Das Witzige an diesem Bild, welches ich in ganz anderem Zusammenhang schon einmal verwendet habe, ist ja die Tatsache, dass mir erst jetzt die darin verborgene Pareidolie auffällt.
Die somit gut begründete effiziente Zweitverwertung ist dabei ein angenehmer Nebeneffekt, den man sich als grundsätzlich dem Faulenzen zugeneigter Blogger am Vatertag schon mal leisten kann, finde ich.
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03 Juni 2011
02 Juni 2011
Unclever und Smart
Mit den Worten „Weißt du, wo wir heute Mittag essen gehen?“ stürmt der Franke freudestrahlend mein Büro. „Bei den Due Baristi!“
Ich starre ihn mit einem Blick an, der von außen sicherlich dumpfe Verständnislosigkeit ausdrückt, doch noch ehe ich sagen kann: „Franke, bist du zu allem Überfluss jetzt auch noch geografisch völlig desorientiert? Die Due Baristi sitzen in Eimsbüttel!“, platzt er auch schon mit einer aus Frankensicht genialen Auflösung des Rätsels heraus.
„Wir fahren mit nem Smart von car2go!“, strahlt er so stolz, als hätte er gerade die Mettwurst erfunden, und schon stehen wir in der Bahrenfelder Straße und versuchen dieses idiotische Vorhaben in die Tat umzusetzen. Der Franke nämlich hat sich neulich bei diesem Projekt angemeldet, aber bisher noch keine Gelegenheit gehabt, es auszuprobieren. car2go heißt: Überall in der Stadt stehen herrenlose Smarts herum, die man mit einer entsprechenden Chipkarte einfach entern, bewegen und irgendwo wieder herrenlos herumstehen lassen kann; bezahlen muss man lediglich die reine Fahrzeit, und zwar mit 29 Cent pro Minute.
Also auf zu den Due Baristi. Der Franke hält seinen Chip an die Scheibe. Allerdings muckt der Smart. Er behauptet via Display, er sei nicht frei. „Gibt’s doch nicht“, flucht der Franke, „wenn er hier herumsteht, muss er auch frei sein!“ Sagt zumindest die Theorie von car2go. Die Alternative wäre ein Brecheisen, doch zum Glück steht nur zwölf Meter weiter schon der nächste.
Ich halte auf Anweisung des Franken mein iPhone bereit, um vorm Losfahren eventuelle Schäden an diesem Ei auf vier Rädern zu dokumentieren. Ist aber nichts, nur Vogeldreck. Diesmal ziert sich der Smart nicht, die Türen lassen sich öffnen, wir steigen ein. Anschnallen und los geht’s. Sollte es wenigstens.
„Nun gib schon deine PIN ein“, verlange ich mit Blick auf das entsprechende Display vom Franken, denn der Mittagspausencountdown tickt unerbittlich herunter, und die Due Baristi werden schließlich auch nicht gleich springen, nur weil zwei Irre aus Altona mit einem Smart vorfahren und ein schmackhaftes Mittagessen verlangen, aber pronto.
„Äh, welche PIN?“, staunt der Franke, „ach ja, die PIN … Wie war die noch mal?“
Ich starre ihn mit einem Blick an, der von außen sicherlich vorwurfsvollen Spott ausdrückt, doch noch ehe ich sagen kann: „Franke, bist du zu allem Überfluss jetzt auch noch kognitiv völlig desorientiert? Gib endlich hier auf diesem Monitorchen deine car2go-PIN ein!“, patscht er auch schon mit seinen Frankenpranken darauf herum.
Es kommt eine Fehlermeldung.
„Hm, wie war die PIN noch mal?“, sinniert er vor sich hin und startet schon den zweiten Versuch. Fehlermeldung. Auf dem Display steht: „Sie haben nur noch einen Versuch!“ Ich schnalle mich seufzend schon mal ab.
„Ich dachte, ich hätte …“, murmelt der Franke, „… oder habe ich das Geburtsdatum meiner Mutter … Wo könnte ich mir die PIN denn notiert haben … Online müsste ich die doch abrufen können … Oder stehen da nur Sternchen?“
So brabbelt er vor sich und mich hin, während ich mir mit leerem Blick das Treiben auf der Bahrenfelder Straße anschaue. Einen dritten Versuch traut der Franke sich nicht zu. Es ist ein wenig wie in diesen Actionfilmen, in denen sich Bruce Willis immer zwischen dem roten und dem blauen Draht entscheiden muss.
Man kann in einem solchen Fall natürlich auch einfach weggehen. Wie wir. Und zwar zum asiatischen Bistro gegenüber.
Ich glaube, ich melde mich auch bei Car2go an. Scheint ja ein ganz sinniges Prinzip zu sein – sofern man seine Tassen noch alle im Schrank hat bzw. die PIN im Kopf.
Was ich mir zutraue.
Foto: car2go
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01 Juni 2011
Sehr anregend
Das Safari in der Großen Freiheit, nach Auskunft gewöhnlich gut informierter Kreise der letzte übriggebliebene Sexclub auf dem Kiez mit echtem GV auf der Bühne, wirbt in seinem Schaufenster mit einer Kunden-E-Mail.
„Sehr geehrte Damen und Herren“, hebt sie höflich an, „ich war gestern Abend mit meiner Frau im Safari. Es hat uns viel Spaß gemacht: wirklich eine tolle show, die uns Beiden später im Hotelzimmer viele Anregungen gegeben hat!“
Das Safari hat den Absender zwar versucht zu schwärzen, doch mit der richtigen frei im Web verfügbaren Fotobearbeitungs- und Spionagesoftware …
Aber lassen wir das. Interessiert doch keinen.
30 Mai 2011
Kauen, immer weiterkauen
Wer bisher – wie eingestandenermaßen ich – inniglich darauf setzte, der unerträgliche Anblick des schottischen Wrigleymonsters Sir Alex Ferguson (Manchester United, 69) erledige sich irgendwann auf biologische Weise gleichsam von selbst (nur wann bloß? WANN?), hat eins gewiss nicht bedacht:
Sein Nachfolger steht schon vorm Kaugummiautomaten, und verdammt: Er hat Kleingeld dabei.
Es ist der Rocksänger Liam Gallagher (Beady Eye, 38), der heute Abend in der hitzedampfenden Großen Freiheit zu meinem ästhetischen Missvergnügen nicht nur einen hochgeschlossenen Kapuzenanorak zur Schau stellte, sondern auch ein Alex-Ferguson-Gedächtnis-Kauen von selten blasierter Breitlippig- und Offenmäuligkeit.
Dass Herr Gallagher uns außerdem schon vorm ersten Stück wortlos kiefermahlend seinen Stinkefinger entgegenreckte, komplettierte die eindrucksvolle Visualisierung seines traditionellen Markenkerns, den er während seiner Zeit bei Oasis entwickelt hat und seither unverdrossen beibehält: der schnöselige Rüpel vom Dienst zu sein.
Klar: Wahrscheinlich ist Liam privat ein Charmeur mit schüchternstem Augenaufschlag, der verschämt herumdruckst, wenn er bei Frau Nachbarin nach einer Zwiebelknolle zu fragen hat; auf der Bühne aber setzt der böse Mann aus Manchester alles daran, bei unsereins blinde Aggression hervorzurufen.
Kurz bevor ich aufgrund dessen erwog, die Bühne zu stürmen, um Gallagher mit seinem eigenen Kaugummi gewaltsam sämtliche Karieskrater zu versiegeln, und zwar ein für alle mal, besann ich mich – und fotografierte zur Beruhigung draußen vor der Tür einige Stilleben, die jeweils ein so direktes wie schlichtes Ursache-Wirkung-Prinzip zum Thema haben.
Kurz: ein rundum gelungener Abend, für Liam wie für mich.
29 Mai 2011
Flyer müssen draußen bleiben
„Ja, bitte?“, sagte ich in die Gegensprechanlage, denn es hatte geklingelt. „Schönen Tag“, kam es juvenil beschwingt herauf, „würden Sie bitte aufmachen? Ich möchte bei Ihnen ein bisschen flyern!“
Ein bisschen flyern also. Ungeachtet meiner spontan aufflammenden Bewunderung für diesen sehr sinnig dem Englischen entwundenen Neologismus vermochte ich seinem Ansinnen keinesfalls zu entsprechen. Mit so etwas war der junge Mann bei mir nämlich genau an der richtigen Adresse.
Auf unserem zum Glück im Treppenhaus aufgehängten Briefkasten prangt ganz in Rot „KEINE Werbung und Prospekte – danke!“, wobei das „danke“ als zähneknirschende Konzession an zivile Umgangsformen erst auf den allerletzten Drücker mitaufgenommen worden war. Auf der Robinsonliste stehen Ms. Columbo und ich selbstverständlich auch, und als sich neulich in unser parallel betriebenes Postfach ein Pizzeriaflyer verirrt hatte, warf ich ihn dem Postfilialenangestellten auf den Tresen, begleitet von der rhetorischen Frage, was das solle.
Der Mann war erstaunt über meine Erbostheit und riet, den Wisch doch einfach wegzuwerfen, doch genau so etwas beschleunigt die Entropie und muss aufhören. Ich meine: Er macht sich die Arbeit, den Flyer hineinzulegen, und ich, ihn wegzuwerfen – darin liegt doch kein Sinn, höchstens für Postbedienstete (was ein betrübliches Licht auf das Anspruchsniveau ihrer restlichen Tätigkeiten würfe).
Jedenfalls weigerte er sich, mir zuzusichern, künftig keine unadressierte Werbung mehr in mein Postfach zu legen. Dazu, erklärte der ganz offensichtlich intellektuell fehlgeprägte Heini, müsse ich die zuständige Posthotline anrufen und dort eine entsprechende Weisung hinterlassen.
Diesen Weg, antwortete ich schneidend, könne man ja wohl sehr deutlich abkürzen, indem er einfach hier und jetzt diese Weisung von mir entgegennehme, statt auf eine Order der Zentrale zu warten, die ja auch nur den Kundenwillen – also meinen – an ihn weiterleiten würde. Eine Logik von geradezu kristalliner Unanfechtbarkeit, die zu diesem fleischgewordenen Denkbunker aber leider nicht vordrang; er beharrte auf den Weg der entropischen Beschleunigung, obwohl er mit Sicherheit noch nie von diesem Phänomen gehört hatte.
Schnaubend verließ ich die Filiale, wandte mich an die Hotline, die schnelle Abhilfe zusicherte und dies gar in einem devoten Schreiben noch einmal bestätigte – doch gestern lag wieder ein Pizzeriaflyer im Postfach. Ich betrat dampfend die Filiale auf der Suche nach meinem weisungsresistenten Flyerverteilungsautomaten, prallte jedoch an einer meterlangen Schlange ab. Die Hotline sicherte in beschwichtigenden Worten zu, „die Sache nun eine Stufe höher zu hängen“. Da bin ich aber mal gespannt.
Von all dem konnte der junge Mann, der gestern morgen bei uns flyern wollte, natürlich nichts wissen, und deshalb behandelte ich ihn auch nach den Maßgaben der Genfer Konvention. Nein, beschied ich ihm durch die Gegensprechanlage, ich würde es bevorzugen, nicht zu öffnen, da wir dem Flyern als solchem nur wenig abgewinnen könnten.
„Und Ihre Nachbarn?“, fragte er. „Die bestimmt auch nicht“, sagte ich. „Na, dann noch einen schönen Tag.“ Das wünschte ich ihm auch. Konfliktlösung auf höchstem Niveau.
Ob das am Ende auch für meinen Spezi bei der Postfiliale gelten wird, ist noch nicht raus. Oh nein.
28 Mai 2011
27 Mai 2011
Weltuntergang in Hamburg! (na ja, fast)
„Um 14 Uhr gibt’s ein Gewitter!“, frohlockt der Franke, während wir mittags vorm Voltaire in der Friedensallee sitzen und uns den Lunch schmecken lassen. „Mit dreieinhalb Liter Regen auf den Quadratmeter! Sagt Kachelmann.“
Ich schaue hoch und sehe die blitzende Sonne durch die Blätter der Erle, Linde, Eibe oder was auch immer uns da ihre Blütenblätter ins Essen rieseln lässt. Ein tiefblauer Himmel komplettiert die Szenerie.
Ich rufe meine Weather-Pro.app auf, die nichts von dem verifiziert, was der Franke mir da gerade in Kachelmanns Namen vorgetragen hat. „Du immer mit deinem Kachelmann“, maule ich. Kachelmann ist des Franken Gott, daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Mann zurzeit ein paar wetterferne Problemchen hat.
„Wart’s ab“, antwortet der Franke vorfreudig, während er aus EHEC-Trotz einen riesigen Salat verputzt (natürlich liegt auch ein Stück Bifteki drin, aber das muss ich Ihnen ja nicht mehr erzählen).
Um 14 Uhr sitzen wir längst wieder im Büro, und draußen knallt immer noch die Sonne. Der Franke ruft ein klitzekleines bisschen kleinlaut an und informiert mich darüber, dass Kachelmann nun seine Prognose korrigiert habe. Demzufolge schiene momentan draußen die Sonne. Eine interessante Information.
Gegen 15 Uhr klingelt wieder das Telefon. Der Franke, klar; nun aber wieder mit deutlich triumphalem Unterton. Denn er hat Neuigkeiten von Kachelmann. Das Gewitter, erklärt er aufgeregt, habe sein Guru nunmehr zeitlich nach hinten geschoben, auf 17 Uhr nämlich, und aus Verärgerung über seine (des Gewitters) Unzuverlässigkeit von heute Mittag auch gleich noch ordentlich bei der Regenmenge draufgepackt: jetzt viereinhalb Liter pro Quadratmeter.
„Ui“, sage ich gelangweilt. Meine Weather-Pro.app weiß noch immer nichts von einem Gewitter. Um 17.15 Uhr schaue ich raus. Es sind leichte Schleierwolken aufgezogen. Die Luft ist wunderbar warm und seidig, ich wickle mir die überflüssige Jacke um die Hüften und schwinge mich aufs Rad.
Der Franke meldete sich nicht mehr. Ebensowenig wie das Gewitter. Kachelmann ist wahrscheinlich momentan einfach nur unkonzentriert.
PS: Das Foto hat lediglich beispielhaften Charakter und zeigt ähnliche Wetterverhältnisse wie heute, nur an einem anderen Tag und ganz woanders.
26 Mai 2011
Pareidolie (5)
25 Mai 2011
Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (46)
Die Zwillingstürme eingangs der Reeperbahn sollen irgendwann einmal tanzen, doch zurzeit wachsen sie nur.
Übrigens haben sie aus mehreren Perspektiven jeweils einen deutlichen Knick in der Optik, und das musste der Vollständigkeit halber hier auch mal dokumentiert werden.
Wir wohnen um die Ecke, und sollte hier ein Technikfex mitlesen, der vor Ort unsere neue Fritz!Box reibungslos in die DSL-Umgebung einklinken kann, dem ist nicht nur unsere ewige Dankbarkeit sicher, sondern auch ein angemessenes Honorar.
Zumal dann auch die ganzen abgedroschenen Wortspiele („Weh-LAN“, „WLAHM“) endlich aufhören würden in der Seilerstraße.
24 Mai 2011
Bob Dylan zum Klimaschutz auf Kiezianisch
Wie vergangene Woche bereits vorsorglich angedroht, behellige ich Sie nun erneut mit einem Hinweis auf die von mir konzipierte Sendung mit Bob-Dylan-Coverversionen auf Byte.fm.
Heute Mittag um 12 Uhr kann sie, wer will, im Internet hören – am einfachsten mithilfe eines Klicks auf den Player links in der Leiste.
Byte.fm hat anlässlich dieses Jubiläums natürlich noch viel mehr Sendungen im Programm; einen Überblick mit allen Terminen gibt es hier.
Das alles hat natürlich nur sehr partiell mit dem heutigen Foto zu tun. Es zeigt einen jungen St. Paulianer, welcher der gemeinhin sinnlosen Nachtbeleuchtung unserer Postfiliale gestern Abend einmal einen Sinn verlieh – indem er in ihrem heimelig gelben Schein sein Fahrrad reparierte.
„It ain’t no use in turnin’ on your light, babe“, hat Dylan dazu angemerkt, erstaunlicherweise schon 1963.
23 Mai 2011
Von der Artenvielfalt kiezianischer Schallquellen
Hubschrauberflüge sind doch, so weit ich weiß, sauteuer, oder etwa nicht?
Warum dann am Sonnabendnachmittag, also am Tag vor Hamburg-Marathon und Weltuntergang, ein Helikopter ungefähr zwei (!) Stunden lang den immergleichen infernalischen Kreis über dem Kiez zog, das wüssten wohl nur die Götter, sofern sie existierten. Vielleicht auch ein hohes Tier bei der Polizei, aber wir nicht. Irgendetwas sagt mir übrigens, dass diese zwei sauteuren Hubschrauberstunden aus Steuergeldern bezahlt wurden, aber natürlich habe ich dafür nicht den geringsten Beweis.
Am Sonntag dann, dem Tag nach Marathon und Apokalypse, besserte sich die Schalllage nur unwesentlich. Denn bereits frühmorgens riss uns laute Musik aus dem Schlaf der Gerechten. Die Nachbarn von gegenüber pumpten wattstark „Human“ von den Killers in den Hinterhof – eine geschmackvolle, wenngleich wenig gottgefällige Wahl für den ersten postapokalyptischen Sonntag aller Zeiten.
Sonisch abgerundet wurde das Wochenende schließlich abends von den obligatorischen Sirenen mehrerer Peterwagen, die bei uns in die Straße einfielen. Ein vergleichsweise großes Polizeiaufgebot holte mit einfacher körperlicher Gewalt einen verwahrlosten Mann, dessen genaues Vergehen uns bis zum Schluss der Aktion nicht klar wurde, von der Baustelle nebenan.
Vielleicht hatte er ja das Schild „Betreten verboten“ ignoriert. Jedenfalls war der laut und lallend zeternde Mann verdreckt, volltrunken – und dennoch selbstbewusst genug, sich seiner Ingewahrsamnahme entschieden zu widersetzen.
Das bekam ihm nicht gut. Er geriet sekundenschnell in die Horizontale sowie einen gesetzlich legitimierten Schwitzkasten. Sein Allgemeinzustand besserte sich so natürlich nicht.
Nach diesem würdigen Wochenendabschluss wurde endlich alles ruhig in der Seilerstraße, und dieser Zustand pflegt zum Glück ja montags generell anzuhalten – es sei denn, die zuständige Instanz holt den Weltuntergang doch noch nach.
Dann würde ich mich aber noch mal melden.
22 Mai 2011
Pareidolie (4): Zugvogel
Das Pareidolievirus verbreitet sich unaufhaltsam. Jetzt hat es auch den armen T(o)mmy erwischt – und dieses Blog ist Schuld.
Ohne die kürzlich hier gestartete Pareidolieserie nämlich wäre ihm im ICE bestimmt nicht dieser großschnabelige Grinsevogel auf der Rückseite des Vordersitzes aufgefallen. Die fahren zu Tausenden durch Deutschland, tagein, tagaus, unablässig, und starren uns mit kleinen bösen Knopfaugen an, vor allem, wenn die ICEs mal wieder liegenbleiben.
Diesen Blick stundenlang ertragen zu müssen, ist allein eine Teilrückerstattung des Fahrpreises wert; ich halte moderate zehn Prozent für angemessen.
Antragsformulare gibt es beim Zugbegleiter. Fragen Sie ruhig danach.
21 Mai 2011
Doch kein Kollateralschaden
Vielleicht war es ja die Strafe dafür, dass German Psycho in der Weinbar St. Pauli irgendwann versucht hatte, in Ermangelung eines selbstmitgebrachten Einstecktuchs Coooper Visuals iPhone (!) als solches zu missbrauchen.
Jedenfalls lief er auf dem Weg zur Reeperbahn frontal in einen heimtückisch ihm in den Weg springenden Metallpfosten, dessen oberes Ende etwa dort angesiedelt war, wo bei einem Mann von der Größe German Psychos gemeinhin ein durchaus wichtiges anatomisches Utensil beheimatet ist.
Sein Schrei jedenfalls gellte derart entsetzlich durch die linde Nacht, dass nicht nur wir uns höchst besorgt nach möglichen Kollateralschäden erkundigten, sondern auch völlig unbeteiligte Passanten. Und vor allem natürlich Cooper Visual.
Dass er in den Minuten danach mit Eunuchenstimme sprach, war indes nur geschauspielert, und genau diese Tatsache vermochte auch unsere ernste Sorge um die Reprodukionsfähigkeit des Geschädigten zu zerstreuen. Und vor allem natürlich die von Cooper Visual.
Wir landeten schließlich alle gesund und munter im Lehmitz, wo die Knackigkeit der Liveband aufs Entschiedenste korrespondierte mit der Merkwürdigkeit der Gäste, uns eingeschlossen.
Und damit meine ich unbedingt auch den abgebildeten Herrn.
20 Mai 2011
19 Mai 2011
Pareidolie (3): Nein, nicht Bernd, das Brot
Diesen kapitalen Brocken Brot von rund 30 Zentimetern Höhe entdeckten wir heute in der Langnese Bar am Strandkai.
Er schaute uns derart grundzufrieden an, als hätte er gerade mit großem Behagen eine Melone verspeist, und zwar mit einem einzigen Happs.
Die Bedienung der Langnese Bar, die natürlich nicht wusste, dass ich nur aus pareidolischen Gründen ein Brotfoto machte, war sichtlich stolz auf diesen Trumm. „Und das ist nur die Hälfte!“, informierte sie uns begeistert. Von der anderen Hälfte aßen wir dann mehrere Scheiben, belegt mit Kichererbsencreme, Pistazienkernen und Kresse.
Ein also in jeder Hinsicht empfehlenswerter Laden, diese Langnese Bar (wo es natürlich auch Eis gibt, aber wem sag ich das).
18 Mai 2011
It ain’t him, babe
Ich weiß nicht mehr genau, wann ich damit begann, systematisch Coverversionen von Bob-Dylan-Songs zu sammeln. Ich weiß nur, dass es keineswegs an Vorbehalten gegen Dylans Stimme oder Gesangsstil lag, was viele Leute ja ins Feld führen, wenn sie begründen wollen, weshalb dieses oder jenes Cover angeblich „besser“ sei als das Original.
Nein, Dylan ist ein einmaliger Interpret seiner selbst und seine Stimme ein Wunder der Natur, von Anfang an. Mittlerweile erinnert sie zwar eher an die verkohlten Ruinen einer metallverarbeitenden Fabrik, aber auch das hat seine Reize. Jedenfalls lag es nicht im mindesten an einer Aversion gegen Dylan selbst, dass ich Covers zu sammeln begann, sondern an der puren Brillanz seiner Songs.
Stücke wie „Desolation Row“, „Wedding song“ oder „Don’t think twice“ sind so wunderbar komponiert, ihre Melodieführung so hinreißend, dass mir das Immerwiederhören der Originale irgendwann einfach nicht mehr reichte. Nein, meine Gier nach Varianten wurde im Lauf der Jahre immer größer – zumal man als Musikfan im Lauf seiner Sozialisation sowieso immer wieder mit verblüffenden Neu-, Um- und Ausdeutungen von Dylan-Songs konfrontiert wird. Van Morrisons dramatisch zwischen Verlustangst und Angstlust schwankendes „It’s all over now, Baby Blue“ wird jeder Mensch mit Geschmack irgendwann kennen- und liebenlernen, ob er nun 1940 geboren ist oder 1990.
Ich jedenfalls begann vor einigen Jahren systematisch damit, alle – alle! – Bearbeitungen von Dylan-Kompositionen zu sammeln. Zunächst schlachtete ich die eigene LP- und CD-Sammlung aus, parallel dazu recherchierte ich weitere Veröffentlichungen und schaufelte mir unzählige Coverblogs in den RSS-Reader (ich LIEBE das Internet!), um keine Interpretation zu verpassen, sei sie alt, abgelegen, scheußlich oder brandneu. Ich kaufte, kopierte, lud runter – kurz: Ich warf ein riesiges Dylan-Coversongs-Schleppnetz aus, und zwar mit durchaus passablem Erfolg. Denn das wäre ja das Schlimmste für einen Jäger und Sammler: dereinst den letzten, allerletzten Schatz gehoben zu haben.
Mein entsprechender iTunes-Ordner verzeichnet momentan jedenfalls nur rund fünf Prozent aller bekannten Covers. Das sind 1513 Stück mit einer Laufzeit von vier Tagen, fünf Stunden, 20 Minuten und 33 Sekunden. Darunter befinden sich epische Progrockversionen („All along the Watchtower“, Affinity), ranschmeißerische Anschmachter („He was a friend of mine“, Cat Power), wildestes Cowpunkgeprügel („Blowin' in the wind“, Me First & The Gimme Gimmes), japanischer Girliekitschpop („Mr. Tambourine Man“, Kumisolo) oder unfassbar grottige Poprockfassungen einer galizischen Amateurcombo namens 7 Ivvas.
So, das war die Einleitung. Denn was ich mit all dem sagen will, ist Folgendes: Am 24. Mai mittags um 12 Uhr laufen beim Internetsender Byte.fm eine Stunde lang abgelegene, skurrile, merkwürdige und keineswegs allgemein bekannte Dylan-Covers aus meiner Sammlung.
It ain’t him, babe, sozusagen – und dennoch sehr unterhaltsam. Oder gerade deswegen – zumindest für all jene, die aus mir völlig unverständlichen Gründen Dylans Stimme oder Stil nicht mögen. Mehr zur Sendung gibt es auf der Programmseite von Byte.fm – und natürlich werde ich Sie kommende Woche noch einmal mit einer kleinen Erinnerung an diese Sendung nerven; das haben Sie sich sicher schon gedacht.
Es gibt übrigens Fanatiker, die katalogisieren jedes einzelne gecoverte Stück, was für einen wie mich eine unschätzbar wertvolle Quelle ist, aber auch ein steter Quell der Qual. Denn natürlich sind die bereits über 30.000 verzeichneten Studioeinspielungen von Dylan-Songs niemals alle zu beschaffen, und das frustriert schon ein bisschen. Andererseits gibt diese Tatsache mir auch die beruhigende Gewissheit, dass die Suche immer weitergehen kann und wird.
Es gibt buchstäblich kein Genre, das es nicht gibt im Kosmos der Dylan-Covers, und jede einzelne Adaption beweist nur eins: wie inspirativ und befeuernd die Originalkomposition ist.
17 Mai 2011
Lieblingsorte (7): Kaiserkai, Hafencity
Man kann ja gegen die Legokastenoptik der Hafencity sagen, was man will …
… aber wenn man am Kaiserkai neben der Elbphilharmonie steht und – mit der Legokastenoptik im Rücken – den Blick nach Südwesten schweifen lässt, und wenn dann ein solcher Wolkenbatzen tonnenschwer am Himmel hängt wie vorgestern …
… dann ist das einer der schönsten Orte, an denen man sich in Hamburg aufhalten kann.
16 Mai 2011
Arme Schwarze unerwünscht
Manchmal wird die Bedeutung eines Satzes in ihrer ganzen Tragweite erst dann deutlich, wenn man ihn testweise mal in sein Gegenteil verkehrt.
„Ich möchte nicht zwischen lauter armen Schwarzen wohnen.“
Das und nichts anderes – nur halt umgekehrt – sagt Fernando D’Velez, ein (wahrscheinlich reicher) Boutiquenbesitzer und Promoter aus St. Pauli. Mit diesem ungeheuerlichen und ungeheuer gedankenlosen Satz wehrt er sich gegen die Neubebauung des Bernhard-Nocht-Quartiers.
Das entsprechende Plakat hängt überall im Viertel, zusammen mit anderen, ähnlichen Plakaten – von denen allerdings keins so unverhohlen rassistisch ist wie dieses. An dieser Tatsache ändern weder das charmant verschämt tuende Lachen von Herrn D’Velez noch seine irgendwie um Verzeihung bittenden Hände etwas.
Man kann wirklich viele Argumente finden gegen die Neubebauung des Bernhard-Nocht-Quartiers, gegen die Gentrifizierung unseres Stadtteils, gegen ständig neue leerstehende Büroglaskästen anstatt erschwinglicher Wohnungen.
Aber Menschen wegen ihres sozialen Status in Verbindung mit ihrer Hautfarbe vom Hierwohnen ausschließen zu wollen, ist kein gutes Argument. Ich persönlich möchte, ehrlich gesagt, sehr ungern neben und zwischen Leuten wie Herrn D’Velez wohnen, die mich vielleicht von einem Tag auf den anderen wegen meiner vornehmen Blässe für unerwünscht halten könnten.
Das Geheimnis von St. Pauli ist sein Mix. Hier leben Weiße, Schwarze, Braune, Gelbe, Rote und Olivia Jones. Sie sind reich, arm, obdachlos, Boutiqenbesitzer oder Promoter und manchmal (wie Herr D’Velez) auch beides auf einmal.
Das war immer (gut) so und muss auch so bleiben. Doch Plakate wie dieses kündigen das im Grunde auf, und das auch noch im Namen einer guten Sache.
Denn wer so etwas sagt, will nicht zwischen armen Schwarzen wohnen. Auch wenn er zur Sicherheit das Gegenteil behauptet.
15 Mai 2011
Pareidolie (2)
Ständig schaut dieses spitzkinn- und -nasige Schild mit der aggressiven Meckifrisur derart grimmig in die Gegend, als müsste es sein Leben an der Hauswand eines Sexshops an der Reeperbahn fristen.
Tja, und genauso ist es ja auch.
Nachtrag 15. 5., 16:41 Uhr: Ms. Columbo hat mich auf das ähnlich aufgebaute pareidolische Logo von Easy Rider auf der Reeperbahn hingewiesen, bei dem die Designer allerdings die Gesichtsassoziation ganz bewusst angelegt haben:
13 Mai 2011
Unser kleiner grauer Weggefährte
Freitags ist Einkaufstag. Dann zockeln Ms. Columbo und ich los mit unserem treuen Trolley, der traditionell meiner Führung überlassen ist.
Ich versuche dabei nach Kräften und starren Blicks gen Gehweg, die Hinterlassenschaften hiesiger Hunde zu umfahren. Denn nach dem Einkauf wird das zweirädrige Wägelchen, welches heutzutage immer öfter zum „Shopper“ gehypt wird, wieder hoch in die Wohnung geschafft, und dazu muss das Gute definitiv stubenrein sein.
Unser aktuelles Modell ist bereits Nummer 3. Die Lebensdauer des ersten war sogar kürzer als die einer Eintagsfliege, weil bei seinem Debüteinsatz nur wenige Minuten, nachdem ich ihn erworben hatte, ein Becher Buttermilch darin zerbrach. Milchreste in irgendwelchen Schlitzen und Falten, Schimmelnahrung à la carte? Nein, unzumutbar. So landete er nach nur halbstündigem Einsatz im Müll; ein schlimmes, aber unvermeidbares Schicksal.
Trolley Nummer 2 verlor irgendwann ein Rad, das ich wieder aufschraubte, doch das Ärgernis geschah immer öfter, und da er billig gewesen war – für zehn Euro geschossen auf einem Flohmarkt in Moorfleet –, entsorgte ich ihn zwischen hier und Edeka in einer fremden Tonne, heimlich, illegal und – aufgrund eines überholten, aber hartnäckigen Moralsystems – mit roten Ohren.
Der dritte nun ist ein immerhin 34 Euro teures Markengefährt, stabil, robust und geräumig, dazu von einem bescheidenem Grau, das sich beinah schüchtern versteckt vor den Graffitis der Mauern des Kiez. Heute war er wieder im Einsatz.
Warum ich das alles erzähle, weiß ich selber nicht, denn wer sollte sich schon für einen Trolley interessieren, der wochein, wochaus durch St. Pauli gezogen wird? Hier sollten Dealer, Luden, Huren vorkommen, verdammte(r) Hacke(nporsche)!
Na ja, demnächst bestimmt mal wieder. Großes Kiezianerehrenwort.
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