Ungefähr anderthalb Jahre ist es her, da streunte ich über den Schlachthofflohmarkt auf der Suche nach einem billigen und doch haltbaren Fahrrad.
Eins, das mich trotz aller hoffentlich sichtbaren Defizite noch eine Weile trüge über die Hamburger Straßen und zugleich jedem Dieb suggerierte: Nimm mich nicht, ich bin schrabbelig, ich falle beim erstbesten Bordsteinkontakt in mich zusammen.
Meine Wahl fiel auf ein Fischer-Fahrrad mit Stoßdämpfer. Schon bei der Probefahrt merkte ich, dass eine Affinität zum Seekrankwerden auf Dauer den Nutzwert des Bikes erheblich mindern könnte, doch als kreuzfahrtgestählter Seebär bin ich zum Glück nicht anfällig für derlei.
Der vielversprechend halbseiden wirkende Händler wollte, wenn ich mich recht entsinne, 70 Euro für den zusammengetackerten Schrotthaufen. Ich schaute aus taktischen Gründen skeptisch und runzelte die Stirn. Er deutete diese Mimik wohl als Kritik an den unübersehbaren Rostflecken.
„Hier, sehen Sie“, sagte er und begann sogleich an allen möglichen Stellen herumzukratzen, „das geht ganz leicht ab.“ Das stimmte, war aber keineswegs das, was ich wollte. Schließlich sollte das Fahrrad unbedingt so aussehen, als sei sein illegaler Erwerb eher Verlustgeschäft als Gewinn.
„Schon gut“, beeilte ich mich daher zu sagen, ehe der Mann das ganze billige Alugestell mit seinen nur mittelgut intakt wirkenden Fingernägeln freigewienert hatte.
Er hörte auch sofort damit auf – und zudem gut zu, als ich ihm ein mit viel gespieltem Widerwillen formuliertes Gegenangebot von 50 Euro machte. Sofort schlug er ein.
Ich bezahlte bar und erhielt eine handschriftlich hingeschlurte Quittung, die er quasi mit dem Schmutz unter seinen Fingernägeln signierte. Hinfort befand ich mich im Besitz eines Fischer-Fahrrads mit Stoßdämpfer und 21 Gängen, eins mit zwei Handbremsen und ohne Rücktritt, auf dem ich dank seiner für meinen Körperbau höchst ungünstigen Konstruktion draufsaß, als wäre ich gerade dabei, vom Einmeterbrett geschubst zu werden.
Doch die Hauptsache war, dass jeder Mensch ohne funktionierenden moralischen Kompass beim Anblick des Fahrrads sofort auf pawlowsche Weise dächte: unter. keinen. Umständen. klauen.
Denn der Wiederverkaufswert, den es ausstrahlte mit seinen Rostflecken und dem lachhaften Stoßdämpfer, mit seiner klobigen Konstruktion und der marktschreierisch ausgestellten Billigbauweise, lag maximal bei acht Euro, wohlwollend geschätzt.
Das ist der beste Diebstahlschutz der Welt, dachte ich. Weshalb ich ihm auch nur ein billiges Zahlenkombinationsschloss spendierte.
Nun, während unseres letztwöchigen Urlaubs in Norwegen wurde es gestohlen.
Es ist das achte Fahrrad, das mir auf diese entwürdigende Weise abhanden kam (Sie möchten die ganze schreckliche Historie nachlesen? Dann bitte hier klicken.). Die Energie, mich wieder einmal der so zähen wie stets nutzlosen Diebstahlsanzeigeprozedur auf der Davidwache auszusetzen, bringe ich diesmal nicht mehr auf.
Stattdessen werde ich mir auf dem Schlachthofflohmarkt die nächste Schrabbelkiste besorgen – und anschließend ein mindestens dreimal so teures Mördermegafahrradschloss erstehen.
Am Ende werde ich gewinnen, so viel ist sicher.
Nicht.
Nicht.