13 April 2008

Vice und Versa



Hier sehen wir eine perfide, mit viel Gespür für Details aufgestellte Falle für unkonzentrierte Postboten.

Positiver Nebeneffekt: ein nie erlahmender Nachbarschaftskontakt zwischen Maier und Meiers, Dietrich und Friedrich, Vice und Versa – denn gewiss dürfen und müssen alle immer wieder falsch eingeworfene Briefe austauschen.

Entdeckt in der Paul-Roosen-Straße.

PS: Natürlich, liebe Schlaumeier, stehen diese Namen nicht nur auf den Klingelschildern, sondern auch auf den Briefkästen.


12 April 2008

Die gemütlichsten Ecken auf St. Pauli (2)

Es ist schwer zu glauben, ich weiß. Doch dieser derangierte Hauseingang befindet sich nicht im stillgelegten Industrieviertel Ödmarschen-Süd oder am toten Ende von Katastrophenhausen, sondern mitten in der Stadt, mitten auf dem Kiez: in der Hein-Hoyer-Straße.

Selbst wenn man das Bedürfnis verspürte, diese Tür wenigstens einmal noch im Sinne ihres ursprünglichen Herstellungszweckes benutzen zu wollen, so hält einen doch ein leicht ungutes Gefühl davon ab.

Womöglich hängt das mit der Aufschrift „Power Slave hasst dich“ zusammen, doch das ist nur eine vage Theorie.

10 April 2008

Ein kleiner Anfall von Depression

Es ist furchtbar. Draußen grinst uns noch immer frech der Winter an, doch bereits in zehn Wochen werden die Tage wieder kürzer.

Dann ist der Sommer gefühlt so gut wie rum, und die Eichhörnchen in Planten un Blomen werden allmählich anfangen, Nüsse zu verstecken. Schon das allein ist zum Heulen.

Doch nur zwei Wochen nach dem Beginn des Kürzerwerdens der Tage ist auch die Europameisterschaft, auf die ich mich seit zwei Jahren freue, nur noch Erinnerung.

Es ist alles ganz furchtbar. Kann das alles mal irgendjemand stoppen, bitte?

08 April 2008

Der kleine Kotzbrocken

Vom Wohnzimmerfenster aus sehen wir einen kleinen Jungen, der sich auf den Gehweg erbricht. Ms. Columbo, die auf der Heizung sitzt, sieht ihn zuerst. „Schau mal“, sagt sie, „da kotzt ein Kind auf den Gehweg. Das kannst du verbloggen.“

Normalerweise handelt es sich bei Menschen, die sich vor unserem Haus übergeben, um Erwachsene. Diesmal nicht. Das Kind ist höchstens 12. Sein etwa gleichaltriger Freund steht teilnahmslos daneben, wendet den Blick aber nicht ab. Die Faszination des Ekels. Im Umkreis von einigen Quadratmetern hat der kleine Kotzbrocken mittlerweile drei karottenfarbene Pfützen hinterlassen.

Dann kommt eine Frau – wohl seine Mutter – und führt ihn ab. Auf die Idee, die Sauerei zu beseitigen, kommt sie nicht. So etwas ist wohl auch nicht gesetzlich geregelt, im Gegensatz zu der Sache mit den Hunden.

Wenn Waldi Groß gemacht hat, muss Frauchen theoretisch alles wieder einsammeln. Habe ich auf St. Pauli allerdings noch nie gesehen. Der Hund kackt und geht weiter, Frauchen auch. Die Leute halten sich einfach nicht mehr an die Gesetze, selbst an die sinnvollen nicht.

Vielleicht sollten wir hier wegziehen.

PS: Aus Gründen der Pietät gibt es kein Bild der Szenerie selbst, sondern das einer weiteren gemütlichen Ecke auf St. Pauli: Voilà, die Treppen der Roten Flora im Schanzenviertel.

07 April 2008

Eine poröse graue Masse



Abends bevölkern noch merkwürdigere Menschen den Penny an der Reeperbahn als vormittags. Es sind Gestalten, wie sie im Film „Blade Runner“ durch die Straßen wanken.

Schmutzige Punkpärchen stehen am Eingang und fragen: „Möchtest du uns was schenken?“ Zwischen den Regalen schlurfen obdachlose alte Männer mit löchrigen Mützen herum. Betrunkene lehnen murmelnd an den Ständen, mit toten Kippen zwischen den Lippen. Wir sind hier in Deutschland, dem Land des Aufschwungs.

Vor mir an der Kasse steht ein vielleicht 60-Jähriger. Seine verdreckte Ballonseidenjacke wird ausgebeult von einem Rücken, der ihm in Paris einen Job als Glöckner einbrächte. Oben trägt er Glatze, darunter hängen die talgglänzenden Haare kraftlos auf dem schuppenverschneiten Kragen. Auch in seinen wuchernden weißen Koteletten hängen die Reste abgestorbener Hautzellen. Doch am schlimmsten sehen seine Hände aus.

Sie glühen nicht nur feuerrot; ihre schrundigen, mit langen gelben Nägeln verzierten Finger sind zudem an den Rändern mit einer porösen grauen Masse bewachsen; vielleicht eine Bakterienkolonie, die sich hier aus Erfahrung sicher wähnt vor Attacken durch Hygieneartikel.

Ein gruseliger Anblick. Als der Mann sich mit seiner linken Hand auf dem Band abstützt und so meinem Artikel – einem kleinen Karton mit Gefrierbeuteln – sehr nahekommt, zucke ich innerlich zusammen. Was natürlich lächerlich ist: Die Beutel, in die ich demnächst Lebensmittel unterzubringen gedenke, sind ja im Karton und somit außer Gefahr, kontaminiert zu werden.

Trotzdem rücke ich die Packung unauffällig etwas weiter weg Richtung Fließbandrand, allerdings mit einem befriedigenden Gefühl der Scham. Wie muss es Notärzten gehen, die jemand wie ihn bei Bedarf wiederbeleben müssen – mit Mund-zu-Nase-Beatmung und allen Schikanen?

Als er dem Kassierer mit seiner schrundigen, rotgrauen Hand das centgenau abgezählte Kleingeld hinhält, wird mir erst bewusst, was er einkauft. Es ist nicht etwa die erwartbare Flasche Wodka oder Doppelkorn. Sondern erstaunlicherweise eine Gebäck- und Waffelmischung sowie ein Tetrapack Ice Tea (Geschmacksrichtung: Pfirsich).

Der Kassierer ist Afrikaner und trägt ein Schild mit dem Namen Boateng. So heißt auch ein Spieler des HSV. Ich frage ihn nur deswegen nicht, ob sie miteinander verwandt sind, weil es mir peinlich wäre, der Hundertste zu sein, der ihn das fragt.

Später erlegt Ms. Columbo im Bad den ersten Moskito des Jahres.

06 April 2008

Der Fischmarkt und die Folgen



„Lass uns mal wieder zum Fischmarkt gehen“, hatte Ms. Columbo heute früh zu mir gesagt, „einfach mal gucken, nichts weiter.“

Zu diesem Zeitpunkt waren wir noch um 50 Euro reicher gewesen. Und um rund 15 Kilo verderblicher Lebensmittel ärmer.


(Die 3 Pfund Lachsfilet sind übrigens nicht Bestandteil des abgebildeten Arrangements.)

05 April 2008

Ein Stöckchen, aber das allerallerletzte!



Eigentlich dachte ich ja, die Unsitte des Stöckchenwerfens sei endlich in Vergessenheit geraten. Und dann wirft mir dieser feine Herr Lost Moon doch mal wieder eins zu. Grrrrr. Doch da es ureigene Interessen berührt, gestatte ich mir selbst eine Ausnahme von der Verweigerung – obwohl es vor zwei Jahren schon einmal ein ähnliches (und besseres) Stöckchen gab und manche Antworten sich zwangsläufig ähneln.

1. Nenne einen Song, dessen Text dich ganz besonders berührt, und begründe!
„It was a very good year“ von Frank Sinatra, weil er den Lebenshunger, die Grandezza und die Tragik der menschlichen Existenz in wenigen Strophen zu starken Metaphern verdichtet.

2. Nenne einen Song, dessen Musik dich ganz besonders berührt, und begründe!
„Troll valley“ von Wavestar, die perfekte klangliche Umsetzung solch existenzieller Gefühle wie Wehmut und Geborgenheit. (Genau genommen ist das kein Song, sondern ein elektronisches Instrumental.)

3. Welchen Song hättest du gerne geschrieben und warum?
„Wedding song“ von Bob Dylan, weil es keine schönere Liebeserklärung geben kann – „when I was deep in poverty/you taught me how to give“ …

4. Nenne fünf Songs für dein Lebens-Best-of!
„Sweet thing“ von Van Morrison, „Desolation row“ von Bob Dylan, „Mary Brown“ von Dave Avin, „The postcard“ von Stephen Duffy und „Don’t let me down“ von den Beatles.

5. Und zum Schluß: Welche Musikscheibe beschützt du wie deinen Augapfel?
Alle Platten, die mir der große, unvergleichliche und sturzbetrunkene Townes Van Zandt drei Jahre vor seinem Tod höchstpersönlich signiert und manchmal mit kakteengesäumten Landstraßen bemalt hat (Foto). Reliquien, Mann!


PS: Wenn man schon nur unter Protest annimmt, sollte man das Stöckchen auch keinesfalls anderen zuwerfen, nicht einmal Amber und Anna

Schreiben und Kochen hängen zusammen

Aus einem bestimmten Grund, der hier überhaupt nichts zur Sache tut, will ich Ms. Columbo spontan zum Essen einladen.

Da, wo früher unser Lieblingsitaliener Pesco Mare residierte, gibt es wieder einen potenziellen Favoriten: ein neues Restaurant namens Jolie.

Als wir vom Einkaufen zurückkommen, studieren wir draußen die Speisekarte. Sie versucht uns mit einem irrwitzigen Mix aus deutschen, italienischen und thailändischen Gerichten zu charmieren.

Tom Ka Gai koexistiert friedlich neben Ziegenquarkknödeln mit Apfelchutney, das Wiener Schnitzel zu Bratkartoffeln erträgt gelassen die Gegenwart eines Doradenfilets mit Meeresfrüchterisotto, und die hausgemachten Bärlauchravioli beduften die multikulturelle Szenerie mit dem Odeur von Güte und Toleranz.

Trotz dieses kulinarischen Wirrwarrs verfalle ich plötzlich in Schnappatmung. „Hier müssen wir hin!“, japse ich aufgeregt. „Wer das Wort Sauerampferschaumsuppe unfallfrei und deppenbindestrichlos auf die Karte kriegt, dem gelingt bestimmt auch die außergewöhnliche Zubereitung eines Spanferkelrückens mit Vulcanospeck!“

Und genauso war es auch.

04 April 2008

Fahndungsaufruf



Dieses Schreiben einer Nachbarin hängt seit heute bei uns im Treppenhaus. Der irre Frauenhasser schlug schon siebenmal zu.

Hinweise bitte an jede Polizeidienststelle – oder direkt an die zuständige Exekutive.


02 April 2008

Bockig

„Weißt du was?“, sage ich entschlossen zu Ms. Columbo, „solange niemand den letzten Eintrag kommentiert, blogge ich einfach nicht mehr weiter! Basta!“

Sie schaut mich an, als wäre ich 12 und wollte meinen Spinat nicht essen. „Ich weiß nicht“, antwortet sie dann, „ob du wirklich mit Bockigkeit die Herzen zurückgewinnst.“

Weiß ich natürlich auch nicht.


Ohne Worte (1)



(Grafitti, Zeisehallen, Altona)


01 April 2008

Schlange in Gefahr

Kaum stehen die ersten Frühlingstulpen auf unserem Balkon, erblüht jene Weichherzigkeit, die mir bisher oftmals Probleme, aber nur selten neue Freunde einbrachte.

Eine Frau im S-Bahnhof Altona nutzte das aus. „Entschuldigen Sie“, sprach sie mich an und zeigte auf die Gleise, wo eine buntes Etwas lag, das an eine Wollschlange erinnerte. „Meinen Sie, ich könnte da mal runter steigen? Das kommt von den Zulu aus Südafrika und ist mir wichtig.“

Still lauerte dort unten das Starkstromkabel, welches die S-Bahn antreibt. Ich hörte es förmlich brutzeln. Seine Gegenwart bewog mich, der Dame von ihrem Vorhaben abzuraten. Wie gesagt: frühlingshafte Weichherzigkeit.

Sie solle sich doch, empfahl ich ihr, besser an einen Bahnmitarbeiter wenden. Woraufhin sie eilends die Treppe erklomm und erst einmal verschwunden blieb. Dabei war hier doch auch ein Wärterhäuschen. Ich fand dort zwei dösende Uniformierte vor, die mein Klopfen aus dem Dämmer riss.

Meine Schilderung eines zwischen den Gleisen ruhenden wollschlangenähnlichen Etwas’ aus Südafrika stieß auf mäßiges Interesse, doch sie kamen mit. Inzwischen war mir die zweite Bahn davongefahren. Wir standen am Bahnsteig, unsere Blicke ruhten auf der Schlange, die sich wahrscheinlich auch nicht hätte träumen lassen, nach einer halben Weltreise mal am Bahnhof Altona die Nachbarschaft einer Starkstromleitung genießen zu dürfen.

Die Eigentümerin blieb erst mal weg und ich da. Das Uniformiertenduo stand dösig herum und wartete. Beide hatten Schiss; zu kurz sei die Taktfrequenz der einfahrenden Bahnen, erklärten sie maulfaul, als dass sie sich zur Rettungsaktion ins Gleis trauten. Wieder fuhr mir eine Bahn davon. Was tat ich hier, verdammt?

Ich beschloss, die Frau zu suchen, vergatterte die Bahnleute zur Bewachung meines Rades und stieg hoch in die Halle, um Ausschau zu halten. Natürlich fand ich die Frau nicht – dafür bei meiner Rückkehr aber mittlerweile vier Uniformierte am Gleisrand vor. Und da stand auch die Frau.

Einer der neu hinzugekommenen Bahnleute fischte mithilfe eines hakenbewehrten Stocks die Schlange aus dem Gleis und galt der strahlenden Besitzerin hinfort als anbetungswürdig. Dabei war ich doch wohl der Held, nicht wahr.

Die Schlange war rot und blau gemustert. Sie bestand nicht aus Wolle, wie es von oben schien, sondern aus Glasperlen, welche die Zulu kunstvoll zusammengefügt hatten, irgendwo tief in Südafrika, wo es wahrscheinlich nicht mal Starkstrom gab, geschweige denn eine S-Bahn.

30 März 2008

Ein Rechtsdrall, eindeutig

Wolfgang Schäubles Fingerabdruck (Quelle: CCC) macht mir Sorgen. Er hat eindeutig einen schlimmen Rechtsdrall, wie heute eine Analyse auf der Rückseite der Reeperbahn zweifelsfrei ergab.

Dieser feist grinsende Wirbel da rechts oben, zu dem jede Linie strebt, um den sich alles dreht: sehr, sehr bedenklich, wahrscheinlich sogar verfassungswidrig.

Deshalb kann ich als brutalstmöglicher Demokrat nur davor warnen, der leichtfertig veröffentlichten Kopieranleitung des „Chaos Computer Clubs“ auf den Leim und mit Schäubles Fingerabdruck shoppen zu gehen.

Obwohl: In den Läden von Thor Steinar könnte es vielleicht klappen. Erfahrungsberichte bitte in den Kommentaren.


Der ewige Kampf mit der Technik

Nach der Tastenkombination Apple p begann der notorisch verhaltensauffällige Multifunktionsdrucker ächzend und rödelnd mit der Arbeit. Also wie immer.

Allerdings ächzte und rötelte er enervierend lange. Er kam einfach nicht zu Potte und klang dabei immer verzweifelter. Das erregte schließlich meine Aufmerksamkeit.

Ich schaute nach und sah: Es lugte nur das obere Fünftel der Seite aus dem Dunkel seiner Eingeweide, und trotz seines Ächzens und Rödelns bewegte sie sich keinen Millimeter. Unter nicht unbeträchtlicher Mühe rupfte ich das Papier gewaltsam aus dem Schacht. Doch woran lag’s?

Wie sich herausstellte, trug ich selbst die komplette Schuld. Also wie immer. Ich hatte nämlich das Stromkabel des Laptops so zielgenau auf dem Rest des Leitungswirrwarrs im Büro abgelegt, dass es in den Papiereinzug des Multifunktionsdruckers rutschen konnte.

Und warum auch nicht? Aus Sicht eines vereinsamten Stromkabels war es dort angenehm kuschelig, wie gemacht also für eine unbehauste Leitung, die sich zurücksehnt in jene Trommel, der sie einst entsprang.

Als der Drucker dann losächzte, zog er so neben dem Blatt natürlich auch das Stromkabel mit ein, was schließlich zu Stau und Verstopfung führte. Jetzt steckte das Kabel drin im Drucker, eingeklemmt und jämmerlich.

Ich tat, was ein Mann tun muss. Zum Glück hat Ms. Columbo nicht gesehen, wie ich unter Ächzen und Rödeln versuchte, dem Schlund des Multifunktionsdruckers das Kabel wieder zu entwinden.

Am schmeichelhaftesten wäre es noch gewesen, wenn die Szenerie sie an den „Weißen Hai“ erinnert hätte. Die Chance auf „Mr. Bean“ war gleichwohl größer.

29 März 2008

Wohl doch ein Dobermann

Wer auf der Südseite der Elbchaussee wohnt, gilt gemeinhin als zu viel reich und verschwiegen, um sich auch noch mit so etwas Lästigem wie Humor abgeben zu können.

Umso erstaunter waren wir beim Anblick des abgebildeten Schildes, welches uns eingangs einer wuchtigen, vielleicht einem Gynäkologen gehörenden Elbchausseevilla vor allzu großer Nähe warnte und dies zugleich persiflierte.

Beim sprichwörtlichen Understatement der Elbhangbewohner ist dennoch nicht mit einem Pekinesen als Wachhund zu rechnen, sondern mit einem aus taktischen Gründen verniedlichten Dobermann. Wir wagten es daher nicht, in die Villa vorzudringen, um vom Südbalkon aus einen besseren Hafenblick zu gewinnen.

Heute übrigens gaben die Kollegen (und Kolleginnen!) der Stiftung Warentest bekannt, 50 Gynäkologen unter die – ähem – Lupe genommen zu haben.

Vielleicht war ja zufällig der Besitzer des bisschen Hunds dabei, aber das werden wir natürlich nie erfahren.


27 März 2008

Was ist mit Krell?

Provinzkino ist toll. Nicht wegen der Filme, die sind ja überall gleich. Sondern wegen der Provinzwerbung im Vorprogramm.

Aus Marburg etwa blieb mir die Diaschau der Glastanzdiele Hermershausen unvergesslich, vor allem wegen des Namens. Welch eine Jugend muss das sein, deren Höhepunkte (sic!) untrennbar verbunden sind mit der Glastanzdiele Hermershausen! Bis heute denke ich an diese Begegnungsstätte mit warmen Gedanken zurück, obwohl ich sie niemals aufsuchte.

Unübertroffen aber blieb jener Provinzkinospot, den ich einst im Dillenburger Gloriakino die Ehre hatte kennenlernen zu dürfen. Er kam von einer Herborner Zoohandlung namens Krell, und das Großartigste an dieser unbeholfen hintereinander drein stolpernden Bilderfolge war der wirklich unübertreffliche Claim, auf den selbst eine Spitzenagentur wie Scholz & Friends niemals gekommen wäre.

Er lautete: „Hast du ein Heimtier, liebt Krell auch dein Tier.“

Vorgestern waren wir wieder einmal im Gloria in Dillenburg. Wir warteten auf Krells neusten Werbespot. Es war klar: Er wäre der Höhepunkt des Abends. Wir warteten. Doch er kam nicht.

Das hat echt den ganzen Film überschattet.

PS: Wenigstens gelang mir danach auf der Heimfahrt irgendwo vor Hannover das abgebildete Foto, und das bei Tempo 150. Ist aber nur ein kleiner Trost.

26 März 2008

Unter Beschuss

Jeder Kleiderkauf ist nichts anderes als ein Versprechen an den eigenen Körper, ihn in der nächsten Zeit keinen besonderen Verformungen auszusetzen.

Wenn wir – wie in den vergangenen Tagen – bei der Familie in Hessen sind, ist ein solches Versprechen gleichsam unter Artilleriebeschuss. Denn wir sehen uns einem Trommelfeuer kulinarischer Angebote ausgesetzt.

Man bombardiert uns schon zum Frühstück mit Bergen von Brot und Brötchen, Käsesorten sonder Zahl, zu schweigen von Schinken, Räucherlachs und Aufstrich. Und dort, wo wir Deckung vermuten, geraten wir augenblicklich ins Sperrfeuer der Auflauf- und Dessertangebote.

Die Flucht ins Freie wäre eine Option, doch nur eine theoretische: ein massiver Wintereinbruch hier am Fuß des Westerwalds kettet uns unerbittlich ans Haus. Wir haben also nur die Wahl zwischen Schlaraffenland und Stalingrad – und natürlich der Flucht ins kulinarisch befriedete Hamburg.

Dort werden wir sofort testen, ob noch alle Hosen passen.

23 März 2008

Letzte Geheimnisse: Das Herrenklo (8)



Warum der Bistrobetreiber im Jenischpark einen Gag namens „Toilettentennis“ für eine gute Idee hielt: keine Ahnung. Es ist nämlich eine dumme Idee. Dadurch verbringt man viel mehr Zeit auf dem Lokus, dabei sollte man doch mehr Zeit im Bistro verbringen, konsumierend.

Der Aufforderung an den Kabinenwänden, doch mal nach links zu schauen, dann nach rechts und so weiter und so fort, folgt man als höflicher Mensch nämlich allzu bereitwillig. Und irgendwann ruft die Gattin die Feuerwehr, weil man festhängt im Höflichkeitsloop. Ich freilich konnte mit eiserner Willensstärke und der Hilfe meines Fotoapparates den Teufelskreis innerhalb eines vertretbaren Zeitraums durchbrechen.

Trotzdem haben wir im Bistro nichts konsumiert. Das Wetter war einfach zu schön, um etwas anderes zu tun als unter Bäumen einherzuwandeln und über Wiesen zu streunen, während im Süden die Elbe funkelte wie die zu einem Riesenhaufen milchiger Scherben zertrümmerte Scheibe einer Bushaltestelle an der Susettestraße.

Das wussten wir aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht, die Haltestelle erreichten wir erst zwei Stunden später.

22 März 2008

Die Lösung: ein Tag im Februar

Früher, als es noch kein Internet gab, da gratulierten dir zum Geburtstag nur Familie, Freunde, Kollegen, und zwar persönlich oder am Telefon. Heute ist das anders, ganz anders.

Per Mail beglückwünschten mich nämlich heute diverse Blogkommentatoren, die ich im ganzen Leben noch nicht gesehen habe, einige Xing-Kontakte und Xing selber, aus irgendeinem bizarren Grund das Schwab-Onlineteam, außerdem diverse Leute von wer-kennt-wen.de und welche von stayfriends.de, darunter sogar Ms. Columbo (!).


Des weiteren gratulierte stayfriends selber, peinlicherweise auch der HSV in Gestalt von Romeo Castelen, Joris Mathijsen und einem grenzdebil wirkenden Tierkostüm namens Hermann (Foto), ebenso mein Versicherungsagent (wieso habe ich so was?), der Fanclub Nationalmannschaft sowie eine meiner zwei Onlinebanken (warum nicht die andere?? Memo: dort Konto kündigen!).

Mindestens drei virtuelle Torten sorgten dabei für die völlige Verfettung meines Posteingangs. Eine Torte trug neben den obligaten Kerzen sogar meinen Namen und kam von der fürsorglichen Onlinebank (Memo: Beträge von der vergesslichen Bank dorthin transferieren!).

Mich beschleicht das leise Gefühl, einige Male zu oft mein Geburtsdatum irgendwo hinterlassen zu haben. (Memo: Wenn schon, dann beim nächsten Mal unbedingt den 29. Februar eintragen!)

PS: Morgen um 17 Uhr (also Sonntag, 23. 3.) läuft die nächste von mir konzipierte Radiosendung auf ByteFM. Es gibt sehr, sehr schöne Musik zu hören. Ich weiß das, ich kenne sie ja schon.

21 März 2008

Die Farbe des Blutes



Wir haben gerade „No Country for old Men“ gesehen, einen Film mit vielen Toten, klaffenden Wunden und Knochen, die aus Unterarmen ragen.

So etwas sensibilisert. Und vielleicht fallen mir deshalb zum ersten Mal in all den Jahren die gesprenkelten roten Flecken am ansonsten weißen (nun ja: ehemals weißen) Türrahmen zum Schlafzimmer auf.

„Sag mal“, sinniere ich starren Blicks aufs corpus delicti, „ist das Blut?“ Ms. Columbo schaut hoch. „Quatsch“, sagt sie vielleicht eine Spur zu schnell, „die Türen waren doch alle mal rot. Da kommt nur die Farbe durch.“

Ich schaue immer noch hin. Die Flecken liegen ziemlich weit oben, direkt unterm Querbalken. Sie sehen aus wie eingetrocknet.

Ms. Columbo schaut auch noch mal hoch. „Ich hoffe mal“, sagt sie dann auffällig leise, „dass meine Theorie stimmt.“

Kino ist schon eine großartige Sache.