Zentralfriedhof Wien, vormittags. Wir stoßen auf eine pompöse Grabstätte in Klavierlackoptik, die anscheinend auf Anweisung eines geschmacksverirrten Etablissementbesitzers gezimmert wurde.
Das Foto in seiner ganzen grauenvollen Pracht spricht hoffentlich Bände – man beachte neben den ganzen Marien- und Engelsstatuen sowie den Pferdegespännen links und rechts der Säulen besonders die auf beiden Seiten vorm Kitschgeländer applizierten Barhocker.
Besonders skurril: Auch die noch gar nicht als Ewigkeitsverbringer aktiven Mitglieder der Familie Mijailović sind schon mit Fotos und Geburtsdaten präsent, nämlich das Ehepaar Milan (*1944) und Dragana (*1949). Milan prostet uns sogar wohlgemut zu, und dazu hat er auch allen Grund, schließlich kann er’s noch.
Zwei ältere Wienerinnen stehen kopfschüttelnd davor. Eine der beiden hat sogar Insiderinformationen. Die Mijailovićs, also Milan und Dragana, erzählt sie, kämen täglich her, um den Klavierlack zu wienern. Diese Woche scheinen die beiden es aber noch nicht geschafft zu haben, denn eine Staubschicht mindert erkennbar die Strahlkraft ihrer designierten Wohnstatt.
Sollten Sie das nächste Mal in Wien sein und den aktuellen Reinheitsgrad der Mijailović’schen Ruhestätte selbst überprüfen wollen: Sie befindet sich in Gruppe 31 a, nicht allzu weit weg von Johann Strauß und Franz von Suppé.
Seltsame Menschen aber gibt es keineswegs nur in Wien, sondern auch auf St. Pauli. Kaum zurückgekehrt, wollte ich ein großes Glas Nutella erstehen, weil sich, wie mir zugetragen wurde, ein 10-Euro-Bahngutschein darin befinden solle, und für so was haben Ms. Columbo und ich ständig Verwendung.
Bei Edeka in der Rindermarkthalle (der gleichen Einkaufshalle, wo es den unlängst an dieser Stelle thematisierten Wucheramericano gibt) suchte ich also die Süßwarenabteilung auf und fand die entsprechenden Nutella-Vorräte – doch meist ohne Gutscheine: Bei fast allen nämlich waren sie gestohlen worden.
Die Gutscheine befinden sich, wie das Bild links dokumentiert, sichtbar im Deckel. Man muss diesen also, um ranzukommen, abschrauben, hinter die Pappbarriere vordringen und dann den Beleg rausfriemeln.
Fairerweise hatten sich die wenigsten dieser charakterlich desorientierten Mitbürger die Mühe gemacht, den Deckel wieder ordentlich zuzuschrauben – wohl eine Art Hinweis für Kaufinteressenten auf eventuell jetzt vorhandene hygienische Mängel der betroffenen Schokonusscreme.
Wenn Sie mich jetzt fragen wollen, welche seltsamen Menschen mir lieber sind – die, die uns trotz ihrer Quicklebendigkeit prophylaktisch von Grabmälern zuprosten, oder jene, die ihre Restwürde bei Edeka abgeben, indem sie Nutella-Gläser behumsen –, dann tun sie das ruhig.