„Da vorne ist Jan Plewka! Ich habe Jan Plewka gesehen!“, brülle ich Ms. Columbo zu. Wir stehen im Kellerclub Molotow. Vorn auf der Bühne, die nicht zu sehen ist, sollen Selig spielen. Klingt auch danach.
Wenn man am Eingang des Molotow-Bühnenraums vor einer unnachgiebigen Wand aus Rückenfronten steht, hat man vielerlei Probleme, die in mehreren Dimensionen anzusiedeln sind.
Zum einen ist der Sound von strunzdumpfer Breiigkeit, aber wenigstens bläst er einem nicht das Hirn aus dem Schädel: Die Front der unnachgiebigen Körper wirkt wie ein riesiger Punchingball, der den Schall teilabsorbiert. Zugleich verhindert sie zuverlässig unser weiteres Vordringen.
Um die Situation zu verschärfen und den Weltrekord in der Disziplin „Unzumutbare Konzertbedingungen“ nicht aus den Augen zu verlieren, minimiert die unmittelbar überm Scheitel des Publikums ansetzende Molotow-Decke außerdem den Sichtspalt Richtung Bühne auf Schlipsbreite – und ich meine nicht die Schlipsmodelle aus den 70ern.
Aus irgendeinem Grund erhasche ich gleichwohl einen Bühnenblick und erkenne den Bart des Sängers. „Da vorne ist Jan Plewka! Ich habe Jan Plewka gesehen!“, brülle ich daher Ms. Columbo zu. Sie scheint mir zu glauben, und wenn nicht, dann spätestens jetzt, mit diesem Beweisbild:
Das süße Discokügelchen über der Treppe, die harmlos tuend hinabführt in den Molotow-Höllenschlund, sollten die Betreiber übrigens unbedingt abhängen. Aus Sicht der zuständigen Jury gefährdet sie möglicherweise den Weltrekord in der Disziplin „Unzumutbare Konzertbedingungen“.
„3000 Plattenkritiken“ | „Die Frankensaga – Vollfettstufe“ | RSS-Feed | In memoriam | mattwagner {at} web.de |
19 November 2012
17 November 2012
Pareidolie (52): Der Tod steht ihm gut
Entdeckt im Kiezrestaurant Freudenhaus.
PS: Eine ganze Galerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.
PS: Eine ganze Galerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.
15 November 2012
Glück im Unglück und im Keks
Neulich vermisste ich meine Kamera. Nirgends war sie zu finden. Ich schickte Rundmails an die üblichen Verdächtigen, ohne Erfolg.
Als ich drei Tage später zu Hause eine Jacke von der Garderobe nahm, sah ich sie plötzlich wieder. Sie hing mittels der Handschlaufe an einem der Jackenknöpfe. Die ohne Zweifel gerichtsfeste Rekonstruktion des Vorfalls lautet hiermit folgendermaßen:
Als ich den Parka, in deren Brusttasche sich die Kamera üblicherweise befindet, drei Tage zuvor von der Garderobe genommen hatte, verfing sich die Schlaufe im Knopf der darunter hängenden Jacke. Die Kamera wurde dadurch sanft und unbemerkt herausgezogen und blieb dort baumeln.
Die üblichen Verdächtigen waren also wirklich unschuldig. Das war Vorfall Nummer eins, der glimpflich ausging. Vorfall Nummer zwei betraf mein iPhone. Es befindet sich ebenfalls gerne mal in der Brusttasche des Parkas.
Beim Schlendern übern Flohmarkt fand ich es allerdings zu meiner Verblüffung in der Umhängetasche, in der ich normalerweise Flohmarkfunde wie rare Edelweine verstaue, aber niemals das iPhone.
Auch hier gelang mir dank meiner Sherlock-Holmes-schen Kombiniationsgabe eine lückenlose Beweisführung des Tathergangs:
Ich hatte in einer Kiste gewühlt, die auf dem Boden stand, und mich tief hinabgebeugt. Dabei war das iPhone klammheimlich aus der Brusttasche gefallen – aber nicht etwa in die Kiste, sondern in meine Umhängetasche, die mir ob meiner gebeugten Körperhaltung und wohl auch in weiser Voraussicht vom Rücken vor den Oberkörper gerutscht war.
All das geschah direkt vor meinen Augen und doch vollkommen unbemerkt. Zwei entscheidende Gadgets, ohne die mein Leben trübsinnig wäre und voller Harm und Ödnis, sind also aus purem Dummenglück weiterhin in meinem Besitz.
„Mit all dem“, fasste Ms. Columbo diese Slapsticknummern zusammen, „könntest du im chinesischen Staatszirkus auftreten.“ Anscheinend bin ich gebenedeit unter den Schusseln.
Apropos China: Im Asiarestaurant Bok im Schanzenviertel erwischte ich neulich oben abgebildete Glückskeksbotschaft, die meine gesamte Berufslaufbahn der vergangenen 25 Jahre trefflichst auf den Punkt bringt.
Irgendwie ein toll(dreist)er Monat, dieser November, wenn ich dieses Fazit schon mal ziehen darf.
13 November 2012
Meine Killerskills als Linguist
Über unseren Köpfen dreht sich die wahrscheinlich größte Discokugel St. Paulis und überflackert die Stuckengel an den Wänden mit silbrigem Gesprenkel. Kein Zweifel: Wir sind in der Prinzenbar, wo die Südtiroler Frauenband Ganes konzertiert.
Die aparten Damen haben die urige Eigenart, auf Ladinisch zu singen. Dabei handelt es sich einer Theorie zufolge um das Überbleibsel eines alten lateinischen Dialekts aus der römischen Provinz Raeta. Vielleicht importierten aber auch Außerirdische das Ladinische vom Aldebaran; jedenfalls höre ich fasziniert zu.
„Sie rollen das R wie die Spanier“, informiere ich überraschend sachkundig Ms. Columbo, „und manche Nuschellaute klingen deutlich nach Portugiesisch.“
„Das Stück gerade“, antwortet sie, „war aber auf Italienisch.“
Hmpf. HMPF.
Im Anschluss singen die Grazien zum Glück und ganz ohne Rrrrollen und Nuschellaute Bob Marleys „Redemption Song“, und ich bin froh, dass Ms. Columbo das Thema nicht weiter vertieft.
Die aparten Damen haben die urige Eigenart, auf Ladinisch zu singen. Dabei handelt es sich einer Theorie zufolge um das Überbleibsel eines alten lateinischen Dialekts aus der römischen Provinz Raeta. Vielleicht importierten aber auch Außerirdische das Ladinische vom Aldebaran; jedenfalls höre ich fasziniert zu.
„Sie rollen das R wie die Spanier“, informiere ich überraschend sachkundig Ms. Columbo, „und manche Nuschellaute klingen deutlich nach Portugiesisch.“
„Das Stück gerade“, antwortet sie, „war aber auf Italienisch.“
Hmpf. HMPF.
Im Anschluss singen die Grazien zum Glück und ganz ohne Rrrrollen und Nuschellaute Bob Marleys „Redemption Song“, und ich bin froh, dass Ms. Columbo das Thema nicht weiter vertieft.
11 November 2012
Die Stille nach dem Kuss
Die Hälfte der Republik soll ja laut Wetterkarte heute mit bis zu 100 Liter Regen pro Quadratmeter gewässert worden sein. Wie so oft aber erfreute sich Hamburg stattdessen eines blitzeblanken Sonnentags, der sich an der Alster wie oben dokumentiert bemerkbar machte.
Bevor wir zu diesem schönen Spaziergangsziel aufbrachen, sah ich an der Reeperbahn einen rauchenden Mann, der ein Werbeplakat des russischen Staatsballetts auffällig unauffällig umschlich und musterte.
Plötzlich beugte er sich hinunter und drückte der abgebildeten Tänzerin einen schüchternen Kuss aufs Ballettröckchen. Dann eilte er rasch davon.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich finde so was recht seltsam, sogar wenn man Kiezkriterien zugrunde legt.
Bevor wir zu diesem schönen Spaziergangsziel aufbrachen, sah ich an der Reeperbahn einen rauchenden Mann, der ein Werbeplakat des russischen Staatsballetts auffällig unauffällig umschlich und musterte.
Plötzlich beugte er sich hinunter und drückte der abgebildeten Tänzerin einen schüchternen Kuss aufs Ballettröckchen. Dann eilte er rasch davon.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich finde so was recht seltsam, sogar wenn man Kiezkriterien zugrunde legt.
09 November 2012
Eine kleine Gewalt Fantasie
Ich glaube, wir müssen uns allmählich wirklich vom altehrwürdigen zusammengesetzten Hauptwort verabschieden.
Über Jahrhunderte tat es tapfer seinen Dienst, übte sich lustvollst im Kreieren von Neuschöpfungen, schmolz zusammen, was oft nicht mal ahnte, dass es zusammengehört, schuf wie aus dem Nichts neue Wort- und damit Sinnwelten.
Diese Ära geht nun zuende, gewalt- und grausam. Denn die Kompositazerstückelung grassiert inzwischen in einem Maße, wie sie in der Vergangenheit nur in Serienkillerhaushalten vorkam. Irgendwann werden in der deutschen Sprachlandschaft nur noch Wort fet zen her um lie gen, zuckend und zappelnd und den letzten Rest ihrer Semantik aushauchend.
Das oben dokumentierte Beispiel eines Promoteranschreibens, das mich heute erreichte, ist nur die Spitze des Scheißbergs, ich schwör. So was bloß als „Deppenleerzeichen“ zu diskreditieren, wäre eine Beschönigung, der ich mich keinesfalls schuldig machen möchte.
Nein, Hopfen, Malz und das zusammengesetzte Hauptwort scheinen verloren. Oder gibt es einen Untergrund, in den man gehen könnte, um zurückzuschlagen? Könnte man von dort aus nicht mit kapitalen Kompositakanonen auf diese Spatzen Hirne schießen?
Wenigstens einen Vorteil hätte es ja, dass schon so viele davon herumflattern: Man träfe garantiert mit jedem Schuss.
07 November 2012
Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (77)
Das Komet in der Erichstraße wäre auf dem Kiez nicht nur wegen des Hank-Williams-Bildes die weltweit liebenswerteste Kneipe – würde man dort als Gast nicht zugepestet wie bei einem Werbermeeting 1963 in der New Yorker Madison Avenue.
Aber man kann schließlich nicht alles haben.
Aber man kann schließlich nicht alles haben.
06 November 2012
Entscheidungshilfe erbeten
Auf dem Schlachthofflohmarkt ist mir die abgebildete Flasche Sauternes-Wein von 1967 (!) für einen lächerlichen Preis in die Hände gefallen.
Da der Wert dieser Kreszenz laut einer kurzen fiebrigen Webrecherche aber eher in den dreistelligen Eurobereich hineinlappt, stellt sich mir nun eine (ge)wichtige Frage: trinken oder verticken? Und wenn trinken: mit wem?
Bewerbungen bitte in den Kommentaren.
Da der Wert dieser Kreszenz laut einer kurzen fiebrigen Webrecherche aber eher in den dreistelligen Eurobereich hineinlappt, stellt sich mir nun eine (ge)wichtige Frage: trinken oder verticken? Und wenn trinken: mit wem?
Bewerbungen bitte in den Kommentaren.
03 November 2012
Pareidolie (51): Pinocchio goes metal
Hantelstange, entdeckt bei Fitness First am
Rödingsmarkt.
PS: Eine ganze Galerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.
PS: Eine ganze Galerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.
01 November 2012
Vermutlich im Crackmodus
Gebrüll von draußen hat mich ja schon oft auf den Balkon getrieben, und häufig boten sich mir illustre Szenerien. Ich verweise nur auf einen legendären Polizeieinsatz von 2009.
Diesmal sehe ich einen Mann mit Astraknolle, der unten an der Postfiliale irgendwas schreit, das verschwommen nach „Fuck!“ klingt, im Kreis läuft und immer wieder mit einem Fuß voraus gegen die Wand der Postfiliale springt.
Er scheint wie gefangen in dieser Kreisbewegung, dieser Abfolge, diesem Schreien und Springen. Manche, die auf ihn zulaufen, wechseln 20 Meter vorher die Straßenseite. Andere, deren Unbekümmertheit ich bewundere – schließlich könnten sie unversehens in eine Situation geraten wie Bart Simpson auf dem abgebildeten Ottenser Graffito –, laufen an dem tobenden Kreisläufer vorbei, als wäre er gar nicht da.
Bis vor einigen Wochen hätte ich überhaupt nicht kapiert, was da vor sich geht, was mit diesem Mann los ist, warum er in diesem beängstigenden Modus gefangen ist. Inzwischen bin ich schlauer und vermute einen unvorsichtigen Umgang mit Crack.
Also Balkontür zu und ab in die Heia. Am nächsten Morgen ist alles wieder ruhig, und an der Wand der Postfiliale kann ich keinerlei Schäden erkennen.
Diesmal sehe ich einen Mann mit Astraknolle, der unten an der Postfiliale irgendwas schreit, das verschwommen nach „Fuck!“ klingt, im Kreis läuft und immer wieder mit einem Fuß voraus gegen die Wand der Postfiliale springt.
Er scheint wie gefangen in dieser Kreisbewegung, dieser Abfolge, diesem Schreien und Springen. Manche, die auf ihn zulaufen, wechseln 20 Meter vorher die Straßenseite. Andere, deren Unbekümmertheit ich bewundere – schließlich könnten sie unversehens in eine Situation geraten wie Bart Simpson auf dem abgebildeten Ottenser Graffito –, laufen an dem tobenden Kreisläufer vorbei, als wäre er gar nicht da.
Bis vor einigen Wochen hätte ich überhaupt nicht kapiert, was da vor sich geht, was mit diesem Mann los ist, warum er in diesem beängstigenden Modus gefangen ist. Inzwischen bin ich schlauer und vermute einen unvorsichtigen Umgang mit Crack.
Also Balkontür zu und ab in die Heia. Am nächsten Morgen ist alles wieder ruhig, und an der Wand der Postfiliale kann ich keinerlei Schäden erkennen.
29 Oktober 2012
28 Oktober 2012
Es gibt Wichtigeres als J. Los Hintern
Mit den fröhlichen Worten „Komm, lass uns Jennifer Lopez auf den Hintern starren!“ lockte ich Ms. Columbo heute Abend erfolgreich in die o2-Arena nach Stellingen. Und da ich gebenedeit bin unter den Musikjournalisten, durften wir das Konzert in der Loge ihrer Plattenfirma Warner Music verbringen.
Die Wände dort sind geschmückt mit Porträts der bedeutendsten Labelkünstler, also Kalibern wie Miles Davis, Ray Charles, Neil Young, Lou Reed … Warner-Chef Bernd Dopp genoss sichtlich meine sinnierende Bewunderung dieser geballten Galerie der Kreativität und erzählte nicht unstolz, er sei mit sämtlichen abgebildeten Künstlern persönlich bekannt, nur mit einem nicht: Frank Sinatra.
Dabei hatte er alles versucht und ihm einst, in den 80ern, die Bitte um ein Treffen mit einer in die Garderobe geschickten Flasche Schampus schmackhaft zu machen versucht. Der Assistent des Meisters beschied ihm allerdings nach sorgfältiger Prüfung Folgendes: „Mr. Sinatra zieht es vor, Sie nicht zu treffen. Doch er bedankt sich für den Champagner.“ Für The Voice war diese Lösung anscheinend das Musterbeispiel einer Win-win-Situation.
Dopp informierte mich des Weiteren darüber, dass Paul Simons Tage in der Galerie bald gezählt seien, denn die Rechte an seinem Lebenswerk seien just an Sony Music verkauft worden. „Ehe Sie das Bild wegwerfen, geben Sie es mir“, hörte ich mich spontan sagen – und zwar leider nicht eingedenk der hier im Blog unlängst geschilderten Strategie, zu Hause kulturelle Bestände im großen Stil abzubauen.
Sofort schritt Dopp zur Wand, nahm das Bild ab und überreichte es mir. „Wir hätten es wirklich weggeworfen“, sagte er. Verblüfft und dankbar nahm ich das Geschenk an und schaffte es später beim Rausgehen sogar, das Foto an den Sicherheitskräften vorbeizuschmuggeln, ohne des Diebstahls verdächtigt zu werden.
Ich war also losgezogen, um Jennifer Lopez auf den Hintern zu starren – und kehrte zurück mit dem gerahmten Porträt eines der größten Songpoeten der Popgeschichte (vgl. „Duncan“ oder „The Boxer“).
Eigentlich habe ich das also nicht verdient. Und Lopez’ Hintern ist keineswegs so spektakulär, wie immer alle sagen.
Die Wände dort sind geschmückt mit Porträts der bedeutendsten Labelkünstler, also Kalibern wie Miles Davis, Ray Charles, Neil Young, Lou Reed … Warner-Chef Bernd Dopp genoss sichtlich meine sinnierende Bewunderung dieser geballten Galerie der Kreativität und erzählte nicht unstolz, er sei mit sämtlichen abgebildeten Künstlern persönlich bekannt, nur mit einem nicht: Frank Sinatra.
Dabei hatte er alles versucht und ihm einst, in den 80ern, die Bitte um ein Treffen mit einer in die Garderobe geschickten Flasche Schampus schmackhaft zu machen versucht. Der Assistent des Meisters beschied ihm allerdings nach sorgfältiger Prüfung Folgendes: „Mr. Sinatra zieht es vor, Sie nicht zu treffen. Doch er bedankt sich für den Champagner.“ Für The Voice war diese Lösung anscheinend das Musterbeispiel einer Win-win-Situation.
Dopp informierte mich des Weiteren darüber, dass Paul Simons Tage in der Galerie bald gezählt seien, denn die Rechte an seinem Lebenswerk seien just an Sony Music verkauft worden. „Ehe Sie das Bild wegwerfen, geben Sie es mir“, hörte ich mich spontan sagen – und zwar leider nicht eingedenk der hier im Blog unlängst geschilderten Strategie, zu Hause kulturelle Bestände im großen Stil abzubauen.
Sofort schritt Dopp zur Wand, nahm das Bild ab und überreichte es mir. „Wir hätten es wirklich weggeworfen“, sagte er. Verblüfft und dankbar nahm ich das Geschenk an und schaffte es später beim Rausgehen sogar, das Foto an den Sicherheitskräften vorbeizuschmuggeln, ohne des Diebstahls verdächtigt zu werden.
Ich war also losgezogen, um Jennifer Lopez auf den Hintern zu starren – und kehrte zurück mit dem gerahmten Porträt eines der größten Songpoeten der Popgeschichte (vgl. „Duncan“ oder „The Boxer“).
Eigentlich habe ich das also nicht verdient. Und Lopez’ Hintern ist keineswegs so spektakulär, wie immer alle sagen.
26 Oktober 2012
Pareidolie (50): Das taucht was
Die Hamburger Fotografin Gundel Deckert kann natürlich nichts dafür, aber ihre abstrakt wirkenden Wasserbilder bringen meine eigenartigen visuellen Sensoren ziemlich auf Touren.
Durch die Vernissage im Speditionshaus lief ich jedenfalls mit voll pareidolisiertem Tunnelblick – und wurde prompt an einigen Stellen fündig.
Oder zeigt das abgebildete Fotodetail einer mallorquinischen Mittelmeeroberfläche etwa keinen schlafenden spitznasigen Mann, der in eine Gustav-Klimt-artig gemusterte Decke gehüllt ist? Und hält er nicht eine flokatiummantelte Wärmflasche in der rechten Hand?
Sehen Sie: Jetzt sehen Sie es auch.
PS: Eine ganze Galerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.
Durch die Vernissage im Speditionshaus lief ich jedenfalls mit voll pareidolisiertem Tunnelblick – und wurde prompt an einigen Stellen fündig.
Oder zeigt das abgebildete Fotodetail einer mallorquinischen Mittelmeeroberfläche etwa keinen schlafenden spitznasigen Mann, der in eine Gustav-Klimt-artig gemusterte Decke gehüllt ist? Und hält er nicht eine flokatiummantelte Wärmflasche in der rechten Hand?
Sehen Sie: Jetzt sehen Sie es auch.
PS: Eine ganze Galerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.
25 Oktober 2012
23 Oktober 2012
Time to say goodbye
Der Beginn einer neuen Ära ist stets von Übergangsproblemen geprägt.
Seit mehreren Wochen versuchen wir unsere Bücher zu verschenken, weil wir auf E-Reader umgestiegen sind. Doch die jahrzehntelang gewachsene Wand scheint trotz mehrfacher Ortstermine mit vermeintlich guten Freunden kaum abzunehmen.
Dabei schlugen hier schon Leute mit Rollkoffern auf, sogar mehrfach. Dem ersten Kandidaten hatte ich für 50 Euro freie Auswahl versprochen – und null Euro, wenn er alles mitnähme, inklusive Brettern, Streben und Haken. Unter fadenscheinigen Vorwänden („Platzprobleme“) wählte er die Variante für 50 Euro. Die er uns übrigens immer noch schuldet.
Am vergangenen Sonntag nötigten wir daher ein halbes Dutzend Menschen aus dem innersten Zirkel, sich zwecks freier Bücherentnahme gefälligst in unserem Wohnzimmer einzufinden. Sogar der Heavy-Kindle-User German Psycho war dabei, allerdings – wie Sie völlig richtig vermuten – aus ganz anderen Gründen: Er sollte jeden, der sich am Ende der Veranstaltung ohne Bücher zu fliehen anschickte, höflich an seine Pflichten erinnern – mithilfe seiner Chromaxt.
Gelockt hatten wir nicht nur mit der Aussicht auf kostenlosen Lesestoff, sondern auch mit Espresso und portugiesischen Natas, was schließlich sogar den Franken aus seiner Eimsbütteler Höhle auf den Kiez trieb. Dabei erstickt dieser heillose Büchermessi zu Hause bereits jetzt zwischen Zellulosestapeln, für deren Produktion halb Manaus abgeholzt werden musste.
Ihn dabeizuhaben erschwert die ganze Sache zudem auf der Diskussionsebene erheblich. „Wasss?“, blökte er beim empörten Fingern im Regal, „du verschenkst Eckhard Henscheids Trilogie des laufenden Schwachsinns?? Die hast du von MIR!“ Müde schaute ich vom Espresso hoch. „Kannst du das beweisen?“, fragte ich zurück, „ist etwa eine Widmung drin?“
Widmungen hält der Franke allerdings generell für uncool, weshalb sein Vorwurf ungefähr so gut belegt war wie die Existenz des Yeti. Muffelnd steckte er also die Schwachsinnstrilogie in eine Stofftasche, die ich ihm gutmütig hinhielt, während er kopfschüttelnd irgendwas von „Ist sogar die Erstauflage“ murmelte.
Bevor wir die Meute aufs Regal losließen, hatten wir natürlich alle echten Herzensbücher und signierten Preziosen diskret beiseite geschafft. Und manches Lieblingswerk, das es nicht als E-Book gibt, habe ich neulich nach Amerika verschickt, wo es gerade jetzt, in diesem Moment, wie ich soeben per Mail erfuhr, fachgerecht guillotiniert, eingescannt und mir demnächst im Kindle-Format wieder zugemailt wird. Ein E-Phönix aus der Asche!
Wir ernten übrigens sehr viel Kritik, seit wir unseren Abschied vom toten Holz eingeleitet haben. Wie könnt ihr nur!, heißt es häufig. Die Sinnlichkeit des Anfassens! Das Rascheln der Seiten! Der Duft! Ja, klar. Aber haben Sie schon mal die gebundene Ausgabe von David Foster Wallace’ „Unendlicher Spaß“ mit auf eine Urlaubsreise genommen? Ich schon.
Nein, ich blättere mit großem Vergnügen einhändig per Tastendruck, trage liebend gern eine virtuelle Bücherwand in der Jackentasche herum wie einen verborgenen Schatz. Und ich lese weitaus mehr, öfter und länger, seit der Kindle mein Leben bereichert.
Am Ende hatte übrigens auch German Psycho seine speziellen Pflichten vergessen und einen halben Meter sinnlich anzufassender, raschelnder, duftender Bücher aus dem Haus geschafft. Und trotz alledem ist die Wand erneut kaum geschrumpft.
Sogar der „Faust“ steht noch da. Banausen, echt.
20 Oktober 2012
Der Tag der seltsamen Satzfetzen
Beim Kiezbäcker stand heute Morgen ein bulliger Vollbartträger vor mir in der Schlange und sagte: „So, und jetzt noch was nur für die Augen.“
Noch ehe ich imaginieren konnte, was er damit wohl meinen könnte – vielleicht Schwarzwälder Kirsch mit Sahnehäubchen? – konkretisierte er seinen Wunsch: „Zwei Brötchenhälften mit Mett!“ Natürlich reagierte der Kiezbäcker wie üblich: mit fatalistischer Gelassenheit.
Später auf dem Flohmarkt hörte ich im Vorübergehen einen weiteren sehr seltsamen Satzfetzen. Eine Frau sagte zur anderen: „… ich habe nämlich ein Problem mit toten Vögeln: Sie machen mir Angst.“
Wenn Sie also demnächst auf St. Pauli unterwegs sein sollten, passen Sie besser auf, was Sie sagen: Matt hört mit.
Und verbloggt es.
Noch ehe ich imaginieren konnte, was er damit wohl meinen könnte – vielleicht Schwarzwälder Kirsch mit Sahnehäubchen? – konkretisierte er seinen Wunsch: „Zwei Brötchenhälften mit Mett!“ Natürlich reagierte der Kiezbäcker wie üblich: mit fatalistischer Gelassenheit.
Später auf dem Flohmarkt hörte ich im Vorübergehen einen weiteren sehr seltsamen Satzfetzen. Eine Frau sagte zur anderen: „… ich habe nämlich ein Problem mit toten Vögeln: Sie machen mir Angst.“
Wenn Sie also demnächst auf St. Pauli unterwegs sein sollten, passen Sie besser auf, was Sie sagen: Matt hört mit.
Und verbloggt es.
18 Oktober 2012
Die Generation 50 plus unter sich
Matt: Bringst du mir morgen mal die neue „Pastewka“-Box mit?
Franke: Klar. Schickst du mir eine Mail zur Erinnerung?
Matt: Gern, wenn du mich an die Erinnerungsmail erinnerst.
Franke: Das habe ich bis heute Abend wieder vergessen.
Matt: Ich auch. Aber ich versuche, dran zu denken.
Franke: Ebenfalls.
Zum Glück läuft die Serie freitags auch im Fernsehen.
Franke: Klar. Schickst du mir eine Mail zur Erinnerung?
Matt: Gern, wenn du mich an die Erinnerungsmail erinnerst.
Franke: Das habe ich bis heute Abend wieder vergessen.
Matt: Ich auch. Aber ich versuche, dran zu denken.
Franke: Ebenfalls.
Zum Glück läuft die Serie freitags auch im Fernsehen.
16 Oktober 2012
15 Oktober 2012
Um elf Cent reicher
Das Fahrrad immer draußen vor unserem Haus anzuschließen, führt nicht nur dazu, dass es regelmäßig – der Schnitt beträgt etwa drei Jahre – gestohlen wird. Erheblich öfter dient es als Ablagefläche, wobei Sattel und Gepäckträger ungefähr gleich oft die Leidtragenden sind.
Meist sind es Getränkebehälter, die halb oder ganz ausgetrunken auf meinem Fahrrad abgestellt werden. Neben Bierbüchsen fand ich auch schon mehrfach Plastikbecher mit gelblichen Flüssigkeiten vor, bei denen ich stets hoffte, es möge sich doch bitte um Limonade handeln. Überprüft habe ich es freilich nie, auch olfaktorisch nicht.
In Western oder Krimis der 70er hätte der breitkrempig behütete Held in einem solchen Fall die Augen zu Schlitzen verengt, einen Finger in den Becher getunkt, dann dran geleckt und gesagt: „Urin. Es ist Urin.“
Aber das hier ist das 21. Jahrhundert, wir sind auf St. Pauli, solche Sachen müssen unbedingt ungeklärt bleiben.
Halbaufgegessenes Fastfood ist ebenfalls eine beliebte Hinterlassenschaft, die mein Fahrrad geduldig aufbewahrt, bis Herrchen es morgens losschließt. Neulich lagen sogar mal zwei Münzen auf dem Sattel, ein 10- und ein 1-Cent-Stück. Herzlichen Dank.
Das neuste Geschenk vom Universum war ein grauer Wollschal von gar nicht mal unbescheidener Provenienz, der achtlos um den Lenker geschlungen war. Er schien mir ob seiner Qualität nicht geeignet für den nur wenige Meter entfernten Mülleimer, in den ich sonst alles entsorge, was ich auf dem Rad vorfinde (bis auf die elf Cent).
Deshalb fasste ich ihn mit spitzen Fingern an und drapierte ihn auf dem Lenker des Nachbarfahrrads. Dafür möchte ich mich hiermit unaufrichtig entschuldigen.
Meist sind es Getränkebehälter, die halb oder ganz ausgetrunken auf meinem Fahrrad abgestellt werden. Neben Bierbüchsen fand ich auch schon mehrfach Plastikbecher mit gelblichen Flüssigkeiten vor, bei denen ich stets hoffte, es möge sich doch bitte um Limonade handeln. Überprüft habe ich es freilich nie, auch olfaktorisch nicht.
In Western oder Krimis der 70er hätte der breitkrempig behütete Held in einem solchen Fall die Augen zu Schlitzen verengt, einen Finger in den Becher getunkt, dann dran geleckt und gesagt: „Urin. Es ist Urin.“
Aber das hier ist das 21. Jahrhundert, wir sind auf St. Pauli, solche Sachen müssen unbedingt ungeklärt bleiben.
Halbaufgegessenes Fastfood ist ebenfalls eine beliebte Hinterlassenschaft, die mein Fahrrad geduldig aufbewahrt, bis Herrchen es morgens losschließt. Neulich lagen sogar mal zwei Münzen auf dem Sattel, ein 10- und ein 1-Cent-Stück. Herzlichen Dank.
Das neuste Geschenk vom Universum war ein grauer Wollschal von gar nicht mal unbescheidener Provenienz, der achtlos um den Lenker geschlungen war. Er schien mir ob seiner Qualität nicht geeignet für den nur wenige Meter entfernten Mülleimer, in den ich sonst alles entsorge, was ich auf dem Rad vorfinde (bis auf die elf Cent).
Deshalb fasste ich ihn mit spitzen Fingern an und drapierte ihn auf dem Lenker des Nachbarfahrrads. Dafür möchte ich mich hiermit unaufrichtig entschuldigen.
13 Oktober 2012
Bye, Nils
Mitte oder Ende der 90er, als ich noch mit J. befreundet war, erzählte er mir, er würde häufig mit dem Sänger Nils Koppruch verwechselt.
In der Tat sahen die beiden sich ähnlich, doch es gab einen Unterschied: Immer, wenn man Koppruch auf den Straßen oder in den Kneipen von St. Pauli begegnete, sah er – im Gegensatz zu J. – übernächtigt aus.
Er schien wenig zu schlafen und viel zu arbeiten, als Musiker und als Maler. Schon früh hatte er tiefe Falten im Gesicht, er war praktisch immer unrasiert, und wenn man seinem Blick begegnete, fielen einem die dunklen Augen auf.
Am Mittwoch ist Nils Koppruch plötzlich gestorben, mit 46.
Meine Generation.
Seinen tiefen Stirnfalten wird man auf St. Pauli nie mehr begegnen. Und bald werden auch die Kerzen und Blumen vor seinem Atelier in der Wohlwillstraße wieder verschwunden sein.
In der Tat sahen die beiden sich ähnlich, doch es gab einen Unterschied: Immer, wenn man Koppruch auf den Straßen oder in den Kneipen von St. Pauli begegnete, sah er – im Gegensatz zu J. – übernächtigt aus.
Er schien wenig zu schlafen und viel zu arbeiten, als Musiker und als Maler. Schon früh hatte er tiefe Falten im Gesicht, er war praktisch immer unrasiert, und wenn man seinem Blick begegnete, fielen einem die dunklen Augen auf.
Am Mittwoch ist Nils Koppruch plötzlich gestorben, mit 46.
Meine Generation.
Seinen tiefen Stirnfalten wird man auf St. Pauli nie mehr begegnen. Und bald werden auch die Kerzen und Blumen vor seinem Atelier in der Wohlwillstraße wieder verschwunden sein.
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