmassage. Dämmert’s jetzt?
Für günstige 400 Euro (drei Wochenblöcke à 40 Stunden) ermöglicht es der Kurs jedem Teilnehmer, sich hinfort selbst seinen Lebensunterhalt als „Traditioneller Hawaiianischer Lomi Lomi Nui Körperarbeit Practitioner“ verdienen zu können, zertifiziert natürlich.
Noch während ich die Vor- und Nachteile dieser Ausbildung abwäge (immerhin ist auch Persönlichkeitsentwicklung wesentlicher Bestandteil, und daran gebricht es mir noch immer erheblich), fällt mein Blick auf das konkurrierende Kursangebot einer gewissen Ruth Arens (rechts).
Die recht männlich wirkende Bubikopfasketin bietet nichts weniger als Wildgans-Qigong. Nein, nicht etwa nur Kranich-Qigong, Lungen-Qigong oder Stilles Qigong. Sondern Wildgans-Qigong, und da sind alle anderen Qigongs auch mit drin.
Doch was macht das denn eigentlich, das Wildgans-Qigong?, frage ich mich im Stillen interessiert. Und entnehme dem Prospekt Verheißungsvolles, während ich in der Schlange zentimeterweise vorrücke Richtung Raukekauf. Wildgans-Qigong nämlich entspannt und dehnt den gesamten Körper; wobei beides für manchen Körperteil nicht immer zum optimalen Gebrauch führt, aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Zudem verspricht die Arens eine dank Wildgans-Qigong auch noch verbesserte Verdauung und Sehfähigkeit. Noch beim Raukekauf wird mir klar: Nach Absolvation dieses Kurses könnte ich besser kucken und kacken.
Und dagegen ist ja nun wirklich überhaupt nichts zu sagen.
24 August 2007
Die Riesenpechsträhne
Heute begegnete ich einem nowitzkiartigen Zweimetermann, den eine dreistufige Pechsträhne im Klammergriff hatte. Genauer gesagt: Ich habe drei Stufen davon mitgekriegt. Vielleicht ging sie ja noch weiter, ich weiß es nicht.
Kommen wir zur Stufe eins. Als ich an der Kasse beim Gemüsehändler Thorsten stehe, hören wir von draußen plötzlich ein vielflaschiges Klirren. Unsere Köpfe rucken herum, und gegenüber, am Eingang vom Sparmarkt, sehe ich besagten Riesen ratlos vor seinem umgekippten Wägelchen stehen, einer Art Pritsche auf vier Rädern mit Zugseil vornedran. Jedenfalls hat das anscheinend selbstkonstruierte Gefährt eine Kiste mit leeren Flaschen verantwortungslos der Schwerkraft überlassen.
Die meisten Buddeln haben das schadlos überstanden, doch eine für den Riesen ärgerliche Anzahl ging bei diesem Missgeschick den Gang alles Irdischen. Nun muss er den Eingang von Scherben säubern, und das dauert.
Nach Erledigung meiner Geschäfte mit Thorsten muss ich selbst noch zum Sparmarkt. Als ich den Laden betrete, hat die Pechsträhne des Riesen gerade die zweite Stufe erreicht. Mit seinem Wägelchen und der Kiste mit den heilgebliebenen Flaschen hängt er nämlich zwischen den zwei automatischen Sperrgittern des Eingangs fest. Die hinter ihm hat sich schon geschlossen, die vor ihm aber verweigerte sich dem eigentlich logischen Öffnen; vielleicht lag es am klobigen Pritschenwagen, der sein Passiertempo entscheidend minderte.
„Könnten Sie vielleicht die Schranke öffnen?“, bittet er mich mit bereits deutlichen Anzeichen vokaler Erschöpfung. Ich wedele vor der Fotozelle herum, doch es tut sich nichts. Noch ein Versuch. Noch einer – und endlich öffnet sich ihm samt Ballast der Weg in den Laden.
Ich folge ihm und suche die vorangegangene Ms. Columbo, schaue hier, schaue da, und irgendwann schaue ich auch noch mal zurück zum Eingang, wo Spar die Getränkerücknahmeautomaten aufgestellt hat – und sehe den Riesen wieder.
Als er heute seine Wohnung verlassen hatte, wollte er einfach nur diesem Automaten sein Leergut übergeben. Doch jetzt – nach dem Schwund vorm Laden und den Problemen beim Betreten desselben – hat das noch immer nicht geklappt; er steht erstaunlich ruhig in einer statischen Pfandflaschenrückgabeschlange, die angeführt wird von einer ratlosen Sparverkäuferin.
Die weißbekittelte Frau drückt ratlos alle möglichen Knöpfe am Automaten und steckt dem Gerät immer wieder eine Flasche in den Schlund, die es aber mit gleichsam hämischer Unermüdlichkeit wieder ausspuckt.
Kein Zweifel: Der Riese steckt tief drin in Phase 3 seiner heutigen Pechsträhne. Letztlich weiß ich natürlich nicht, wie sein Tag weiterging – nur dass Ms. Columbo und ich schließlich an der Spar-Kasse vor ihm stehen und er noch immer eine Ruhe ausstrahlt, die nur zwei mögliche Ursachen haben kann: buddhistische oder vulkanische.
Mir ist es lieber, die richtige heute nicht mehr herausgefunden zu haben. Für eine der beiden gibt es ja Boulevardzeitungen.
Kommen wir zur Stufe eins. Als ich an der Kasse beim Gemüsehändler Thorsten stehe, hören wir von draußen plötzlich ein vielflaschiges Klirren. Unsere Köpfe rucken herum, und gegenüber, am Eingang vom Sparmarkt, sehe ich besagten Riesen ratlos vor seinem umgekippten Wägelchen stehen, einer Art Pritsche auf vier Rädern mit Zugseil vornedran. Jedenfalls hat das anscheinend selbstkonstruierte Gefährt eine Kiste mit leeren Flaschen verantwortungslos der Schwerkraft überlassen.
Die meisten Buddeln haben das schadlos überstanden, doch eine für den Riesen ärgerliche Anzahl ging bei diesem Missgeschick den Gang alles Irdischen. Nun muss er den Eingang von Scherben säubern, und das dauert.
Nach Erledigung meiner Geschäfte mit Thorsten muss ich selbst noch zum Sparmarkt. Als ich den Laden betrete, hat die Pechsträhne des Riesen gerade die zweite Stufe erreicht. Mit seinem Wägelchen und der Kiste mit den heilgebliebenen Flaschen hängt er nämlich zwischen den zwei automatischen Sperrgittern des Eingangs fest. Die hinter ihm hat sich schon geschlossen, die vor ihm aber verweigerte sich dem eigentlich logischen Öffnen; vielleicht lag es am klobigen Pritschenwagen, der sein Passiertempo entscheidend minderte.
„Könnten Sie vielleicht die Schranke öffnen?“, bittet er mich mit bereits deutlichen Anzeichen vokaler Erschöpfung. Ich wedele vor der Fotozelle herum, doch es tut sich nichts. Noch ein Versuch. Noch einer – und endlich öffnet sich ihm samt Ballast der Weg in den Laden.
Ich folge ihm und suche die vorangegangene Ms. Columbo, schaue hier, schaue da, und irgendwann schaue ich auch noch mal zurück zum Eingang, wo Spar die Getränkerücknahmeautomaten aufgestellt hat – und sehe den Riesen wieder.
Als er heute seine Wohnung verlassen hatte, wollte er einfach nur diesem Automaten sein Leergut übergeben. Doch jetzt – nach dem Schwund vorm Laden und den Problemen beim Betreten desselben – hat das noch immer nicht geklappt; er steht erstaunlich ruhig in einer statischen Pfandflaschenrückgabeschlange, die angeführt wird von einer ratlosen Sparverkäuferin.
Die weißbekittelte Frau drückt ratlos alle möglichen Knöpfe am Automaten und steckt dem Gerät immer wieder eine Flasche in den Schlund, die es aber mit gleichsam hämischer Unermüdlichkeit wieder ausspuckt.
Kein Zweifel: Der Riese steckt tief drin in Phase 3 seiner heutigen Pechsträhne. Letztlich weiß ich natürlich nicht, wie sein Tag weiterging – nur dass Ms. Columbo und ich schließlich an der Spar-Kasse vor ihm stehen und er noch immer eine Ruhe ausstrahlt, die nur zwei mögliche Ursachen haben kann: buddhistische oder vulkanische.
Mir ist es lieber, die richtige heute nicht mehr herausgefunden zu haben. Für eine der beiden gibt es ja Boulevardzeitungen.
10 April 2006
Kahn, das Titanchen
Nach dem Jena-Flop vom Samstag (0:1) ist der Aufstieg endgültig perdu für meinen kleinen Stadtteilclub. Alle Kräfte kann er jetzt bündeln. Denn am Mittwoch geht es im DFB-Pokal-Halbfinale (in Worten: HALBFINALE!) gegen den FC Bayern München. Also gegen Oliver Kahn, den zweitbesten deutschen Torwart. Gegen das Titanchen.
Als die Bayern das letzte Mal in einem Pflichtspiel hier antraten (nämlich am 6. Februar 2002), war St. Pauli noch in der ersten Liga, wenngleich auf Platz 18, gewann gleichwohl 2:1 und wurde so zum Weltpokalsiegerbesieger. Inzwischen liegen zwei Klassen dazwischen, und wir werden 0:5 verlieren. Genau wie im Viertelfinale gegen Bremen.
Vor einigen Jahren eilte ich mal über die Reeperbahn nach Hause, als ich gegenüber vom Herz von St. Pauli auf die Bayernspieler Mehmet Scholl und Thorsten Fink stieß. Beide schlenderten gelassen übers Trottoir, und ich verlangsamte ebenfalls meinen Schritt auf Schlenderniveau, um ihre Körpersprache besser studieren zu können. Beide waren winzig, Bübchen geradezu. Zum Umpusten. Wie hatten sie je den Weg in die Nationalmannschaft finden können? Lässig die Hände in den Jeanstaschen vergraben, die Freizeithemden locker überm Gürtel, schnackten sie miteinander, ohne den sündigen Verlockungen mehr als flüchtige Blicke zu schenken.
Dabei hat Fink durchaus Bedürfnisse. Als er mal gefragt wurde, warum er seinen Gegenspieler soeben auf den Mund geküsst habe, sagte er: „Ich war wohl zu lange im Trainingslager.“ Eine Andeutung, die zugleich den sprunghaften Anstieg homosexueller Aktivitäten in Gefängnissen zu erklären in der Lage ist. Fußballer sind eben doch nicht zwangsläufig grenzdebil, und der alte Spruch „Dumm kickt gut“ stimmt längst nicht mehr.
Mittwoch. Noch zwei Tage. Leider wird es für mich und Ms. Columbo – im Gegensatz zu Andreas – nur ein Fernsehabend. Wenn es warm genug ist, öffnen wir aber die Balkontür, damit ab und zu ein „You’ll never walk alone“ hereinweht. Mal sehen, ob der Franke es wagt, sich zu uns zu gesellen. Er verficht nämlich die Theorie, zweierlei brächte seinen Bayern Unglück: wenn er sich a) während des Spiels kaubare Nahrungsmittel zuführe und b) eine Liveübertragung in unserem Wohnzimmer verfolge.
Es gibt in der Tat mehrere empirische Indizien für die Stichhaltigkeit dieser These, so dass ich alles daransetzen werde, ihn nach vergangenem Samstag (Bayern verlor 0:3 in Bremen) erneut auf den Kiez zu lotsen.
Sein Dilemma: Wenn er nicht käme, sähe es so aus, als plagten ihn echte Zweifel an einem klaren Sieg seiner Goliaths (inklusive Titanchen) gegen meinen kleinen Stadtteilclub. Und das wäre ja wirklich zu peinlich.
Prognose: Er wird kommen – aber zur Sicherheit während des Spiels nichts essen. Nicht mal das mit vorsorglicher Heimtücke in Frankennähe platzierte Studentenfutter.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Verbindung zum FC St. Pauli
1. „Song 2“ von Blur
2. „Hells bells“ von AC/DC
3. „You’ll never walk alone“ von Gerry & The Pacemakers
Als die Bayern das letzte Mal in einem Pflichtspiel hier antraten (nämlich am 6. Februar 2002), war St. Pauli noch in der ersten Liga, wenngleich auf Platz 18, gewann gleichwohl 2:1 und wurde so zum Weltpokalsiegerbesieger. Inzwischen liegen zwei Klassen dazwischen, und wir werden 0:5 verlieren. Genau wie im Viertelfinale gegen Bremen.
Vor einigen Jahren eilte ich mal über die Reeperbahn nach Hause, als ich gegenüber vom Herz von St. Pauli auf die Bayernspieler Mehmet Scholl und Thorsten Fink stieß. Beide schlenderten gelassen übers Trottoir, und ich verlangsamte ebenfalls meinen Schritt auf Schlenderniveau, um ihre Körpersprache besser studieren zu können. Beide waren winzig, Bübchen geradezu. Zum Umpusten. Wie hatten sie je den Weg in die Nationalmannschaft finden können? Lässig die Hände in den Jeanstaschen vergraben, die Freizeithemden locker überm Gürtel, schnackten sie miteinander, ohne den sündigen Verlockungen mehr als flüchtige Blicke zu schenken.
Dabei hat Fink durchaus Bedürfnisse. Als er mal gefragt wurde, warum er seinen Gegenspieler soeben auf den Mund geküsst habe, sagte er: „Ich war wohl zu lange im Trainingslager.“ Eine Andeutung, die zugleich den sprunghaften Anstieg homosexueller Aktivitäten in Gefängnissen zu erklären in der Lage ist. Fußballer sind eben doch nicht zwangsläufig grenzdebil, und der alte Spruch „Dumm kickt gut“ stimmt längst nicht mehr.
Mittwoch. Noch zwei Tage. Leider wird es für mich und Ms. Columbo – im Gegensatz zu Andreas – nur ein Fernsehabend. Wenn es warm genug ist, öffnen wir aber die Balkontür, damit ab und zu ein „You’ll never walk alone“ hereinweht. Mal sehen, ob der Franke es wagt, sich zu uns zu gesellen. Er verficht nämlich die Theorie, zweierlei brächte seinen Bayern Unglück: wenn er sich a) während des Spiels kaubare Nahrungsmittel zuführe und b) eine Liveübertragung in unserem Wohnzimmer verfolge.
Es gibt in der Tat mehrere empirische Indizien für die Stichhaltigkeit dieser These, so dass ich alles daransetzen werde, ihn nach vergangenem Samstag (Bayern verlor 0:3 in Bremen) erneut auf den Kiez zu lotsen.
Sein Dilemma: Wenn er nicht käme, sähe es so aus, als plagten ihn echte Zweifel an einem klaren Sieg seiner Goliaths (inklusive Titanchen) gegen meinen kleinen Stadtteilclub. Und das wäre ja wirklich zu peinlich.
Prognose: Er wird kommen – aber zur Sicherheit während des Spiels nichts essen. Nicht mal das mit vorsorglicher Heimtücke in Frankennähe platzierte Studentenfutter.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Verbindung zum FC St. Pauli
1. „Song 2“ von Blur
2. „Hells bells“ von AC/DC
3. „You’ll never walk alone“ von Gerry & The Pacemakers
19 Februar 2006
Der geschädigte Mittelstand
Zu meiner insgeheimen Erleichterung erschien Lyssa zu unserem Treffen im Absurd mit völlig heilen Knochen, obwohl sie vorher in Planten und Blomen unter abenteuerlichen Umständen Eislaufen war. Mir wäre ein unbeschadetes Davonkommen keinesfalls gelungen.
In den folgenden Stunden verplauderten wir uns ziemlich, und zwar zuungunsten des sanktpaulianischen Mittelstandes: Sowohl Käse-Renate als auch Gemüse-Thorsten, die ich und mein Hackenporsche eigentlich aufsuchen wollten, hatten nämlich bereits geschlossen.
Lyssa erbot sich honorigerweise, gegenüber Ms. Columbo die komplette Schuld an meiner käse- und gemüselosen Heimkehr auf sich zu nehmen, doch ich lehnte entrüstet ab und befriedete stattdessen die Situation präventiv und problemlos mit einem Grillhähnchen von Freddy. Jetzt, zwei Tage nach dem Mahl, zeigen wir noch immer keinerlei Grippesymptome.
Heute reiche ich ein überfälliges Foto des letztwöchigen Konzerts von TempEau im Knust nach – einfach, weil noch nicht ausreichend gewürdigt wurde, wie diese kleine große Band die ehrenvolle Schlappe bei Stefan Raabs Bundesvision Songcontest (Platz 12) weggesteckt hat.
Statt danach in Sack und Asche zu gehen, ließen sich Jan Plewka (Hut) und Marek Harloff (Hände) von sechs Sargträgern auf einer Holzpalette durchs Knust schaukeln und taten so ironisch glorios, als seien sie die Könige der Welt. Ein schöner Tag.
Der am 16. 2. ausgelobte Privatsampler ging jetzt doch noch weg, und zwar an Opa Edi. Lösung war weder St. Pauli Theater, noch Altonaer Rathaus, sondern: Tivoli.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs, die ich auf Opa Edis Sampler packen werde
1. „Valley of the morning sun“ von Kendra Smith
2. „Exodus damage“ von John Vanderslice
3. „Losing my religion“ von Makrosoft
In den folgenden Stunden verplauderten wir uns ziemlich, und zwar zuungunsten des sanktpaulianischen Mittelstandes: Sowohl Käse-Renate als auch Gemüse-Thorsten, die ich und mein Hackenporsche eigentlich aufsuchen wollten, hatten nämlich bereits geschlossen.
Lyssa erbot sich honorigerweise, gegenüber Ms. Columbo die komplette Schuld an meiner käse- und gemüselosen Heimkehr auf sich zu nehmen, doch ich lehnte entrüstet ab und befriedete stattdessen die Situation präventiv und problemlos mit einem Grillhähnchen von Freddy. Jetzt, zwei Tage nach dem Mahl, zeigen wir noch immer keinerlei Grippesymptome.
Heute reiche ich ein überfälliges Foto des letztwöchigen Konzerts von TempEau im Knust nach – einfach, weil noch nicht ausreichend gewürdigt wurde, wie diese kleine große Band die ehrenvolle Schlappe bei Stefan Raabs Bundesvision Songcontest (Platz 12) weggesteckt hat.
Statt danach in Sack und Asche zu gehen, ließen sich Jan Plewka (Hut) und Marek Harloff (Hände) von sechs Sargträgern auf einer Holzpalette durchs Knust schaukeln und taten so ironisch glorios, als seien sie die Könige der Welt. Ein schöner Tag.
Der am 16. 2. ausgelobte Privatsampler ging jetzt doch noch weg, und zwar an Opa Edi. Lösung war weder St. Pauli Theater, noch Altonaer Rathaus, sondern: Tivoli.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs, die ich auf Opa Edis Sampler packen werde
1. „Valley of the morning sun“ von Kendra Smith
2. „Exodus damage“ von John Vanderslice
3. „Losing my religion“ von Makrosoft
21 Januar 2006
Der Tag der Pannen
Zu meinem großen Bedauern scheiterte das für heute Nachmittag geplante Kaffeekränzchen mit Lyssa in letzter Minute – und zwar an einem Jack-Russell-Terrier. Die blutigen Details gibt es möglicherweise bald in ihrem Blog. Behaltet ihn im Auge. Nicht nur deswegen.
Heute war eh ein Tag der Pannen. Auf dem Weg zu Edeka muss ich geschlafwandelt haben, denn ich fand mich plötzlich in unserer Stammbäckerei wieder, wo man überrascht auf meinen Besuch reagierte. Normalerweise tauche ich dort nämlich erst sonntags auf. Auch ich war verdattert, überspielte die Situation aber, wie ich finde, probat: mit dem Kauf von vier Brötchen. Das waren zwar zu viele, denn von gestern war noch eins übrig. Aber manche Notlagen lassen sich eben nicht bis ins letzte Detail meistern. Ich fand mich im Rückblick zufriedenstellend.
Auch im Käseladen geschah Ungewöhnliches. Ich sah mich nämlich gezwungen, Renate ein unbefristetes Hartkäsemoratorium anzukündigen, weil die aus Little Italy (vulgo Wolfsburg) eingetroffenen Vorräte mindestens bis Ostern 2007 reichen werden.
Wenige Meter weiter beim Gemüse- und Obsthändler Thorsten gab es zum wiederholten Male keine Kräutersaitlinge, eine Pilzart, die wir sehr schätzen gelernt haben. Thorsten versicherte glaubhaft, auf dem Großmarkt durchaus meiner Vorlieben gedacht, indes keine adäquaten Saitlinge gesichtet zu haben, sondern nur unansehnliche. Und wenn er das schon fände, dann ja wohl auch ich, als Kunde.
Bei Thorsten nämlich bin ich, der Kunde, wirklich König, selbst wenn meine Residenz manchmal was von einem Luftschloss hat. Thorsten ist ein hinterm Tresen ergrauter, irgendwie öko wirkender Höflichkeitsfetischist alter Schule. Sein stets während der Wechselgeldübergabe mit einer kleinen Verbeugung vorgebrachtes „Freut mich, dass Sie da waren“ und „Beehren Sie mich wieder“ verliert mit der Zeit allerdings ein wenig an Charme.
Dennoch spielen seine geduldig schlangestehenden Kunden das Spielchen amüsiert mit; immerhin ist seine Ware spitze. Und innerlich schmunzelnd genießen wir Thorstens kleine Inszenierungen. So holt er nicht etwa einfach die zwei gewünschten Raukebündel aus der Kiste, sondern dreht jedes dreimal kritisch um, beäugt es stirnrunzelnd von Nord bis Süd und legt es dann mit sanfter Missbilligung beiseite, um sich für ein anderes, vermeintlich besseres zu entscheiden.
Der überübernächste Kunde bekommt dann natürlich doch das beiseite gelegte, klar. Aber Thorstens kleine Königsrunde fühlt sich umhegt und umsorgt. Das alles führt dazu, dass die Schlange sich im Tempo eines Alpengletschers vorwärts bewegt. Doch Thorsten ist das egal. Er hat nur Augen und Ohren für den Kunden, der gerade dran ist; den hofiert er, als gäbe es kein Morgen und vor allem kein Ladenschlussgesetz.
Abends Geburtstagsparty in Ottensen, wo uns die abgebildete katholische Schule scheu ihr anmutiges Antlitz entgegenwandte. Auch hier Pannen: Von drei Fotos gelang nur eins. Wenigstens.
Ex cathedra: Die Top 3 der größten Gitarrenhymnen aller Zeiten
1. „Like a hurricane“ von Neil Young
2. „Broken chairs“ von Built To Spill
3. „The errors of my ways“ von Wishbone Ash
Heute war eh ein Tag der Pannen. Auf dem Weg zu Edeka muss ich geschlafwandelt haben, denn ich fand mich plötzlich in unserer Stammbäckerei wieder, wo man überrascht auf meinen Besuch reagierte. Normalerweise tauche ich dort nämlich erst sonntags auf. Auch ich war verdattert, überspielte die Situation aber, wie ich finde, probat: mit dem Kauf von vier Brötchen. Das waren zwar zu viele, denn von gestern war noch eins übrig. Aber manche Notlagen lassen sich eben nicht bis ins letzte Detail meistern. Ich fand mich im Rückblick zufriedenstellend.
Auch im Käseladen geschah Ungewöhnliches. Ich sah mich nämlich gezwungen, Renate ein unbefristetes Hartkäsemoratorium anzukündigen, weil die aus Little Italy (vulgo Wolfsburg) eingetroffenen Vorräte mindestens bis Ostern 2007 reichen werden.
Wenige Meter weiter beim Gemüse- und Obsthändler Thorsten gab es zum wiederholten Male keine Kräutersaitlinge, eine Pilzart, die wir sehr schätzen gelernt haben. Thorsten versicherte glaubhaft, auf dem Großmarkt durchaus meiner Vorlieben gedacht, indes keine adäquaten Saitlinge gesichtet zu haben, sondern nur unansehnliche. Und wenn er das schon fände, dann ja wohl auch ich, als Kunde.
Bei Thorsten nämlich bin ich, der Kunde, wirklich König, selbst wenn meine Residenz manchmal was von einem Luftschloss hat. Thorsten ist ein hinterm Tresen ergrauter, irgendwie öko wirkender Höflichkeitsfetischist alter Schule. Sein stets während der Wechselgeldübergabe mit einer kleinen Verbeugung vorgebrachtes „Freut mich, dass Sie da waren“ und „Beehren Sie mich wieder“ verliert mit der Zeit allerdings ein wenig an Charme.
Dennoch spielen seine geduldig schlangestehenden Kunden das Spielchen amüsiert mit; immerhin ist seine Ware spitze. Und innerlich schmunzelnd genießen wir Thorstens kleine Inszenierungen. So holt er nicht etwa einfach die zwei gewünschten Raukebündel aus der Kiste, sondern dreht jedes dreimal kritisch um, beäugt es stirnrunzelnd von Nord bis Süd und legt es dann mit sanfter Missbilligung beiseite, um sich für ein anderes, vermeintlich besseres zu entscheiden.
Der überübernächste Kunde bekommt dann natürlich doch das beiseite gelegte, klar. Aber Thorstens kleine Königsrunde fühlt sich umhegt und umsorgt. Das alles führt dazu, dass die Schlange sich im Tempo eines Alpengletschers vorwärts bewegt. Doch Thorsten ist das egal. Er hat nur Augen und Ohren für den Kunden, der gerade dran ist; den hofiert er, als gäbe es kein Morgen und vor allem kein Ladenschlussgesetz.
Abends Geburtstagsparty in Ottensen, wo uns die abgebildete katholische Schule scheu ihr anmutiges Antlitz entgegenwandte. Auch hier Pannen: Von drei Fotos gelang nur eins. Wenigstens.
Ex cathedra: Die Top 3 der größten Gitarrenhymnen aller Zeiten
1. „Like a hurricane“ von Neil Young
2. „Broken chairs“ von Built To Spill
3. „The errors of my ways“ von Wishbone Ash
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