22 September 2013

Die geschüttelte Unterhose

Unser Auto war vollgestopft mit Drogen. Nur ich wusste nichts davon.

Jörg, Micha und Frank waren nachsichtig mit mir gewesen an diesem Wochenende in Amsterdam, schließlich war ich Abstinenzler. Während ich brav mittaperte in Coffeeshops und Konzertclubs (John Martyn im Melkweg: ein zentrales Ereignis meines Lebens), erledigten sie auf den dortigen Toiletten wohl nicht nur die üblichen Geschäfte.

Als der Zoll uns auf der Rückfahrt rauswinkte, war ich ruhig wie ein Unschuldslamm. Schließlich war ich ja auch eins.

Zu dieser Zeit, 1981, gab es die Grenze zwischen Holland und Deutschland noch. Vier bärtige Zottel von Anfang 20, die gerade wohlgemut mit einem Alfa Romeo aus Amsterdam heranrauschten, wirkten damals auf deutsche Zöllner so harmlos wie Klaus Kinski in den Edgar-Wallace-Filmen.

Die Beamten, die ich heimlich mit meiner Kleinbildkamera durchs Fenster knipste, nahmen sich erst mal den Alfa vor. „Auseinandernehmen“ trifft es sogar noch besser. Sie zerlegten, schraubten ab und bogen auf, auch die Innenverkleidungen der Türen. Sogar die Radkappen montierten diese Superprofis ab.

Derweil wurden wir voneinander getrennt. Jeder musste einem Zöllner folgen. Ich landete in einem komplett gekachelten leeren Raum. Der Beamte stellte sich in etwa zwei Meter Abstand vor mich hin und sagte:

„So, jetzt ziehen Sie sich bitte aus. Und werfen Sie mir jedes Kleidungsstück einzeln zu. Außer der Unterhose. Die nur schütteln.“

Ich zog mich aus und warf ihm alles ordnungsgemäß rüber. Er betastete und knetete Schuhe, Strümpfe, Jacke, Hemd und Hosen sorgsam und legte sie beiseite. Und dann kam es zum Äußersten.

Ich, ein bärtiger, vor Aufregung zitternder Zottel, stand in einem gekachelten leeren Raum an der deutsch-holländischen Grenze splitternackt vor einem uniformierten Zollbeamten – und schüttelte meine Unterhose.

Es war grotesk, absurd, entwürdigend. Aber auch völlig ergebnislos.

Danach durfte ich mich wieder anziehen. Nach und nach trafen wir vier beim Alfa ein, alle um die Erfahrung dieser Prozedur reicher. Wir redeten kaum. Die Zöllner waren muffelig. Sie hatten keine Drogen gefunden.

Micha drehte den Zündschlüssel, der brave Alfa sprang an, langsam rollten wir vom Gelände – und dann löste sich die Spannung. Lachen, Kopfschütteln, Juchzen, aber ich war immer noch nicht im Bilde.

Bis Frank die Packung Tempotaschentücher aus dem Handschuhfach zog und grinsend die LSD-Plättchen zwischen den Papierlagen rauszog. Und Jörg unter den Beifahrersitz griff, wo er in seiner Panik einfach das Gras, die Hanfsamen und was weiß ich noch alles hingepfeffert hatte, als die Zöllner uns rauswinkten.

Nichts, nichts, nichts davon hatten diese Dilettanten gefunden – sondern sich stattdessen beim Abschrauben der Radkappen dreckige Flossen geholt. Es war zum Kringeln.

Was genau passiert wäre, wenn diese Leute keine Tomaten auf den Augen gehabt, sondern Drogenhunde dabeigehabt hätten: Ich habe da so eine Ahnung. Jörg, Micha und Frank jedenfalls versicherten mir, sie hätten mich im Bedarfsfall selbstverständlich rausgehalten. Ehrensache.

Am Wochenende war ich mal wieder in Amsterdam. In den Coffeeshops qualmten die Tüten wie immer. Wir tranken einen Espresso im Melkweg, wo John Martyn mir ein zentrales Ereignis meines Lebens beschert hatte – nur einen Tag bevor ich mich auf Anweisung eines wildfremden Mannes auszog und mit der Unterhose wedelte.

Die Erinnerung malt wirklich mit goldenem Pinsel, da hat Jan Plewka mal wieder recht.







10 Kommentare:

  1. John Martyn. Neid!! Um den Rest beneide ich Sie allerdings nicht.

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  2. Sie haben hoffentlich nicht nur mit der Unterhose vor sich herumgewedelt, sondern sie zünftig über den Kopf kreisen lassen. :p
    Edit: Böses Captcha, ganz böses captcha.

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  3. geschüttelt, nicht gerührt- immerhin!
    Ich war gradezu empört, als anno dazumal die Grenzer uns 5 junge, langhaarige Menschen im klassisch rostigen Kadett Kombi bei der Ausreise aus Holland nicht ganz so unschuldig einschätzten, wie wir (angestrengt) taten..

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  4. Es wird so 2001 gewesen sein, als ich nach der Arbeit spontan Lust auf etwas zu rauchen bekam. Die Preise in Enschede waren sehr gut, und so ließ ich mich verleiten gleich auf Vorrat einzukaufen - 2 Beutelchen mit zusammen etwa 25 Gramm Gras.
    Auf dem Rückweg machte ich kurz Pinkelpause auf dem ersten Rastplatz nach der Grenze, wo ich das Kraut aus meinen Schuhen holte und auf den Beifahrersitz warf - absolut sicher, dass so weit hinter der Grenze schon nichts mehr passieren würde, wenn bisher ja nichts passiert war.

    Der Teufel ist bekanntlich ein Eichhörnchen; kurz darauf - wieder auf der Autobahn - hatte ich Scheinwerfer im Rückspiegel, die mich kurz darauf überholten und sich vor mich setzten. Dann blinkte auch schon das freundliche "Bitte folgen" auf.

    Die folgende Kontrolle war recht unangenehm, es gelang mir jedoch den Schein zu wahren und eine - scheinbar auch glaubhafte - Geschichte über einen geschäftlichen Besuch in Amsterdam abzuliefern. Es folgte eine recht oberflächliche Durchsuchung meines Wagens und meiner Person.

    Nach einer Belehrung durfte ich wieder fahren.

    Seitdem warte ich mit dem Auspacken immer, bis ich wieder zu Hause bin. Es hat zwar geklappt, aber es ist doch recht aufregend bei Tempo 120 mit dem Arm durch die Lenkradspeichen zu greifen, die Schuhe auszuziehen, das Kraut zu verstauen und alles wieder anzuziehen, während man mit besagtem Arm die Spur hält.

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    1. Die Geschichte der deutschen Drogenfahndung scheint eine von Pleiten, Pech und Pannen zu sein.

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    2. Das gilt für die gesamte Drogenpolitik in Deutschland, speziell im Süden (Bayern...)

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    3. Das dürfte dann der Rastplatz "Waldseite" an der A30 gewesen sein. Da werden stets und ständig Kontrollen durchgeführt. In vielen Fällen mit Erfolg. Die 25-Gramm-Fraktion ist aber im Hinblick auf häufigere große Funde im Bereich von mehreren kg wohl nicht so interessant - vielleicht auch im Hinblick auf die zu erwartende Beurteilung des Sachverhaltes durch die Justiz. Wahrscheinlich wurde deshalb nicht genauer hingesehen.

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  5. Sowas ist mir auch passiert, allerdings mit schwer bewaffneten jungen Polizisten, in einem Motel nahe Saarbrücken, anno '78. Die Jungs in Uniform hatten mehr Angst als wir fünf junge Menschen, die es zwar lästig fanden, morgens um 6 nach einer kurzen Nachtruhe so unsanft geweckt zu werden, aber auch recht absurd, weil die ANGST der schwer bewaffneten Jungs so überdeutlich war. Ja, wir hatten lange Haare. Das machte uns wohl verdächtig. Dass wir am Abend zuvor von etwa 1000 Saarbrücker auif der Konzertbühne bejubelt wurden, wusste die Motel-Betreiberin, die die Polizei gerufen hatte (RAF!! RAF!!) natürlich nicht. Am Tresen lag nur die Blödzeitung.
    - Jeeves

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  6. Erinnert mich an einen Hollandtrip Ende der 80´er Jahre. Fahrzeug: Golf 1, ziemlich heruntergekommen. Passagiere: Zwei Personen, männlich, Anfang/Mitte 20. Natürlich wurden wir rausgewunken....

    Statt der Personalausweise haben wir den Grenzmuftis allerdings gleich unsere Truppenausweise unter die Nase gehalten: Leutnant + Oberleutnant. Eine gefühlte Nanosekunde später durften wir weiterfahren.

    Das Gras, was wir uns dann abends gegönnt haben, war beste Qualität aus Groningen....

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    1. Wenn Sie beim Bund waren, haben Sie zumindest nicht zottelig ausgesehen … ;)

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