Beim Konzert von Laura Veirs im Uebel & Gefährlich steht vor uns der abgebildete Typ mit Entenfußhaltung. Seine Eigenheit: Er dreht sich alle paar Sekunden um.
Anfang dachte ich noch, er missbillige unser kurzes Geplauder, doch diese Theorie wird bald falsifiziert. Denn er dreht sich ständig um, auch nachdem wir längst verstummt sind. Mindestens viermal die Minute, erst nach links, dann nach rechts.
Sein Blick scannt dabei jedesmal die Umgebung hinter uns ab, als suchte er jemand oder fühlte sich verfolgt. Vielleicht stimmt ja auch beides. Jedenfalls fängt der Umdreher mich mächtig an zu nerven.
Statt mich aufs Konzert zu konzentrieren, entwickle ich innerhalb kurzer Zeit Zwangshandlungen. Zum Beispiel beginne ich die Sekunden zu zählen, bis der Entenfüßler erneut den Kopf wendet – da: schon wieder.
Mir schwillt der Kamm. Aber warum eigentlich? Der Typ dreht sich doch nur um. Und er schaut nicht mal uns an, sein Blick streift uns nicht mal.
Trotzdem fühle ich mich belästigt. Ms. Columbo übrigens auch, doch das stellt sich erst später heraus, als wir in stiller Übereinkunft an die Theke geflüchtet sind, um dem Umdreher zu entgehen. „Als hätte er ein Recht darauf, neugierig zu sein“, erregt sich Ms. Columbo, und zwar mit meiner nachdrücklichsten Billigung.
In mir keimt ein peinliches Verständnis für die „Was guckst du?“-Aggressoren, die nichts weiter brauchen als einen vermeintlich ungebührlichen Blick, um zuzuschlagen. Irgendwo tief in uns steckt wohl noch immer das vorzivilisatorische Instinkttier, das alles, was uns widerfährt, nach archaischen Maßstäben interpretiert – und uns entsprechend vorzivilisatorische Reaktionen nahelegt.
Allerdings sind wir nur an die Theke geflüchtet, anstatt ihm die Kauleiste zu zerdellen. Und auf diese Kulturleistung dürfen wir zu Recht sehr, sehr stolz sein.
„3000 Plattenkritiken“ | „Die Frankensaga – Vollfettstufe“ | RSS-Feed | In memoriam | mattwagner {at} web.de |
07 Februar 2010
06 Februar 2010
05 Februar 2010
Zurück aus der Zukunft
August 2018. Ich sitze in der Bar Tutto Silenzio, die seit dem Inkrafttretens des Schalleliminierungsgesetzes für Ausschank- und Gastronomiebetriebe (SchElG) unfassbar boomt, und nippe an meinem hydraulisierten Molekularshake.
Als die PVZ (Partei für Veganismus und Zwangsgesundheit) vor drei Jahren die Macht übernommen hatte, verbot sie sofort Alkohol als unethisch; und seither ersetzt der hydraulisierte Molekularshake alles mit Umdrehungen. Allerdings nur unzulänglich.
Ich sitze hier mit K., der jetzt aber viel lieber einer von 50 000 im ausverkauften Googlestadion an der Müllionisierungsanlage wäre. Dort spielen nämlich gerade den achten Abend hintereinander die famosen The Fine Arts Showcase (im Vorprogramm: The Killers, Rolling Stones), und K. jammert rum, weil er keine Karte mehr bekommen hat.
„Ich hätte auch tausend Euro statt der geforderten 330 bezahlt“, schluchzt er, „aber es gab ja nicht mal mehr einen Schwarzmarkt!“
„Und ich“, sage ich versonnen und nippe am Shake, „habe sie damals – genauer gesagt: am 4. Februar 2010 – im Molotow gesehen. Vor 36 Leuten. Mich mitgezählt.“ K. starrt mich an, als sei ich die Reinkarnation von Emmett L. „Doc“ Brown.
Dann muss ich ihm ein Autogramm geben, direkt auf sein ausrollbares 37-Zoll-iPad.
PS: Ich empfehle „Dolophine Smile“
04 Februar 2010
Fundstücke (65)
03 Februar 2010
Geschnieft, aus verschiedenen Gründen
Schnuffelnd stieg ich heute Morgen in den 37er-Bus, ließ mich ächzend auf den Sitz fallen und kramte den iPod raus, um mir die Fahrt nach Altona mit Roger Eno zu versüßen.
Zwei Sitze vor mir drehte sich plötzlich ruckartig eine Frau zu mir herum. Sie starrte mir in die Augen, ihr rechter Arm schoss hervor wie vom Katapult abgefeuert, und in ihrer ausgestreckten Hand erblickte ich – eine Packung Papiertaschentücher.
Ich hatte wohl einen Tuck zu lang geschnieft. Doofer Roger Eno.
Zum Glück wurde der Tag abends noch veredelt. Und zwar von der drahtigen alten Cree-Indianerin Buffy Sainte-Marie, die mir in der Fabrik ihre 46 Jahre alte überzeitliche Protesthymne „Universal Soldier“ vorsang.
Drei Minuten für die Ewigkeit; ich hätte ein Taschentuch gebraucht. Doch die Frau aus dem Bus war nirgends zu sehen.
Zwei Sitze vor mir drehte sich plötzlich ruckartig eine Frau zu mir herum. Sie starrte mir in die Augen, ihr rechter Arm schoss hervor wie vom Katapult abgefeuert, und in ihrer ausgestreckten Hand erblickte ich – eine Packung Papiertaschentücher.
Ich hatte wohl einen Tuck zu lang geschnieft. Doofer Roger Eno.
Zum Glück wurde der Tag abends noch veredelt. Und zwar von der drahtigen alten Cree-Indianerin Buffy Sainte-Marie, die mir in der Fabrik ihre 46 Jahre alte überzeitliche Protesthymne „Universal Soldier“ vorsang.
Drei Minuten für die Ewigkeit; ich hätte ein Taschentuch gebraucht. Doch die Frau aus dem Bus war nirgends zu sehen.
02 Februar 2010
01 Februar 2010
Vögel, die ins Nirgends starren
Die von ramses101 fein beobachteten Blutflecken im Schnee auf dem Außenalstereis haben wir heute auch gesehen.
Allerdings fiel in unserer Gegenwart niemand um oder auch nur auf. Ein friedliches Herumgehen und -stehen prägte die Stimmung auf der riesigen Eisfläche. Deshalb war das einprägsamste Bild des Tages auch nicht auf der Alster zu sehen, sondern auf dem Spaziergang dorthin, im Park Planten un Blomen.
Auf einem zugefrorenen Teich stand ein Schwarm Möwen still und stumm herum und starrte gemeinsam in Richtung Süden. Das sah aus wie eine eingefrorene Vogelschwarmskulptur – und schlug mich derart in den Bann, dass ich nicht mal auf die Idee kam zu fotografieren.
Stattdessen starrte ich (als Herdentier) einfach ebenfalls in die gleiche Richtung wie die Vögel. Aber dort war absolut nichts zu sehen.
Nicht mal ein gelandetes Ufo.
31 Januar 2010
Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (21)
Skandal: Das Imperial-Theater ignoriert das Waffenverbot.
30 Januar 2010
Und als nächstes Voodoopuppen?
In einem Behandlungszimmer meines Hausarztes – zum Glück im kleinsten, schäbigsten und deshalb von mir zuvor noch nie betretenen – hängt ein Riesenplakat an der Wand. Es ist überschrieben mit „Ohrakupunktur-Tafel“.
Diese Übersicht, bei der Hirnrissigkeit und Detailreichtum eine unheilvolle Allianz geschmiedet haben, behauptet, es gäbe Punkte an meinem Ohr, die hingen direkt mit meinem Hintern zusammen. Oder meiner Gebärmutter.
Das Plakat faselt von „Meridianen“ und „Energielinien“, also lauter zusammenfantasierten Schimären, deren experimenteller Nachweis bisher immer laut krachend scheiterte und für deren Erforschung man deshalb hinfort bittebitte keinen Cent mehr ausgeben soll. Abgemacht?
Das Plakat als solches wäre natürlich kein Problem (ich meine, es gibt Leute, die lesen Vampirromane und hängen trotzdem keinen Knoblauchkranz ans Küchenfenster) und sein Verfasser nur ein interessanter Fall für einen einfühlsamen Psychotherapeuten – …
… hinge dieses Ding nicht ausgerechnet im Behandlungszimmer meines Hausarztes.
Was kommt als nächstes – Voodoopuppen? Das Handeln dieses mir stets ehrenhaft und seriös vorkommenden Mannes schien mir bisher von überprüfbaren Erkenntnissen geprägt und weniger von Spinnereien aus einer eh von Spinnereien komplett durchsuppten Zeit, als man noch an Drachen, fliegende Teppiche und die Scheibenform der Erde glaubte.
Kurz: Ich war nachhaltig erschüttert.
Dummerweise ist der Mann gerade im Schiurlaub, weshalb ich ihm nicht persönlich mein Vertrauen entziehen konnte. Und vielleicht – an diese Hoffnung klammere ich mich jetzt – weiß er auch gar nichts von diesem vertrauenserodierenden Schaubild, sondern es war die Interims- und Assistenzärztin, die den (auch künstlerisch erbärmlichen) Humbug heimlich aufgehängt hat.
Bei ihrer Diagnose verließ sie sich übrigens dann doch lieber auf Laboranalysen und Röntgenbilder. Sonst hätte ich ihr auch was gehustet.
(Andererseits: Das hab ich auch so. Aber aus anderen Gründen.)
PS: Von irgendwelchen ohrakupunkturverteidigenden Kommentaren bitte ich dringend abzusehen. Der Effekt wird eh nur der sein, dass ich das Bedürfnis verspüre, Ihnen die Nummer eines einfühlsamen Psychotherapeuten rauszukramen. Und danach können Sie schließlich auch selber googeln.
Diese Übersicht, bei der Hirnrissigkeit und Detailreichtum eine unheilvolle Allianz geschmiedet haben, behauptet, es gäbe Punkte an meinem Ohr, die hingen direkt mit meinem Hintern zusammen. Oder meiner Gebärmutter.
Das Plakat faselt von „Meridianen“ und „Energielinien“, also lauter zusammenfantasierten Schimären, deren experimenteller Nachweis bisher immer laut krachend scheiterte und für deren Erforschung man deshalb hinfort bittebitte keinen Cent mehr ausgeben soll. Abgemacht?
Das Plakat als solches wäre natürlich kein Problem (ich meine, es gibt Leute, die lesen Vampirromane und hängen trotzdem keinen Knoblauchkranz ans Küchenfenster) und sein Verfasser nur ein interessanter Fall für einen einfühlsamen Psychotherapeuten – …
… hinge dieses Ding nicht ausgerechnet im Behandlungszimmer meines Hausarztes.
Was kommt als nächstes – Voodoopuppen? Das Handeln dieses mir stets ehrenhaft und seriös vorkommenden Mannes schien mir bisher von überprüfbaren Erkenntnissen geprägt und weniger von Spinnereien aus einer eh von Spinnereien komplett durchsuppten Zeit, als man noch an Drachen, fliegende Teppiche und die Scheibenform der Erde glaubte.
Kurz: Ich war nachhaltig erschüttert.
Dummerweise ist der Mann gerade im Schiurlaub, weshalb ich ihm nicht persönlich mein Vertrauen entziehen konnte. Und vielleicht – an diese Hoffnung klammere ich mich jetzt – weiß er auch gar nichts von diesem vertrauenserodierenden Schaubild, sondern es war die Interims- und Assistenzärztin, die den (auch künstlerisch erbärmlichen) Humbug heimlich aufgehängt hat.
Bei ihrer Diagnose verließ sie sich übrigens dann doch lieber auf Laboranalysen und Röntgenbilder. Sonst hätte ich ihr auch was gehustet.
(Andererseits: Das hab ich auch so. Aber aus anderen Gründen.)
PS: Von irgendwelchen ohrakupunkturverteidigenden Kommentaren bitte ich dringend abzusehen. Der Effekt wird eh nur der sein, dass ich das Bedürfnis verspüre, Ihnen die Nummer eines einfühlsamen Psychotherapeuten rauszukramen. Und danach können Sie schließlich auch selber googeln.
29 Januar 2010
Medialer Wandel in der Gosse
In den späten 70er Jahren lagen manchmal halbtote „Compact-Cassetten“ im Rinnstein. Teils meterweit hatten sie in bizarren Schlingen und Mustern Magnetband ausgewürgt.
Ich fragte mich immer, was da wohl drauf sein könnte, welche Musik oder welche Stimmen, nahm aber nie eine dieser verdreckten Plastikboxen mit. Wer hatte sie überhaupt dort hingeworfen, in den Rinnstein, und warum? Ungelöste Fragen.
In den späten 80ern nahm die Anzahl der Kassetten im Rinnstein dramatisch ab, dafür fand man dort nun manchmal Floppydiscs. Das war die Urform der sogenannten „Disketten“, mit denen damals Computer gefüttert werden mussten, weil es noch kein USB oder WLAN gab.
Floppys waren ungefähr so groß wie eine 45er-Vinylsingle, aber biegbar und – wenn man die Schutzhülle aufriss – vom gleichen Braun wie das ein Jahrzehnt zuvor aus Compact-Cassetten hervorgewürgte Magnetband.
Auch die Disketten hob ich niemals auf, obwohl die Neugier, welche geheimen Daten sie wohl bergen könnten, mich durchaus umtrieb, das gebe ich zu. Doch kollateral mikroskopisch kleine Kiesel, Haare und Hundekotkügelchen ins Innere meines gigantischen 20-Megabyte-Festplattenrechners zu befördern, erschien mir allzu riskant.
Heute morgen nun, als ich kurz vorm Frühstück schlaftrunken durchs Fenster hinab auf die Seilerstraße schaute, erblickte ich weder Compact-Cassetten noch Floppys, sondern: eine größere Anzahl verstreuter, ihrer schützenden Hülle beraubter CDs, die nackt und silbrig im Morgenlicht glitzerten.
Was da wohl drauf ist? Alles ist möglich, nicht nur Musik und Stimmen: Texte, Pornos, komische Fotos, Liechtensteiner Steuerdaten. Doch ich habe sie wieder liegengelassen, wie immer in den vergangenen 30 Jahren.
All das liegt übrigens erst dann im Rinnstein, wenn seine Lebenszeit vorüber ist. Und man erfährt nie, wer es dort hingeworfen hat und warum.
Ich fragte mich immer, was da wohl drauf sein könnte, welche Musik oder welche Stimmen, nahm aber nie eine dieser verdreckten Plastikboxen mit. Wer hatte sie überhaupt dort hingeworfen, in den Rinnstein, und warum? Ungelöste Fragen.
In den späten 80ern nahm die Anzahl der Kassetten im Rinnstein dramatisch ab, dafür fand man dort nun manchmal Floppydiscs. Das war die Urform der sogenannten „Disketten“, mit denen damals Computer gefüttert werden mussten, weil es noch kein USB oder WLAN gab.
Floppys waren ungefähr so groß wie eine 45er-Vinylsingle, aber biegbar und – wenn man die Schutzhülle aufriss – vom gleichen Braun wie das ein Jahrzehnt zuvor aus Compact-Cassetten hervorgewürgte Magnetband.
Auch die Disketten hob ich niemals auf, obwohl die Neugier, welche geheimen Daten sie wohl bergen könnten, mich durchaus umtrieb, das gebe ich zu. Doch kollateral mikroskopisch kleine Kiesel, Haare und Hundekotkügelchen ins Innere meines gigantischen 20-Megabyte-Festplattenrechners zu befördern, erschien mir allzu riskant.
Heute morgen nun, als ich kurz vorm Frühstück schlaftrunken durchs Fenster hinab auf die Seilerstraße schaute, erblickte ich weder Compact-Cassetten noch Floppys, sondern: eine größere Anzahl verstreuter, ihrer schützenden Hülle beraubter CDs, die nackt und silbrig im Morgenlicht glitzerten.
Was da wohl drauf ist? Alles ist möglich, nicht nur Musik und Stimmen: Texte, Pornos, komische Fotos, Liechtensteiner Steuerdaten. Doch ich habe sie wieder liegengelassen, wie immer in den vergangenen 30 Jahren.
All das liegt übrigens erst dann im Rinnstein, wenn seine Lebenszeit vorüber ist. Und man erfährt nie, wer es dort hingeworfen hat und warum.
28 Januar 2010
27 Januar 2010
Kleos alte Zöpfe
Bin dank eines hartnäckigen Hustens zurzeit Ms. Columbos Versuchskaninchen in Sachen Tee.
Zunächst setzte sie mich im Rahmen einer kontrollierten Abgabe den traditionsreichen Sorten Pfefferminze und Fenchel aus. Als das trotz meiner sprichwörtlichen Teeabneigung recht unfallfrei gelang, wurde sie experimenteller und bereitete einen Kaltauszug der Eibischwurzel zu – ein Aufguss, den sie mir nur mit dem schmerzlichen Lächeln des Umverzeihungbittens zu servieren wagte.
Gestern toppte sie das mit einem sogenannten Kleopatratee. Meine Vermutung, bei der Basis des Getränks müsse es sich um die seit 2000 Jahren ungewaschenen Zöpfe der Pharaonin handeln, wischte Ms. Columbo unwirsch beiseite: „Nein, auch nur Gewürze.“
Jetzt will ich am liebsten kein Versuchskaninchen mehr sein, sondern mich ganz auf Fenchel konzentrieren. Wahrscheinlich war das von Anfang an ihr Ziel.
Zunächst setzte sie mich im Rahmen einer kontrollierten Abgabe den traditionsreichen Sorten Pfefferminze und Fenchel aus. Als das trotz meiner sprichwörtlichen Teeabneigung recht unfallfrei gelang, wurde sie experimenteller und bereitete einen Kaltauszug der Eibischwurzel zu – ein Aufguss, den sie mir nur mit dem schmerzlichen Lächeln des Umverzeihungbittens zu servieren wagte.
Gestern toppte sie das mit einem sogenannten Kleopatratee. Meine Vermutung, bei der Basis des Getränks müsse es sich um die seit 2000 Jahren ungewaschenen Zöpfe der Pharaonin handeln, wischte Ms. Columbo unwirsch beiseite: „Nein, auch nur Gewürze.“
Jetzt will ich am liebsten kein Versuchskaninchen mehr sein, sondern mich ganz auf Fenchel konzentrieren. Wahrscheinlich war das von Anfang an ihr Ziel.
26 Januar 2010
Busfahrers Glücksmomente
Heute traf ich den schweigsamsten Stoiker seit Buster Keaton. Er war Busfahrer der Linie 37 und sah exakt aus wie Fritz Rau: strähnige graue, zurückgekämmte Haare, schmale Lippen, Brille, grauer Bart.
Als ich grüßte und ihm im Vorübergehen meine Abokarte zeigte, blickte er stoisch durch die Windschutzscheibe.
Vom Gang aus sah ich eine Rollstuhlfahrerin, die gerne die hintere Tür geöffnet haben wollte. Ich ging den halben Weg zurück Richtung Buster und rief: „Bitte öffnen Sie die Tür für eine Rollstuhlfahrerin!“. Dann setzte ich mich.
Die Rollstuhlfahrerin klopfte gegen die weiter geschlossene Tür. Ich stand noch einmal auf und ging diesmal ganz nach vorne. „Eine Rollstuhlfahrerin möchte gern rein, könnten Sie die Tür öffnen?“, fragte ich. Buster zeigte etwa die gleiche Reaktion, wie man sie in diesem Moment auch vom Matterhorn erwartet hätte, und gab weiter stumm Karten aus.
Eine Passagierin, die als zweite in der Schlange – also in etwa einem Meter Entfernung vom Fahrer – auf die Entrichtung des Fahrpreises wartete, lächelte mich an und sagte gut verständlich: „Er kann keine zwei Sachen gleichzeitig.“ „Er kann anscheinend nicht mal hören“, antwortete ich so laut, dass er uns ebendieses Handicap zwangsläufig weiterhin vorspielen musste. Daher: keine Reaktion.
Von hinten lautes Klopfen. Tja. Man sollte halt immer ein Brecheisen mit sich führen, als Buspassagier. Ich setzte mich. Als alle neueingestiegenen Fahrgäste abgefertigt waren, öffnete der Herr der Türen endlich mit einem Tastendruck die hintere. Die Rollstuhlfahrerin fuhr herein und rief ein unberechtigtes „Danke!“ nach vorne.
Buster schloss beide Zugänge. Ein junger Mann kam angelaufen, prallte an die vordere Tür und klopfte. Der Busfahrer schaute geradeaus und fuhr los. An der Haltestelle Davidstraße dann die letzte kleine Schikane, die seinem Arbeitstag die nötige Restsüße verlieh: Am einzigen dort stehenden Fahrgast fuhr er fünf Meter weit vorbei, damit der Mann fluchen und spurten musste.
Ich liebe den HVV.
Als ich grüßte und ihm im Vorübergehen meine Abokarte zeigte, blickte er stoisch durch die Windschutzscheibe.
Vom Gang aus sah ich eine Rollstuhlfahrerin, die gerne die hintere Tür geöffnet haben wollte. Ich ging den halben Weg zurück Richtung Buster und rief: „Bitte öffnen Sie die Tür für eine Rollstuhlfahrerin!“. Dann setzte ich mich.
Die Rollstuhlfahrerin klopfte gegen die weiter geschlossene Tür. Ich stand noch einmal auf und ging diesmal ganz nach vorne. „Eine Rollstuhlfahrerin möchte gern rein, könnten Sie die Tür öffnen?“, fragte ich. Buster zeigte etwa die gleiche Reaktion, wie man sie in diesem Moment auch vom Matterhorn erwartet hätte, und gab weiter stumm Karten aus.
Eine Passagierin, die als zweite in der Schlange – also in etwa einem Meter Entfernung vom Fahrer – auf die Entrichtung des Fahrpreises wartete, lächelte mich an und sagte gut verständlich: „Er kann keine zwei Sachen gleichzeitig.“ „Er kann anscheinend nicht mal hören“, antwortete ich so laut, dass er uns ebendieses Handicap zwangsläufig weiterhin vorspielen musste. Daher: keine Reaktion.
Von hinten lautes Klopfen. Tja. Man sollte halt immer ein Brecheisen mit sich führen, als Buspassagier. Ich setzte mich. Als alle neueingestiegenen Fahrgäste abgefertigt waren, öffnete der Herr der Türen endlich mit einem Tastendruck die hintere. Die Rollstuhlfahrerin fuhr herein und rief ein unberechtigtes „Danke!“ nach vorne.
Buster schloss beide Zugänge. Ein junger Mann kam angelaufen, prallte an die vordere Tür und klopfte. Der Busfahrer schaute geradeaus und fuhr los. An der Haltestelle Davidstraße dann die letzte kleine Schikane, die seinem Arbeitstag die nötige Restsüße verlieh: Am einzigen dort stehenden Fahrgast fuhr er fünf Meter weit vorbei, damit der Mann fluchen und spurten musste.
Ich liebe den HVV.
25 Januar 2010
Ruud van Nistelrooys bevorstehender Kreuzbandriss
Nicht nur ganz Hamburg – ausgenommen St.-Pauli-Fans –, sondern praktisch ganz Restdeutschland überschlägt sich, weil der holländische Altstar Ruud van Nistelrooy zum HSV wechselt. Dabei ist der Mann bald 34 (ein für Stürmer methusalemisches Alter) und wurde bei Real Madrid dermaßen aussortiert, dass sie nicht mal mehr Geld für ihn haben wollen.
Der hiesige Jubel verweist letztlich auf einen latenten Minderwertigkeitskomplex der Bundesliga. Noch jeder große Name muss ungefragt als Pseudobeweis für die Wertigkeit der Liga herhalten. Dabei übersieht man gern, dass es den Topleuten in der Blüte ihrer Jahre nicht im Traum eingefallen wäre, nach Deutschland zu wechseln.
Wenn sie aber am Winteranfang ihrer Karriere in England, Italien oder Spanien nur noch die Ersatzbänke drücken dürfen, gehen sie schließlich doch noch nach Deutschland, wo sie selbst zwar nur noch auf ein Gnadenbrot hoffen (also zwei Millionen netto im Jahr), doch ihr einstiger Glamour in vorauseilender Masseneuphorie allzu gerne mit künftiger Realität verwechselt wird.
Kann natürlich sein, dass van Nistelrooy noch mal eine gute Halbserie gelingt. Wahrscheinlicher aber ist das Modell „langwierige Knieverletzung nach drei Spielen“.
Gut, es gibt hier auf dem Kiez eh wichtigere Dinge als van Nistelrooys bevorstehender Kreuzbandriss: Im Millerntorstadion (hier ein älteres Foto mit Michel) sind am Samstag beim Spiel gegen Aachen die Bierleitungen eingefroren, und die Fans mussten auf Glühwein umsteigen. Das ist Tragik!
Unabhängig davon haben wir eh die Schnauze voll von der vielwöchigen Dauerkälte. Hiermit fordere ich daher die zuständigen Kräfte auf, endlich in den Frühlingsmodus zu wechseln.
Und zwar pronto. Soll heißen: bis gestern.
24 Januar 2010
23 Januar 2010
Tod einer Taube
In Freddys Imbiss in der Hein-Hoyer-Straße werden täglich Dutzende toter Vögel gegrillt. Heute aber war auch der Asphalt vor dem Eingang kein guter Ort für diese Spezies.
Eine Taube flatterte auf gewohnt gelassene Weise in letzter Sekunde auf, als ein Wagen von der Simon-von-Utrecht-Straße einbog. Doch diesmal hatte sie sich verschätzt. Sie geriet unter die Vorderfront, und obwohl der Fahrer ein wenig bremste (ohne ein Anhalten auch nur zu erwägen), wurde der Vogel vom rechten Vorderreifen erwischt.
Mit einem hässlichen kleinen Hoppler setzte der Wagen seine Fahrt fort. Die Taube lag reglos da. Nur ein Flügel ragte einige Sekunden lang hoch und senkte sich dann in zeitlupenhafter Eleganz auf den noch erstaunlich runden Körper.
Irgendwann, nach Hunderten gegrillter toter Vögel in Freddys Imbiss, wird dieser Körper gleichsam verschmolzen sein mit dem Asphalt der Hein-Hoyer-Straße, und ein paar festgebackene Federhärchen werden im Fahrtwind wehen, wenn ein Auto darüberfährt.
Zum Glück hatte Ms. Columbo im entscheidenden Moment nicht hingeschaut, nur ich. Und ich finde meine Ungerührtheit erschreckend.
(Beispielfoto)
Eine Taube flatterte auf gewohnt gelassene Weise in letzter Sekunde auf, als ein Wagen von der Simon-von-Utrecht-Straße einbog. Doch diesmal hatte sie sich verschätzt. Sie geriet unter die Vorderfront, und obwohl der Fahrer ein wenig bremste (ohne ein Anhalten auch nur zu erwägen), wurde der Vogel vom rechten Vorderreifen erwischt.
Mit einem hässlichen kleinen Hoppler setzte der Wagen seine Fahrt fort. Die Taube lag reglos da. Nur ein Flügel ragte einige Sekunden lang hoch und senkte sich dann in zeitlupenhafter Eleganz auf den noch erstaunlich runden Körper.
Irgendwann, nach Hunderten gegrillter toter Vögel in Freddys Imbiss, wird dieser Körper gleichsam verschmolzen sein mit dem Asphalt der Hein-Hoyer-Straße, und ein paar festgebackene Federhärchen werden im Fahrtwind wehen, wenn ein Auto darüberfährt.
Zum Glück hatte Ms. Columbo im entscheidenden Moment nicht hingeschaut, nur ich. Und ich finde meine Ungerührtheit erschreckend.
(Beispielfoto)
21 Januar 2010
Ihr habt es nicht anders gewollt
All ihr Haustür-, Autoreifen-, Zäune-, Bäume- und Büschebepinkler hier auf dem Kiez habt anscheinend noch immer nicht mitgekriegt, dass ihr euch die 40 Euro Bußgeld fürs öffentliche Ingangsetzen eurer eingebauten Sprinkleranlage auch ersparen könntet.
Nämlich durch – tataaaa! – das Benutzen einer öffentlichen Toilette.
Ja, so was gibt es, da staunt ihr. Zum Beispiel an der Reeperbahn gegenüber der Davidwache, an der Rückseite der Bratwurstinstitution Lukullus. Vorne auffüllen, hinten ablassen: ist doch eigentlich ganz simpel.
Durch schriftliche und – Analphabetismus ist unter euch ja gewiss weit verbreitet – auch grafisch-visuelle Hinweise versucht die Fassade euch diese simple Handlungsabfolge nahezubringen. Der heutige Blogeintrag soll die Botschaft nun weiter vertiefen und verankern. In eurem Interesse.
Denn ab sofort führe ich standardmäßig eine Heckenschere mit. Wenn ihr wisst, was ich meine.
20 Januar 2010
Die hausgemachte Biowaffe
Der Mensch ist in seinem eigenen Körper in der Minderheit, und auf jedem beliebigen Handy siedeln mehr Bakterien als auf einer Klobrille.
Dieses Partywissen fällt mir aus irgendeinem Grund wieder ein, als ich die Lesebrille des Franken auf seinem Schreibtisch herumliegen sehe. Denn auf ihren Gläsern schimmert flächendeckend ein unsagbarer Schmier.
Schabte man ihn ab, so ließe sich damit eine Biowaffe bestücken, die – einmal hochgehalten – Ahmadinedschad sofort zum Abrüsten zwänge. Und Kim Yong-il gleich mit.
Die Welt muss dem Franken dauerhaft vernebelt vorkommen, wie hinter Milchglas. „Ich kann das nicht lesen!“, hört man ihn zehnmal am Tag barmen, doch ein Brillenputztuch, welches sein Problem schlagartig behöbe, weigert er sich einzusetzen.
Ich könnte natürlich ungefragt meines zücken und seine Brille säubern, doch danach müsste man es in der Asse endlagern, und die wird ja gerade geräumt.
Was ich heute aber eigentlich sagen wollte, ist etwas ganz anderes, nämlich: Treffsichere Rubrizierungen zu finden ist manchmal gar nicht so einfach. Es bezieht sich auf das bei web.de entdeckte „Event“, das oben dokumentiert ist.
Mit diesem gewagten Themenmix und dem hirnrissigen Schlenker am Ende ist die just herrschende Ereignisarmut hier auf dem Kiez hoffentlich beweiskräftig nachgewiesen.
Dieses Partywissen fällt mir aus irgendeinem Grund wieder ein, als ich die Lesebrille des Franken auf seinem Schreibtisch herumliegen sehe. Denn auf ihren Gläsern schimmert flächendeckend ein unsagbarer Schmier.
Schabte man ihn ab, so ließe sich damit eine Biowaffe bestücken, die – einmal hochgehalten – Ahmadinedschad sofort zum Abrüsten zwänge. Und Kim Yong-il gleich mit.
Die Welt muss dem Franken dauerhaft vernebelt vorkommen, wie hinter Milchglas. „Ich kann das nicht lesen!“, hört man ihn zehnmal am Tag barmen, doch ein Brillenputztuch, welches sein Problem schlagartig behöbe, weigert er sich einzusetzen.
Ich könnte natürlich ungefragt meines zücken und seine Brille säubern, doch danach müsste man es in der Asse endlagern, und die wird ja gerade geräumt.
Was ich heute aber eigentlich sagen wollte, ist etwas ganz anderes, nämlich: Treffsichere Rubrizierungen zu finden ist manchmal gar nicht so einfach. Es bezieht sich auf das bei web.de entdeckte „Event“, das oben dokumentiert ist.
Mit diesem gewagten Themenmix und dem hirnrissigen Schlenker am Ende ist die just herrschende Ereignisarmut hier auf dem Kiez hoffentlich beweiskräftig nachgewiesen.
19 Januar 2010
Ein Schuss nach hinten
Zu den eher peinlichen Pannen, die man öffentlich unbedingt verschweigen sollte, gehört es, sich durch ein falsch angesetztes und danach fatal ausgeführtes Erkältungshusten eine ruckartige Verspannung im unteren Rückenbereich (vulgo: Arschbacke) zuzuziehen.
Sie, die ruckartige Verspannung, wäre allein freilich gar nicht sooo schlimm – wenn man davon absieht, dass Sitzen, Gehen, Stehen, Laufen, Bücken, Anlehnen, Treppensteigen, Reckturnen, Formel-1-Rennen-Fahren, Duschen und Sex praktisch unmöglich werden.
Nein, am schlimmsten ist es, nun nicht mehr dem Zwang zum Husten herzhaft nachgeben zu können, ohne dass einem Jack the Ripper augenblicklich einen rostigen Krummdolch in den Rücken rammt. Manchmal habe ich beim hochvorsichtigen, zaghaften Verzweiflungshusten auch das erfrischend unverbrauchte Gefühl, live einem Hüftknochenaustausch ohne Narkose beizuwohnen – und zwar bei mir selber.
Tagsüber zwingt mich dieses Handicap, dessen Auslöser – der Husten – ironischerweise zugleich seine größte Heimsuchung ist, immer wieder dazu, komplett würdelose Körperhaltungen einzunehmen, um möglichst den unteren Rückenbereich aus der Schusslinie zu nehmen. Kramer und den Franken amüsiert das selbstverständlich auf eine Weise, als gäbe ihnen Ricky Gervais eine Privatvorstellung.
Würdelose Körperhaltungen führen übrigens unmittelbar zur kompletten Entwürdigung des Betroffenen, da muss ich den beiden sogar rechtgeben. Mein lahmer Versuch, ihnen dozierend mit Artikel 1 GG zu kommen, wurde auf halber Strecke vom nächsten Huster torpediert – mit den entsprechenden Folgen (Jack the Ripper, Hüft-OP, würdelose Körperhaltung).
Neben allen oben aufgezählten Tätigkeiten geht übrigens so was wie auf dem heutigen Bild auch gar nicht, oh nein. Wann ist das denn wieder vorbei, Mama?
Sie, die ruckartige Verspannung, wäre allein freilich gar nicht sooo schlimm – wenn man davon absieht, dass Sitzen, Gehen, Stehen, Laufen, Bücken, Anlehnen, Treppensteigen, Reckturnen, Formel-1-Rennen-Fahren, Duschen und Sex praktisch unmöglich werden.
Nein, am schlimmsten ist es, nun nicht mehr dem Zwang zum Husten herzhaft nachgeben zu können, ohne dass einem Jack the Ripper augenblicklich einen rostigen Krummdolch in den Rücken rammt. Manchmal habe ich beim hochvorsichtigen, zaghaften Verzweiflungshusten auch das erfrischend unverbrauchte Gefühl, live einem Hüftknochenaustausch ohne Narkose beizuwohnen – und zwar bei mir selber.
Tagsüber zwingt mich dieses Handicap, dessen Auslöser – der Husten – ironischerweise zugleich seine größte Heimsuchung ist, immer wieder dazu, komplett würdelose Körperhaltungen einzunehmen, um möglichst den unteren Rückenbereich aus der Schusslinie zu nehmen. Kramer und den Franken amüsiert das selbstverständlich auf eine Weise, als gäbe ihnen Ricky Gervais eine Privatvorstellung.
Würdelose Körperhaltungen führen übrigens unmittelbar zur kompletten Entwürdigung des Betroffenen, da muss ich den beiden sogar rechtgeben. Mein lahmer Versuch, ihnen dozierend mit Artikel 1 GG zu kommen, wurde auf halber Strecke vom nächsten Huster torpediert – mit den entsprechenden Folgen (Jack the Ripper, Hüft-OP, würdelose Körperhaltung).
Neben allen oben aufgezählten Tätigkeiten geht übrigens so was wie auf dem heutigen Bild auch gar nicht, oh nein. Wann ist das denn wieder vorbei, Mama?
18 Januar 2010
Abonnieren
Posts (Atom)