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23 Oktober 2015

Fundstücke (207)


Bedauerlicherweise sehen wir hier den typischen Verlauf eines Hamburger Fahrradwegs. Das Beweisfoto entstand heute Nachmittag am Neuen Kamp in St. Pauli.

Beim sinnierenden Betrachten wird unmittelbar evident, warum auch ohne allgemeine Helmpflicht ein Kopfschutz dringend angeraten ist. 

06 August 2015

Dunkelgrün ist die Hoffnung



Dieses Schaubild stammt von der Generali-Versicherung. Es zeigt die Verteilung von Fahrraddiebstählen in Hamburg. Je dunkelgrüner, desto mehr. St. Pauli ist ausgesprochen dunkelgrün.

Hier auf dem Kiez wird laut Generali im Lauf von zehn Jahren jedes zehnte Rad geklaut. Darüber kann ich natürlich nur lachen. In zehn Jahren gehe ich im Schnitt dreier Räder verlustig; das sind alle, die ich habe, und entspricht somit einer Quote von hundert Prozent.

Als mir meine Insuranz, die in dieser Beziehung bestürzend wankelmütige Zürich Versicherung, das letzte empörenderweise nicht mehr ersetzen wollte, kündigte ich sofort lauthals zeternd den Vertrag. Das erleichterte Aufatmen der Zürich, mich endlich los zu sein, wehte behende über die Alpen nordwärts und war noch hier in St. Pauli als linder Windhauch spürbar.

Meine Konsequenz aus diesem unablässigen Geschröpftwerden durch Diebsgesindel ist seit Jahren die, dass ich mir immer billigere Räder anschaffe. Das aktuelle ist ein gefühlt zentnerschwerer Trumm mit Stoßdämpfer und hat mich auf dem Schlachthofflohmarkt verkraftbare 50 Euro gekostet.

Als ich es zum türkischen Händler meines Vertrauens brachte, um es auf ein alltagstaugliches Niveau bringen zu lassen, runzelte er spontan sorgenumwölkt und auch missbilligend die Stirn. „Farrat scheiße“, beschied mir der grundehrliche Mann ohne den geringsten Versuch, seine Einschätzung zu beschönigen. „Immä Propläm.“
 
Ich fühlte mich natürlich ordnungsgemäß schlecht; immerhin hatte ich das Rad nicht bei ihm gekauft wie schon mehrfach in der Vergangenheit. Doch sein Preisniveau startet eben erst bei 250 Euro, und für das nächste Fahrrad, das ich mir im dunkelgrünen St. Pauli klauen lassen möchte, ist das letztlich einfach ein zu hoher Preis.

Unter Protestgemurmel nahm er den Auftrag schließlich an und brachte es auf Vordermann. Ich besorgte mir für den doppelten Fahrradpreis ein Schloss, das angeblich auch einer Flex oder zumindest einem Atomkrieg standhält, und jetzt walze und schaukle (Stoßdämpfer!) ich mit dem zentnerschweren Trumm gar nicht mal so unzufrieden durch Hamburg. In die Wohnung trage ich es natürlich nicht hoch; dafür bräuchte ich Möbelpacker.

Meine Hoffnung, dass ein Fahrraddieb es mustert und denkt „Farrat scheiße, immä Propläm“, ist übrigens grün. Dunkelgrün.


Grafik: Generali




13 Mai 2015

Aller schlechten Dinge sind sieben

Fahrraddiebstahl Nummer sieben. Statistisch etwas verfrüht, denn ich hatte das Rad erst seit 18 Monaten, und im Schnitt wird es mir immer erst nach ungefähr zweieinhalb Jahren entwendet.

Als ich heute Morgen meine geliebte Gazelle vom Laternenmast losschnallen wollte, fand ich jedenfalls nur noch das durchschnittene Kettenschloss vor. Achtlos war es auf dem Gehweg zurückgelassen worden.

So weit, so üblich, doch etwas war anders, etwas Irritierendes: Auch der Fahrradständer lag dort, mit einem sauberen Schnitt durchtrennt. Warum schneidet jemand, der ein Rad stiehlt, den Ständer ab und legt ihn neben das Schloss? Was möchte mir der Dieb damit sagen? Ist das so etwas wie eine Kastrationsfantasie? Oder gar -androhung?

Das steht ernsthaft zu befürchten. Wahrscheinlich muss ich umziehen, um diesem Schicksal zu entgehen. Denn was bitte soll man ausgerechnet in St. Pauli anfangen ohne Ständer?

Wer das abgebildete Fahrrad irgendwo herumstehen sieht, und sei es in Polen oder Portugal: bitte melden. 

07 August 2014

Geleert statt gefüllt

Da lässt man einmal, EINMAL! sein Fahrrad über Nacht draußen statt im Hausflur stehen, und sofort fallen die walking dead vom Kiez darüber her. 

Heute Morgen fand ich die beiden Satteltaschen durchwühlt vor. Daraus verschwunden waren ein – zugegeben – fahrlässigerweise dort drin deponiertes Billigbügelschloss vom Flohmarkt und eine verschwitzte Schirmmütze in unmodischem Olivgrün. 

Wie bloß muss jemand ticken, frage ich mich hoffentlich auch für Sie nachvollziehbar, um ein Bügelschloss ohne (!) Schlüssel und eine gebrauchte Mütze zu klauen? Also ich kenne die Antwort nicht. Nicht mal im Ansatz.

Meine heimliche Befürchtung war stattdessen immer, dass jemand die Fahrradsatteltaschen eher füllen statt leeren könnte. Zum Beispiel mit Nahrungsmittelresten oder – schlimmer –  Körperflüssigkeiten. „Keine Sorge“, tröstet mich Ms. Columbo, „das kommt alles noch.“ 

Das denke ich auch. Wozu leben wir auf St. Pauli?

12 Juli 2014

Fundstücke (193)


Keine Ahnung, ob ein im Sattel steckender (gebrauchter!) Zahnstocher ein effektiver Schutz vor Fahrraddieben ist, aber eins ist sicher: 

Wer immer sich das Rad aneignet und damit flieht – übersehen sollte er dieses Detail besser nicht.

Entdeckt in der Seilerstraße.

04 Juni 2014

Ich hatte Grün!


Direkt hinterm Lessingtunnel war meine Radfahrt unversehens zu Ende, und zwar sehr abrupt. Eine Frau in meinem Alter – Psychotherapeutin, wie ich nur wenige Minuten später unter unschönen Umständen erfahren sollte – wollte von der Gegenspur aus abbiegen und nahm mich und mein Fahrrad gepflegt auf die Hörner. 

Ich versuchte nach rechts auszuweichen, doch es war nix mehr zu machen. Mir gelang noch irgendwie eine halbe Körperdrehung, dann donnerte ich ihr gegen Tür und halb auf die Kühlerhaube, zerdepperte dabei ihren Seitenspiegel, fabrizierte – ich glaube, mit dem Ellenbogen – eine Beule im oberen Kotflügel und krachte dann auf den Asphalt, mit dem linken Glutaeus maximus, aber wenigstens nicht mit dem (unbehelmten) Kopf voraus. 

Dort saß ich erst mal und musste mich neu sortieren. Alles schien noch halbwegs an der richtigen Stelle verblieben zu sein. Rasch umringten mich viele Leute, einige riefen die Polizei, andere den Notarzt, die Psychotherapeutin beugte sich über mich. 

„Aber ich hatte doch Grün!“, war das erste, was mir zu sagen einfiel, und das war die reine Wahrheit, wenngleich leicht kontaminiert mit Vorwurf und einem Gran Empörung. Kurz danach entfaltete die bergende Bürokratie der deutschen Unfallerfassungs- und -bewältigungsmaschinerie ihre beeindruckende Schlagkraft. 

Ich tatterte am Arm eines Fachmanns Richtung Notarztwagen, während mein Hintern allmählich Kim-Kardashian-artige Ausmaße annahm (allerdings – aus geschilderten Gründen – auf recht asymmetrische Weise), Polizisten mit Kameras dokumentierten jedes Detail, Papierkram wurde routiniert erledigt. Inzwischen staute sich der Verkehr wahrscheinlich runter bis zur Elbchaussee, denn alle Beweismittel mussten natürlich erst mal auf der Kreuzung liegenbleiben. 

Die Psychotherapeutin bewies auch in dieser Krisensituation eine Ruhe und Contenance, die sie zweifellos ihrer langjährigen Berufserfahrung entwrang. Sie gab alles zu, erkundigte sich nach meinem Wohlbefinden und lenkte das persönliche Gespräch behutsam weg von der doch nicht ganz optimalen Situation hier am Lessingtunnel („Was machen Sie eigentlich beruflich?“).

Inzwischen bin ich wieder zu Hause, betrachte die Schürfwunden und kühle den Glutaeus maximus mit Kompressen. 90 Tage, sagte der Polizist, der meine Aussage („Sie sind nämlich Zeuge“) aufnahm, hätte ich nunmehr Zeit, Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen meine einfühlsame Kontrahentin zu erstatten. 

Mehr Gedanken mache ich mir momentan allerdings darüber, ob hinfort nicht doch ein Fahrradhelm mein kahles Haupt zieren sollte.

Es war nämlich – wie schon hier und da – mal wieder verdammt knapp.

PS: Das Foto oben habe ich übrigens noch im Sitzen gemacht. Sage einer, Kriegsdienstverweigerer (wenn Sie sich noch an diesen Adelstitel erinnern können) seien nicht pflichtbewusst.

10 Oktober 2013

Cholerisch auf der Davidwache


Kaum etwas auf der Welt wirkt leerer als eine Wand mit metallenem Handlauf, von dem das morgens mit einer 40-Euro-Abus-Kette ordnungsgemäß gesicherte Fahrrad brutal abgeschnitten wurde. Laufen die Diebe neuerdings etwa mit einer ausgewachsenen Flex durch die Zeisehallen?

Abends stehe ich also mal wieder – zum inzwischen sechsten Mal – auf der Davidwache vorm Tresen und melde einen Fahrraddiebstahl. Doch bevor ich dran bin, muss ich mir das Elend der Leute vor mir in der Schlange anhören. Einem ist ein Rucksack mit allem Wichtigen drin gestohlen worden, und jetzt ist er derart aufgebracht, als hätten ihn die Ordnungshüter höchstselbst ums Eigentum gebracht.

Als der Polizist ihn bittet, ein Formular auszufüllen, fängt er an herumzubrüllen. „Hier sind doch die Kopien, da steht alles drauf!“, schreit er und klatscht mit den Händen auf die Vielzahl der Dokumente, die er auf dem Davidwachentresen ausgebreitet hat. „Warum soll ich das auch noch ausfüllen?“

Die beruhigenden Worte des anscheinend psychologisch geschulten Davidwächters verfehlen in der Folge komplett ihre Wirkung. Sie scheinen eher an der Eskalationsschraube zu drehen, wenn man die Reaktion des tobenden Wichtels vorm Tresen als Maßstab nimmt.

Mit rudernden Armen rafft der Choleriker seine kopierten Dokumente zusammen, ruft was von „Gehe jetzt zur Kripo! Mir reicht’s!“ und dampft ab wie ein Bulle nach der Nasenring-OP. Etwa eine Viertelstunde später – ich bin noch mitten in der Anzeigenaufnahme mit dem buddhaesken Polizisten – fliegt die Tür auf und der Giftzwerg wieder herein.

„Morgen früh ruf ich die Kripo an!“, brüllt er, als sei das etwas Neues für uns. „Ich nehm mir einen Anwalt! Und Sie werden versetzt!“ Er donnert die Fäuste auf den Tresen. Offenbar ist er erst draußen so richtig auf Betriebstemperatur gekommen.

„Sie sitzen nicht mehr lange auf diesem Stuhl“, schäumt er, „dafür werde ich sorgen! Das geht hoch bis nach Karlsruhe!“ Und weg ist er.

Zum ersten Mal in meinem Leben muss ich gemeinsam mit einem Polizisten losprusten. Aus dem Treppenhaus weht derweil noch ein abschließendes „Arschloch!“ zu uns herein. Der Polizist sitzt fein lächelnd vor seinem Computer und tippt die Rahmennummer meines Fahrrads in die Eingabemaske.

„Ich glaube, ich werde mal darauf verzichten, ihn wegen Beleidigung anzuzeigen.“ Ich stimme ihm zu. „Der liebe Gott muss dumme Menschen furchtbar lieb haben“, sagt er, „sonst hätt er nicht so viele davon gemacht.“ Mit diesem Schlusswort kann ich auch als Atheist gut leben.


Übrigens: Wer dieses Fahrrad – ein dunkelgrünes 28er Batavus Winner mit Dreigangschaltung und einem viel zu früh blockierenden Rücktritt – zufällig irgendwo herumstehen sieht, möge mich bitte konspirativ benachrichtigen. Danke.


21 Januar 2013

Nase zu und durch

Die Vogelschar, die sich mitten auf der Seilerstraße an irgendeinem Leckerli gütlich tut, muss aufgemischt werden.

Mit dem Fahrrad lässt es sich hervorragend mit Karacho hineinsteuern in dieses Gefiedergewirr, so dass alles lustig auseinanderstiebt, die Tauben und die Möwen.

Beim Durchbrettern wird indes bestürzend deutlich, woran die Vögel sich so interessiert labten: an einer sonntagsmorgens auf den meisten Kiezstraßen handelsüblichen kapitalen Kotzlache. Bremsen oder Ausweichen ist nicht mehr drin, es heißt Nase zu und durch.

Immerhin hat mir das eine sehr gute Begründung dafür verschafft, etwas nicht zu tun, das ich eh nur sehr selten getan habe, aber nur aus Faulheit: das Fahrrad im Haus unterzustellen.

Ich möchte übrigens nie mehr in einer Stadt leben, wo es keine Möwen gibt. Habe ich das schon mal gesagt?


15 Oktober 2012

Um elf Cent reicher

Das Fahrrad immer draußen vor unserem Haus anzuschließen, führt nicht nur dazu, dass es regelmäßig – der Schnitt beträgt etwa drei Jahre – gestohlen wird. Erheblich öfter dient es als Ablagefläche, wobei Sattel und Gepäckträger ungefähr gleich oft die Leidtragenden sind.

Meist sind es Getränkebehälter, die halb oder ganz ausgetrunken auf meinem Fahrrad abgestellt werden. Neben Bierbüchsen fand ich auch schon mehrfach Plastikbecher mit gelblichen Flüssigkeiten vor, bei denen ich stets hoffte, es möge sich doch bitte um Limonade handeln. Überprüft habe ich es freilich nie, auch olfaktorisch nicht.

In Western oder Krimis der 70er hätte der breitkrempig behütete Held in einem solchen Fall die Augen zu Schlitzen verengt, einen Finger in den Becher getunkt, dann dran geleckt und gesagt: „Urin. Es ist Urin.“

Aber das hier ist das 21. Jahrhundert, wir sind auf St. Pauli, solche Sachen müssen unbedingt ungeklärt bleiben.

Halbaufgegessenes Fastfood ist ebenfalls eine beliebte Hinterlassenschaft, die mein Fahrrad geduldig aufbewahrt, bis Herrchen es morgens losschließt. Neulich lagen sogar mal zwei Münzen auf dem Sattel, ein 10- und ein 1-Cent-Stück. Herzlichen Dank.

Das neuste Geschenk vom Universum war ein grauer Wollschal von gar nicht mal unbescheidener Provenienz, der achtlos um den Lenker geschlungen war. Er schien mir ob seiner Qualität nicht geeignet für den nur wenige Meter entfernten Mülleimer, in den ich sonst alles entsorge, was ich auf dem Rad vorfinde (bis auf die elf Cent).

Deshalb fasste ich ihn mit spitzen Fingern an und drapierte ihn auf dem Lenker des Nachbarfahrrads. Dafür möchte ich mich hiermit unaufrichtig entschuldigen.


24 August 2012

Diese dummen Diebe



Die beiden schwarzen Plastikbänder da rechts am Fahrradlenker baumeln nutzlos in der Luft. Aus gutem Grund: Sie hielten bislang meinen Tacho in Position, und der wurde mir gerade geklaut.


Erstaunlicherweise
geschah das erst ein halbes Jahr nach seiner Befestigung, was nur einen Schluss zulässt: Die Hamburger Diebe leiden unter bestürzender Formschwäche.

Dafür spricht auch, dass der fürs Abmontieren Verantwortliche das Tachopendant am Vorderrad unangetastet ließ. Das ist ungefähr so clever, als klaute man nur einen Schuh.

Doch vielleicht, lieber Dieb, kann ich Sie über Ihr Versäumnis hinwegtrösten, indem ich Ihnen nachrufe, dass das Ensemble sich eh von Anfang an tapfer jedweder Inbetriebnahme gesperrt hatte. Vulgo: Die beiden blödsinnigen Billigteile (von Aldi, glaub ich) haben nie auch nur eine Sekunde lang funktioniert.

Und wozu überhaupt ein Tacho? Dafür habe ich schließlich Google Latitude. Kurz: Ich bin froh, dass er weg ist, der Schamott.

Leider nur zur Hälfte.


09 Juni 2012

Nicht (gut) fürn Arsch



Ein Wochenende in Berlin. Dr. K., immer für originelle Vorschläge gut, regt eine Tandemfahrt durch Kreuz- und Schöneberg an.

Zunächst müssen wir zwei Sechsjährige auf einem Kindergeburtstag abliefern und packen sie in den Anhänger. „Ihr werdet wirken wie ein schwules Paar mit Adoptivkindern“, schmunzelt Frau Dr. K. But so what?

Das pseudoschwule Pseudotandemfamilienidyll scheitert allerdings schon nach wenigen Kilometern an einem kapitalen Nagel, der den rechten Anhängerreifen zerfetzt und uns zum Laufen zwingt. Wir liefern die Mädchen ab, lassen den invaliden Anhänger an eine Stange gekettet zurück und radeln weiter.

Tandemfahren ist für Novizen etwas gewöhnungsbedürftig, auch als Beifahrer. Wenn ich mich auf den starren Handgriffen abstütze, sehe ich von der Gegend kaum mehr als den breiten Rücken eines Solarforschers. Und wenn ich mich zwecks besserer Aussicht freihändig aufrichte, leidet recht bald der Glutaeus maximus unter unschönen Verschleißerscheinungen.

Die Lösung: häufige Pausen. Espressotrinken. Eisessen. Über Flohmärkte schlendern. Auf einem davon die ersten beiden „Seinfeld“-Staffeln für 2,50 € erwischen und aus lauter schlechtem Schnäppchengewissen 50 Cent Trinkgeld drauflegen.

Nachts sitzen wir auf dem Balkon und sehen träge ein Ufo über den Himmel ziehen, während sich in der Ferne der Mercedesstern auf dem Europacenter dreht wie immer seit „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“.

Von drei Solarlampen in den Blumenkästen funktioniert nur eine – was wir beide als untolerables Manko im Haushalt eines Solarforschers einstufen. Mir tut dafür der Hintern weh. Ein Tribut ans Tandem. Ein lohnenswertes.

31 Mai 2012

„Ahhhhhhh!“



An der Endoklinik (Foto von 2008), wo St. Pauli friedfertig an Altona grenzt, ist schon seit langem eine Großbaustelle. Wir Radler müssen uns den Radweg seither mit den Fußgängern teilen, was immer wieder zu Konflikten führt.

Gestern auf dem feierabendlichen Heimweg passierte ich dort einen älteren Zausel, den ich nicht mal wegklingeln musste, weil er mir entgegenkam und mich heranrollen sah, als der urplötzlich auf mich zusprang, die Arme ausbreitete wie die Jesusstatue über Rio und „Ahhhhhhh!“ brüllte.

Dieses überraschend atavistische Verhalten hatte binnen einer Hundertstelsekunde eine fatale Wirkung auf meine Körperchemie. In meiner vollkommenen Arglosigkeit erschreckte ich mich derart, dass ich beinah rechts in den Bauzaun gebrettert wäre, und ich wette, der Zausel hat genau das beabsichtigt. Nach kurzem Schlingern vermochte ich mich allerdings auf dem Rad zu halten.

Ganz ohne das Zutun meiner Ratio, die sicherlich korrigierend eingegriffen hätte, murmelte ich im Weiterfahren übrigens ein unflätiges Wort aus der Sphäre des Fäkalen, für das ich mich als zivilisierter Mensch ordnungsgemäß schäme.

Falls der Primat hier mitliest: WAS IN DREITEUFELSNAMEN SOLLTE DAS?


14 April 2012

Ein Dieb macht meinen Job

In der Werkzeugkiste stieß ich unversehens auf eine batteriebetriebene LED-Fahrradlampe.

Vor langer Zeit hatte ich sie für ungefähr drei Euro auf einem polnisch geprägten Flohmarkt in einem Hamburger Randbezirk erworben und sodann vergessen. Jetzt sollte doch noch ihre Stunde kommen.

Da die Halteschiene fehlte, befestigte ich sie einfach mit Klebeband am Lenker. Mindestens achtmal umkreiste ich kreuz und quer die Stange und wickelte dabei gewiss einen ganzen Meter Band ab. Es sah grässlich aus, doch die Lampe saß bombenfest.

Pragmatismus, das gestehe ich freimütig, darf in meiner Welt immer mal wieder gern die Ästhetik in die Schranken weisen. Ich fuhr frohgemut los, die LEDs glitzerten lustig vor sich hin – und erloschen nach bereits zehn Minuten rückstandslos.

Warum? Weil ich begnadeter Vorausdenker es vorm Festkleben der Lampe versäumt hatte, die uralten Batterien auszutauschen. Ich war höchst verärgert – und gerade deshalb noch viel eher geneigt, mir nicht auch noch die Arbeit zu machen, die improvisierte Verschmelzung aus polnischer Billiglampe und Klebeband wieder mühsam zu dekonstruieren.

Also beschloss ich spontan, ein soziales Experiment zu starten und den Zeitraum zu messen, bis mir jemand unaufgefordert und freiwillig die Arbeit abnimmt. Heute kann ich sagen: Der Zeitraum beträgt exakt sechs Wochen.

Es muss ein ganz schönes Gefriemel und Gefrickel gewesen sein, das Konstrukt wieder abzubekommen – zumindest wenn man die traurig ins Leere ragenden Klebebandreste zum Maßstab nimmt.

Irgendetwas sagt mir übrigens, dass der unbekannte Samariter, der mir die Arbeit (und die Lampe) abgenommen hat, mit dem 3-Euro-Müll auch nicht glücklich wird. Aber das soll nicht meine Sorge sein.


PS: Das Foto zeigt übrigens die vorinstallierte dynamobetriebene Lampe, die mir merkwürdigerweise noch niemand je abmontiert hat. Wahrscheinlich, weil sie auf unschöne Weise die Arbeit des Tretens symbolisiert statt anstrengungsloses Leuchten. Irgendwie mag ich sie.


09 Februar 2012

Eindeutige Symptome von UMTS



Neulich las ich einen Bericht über sich signifikant häufende Unfälle durch unaufmerksame Smartphone-Benutzer, und heute versuchten mir gleich mehrere Passanten die Richtigkeit dieser Theorie zu beweisen.

Auf dem Weg zurück vom Fitnessstudio karriolten im Abstand von nur hundert Metern zwei selbstvergessene Männer schlingernd über den Fahrradweg. Sie litten augenscheinlich nicht unter Trunkenheit, sondern unter UMTS, also dem sogenannten
Urbanen Mobilfunkinduzierten TorkelSyndrom.

Das erkannte ich daran, dass sie auf ihren Handybildschirmen herumtippten, als gäbe es kein Morgen – und vor allem keine Radfahrer, denen sie in die Speichen laufen könnten. Wobei ich natürlich nicht ausschließen kann und will, dass beide Ursachen – Trunkenheit und UMTS – gemeinsam zu dieser auffälligen Symptomatik führten.

Als ich jeweils klingelte, reagierten die Erkrankten auf für dieses epidemische Leiden typische Weise, nämlich aufgeschreckt und völlig verwirrt. Schlagartig verspannte sich ihre komplette Muskulatur, sie sprangen von Spasmen durchzuckt zur Seite und blickten derart irr umher, als fänden sie sich unversehens in einem Paralleluniversum wieder.

Und so war es ja auch. Es gibt sogar einen Namen für dieses Paralleluniversum: Realität.

Letztlich passierte zwar nichts weiter, doch dieser Bericht von neulich, der erschien mir plötzlich noch mal so plausibel.

Danke, liebe Wissenschaft.

08 Februar 2012

Blutwurst oder Pilzrisotto



Drei Prozent aller Suchanfragen, die Menschen aus den Weiten des Internets an diesen kuscheligen Ort führen, bestehen aus der Trias „fahrrad geklaut reeperbahn“. Füttert man mit dieser Wortkombination wiederum Google, landet mein Blog bei den Ergebnissen auf Rang 7, zwei Plätze hinter bild.de.

Das alles riecht für Sie gewiss jetzt allerdeutlichst danach, als sei mein Fahrrad schon wieder gestohlen werden, doch das ist nicht der Fall. Im Gegenteil, es ist noch da.

Und nicht nur das: Weder die liebreizende Torpedo-3-Gang-Nabenschaltung noch die Bremsen sind auch nur minimalst eingefroren. Zur Belohnung für diese unerschütterliche Trutzigkeit bewege ich die treue Seele täglich unverdrossen durch den knackigen Hamburger Frost gen Büro und zurück.

Als ich vergangene Woche ein einziges Mal wegen eines akuten Anfalls von Einmummelphobie damit aussetzte und per S-Bahn anreiste, musste ich mir vom Franken ein begeistert hervorgebrülltes „DU WEICHEI!“ anhören, was er seither immer mal wieder hervorkramt, wenn ihm langweilig ist. Und das scheint recht oft der Fall zu sein.

Übrigens nennt er mich auch dann Weichei, wenn ich mir mittags im Voltaire – das tragischer- und unzumutbarerweise am 25. Februar dicht macht – Pilzrisotto bestelle. Dabei hatte ich vorsorglich und demonstrativ mit der angebotenen französischen Blutwurst kokettiert.

Apropos: Sucht man bei Google nach der Wortkombination „blutwurst reeperbahn“, landet dieses Blog bereits vor Veröffentlichung des vorliegenden Textes auf Platz 2, während von bild.de m-e-i-l-e-n-w-e-i-t nichts zu sehen ist.

Das macht mich fast ein wenig stolz.
Zum Glück aus unerfindlichen Gründen.

29 November 2011

Die Menschen sind schlecht



Der Franke hat an seinem Rad zunächst unter ungeklärten Umständen Tretlager und Gangschaltung gefetzt, alles dann für schmerzhafte 163 Euro reparieren und es sich direkt in der Nacht darauf klauen lassen.


Ein Schicksal, welches mich derart rührt, dass ich mir jeden Scherz darüber verkniffen habe, und ich finde, das sollte der Franke mir hoch anrechnen. Ich würde mich allerdings sehr wundern, wenn er das täte.

Jetzt stromern wir gemeinsam über den Schlachthofflohmarkt, um nach einem neuen Rad Ausschau zu halten. Der Franke aber ist unkonzentriert, denn er befindet sich in jenem Opfermodus, den ich auch schon fünfmal durchlaufen habe: Er scannt mit flackerndem Blick die Bestände sämtlicher Fahrradanbieter in der Hoffnung, sein eigenes darunter zu entdecken.

„Ich bin paranoid“, gibt er unumwunden zu – und auch, dass er überlegt hat, ganz Hamburg mit Plakaten zu pflastern, auf denen sein Fahrrad abgebildet ist sowie der putzige Spruch: „Ich kriege dich, du Dreckschwein!“

Traurig zeigt er mir stattdessen die Fotos seines verschollenen Lieblings, die er zufällig mit sich führt, und wäre jetzt das Dreckschwein von Dieb zugegen, er gäbe das Rad vor lauter Mitleid bestimmt freiwillig zurück.

Doch wir müssen nach vorne blicken, ganz generell, und ich mache mich spontan stark für ein ordentlich wirkendes TCM-Alurad (Foto), für das der Franke nach Händlerangaben 95 Euro latzen soll.

„Fahren Sie Probe!“, lockt der Verkäufer, als er den Franken zweifeln sieht – und schon
schwingt sich der Gebeutelte aufs Rad und karriolt damit munter davon. Der Händler will ihn noch stoppen, doch zu spät: Gäbe es hier Berge, der Franke wäre längst über alle.

„Keine Sorge, ich bleibe hier als Pfand“, beruhige ich den unruhigen Mann, der, wie sich herausstellt, zurecht besorgt dem entschwindenden Franken hinterherschaut, denn schon zweimal ist er Opfer unehrlicher Probefahrer geworden. Einmal, erzählt er mir (seiner Geisel) habe eine sympathisch wirkende Frau ihn betuppt.

„Sie war jung und charmant, sie sah harmlos aus“, sagt er, „wie eine Studentin.“ Er betont Studentin auf eine Weise, die ein verwunderliches Grundvertrauen in diese Spezies Mensch signalisiert, welches allerdings längst den Gang alles Irdischen gegangen ist.

Denn die junge Frau kam nicht wieder mit dem Rad, für das der Händler eigentlich 250 Euro haben wollte. Ein andermal ließ ein Probefahrer als Pfand eine Tasche da, die sich allerdings, nachdem er auf Nimmerwiedersehen geflohen war, als öd und leer entpuppt hatte.

Der Händler ist also ein gebranntes Kind. Er scheint daher entschlossen, so etwas nie mehr geschehen zu lassen, und sollte der Franke nicht zurückkehren, wird er mich zweifellos für den Rest meines Lebens Ketten ölen lassen.

Doch da kommt der unheilbar katholisch kontaminierte Würzburger auch schon wieder angeeiert, stellt das Rad ab und sagt: „Nein, doch nicht.“ Wie viel er denn geben würde statt der 95, fragt der Händler, und der Franke sagt „70“, und der Händler sagt: „Geht klar.“

Fast habe ich das Gefühl, als sollte nicht das Rad, sondern ich ausgelöst werden. Und so ganz falsch ist das ja auch nicht.

13 November 2011

Hundstage

Beim Anschließen des Fahrrads am Schlachthofflohmarkt passierte mir etwas, das zwar auf St. Pauli unablässig droht, dem ich aber seit vielen Jahren dank Disziplin, Daueralarmiertheit und wahrscheinlich auch viel Glück stets entgangen war: in die Hinterlassenschaft eines Hundes zu treten.

Die Sohlen meiner Straßenschuhe entpuppten sich als für diesen Fall optimal gerillt, und man sah mich in der Folge durch die Umgebung der Marktstraße streifen auf der Suche nach raren Rasenflächen, die ich zur Verwunderung von Passanten dann im Stile eines Skilangläufers überquerte. Sogar rückwärts.

Kurz: Es war ein Scheißtag – und ein später hämischer Kommentar des Schicksals zu einem anderen Tag vergangene Woche. Ich hatte mit dem Rad an einem Baum in der Großen Bergstraße gestoppt und, um nicht absteigen zu müssen (denn absteigen ist die Pest), den Fuß an einem Gitter abgestützt, welches rund um den Baum herum angebracht war.

Während ich irgendwas ins iPhone tippte – wahrscheinlich den Kalauertweet „Betreiber von Legebatterien: Eiertollahs“ – hörte ich plötzlich eine männliche Stimme etwas sagen, von dem mir nur die Worte „… Hundehaufen getreten …“ ins Bewusstsein drangen.

„Wie bitte“, fragte ich alarmiert den Mann, der inzwischen auf dem Rundgitter Platz genommen hatte, „ich habe in einen Hundehaufen getreten?“ Ich stieg ab und inspizierte die Sohle.

„Nein, ich habe gesagt: Hoffentlich haste nich in einen Hundehaufen getreten“, sagte der Mann, ein anscheinend bereits seit einigen Jahren verrenteter Grauschopf. „Das hier iss nämlich ’n Sitzplatz.“

„Oh …“, machte ich, „ich dachte, das wäre so eine Art … Baumschutz … Entschuldigung.“ Er grummelte irgendwas, und ich fuhr weiter.


Unterwegs überlegte ich, ob seine verklausulierte Form, mich auf mein Fehlverhalten hinzuweisen, vielleicht typisch deutsch sei, und kam zu dem Schluss: auf jeden Fall.

An all das musste ich jedenfalls heute wieder denken, als ich wie ein Skilangläufer über Rasenstücke rutschte, um die tiefen, gewundenen, scheißscheißegeeigneten Rillen meiner Straßenschuhe vom Hundekot zu befreien.

Dem Verklausulierer aus der Großen Bergstraße wäre gewiss ein zufriedenes „Siehste“ entfahren. Doch er wird es zum Glück nie erfahren.


PS: Das kongenialste Foto zu diesem Beitrag erspare ich Ihnen, zumal ich es auch gar nicht angefertigt habe. Stattdessen irgendwelche Hunde, die bemüht unbeteiligt in den Edekaladen in der Paul-Roosen-Straße starren. Sie gehören natürlich zum Kreis der Verdächtigen.


11 November 2011

Eine Frage der (Un-)Moral



„Hey, warte mal“, pfeife ich den Franken auf dem Weg zum Feierabendbier zurück, „ich habe da mal eine juristische Frage.“

Sie bezieht sich, wie der Franke nur wenige Sekunden später erläutert bekommt, auf die im ganzen Viertel flashmobartig verteilten Sattelmützen, ein Werbegag des Mercado. Mein Fahrrad wurde nicht bedacht, weil es in den Zeisehallen stand und nicht draußen; deshalb verfüge ich jetzt über keinen Überzug.

„Wenn jetzt der Besitzer dieses Fahrrads“, schildere ich dem Franken die Sachlage und zeige auf ein Fremdvelociped, neben dem ich meins gerade ankette, „noch gar nicht mitgekriegt hat, dass jemand seinem Rad eine Sattelmützte überzog, und ich sie jetzt abziehe, um sie meinem überzuziehen: Ist das dann Diebstahl?“

Der Franke ist keineswegs elektrisiert von dieser hochmoralischen Fragestellung, sondern reagiert darauf wie ein sibirischer Tiger, dem man mit einer gedünsteten Karotte vorm Maul herumwedelt. Ihn, den Franken, zieht es mit Macht zum Fassbier und weg von sophistischen Diskussionen über Recht und Moral in der Novemberkälte.

Also schließe ich vorläufig die Akte Sattelmütze, mein Fahrrad an den gleichen Pfosten wie das fremde und mich seufzend dem Franken an, der bereits ins Aurel vorgelaufen ist. Dort geht es hoch her und irgendwann um Monty Python’s.

Kramer erzählt von einem Gagvideo auf YouTube, das die Kritik, die einst nach der Veröffentlichung von „Das Leben des Brian“ aufbrandete, karikiert, in dem es sie umdreht. Im Video regt sich ein Plenum über dieses sogenannte Christentum auf, das ja ganz offenkundig eine Parodie auf „Das Leben des Brian“ sei. Dessen Hauptprophet Jesus Christus sei empörenderweise sogar mit den gleichen Initialen ausgestattet worden wie der heilige John Cleese!

Darauf noch ein Helles. „Ich habe den Sinn des Lebens für 5,99 € gekauft“, informiert uns der Monty-Python’s-kundige Franke. „War trotzdem überteuert – denn den gibt es gar nicht“, proste ich ihm heiter zu, und irgendwann heißt es aufbrechen.

Die beiden Fahrräder sind immer noch einträchtig zusammengebunden, eins davon hat einen rotleuchtenden Sattel.

Und so eins – ups – steht jetzt auch in der Seilerstraße auf St. Pauli.

30 Juni 2011

Die Zwiespältigkeit von Sattelmützen



Wie Sie bereits wissen, stehe ich Menschen, die mich mit Reklame behelligen, reserviert gegenüber. Neuerdings mache ich allerdings eine Ausnahme: bei Sattelbezügen.

Mit durchaus nicht nur klammheimlicher Freude fand ich vor einigen Wochen meinen Fahrradsitz mit einer Blau.de-Mütze überzogen vor. Gegenüber meiner üblichen Methode – mit Jackenärmeln trockenwischen – schien mir das einfache Abziehen eines durchnässten Bezugs ein deutlicher Fortschritt.

Unschön blieb dennoch die Tatsache, für ein Unternehmen zu werben, welches ich mal im Streit verlassen hatte – übrigens wegen Werbe-SMS, die es mir monatlich aufs Handy schickte, was ich nach einigen unschönen Telefonaten mit einer Kündigung sanktionierte.

Egal: Meine Blau.de-Sattelmützenbiografie war eh schon nach dem ersten richtigen Regenguss wieder am Ende. Ich hatte den triefenden Schutz abgezogen und ihn, wie ich glaubte, recht sicher unter den Gepäckträger geklemmt. Doch als ich zu Hause ankam, war er verschwunden. Wo bist du, kleiner Blau.de-Sattelbezug?

Meine Trauer um dieses so nützliche Accessoire war wie weggeblasen, als vergangene Woche sämtliche Fahrradsättel der Seilerstraße in leuchtendem Rot erstrahlten, darunter auch meiner. Es handelte sich um einen weiteren Bezug für lau, den arme Lohnsklaven anscheinend in nächtlicher Friemelarbeit hundertfach übergezogen hatten. (Jetzt können sie problemlos nach Uganda gehen und dort der ländlichen Bevölkerung die Handhabung von Kondomen vorführen, ich schwör.)

Eine feine Sache, das neue Teil, doch am beworbenen Produkt habe ich seither schwer zu schlucken. Ich, der ich mir gerade sämtliche Terrence-Malick-Filme auf DVD zugelegt habe, fahre nun also Werbung für den neuen „Werner“-Film. Für Bölkstoff statt Filmkunst.

Das ist außergewöhnlich unschön, lässt sich durch ein Umdrehen des Bezugs aber halbwegs kaschieren. Der Schriftzug schimmert trotzdem noch durch, wenigstens spiegelverkehrt. Allerdings protestiert das Ding, welches sich in seiner Reklamefunktion offenbar beeinträchtigt sieht, gegen diese Behandlung, indem es an den Nähten hämisch auszufransen beginnt. Irgendwas ist halt immer.

Hiermit fordere ich daher die Werbeindustrie auf, Fahrräder auf St. Pauli grundsätzlich nur mit Sattelmützen in neutralen Farben und ohne jegliche Aufschrift zu versehen, gerne auch nächtens von Lohnsklaven, so tolerant muss man schon sein.

Mit Hilfe sozialer Netzwerke (Stichwort: virale Werbung) könnte dann ja das so beworbene Objekt enttarnt werden, vielleicht sogar in Form einer Schnitzeljagd oder ähnlichem Kinderkram, und ich wäre natürlich auch bereit, es hier an dieser Stelle zu nennen. Einmal, ganz kurz.

Übrigens pressiert es ein wenig. Die „Werner“-Mütze franst wirklich ziemlich stark.


22 Juni 2011

Die turnusmäßige Pannenbeichte



Neulich erzählte mir eine Bekannte, sie müsse dringend ein neues Fahrrad anschaffen, da ihr altes nach jahrelanger Nichtnutzung quasi im Herumstehen verrottet sei und nichts daran mehr funktioniere, weder Gangschaltung noch Bremsen.

Interessant, antwortete ich. Die entscheidende Frage sei aber doch, fuhr ich süffisant fort, warum sie ihr Fahrrad überhaupt dank jahrelanger Nichtnutzung der Verrottung anheimgegeben habe.

Weil ihr Vater, antwortete sie mit leiser Stimme und musste schwer schlucken, jahrelang im Koma gelegen und sie in jeder freien Minute mit dem Auto zum Krankenhaus am Rande der Stadt habe fahren müssen.

Nun gut: Eine solche Falltür kann man praktisch nicht erkennen, bevor man mit Karacho hineintappt, daher mache ich mir letztlich keinen Vorwurf. Und doch war mir das Ganze recht peinlich.

Immerhin bin ich in Übung, denn solche Sachen passieren mir öfter. Die Geschichte mit der schwangeren Bekannten im Winterparka etwa, die ich fragte, wann es denn so weit sei, woraufhin mir der bisher irgendwie unsichtbar danebenstehende Kindsvater vorwurfsvoll das Baby vors Gesicht hielt, ist altgedienten Mitlesern (also seit 2006) längst bekannt, die wärme ich hier also nicht mehr auf.

Eine weitere blieb allerdings bislang noch unerzählt. Sie spielt in einem Restaurant, ich wollte Smalltalk machen und fragte eine mit am Tisch sitzende Frau, die Krücken dabei hatte: „Oh, haben Sie sich verletzt?“ „Nein“, sagte sie, „ich habe nur ein Bein.“

Wenn ich mich recht entsinne, versuchte ich erst gar nicht, die Situation zu retten, sondern guckte hoffentlich einfach nur mitfühlend melancholisch. Vielleicht aber auch wie ein Stück Weißbrot.

Das alles erzähle ich eigentlich gar nicht, um mich mal wieder per Blogbeichte von den wichtigsten Pannen der vergangenen Monate reinzuwaschen, sondern vor allem, um dieses ziemlich neue Foto einer formidablen Fahrradleiche loszuwerden, womit auch der Bogen zum Anfang dieses Eintrages mit beiläufiger Eleganz geschlagen wäre.

Der Kadaver hängt übrigens unterm U-Bahnhof Rödingsmarkt rum, falls ihn jemand weiter fleddern möchte.