Seit St. Pauli immer mehr zum In-Viertel wird, werden die Vermieter spürbar gieriger. Immer mehr wird es zur entscheidenden Frage, ob unser Wohnviertel als „normal“ oder „gut“ gilt. Im Mietenspiegel kann das ein paar hundert Euro ausmachen, monatlich.
Eine Nachbarin aus dem dritten Stock erhielt jetzt wieder eine Mieterhöhung, die zweite seit 2006. Dabei, beklagt sie sich, werde vorm Haus noch immer gedealt, und liederliche Frauen sprächen fremde Männer an.
Mag sein, aber wir haben so etwas schon länger nicht mehr erlebt. Wenn das systematisch der Fall wäre, könnte man die Wohnlage in der Tat kaum als „gut“ bezeichnen – und die Mieterhöhung auch nicht als gerechtfertigt. Doch wie gesagt: Uns ist so etwas schon lange nicht mehr untergekommen, wenn überhaupt.
Als ich heute aus der Stadt kam, sprach mich vor der Haustür eine alte Frau an. Ihr Haar war als Bubikopf geschnitten und so weiß wie das von Rudi Völler. Ich schätzte sie auf über 70. Sie war hager, ihre Augen schwarz, kugelrund und groß, und sie trug einen beigen Trenchcoat mit Gürtel.
Sie sprach mich an, als ich gerade das Fahrrad an den Mast anschloss. Sie sagte: „Womma ficken?“
In solchen Situationen reagiere ich stets bedrückend konventionell, worüber ich mich im Nachhinein maßlos ärgere. Statt diesen grotesken Antrag recherchierend zu hinterfragen, statt im insistierenden Gespräch herauszufinden, weshalb eine wahrscheinlich aus dem Altenheim ausgebüxte Rentnerin durch die Straßen St. Paulis streunt und (vergleichsweise) junge Männer um Geschlechtsverkehr ersucht, antwortete ich mit verlegenem Lächeln: „Nein, danke.“
Wie langweilig. Wie öde. Wie absehbar.
Sie schaute mich mit erschütternder Traurigkeit an, in ihren Kulleraugen lag tödlicher Ernst. „Ich möch’ gern ma“, sagte sie mit verwaschener Stimme. Und ich wieder, im Weggehen: „Danke, nein, wirklich nicht.“
Als ich die Haustür aufschloss, drehte ich mich noch einmal um. Sie stand vor der verwaisten Kita, die Hände im Trenchcoat, und glotzte stumpf ins Fenster, eine traurige, weißgraue Verkörperung von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit.
Und als ich die Treppen hochstieg zur Wohnung, da dachte ich: Die Nachbarin hat recht. Unsere Wohnlage ist nicht „gut“, sie ist höchstens „normal“.
Das gilt wohl auch für diesen Hauseingang am Hamburger Berg.
„3000 Plattenkritiken“ | „Die Frankensaga – Vollfettstufe“ | RSS-Feed | In memoriam | mattwagner {at} web.de |
07 März 2008
06 März 2008
Aller guten Dinge
Bei unseren Freunden S. und F. bricht beim Telefonieren immer wieder die Leitung zusammen. Nachdem jedoch eine Unterhaltung mal 28 Minuten lang pannenlos geklappt hatte, entwickelte die daran beteiligte Mutter von F. eine interessante Theorie.
Es läge nur daran, vermutet sie, dass man 28 Minuten lang nur über gute Dinge geredet habe. Wenn das ein grunsätzliches Kriterium für die Funktionsfähigkeit moderner Technik wäre, müsste mein Blogserver ständig zusammenbrechen, bei all dem Sex ’n’ Drugs ’n’ Rock’n’Roll hier.
Zum Beispiel müsste er, der Blogserver, beim folgenden Zitat sofort den Geist aufgeben, denn es geht darin keineswegs um gute Dinge: „Wenn der Tod an deine Tür klopft“, schreibt Johnny Cash in seiner Autobiografie, „dann greif sofort zur Schrotflinte.“
Große Momente heute Abend auch bei „Kerner“, als Charlotte Roche einer zwanghaft aufmerksam nickenden, aber plötzlich sehr stummen Sylvie van der Vaart erklärte, dass man einen Riss in der Rosettenhaut Analfissur nennt.
Was mich durch blanke Analogassoziation auf den Güllegeruch bringt, der vor einigen Tagen über den Kiez zog, als wären wir hier von frischgedüngten Feldern umgeben und nicht nur vom unmoralischen Schmutz des Rotlichtviertels (Symbolbild). Keine Ahnung, wo das herkam, der Syrer vermutet aus Rissen.
Nach ein paar Tagen verschwanden die Gülleschlieren wieder, aber gute Dinge waren das auch nicht.
Es läge nur daran, vermutet sie, dass man 28 Minuten lang nur über gute Dinge geredet habe. Wenn das ein grunsätzliches Kriterium für die Funktionsfähigkeit moderner Technik wäre, müsste mein Blogserver ständig zusammenbrechen, bei all dem Sex ’n’ Drugs ’n’ Rock’n’Roll hier.
Zum Beispiel müsste er, der Blogserver, beim folgenden Zitat sofort den Geist aufgeben, denn es geht darin keineswegs um gute Dinge: „Wenn der Tod an deine Tür klopft“, schreibt Johnny Cash in seiner Autobiografie, „dann greif sofort zur Schrotflinte.“
Große Momente heute Abend auch bei „Kerner“, als Charlotte Roche einer zwanghaft aufmerksam nickenden, aber plötzlich sehr stummen Sylvie van der Vaart erklärte, dass man einen Riss in der Rosettenhaut Analfissur nennt.
Was mich durch blanke Analogassoziation auf den Güllegeruch bringt, der vor einigen Tagen über den Kiez zog, als wären wir hier von frischgedüngten Feldern umgeben und nicht nur vom unmoralischen Schmutz des Rotlichtviertels (Symbolbild). Keine Ahnung, wo das herkam, der Syrer vermutet aus Rissen.
Nach ein paar Tagen verschwanden die Gülleschlieren wieder, aber gute Dinge waren das auch nicht.
Eine Häufung von Merkwürdigkeiten
„Dieser Zigeuner, dieser argentinische Robustling!”, jubilierte Premierereporter Fritz von Thurn und Taxis heute Abend bei der Fußballübertragung und meinte damit einen Spieler des FC Porto, nämlich Lucho Gonzalez.
Ms. Columbo, dadurch von der Lektüre eines journalistischen Fachmagazins aufgeschreckt, merkte sofort feinsinnig an, die Äußerung des entflammten Fritz wäre mit Sicherheit nur halb so stark gewesen, wenn er statt der Zigeuner die Sinti und Roma ins Spiel gebracht hätte.
Völlig richtig. Denn Langeweile ist nun mal der zweite Vorname der political correctness.
Heute war übrigens der Tag der merkwürdigen Spiegel-online-Meldungen. „Kanada: Drei rechte Füße an Küste angespült“ war die merkwürdigste von allen, wobei es die ganze Sache noch viel merkwürdiger macht, dass diese Füße nicht auf einmal, sondern verteilt übers Jahr angespült wurden.
Dann gab es noch einen Text über Horst Hrubeschs Buch übers Angeln. Merkwürdig ist bereits die Information, dass Hrubesch schreiben können soll, noch viel merkwürdiger aber der Name des Artikelautors: nämlich Horst Köder.
Mehr geht nicht, zumindest nicht an einem einzigen Tag.
Ms. Columbo, dadurch von der Lektüre eines journalistischen Fachmagazins aufgeschreckt, merkte sofort feinsinnig an, die Äußerung des entflammten Fritz wäre mit Sicherheit nur halb so stark gewesen, wenn er statt der Zigeuner die Sinti und Roma ins Spiel gebracht hätte.
Völlig richtig. Denn Langeweile ist nun mal der zweite Vorname der political correctness.
Heute war übrigens der Tag der merkwürdigen Spiegel-online-Meldungen. „Kanada: Drei rechte Füße an Küste angespült“ war die merkwürdigste von allen, wobei es die ganze Sache noch viel merkwürdiger macht, dass diese Füße nicht auf einmal, sondern verteilt übers Jahr angespült wurden.
Dann gab es noch einen Text über Horst Hrubeschs Buch übers Angeln. Merkwürdig ist bereits die Information, dass Hrubesch schreiben können soll, noch viel merkwürdiger aber der Name des Artikelautors: nämlich Horst Köder.
Mehr geht nicht, zumindest nicht an einem einzigen Tag.
05 März 2008
Aus dem Hirn eines Irren
Wir flanieren durch den Pennyladen in Ottensen, wo ich damals über Mittag die Schokolade in der Kühltruhe versteckte, doch das wochenaktuelle Angebot ist kreuzerbärmlich.
Ich meine: Wen will Penny mit einem Handrührer für Farbeimer becircen?
„Alle Zeichen stehen auf Frustkauf!“, flucht der Franke. Als ich einwende, Penny sei ja wohl als unmittelbare Ursache für dieses zwar kapitalismusfreundliche, ansonsten aber recht charakterlose Gefühl kaum der richtige Laden, um ihm sofort nachzugeben, reagiert er überraschend.
„Nein!“, ruft er nämlich, „ich muss Penny sofort mit einem Frustkauf bestrafen!“
Diese Logik entspringt unzweifelhaft dem Hirn eines Irren. Gleichwohl setzt der Franke sie sofort in eine Handlung um, und wenige Sekunden später legt er eine Fünferpackung Snickers aufs Kassenband.
Wovon ich später nicht einen einzigen kreuzerbärmlichen Riegel abkriege.
Ich meine: Wen will Penny mit einem Handrührer für Farbeimer becircen?
„Alle Zeichen stehen auf Frustkauf!“, flucht der Franke. Als ich einwende, Penny sei ja wohl als unmittelbare Ursache für dieses zwar kapitalismusfreundliche, ansonsten aber recht charakterlose Gefühl kaum der richtige Laden, um ihm sofort nachzugeben, reagiert er überraschend.
„Nein!“, ruft er nämlich, „ich muss Penny sofort mit einem Frustkauf bestrafen!“
Diese Logik entspringt unzweifelhaft dem Hirn eines Irren. Gleichwohl setzt der Franke sie sofort in eine Handlung um, und wenige Sekunden später legt er eine Fünferpackung Snickers aufs Kassenband.
Wovon ich später nicht einen einzigen kreuzerbärmlichen Riegel abkriege.
03 März 2008
Wenn Träume wahr werden
Seit Ende der 80er plädiere ich in regelmäßgen Abständen für die Vergesellschaftung von Schirmen und Fahrrädern. Auch in diesem Blog kam das schon vor.
Eine Volksbewegung entstand daraus nicht. Von Zeit zu Zeit wurde mir zwar immer mal wieder mein Fahrrad geklaut. Doch irgendwie ist das nicht dasselbe. Ohne gesetzliche Vergesellschaftungsgrundlage, die es mir legal ermöglichte, ersatzweise ein x-beliebiges Fahrrad einem x-beliebigen Fahrradständer zu entnehmen, funktioniert die Idee einfach nicht.
Immerhin scheint sich bei Schirmen endlich was zu tun. Ein Indiz dafür ist die abgebildete Box, die ich in den Zeisehallen entdeckte. Ein bewegender Anblick für mich. Denn ich spürte: Eine große Idee wird endlich wahr. Sie setzt sich immer durch, auch wenn es bisweilen etwas länger dauert, und selbst wenn ich sie hatte.
Zeichnete nicht schon Leonardo da Vinci Fluggeräte, und Jahrhunderte später kam Airbus? So ähnlich fühlte ich mich beim Anblick dieser Kiste mit sozialisierten Regenschirmen. Fast war ich geneigt, einen Edding zu zücken und versonnen lächelnd „Copyright by Matt“ draufzuschreiben, doch ich hatte keinen dabei.
In der Kiste lagen sogar mehrere Schirme. Wäre es am Regnen und ich nicht mit dem Fahrrad unterwegs gewesen, hätte ich ein Exemplar an mich genommen – nicht zuletzt, um mir und meiner großen Vision aus den 80ern zu schmeicheln. Doch es regnete nicht, ich radelte schirmlos nach Hause. Und das Rad kettete ich diebstahlerschwerend am Lampenmast an.
Denn die Welt ist noch nicht so weit. Zumindest nicht bei Fahrrädern.
02 März 2008
Mensch meets Möwe
Als wir mittags zum Fischmarkt hinuntergingen, um uns anzuschauen, was die Orkanin Emma mit dem Areal angestellt hatte, sahen wir gleich, dass nichts zu sehen war. Keine Überschwemmung, alles ganz normal.
Am spektakulärsten war noch der Möwenschwarm, der sich am Ufer über eine illegal entsorgte Kiste Weißbrot hermachte. Enten und Tauben hielten sich missmutig am Rand und zogen lange Gesichter, blieben aber sicherheitshalber in der Nähe; man weiß ja nie.
Angesichts der wild ums Weißbrot kämpfenden Seevögel fiel mir ein Transparent wieder ein, das wir auf dem Hinweg an einem der neuen Hochhäuser am Bavariagelände gesehen hatten. Es propagierte den peinigenden Slogen: „Mensch meets Möwe“.
Kann uns vielleicht Fachmann Ramses mal erklären, wie so etwas durch sämtliche Kontrollinstanzen schlüpfen kann? Und was er alternativ von „Texter needs Faust (in his face)“ hält?
01 März 2008
Lesen und lallen
Link: sevenload.com
Tage im Zeichen des Teufels Alkohol. Nehmen wir die gestrige Bloglücke: Dafür hatte ich einen guten Grund – nämlich einen im Tee.
Die entscheidenden Informationen zu dieser Nacht gerieten dennoch ans Licht der Öffentlichkeit, wenn auch an anderen Stellen. Daher kann ich mich direkt dem heutigen Abend zuwenden.
Wir besuchten – wie angekündigt – die Lesung betrunkener Autoren im Indra, wobei es richtiger hätte heißen müssen: Lesung sich allzu gemächlich betrinkender Autoren, denn auch nach über zwei Stunden kamen manche dieser Herrschaften erst auf lachhafte 0,27 Promille – jawohl, Frau Schütz, ich rede von Ihnen!
Ziemlich weit vorne aber war von Anfang an Sven Amtsberg. Dennoch glänzte er mit dem besten ersten Satz des Abends: „Ich lag nackt auf dem Bett und schaute ihr dabei zu, wie sie sich mich schön soff.“
Während der Franke und ich solchen Preziosen adäquaterweise mit Bier huldigten, hielt sich Ms. Columbo an Sprudel. Sie wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass Conferencier Gunter Gerlach irgendwann sagen würde: „Wer Wasser trinkt, hat etwas zu verbergen.“ Doch selbst als er es gesagt hatte, lächelte sie nur fein und bewahrte all ihre Geheimnisse.
Sven Amtsberg las seine dritte Geschichte von der untenrum dicken Frauke (siehe Clip) mit bereits 2,10 Promille, womit er seine Führungsposition weiter ausbaute. Zwischenergebnisse wie die von Wiebke Lorenz (3,32!) kamen unter irregulären Bedingungen zustande (Schluck Bier im Mund beim Blasen), weshalb sie hier nicht in die Wertung einfließen.
Der Abend endete absehbar: Irgendwann war das Publikum betrunkener als die Autoren, die indes auch schon zu lallen begannen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Indrabierbänke in drei Stunden stiller Arbeit unsere Rücken und Hintern endgültig besiegt.
Also gingen wir; Ms. Columbo tat das am grazilsten, dank Sprudel.
28 Februar 2008
Wie ich mal ein Rollstuhlpaar am Leben ließ
„Am Film stören mich nur die Bilder“, hat Adorno mal gesagt. Diesen Aphorismus möchte ich gerne aufgreifen, um hier erneut zu bekennen: Mich stören an der Stadt nur die Menschen.
Deshalb war auch „I am Legend“ so erholsam. Ein menschenleeres New York, wie wunderbar. Für Hamburg wünscht sich mein Radler-Ich so was täglich. Vor allem, wenn ich auf dem Radweg unterwegs bin und vor mir einen Rollstuhlschieber mit immobiler Frau sehe, der unversehens einen Schlenker nach links auf meine Fahrbahn macht und in jener Sekunde, da ich ihn ausweichend rechts umkurven will, wieder ebendorthin zurückschwenkt.
Es kam mir in einem Anflug ernster Paranoia so vor, als habe der Mann einen Rückspiegel installiert, mit dessen Hilfe er seine Fahrbewegungen derart auf mein Herannahen abstimmen konnte, dass ein Kollisionskurs unter allen Umständen garantiert war – und zwar auf Kosten der hilflosen Rollstuhlinsassin, die seine Manöver nur als merkwürdigen, doch keineswegs hämischen Schlingerkurs analysiert haben muss.
Ich freilich wusste es besser. Trotz alledem schaffte ich es übrigens, beide am Leben zu lassen und nebenbei auch mich. Was mir aber unterm Eindruck dieses Vorfalls mehrere Stunden lang nicht gelang: mich in die euphorisierende Vorstellung einer menschenlosen Stadt hineinzusteigern.
Vielleicht sollte ich mal wieder einen entstressenden Kurs besuchen – oder am Samstag die Lesung betrunkener Autoren im Indra, wo die Beatles ihr erstes Konzert in Hamburg spielten.
Denn wenn schon Menschen, ob Rollstuhlschieber oder Verseschmiede, dann wenigstens rechtschaffen besoffene.
27 Februar 2008
Die Terrortaube
Ich hatte zum Lüften die Balkontür in der Küche geöffnet und war zurückgekehrt ins Büro. Als ich die Tür wieder schließen wollte, befand sich eine Taube in der Küche.
Mein Anblick löste bei ihr einen Zustand aus, der mit Besonnenheit nur sehr entfernt verwandt war. Obwohl ich an der Küchentür verharrte, um ihr den Zugang zum Balkon als Fluchtoption anzubieten, rauschte sie zunächst in die unter der Decke gespannten Drähte für die Halogenleuchten.
Ihre Panik minderte das keineswegs, der Lautstärkepegel in der Küche war vor lauter Flattern und Flügelrauschen beträchtlich. Als sie sich befreit hatte, flog sie nicht etwa zur Balkontür hinaus, nein, sondern hinein ins frei zugängliche Regal mit unseren Wein- und Sektgläsern. Man kann sich vorstellen, wie verheerend eine panische Taube an einem solchen Ort zu wirken vermag.
Während ich weiter recht ratlos an der Küchentür stand, um dem außer sich geratenen Vogel keine weiteren Hysterievorwände zu liefern, krachte das erste Weinglas aus einem halben Meter Höhe auf den Toaster, zerbrach, dotzte in Teilen auf die Anrichte, um dann – einsichtig den Gesetzen der Schwerkraft folgend – den gewagten Sprung auf den Boden zu wagen, was ihm gar nicht gut bekam.
Die Taube zerlegte auf dem Regal derweil weitere Gläser, ein einziges Rauschen, Flattern und Klirren erfüllte die Küche, das Chaos nahm unerbittlich seinen Lauf. Ich machte zwei Schritte zu auf diese Szenerie des Schreckens, und die Taube erhob sich gen Decke, nicht ohne ein weiteres Glas in den Orkus zu schicken.
Dann raste die Vogelfurie im Sturzflug hinab auf den Boden, donnerte mit dem Kopf gegen die Unterkante der Balkontür, zwängte sich durch den Spalt zwischen Türkante und Boden und flog dem Herzinfarkt nah hinaus in den Hinterhof, nicht ohne vorher noch eine kapitale Portion Panikkacke auf unserem weißen Küchenboden zu hinterlassen.
Meine Herren, was war das für ein Vogel! Ms. Columbo möge mir verzeihen, aber heute wäre mir eine kieztypische Bordsteinschwalbe echt lieber gewesen.
Foto: inidia.de
Mein Anblick löste bei ihr einen Zustand aus, der mit Besonnenheit nur sehr entfernt verwandt war. Obwohl ich an der Küchentür verharrte, um ihr den Zugang zum Balkon als Fluchtoption anzubieten, rauschte sie zunächst in die unter der Decke gespannten Drähte für die Halogenleuchten.
Ihre Panik minderte das keineswegs, der Lautstärkepegel in der Küche war vor lauter Flattern und Flügelrauschen beträchtlich. Als sie sich befreit hatte, flog sie nicht etwa zur Balkontür hinaus, nein, sondern hinein ins frei zugängliche Regal mit unseren Wein- und Sektgläsern. Man kann sich vorstellen, wie verheerend eine panische Taube an einem solchen Ort zu wirken vermag.
Während ich weiter recht ratlos an der Küchentür stand, um dem außer sich geratenen Vogel keine weiteren Hysterievorwände zu liefern, krachte das erste Weinglas aus einem halben Meter Höhe auf den Toaster, zerbrach, dotzte in Teilen auf die Anrichte, um dann – einsichtig den Gesetzen der Schwerkraft folgend – den gewagten Sprung auf den Boden zu wagen, was ihm gar nicht gut bekam.
Die Taube zerlegte auf dem Regal derweil weitere Gläser, ein einziges Rauschen, Flattern und Klirren erfüllte die Küche, das Chaos nahm unerbittlich seinen Lauf. Ich machte zwei Schritte zu auf diese Szenerie des Schreckens, und die Taube erhob sich gen Decke, nicht ohne ein weiteres Glas in den Orkus zu schicken.
Dann raste die Vogelfurie im Sturzflug hinab auf den Boden, donnerte mit dem Kopf gegen die Unterkante der Balkontür, zwängte sich durch den Spalt zwischen Türkante und Boden und flog dem Herzinfarkt nah hinaus in den Hinterhof, nicht ohne vorher noch eine kapitale Portion Panikkacke auf unserem weißen Küchenboden zu hinterlassen.
Meine Herren, was war das für ein Vogel! Ms. Columbo möge mir verzeihen, aber heute wäre mir eine kieztypische Bordsteinschwalbe echt lieber gewesen.
Foto: inidia.de
26 Februar 2008
Und sie bewegt sich doch!
Bei Dittsche sitzt Schildgrödee immer stumm rum wie ein buddhaesker Mollusk. Doch auch das Flinke, Laute, Ekstatische steckt in ihr drin, o ja, man muss es nur rauslassen.
Heute Abend war es soweit. Und siehe da: Sie bewegt sich doch. Schildgrödee nämlich rockte in der Layback Lounge in St. Georg mächtig ab, ihre zu dünnen, zu langen, zu graublonden Haare wehten wild im Ventilatorwind, die wurstigen Finger flitzten übers Keyboard wie Kurzschwanzzwerghamster auf Futtersuche, und dazu röhrte sie „Long Tall Sally“ – man glaubt es kaum.
Bis man erfährt, dass Franz Jarnach – so heißt Schildgrödee außerhalb von Ingos Imbissbude – mal Mitglied der Rattles war und einst sogar gemeinsam mit den Beatles rockenrollte.
Der Anlass des Ganzen war übrigens die Prästentation eines neuen Qype-Werbespots, in dem Schildgrödee die Aufgabe zufällt, uns ein für alle mal die richtige Aussprache dieses Kunstworts einzubleuen. Nämlich „Kwaip“.
Beim Franken und mir fiel dieser komplexe Lernstoff übrigens auf vergleichsweise fruchtbaren Boden, vor allem dank des aufmerksamkeitsfördernden Drumherums – es gab Currywurst und Pilsner Urquell vom Fass.
25 Februar 2008
Spiegelfechterei
Nach einer Party in der Kantine des Spiegelgebäudes stehen A. und ich an der Garderobe und wundern uns über den meterlangen Stau.
Ich meine: Wir sind hier beim Spiegel, und wenn donnerstags der Bundespräsident in einer Schwulenbar erwischt würde, dann hätten die cleveren Jungs sonntags eine 18-seitige Titelstory im Heft. Aber hier an der Garderobe geht gar nichts mehr.
Bald stellt sich heraus warum. Die beiden zuständigen Damen haben zwar Nummernschildchen ausgegeben, doch die Kleidungsstücke wild durcheinander gehängt. Die 73 benachbart die 154, die 18 freut sich übers Zufallstreffen mit der 66.
In der Schlange herrscht bald ärgerliches Gemurmel, das allmählich übergeht in lautstark sich äußernde Misslaune. Doch es bleibt nicht lange bei der verbalen Artikulation. Wie jede soziale Bewegung, so drängt auch diese Menge auf die schnelle Lösung, und natürlich ist es eine gewaltsame.
Auch wir sind willenloser Teil des Mobs und stürzen uns mit unseren Schildchen in den Mantelwald. Hilf- und machtlos schaut das Garderobierenensemble dem wilden Treiben zu. So müssen sich damals die DDR-Grenzer beim Fall der Mauer gefühlt haben. Ich habe die Nummer 180 und wühle mich durchs Stoffmeer.
„Freie Auswahl!“, rufe ich A. zu, und wahrscheinlich glühen meine Wangen dabei rot vor Aufregung. Er reagiert gelassen. „Du machst dabei“, sagt er, „auf jeden Fall ein gutes Geschäft.“
Frechheit! Schließlich vertraute ich der Chaosgarderobiere meinen feinsten tiefblauen Baumwollmantel an. Ich schiebe A. ein schiefes Grinsen rüber und analysiere seine despektierliche Bemerkung als Folge übergroßen Alkoholkonsums. Noch vor wenigen Minuten nämlich kommentierte A. die Entgegennahme eines roten Salentoweins mit den bereits leicht ins Unscharfe lappenden Worten: „Ich steh zu meim Abstaubertum.“
Schließlich türmen wir mit unserer Beute Richtung U-Bahn, und o Wunder, es sind unsere eigenen Oberkleider. Der Abend endet dann im Silbersack, wo eine Rentnerreisegruppe zu „Tanze Samba mit mir“ hüftsteif das Sambatanzen imitiert.
A. möchte eine Knolle, ich einen Weißwein. Ich gehe zur Theke. „Was für einen Weißen gibt es denn?“, frage ich den Wirt. Der macht „Puh!“, bläst ratlos die Backen auf und verschwindet zu Recherchezwecken im Nebenraum.
Ein mittdreißiger Wuschelkopf mit Schneidezahnlücke wird Zeuge dieses in der Silbersackgeschichte wohl einmaligen Vorfalls und grinst mich ungeachtet seiner dentalen Mängel frontal an. „Falsche Frogee!“, konstatiert er hochamüsiert.
Ich gebe ihm sofort Recht – bekomme zum Lohn aber einen direktimportierten Pfälzer Müller-Thurgau, wie der Wirt in akribischer Kleinarbeit ermittelt hat. Was mal wieder beweist: Es gibt keine dummen Fragen, selbst im Silbersack nicht.
Auf dem Heimweg überquere ich den Hans-Albers-Platz, wo außer einem halben Dutzend Huren niemand zu sehen ist. Doch selbst die haben voll den Montagsblues, denn zur Abwehr ihres höchstens viertelherzigen „Kommste mal mit?“ reicht mein bloßes Schweigen völlig aus.
Und das ist normalerweise völlig anders.
Ich meine: Wir sind hier beim Spiegel, und wenn donnerstags der Bundespräsident in einer Schwulenbar erwischt würde, dann hätten die cleveren Jungs sonntags eine 18-seitige Titelstory im Heft. Aber hier an der Garderobe geht gar nichts mehr.
Bald stellt sich heraus warum. Die beiden zuständigen Damen haben zwar Nummernschildchen ausgegeben, doch die Kleidungsstücke wild durcheinander gehängt. Die 73 benachbart die 154, die 18 freut sich übers Zufallstreffen mit der 66.
In der Schlange herrscht bald ärgerliches Gemurmel, das allmählich übergeht in lautstark sich äußernde Misslaune. Doch es bleibt nicht lange bei der verbalen Artikulation. Wie jede soziale Bewegung, so drängt auch diese Menge auf die schnelle Lösung, und natürlich ist es eine gewaltsame.
Auch wir sind willenloser Teil des Mobs und stürzen uns mit unseren Schildchen in den Mantelwald. Hilf- und machtlos schaut das Garderobierenensemble dem wilden Treiben zu. So müssen sich damals die DDR-Grenzer beim Fall der Mauer gefühlt haben. Ich habe die Nummer 180 und wühle mich durchs Stoffmeer.
„Freie Auswahl!“, rufe ich A. zu, und wahrscheinlich glühen meine Wangen dabei rot vor Aufregung. Er reagiert gelassen. „Du machst dabei“, sagt er, „auf jeden Fall ein gutes Geschäft.“
Frechheit! Schließlich vertraute ich der Chaosgarderobiere meinen feinsten tiefblauen Baumwollmantel an. Ich schiebe A. ein schiefes Grinsen rüber und analysiere seine despektierliche Bemerkung als Folge übergroßen Alkoholkonsums. Noch vor wenigen Minuten nämlich kommentierte A. die Entgegennahme eines roten Salentoweins mit den bereits leicht ins Unscharfe lappenden Worten: „Ich steh zu meim Abstaubertum.“
Schließlich türmen wir mit unserer Beute Richtung U-Bahn, und o Wunder, es sind unsere eigenen Oberkleider. Der Abend endet dann im Silbersack, wo eine Rentnerreisegruppe zu „Tanze Samba mit mir“ hüftsteif das Sambatanzen imitiert.
A. möchte eine Knolle, ich einen Weißwein. Ich gehe zur Theke. „Was für einen Weißen gibt es denn?“, frage ich den Wirt. Der macht „Puh!“, bläst ratlos die Backen auf und verschwindet zu Recherchezwecken im Nebenraum.
Ein mittdreißiger Wuschelkopf mit Schneidezahnlücke wird Zeuge dieses in der Silbersackgeschichte wohl einmaligen Vorfalls und grinst mich ungeachtet seiner dentalen Mängel frontal an. „Falsche Frogee!“, konstatiert er hochamüsiert.
Ich gebe ihm sofort Recht – bekomme zum Lohn aber einen direktimportierten Pfälzer Müller-Thurgau, wie der Wirt in akribischer Kleinarbeit ermittelt hat. Was mal wieder beweist: Es gibt keine dummen Fragen, selbst im Silbersack nicht.
Auf dem Heimweg überquere ich den Hans-Albers-Platz, wo außer einem halben Dutzend Huren niemand zu sehen ist. Doch selbst die haben voll den Montagsblues, denn zur Abwehr ihres höchstens viertelherzigen „Kommste mal mit?“ reicht mein bloßes Schweigen völlig aus.
Und das ist normalerweise völlig anders.
24 Februar 2008
Von Halunken und Ikonoklasten
Seit Wochen ist Hamburg gepflastert mit eindringlicher Demokratiepropaganda. „Wirf deine Stimme nicht weg!“ flehen uns Plakate an, „wirf deine Stimme nicht weg!“
Doch erst seit heute weiß ich, wie das wirklich gemeint ist. Denn meine „komplexen Mehrstimmenstimmzettel“ (Landeswahlleiter Willi Beiß) musste ich in einen erstaunlichen Behälter werfen: eine große weiße Mülltonne. Über metaphorische Wechselwirkungen aus „Wirf deine Stimme nicht weg!“-Plakaten und Mülltonne hat Hamburg wohl nicht weiter nachgedacht.
Das war vormittags. Nachmittags besuchte ich das Spiel des FC St. Pauli gegen Greuther Fürth und lernte ein paar neue Beleidigungen kennen, die man bestimmt in Dresden oder Duisburg nie zu hören bekommt.
Als ein Fürther einen St. Paulianer foulte, schrie ein Typ hinter mir zunächst das noch recht konventionelle „Verdammte Tretertruppe!“. Doch der Mann wusste kiezspezifisch nachzulegen. „Bagaluten!“, brüllte er. Und dann „Ikonoklasten!“ Ich schwör’s: Er brüllte „Ikonoklasten!“
Ein Bayernfan wüsste wahrscheinlich nicht mal, was das überhaupt heißt. Und auf St. Pauli müsste er sich das als Beleidigung anhören – natürlich ohne sich beleidigt zu fühlen. Heute passierte das aber nur den Fürthern. Auch den Schiedsrichter wusste der Typ hinter mir treffend zu charakterisieren. „Halunke!“, schrie er, „Naziwähler!“
Apropos Wähler: Die „Kabinen“ bestanden heute aus handgeknickten Pappkartons, die man halbwegs stabil auf Tische gestellt hatte. Dahinter herrschte ein demokratiefeindliches Schummerlicht, was das Ausfüllen der komplexen Mehrstimmenstimmzettel zum Glücksspiel machte. Bestimmt nur deshalb verwählte ich mich buchstäblich, und zwar bei den fünf Kreuzchen, die ich für die Bezirksliste abgab.
Trotzdem habe ich meine ganzen Stimmen nicht einfach so weggeworfen. Schließlich landeten sie ja in der großen weißen Mülltonne.
Doch erst seit heute weiß ich, wie das wirklich gemeint ist. Denn meine „komplexen Mehrstimmenstimmzettel“ (Landeswahlleiter Willi Beiß) musste ich in einen erstaunlichen Behälter werfen: eine große weiße Mülltonne. Über metaphorische Wechselwirkungen aus „Wirf deine Stimme nicht weg!“-Plakaten und Mülltonne hat Hamburg wohl nicht weiter nachgedacht.
Das war vormittags. Nachmittags besuchte ich das Spiel des FC St. Pauli gegen Greuther Fürth und lernte ein paar neue Beleidigungen kennen, die man bestimmt in Dresden oder Duisburg nie zu hören bekommt.
Als ein Fürther einen St. Paulianer foulte, schrie ein Typ hinter mir zunächst das noch recht konventionelle „Verdammte Tretertruppe!“. Doch der Mann wusste kiezspezifisch nachzulegen. „Bagaluten!“, brüllte er. Und dann „Ikonoklasten!“ Ich schwör’s: Er brüllte „Ikonoklasten!“
Ein Bayernfan wüsste wahrscheinlich nicht mal, was das überhaupt heißt. Und auf St. Pauli müsste er sich das als Beleidigung anhören – natürlich ohne sich beleidigt zu fühlen. Heute passierte das aber nur den Fürthern. Auch den Schiedsrichter wusste der Typ hinter mir treffend zu charakterisieren. „Halunke!“, schrie er, „Naziwähler!“
Apropos Wähler: Die „Kabinen“ bestanden heute aus handgeknickten Pappkartons, die man halbwegs stabil auf Tische gestellt hatte. Dahinter herrschte ein demokratiefeindliches Schummerlicht, was das Ausfüllen der komplexen Mehrstimmenstimmzettel zum Glücksspiel machte. Bestimmt nur deshalb verwählte ich mich buchstäblich, und zwar bei den fünf Kreuzchen, die ich für die Bezirksliste abgab.
Trotzdem habe ich meine ganzen Stimmen nicht einfach so weggeworfen. Schließlich landeten sie ja in der großen weißen Mülltonne.
Der Reinperler
Auf dem Heimweg von einem Konzert betrete ich spontan die St.Pauli-Kneipe in der Detlev-Bremer-Straße, weil dort, wie von draußen zu sehen ist, ein Fußballspiel übertragen wird.
Hier wird gequalmt, als gäbe es kein Morgen und kein Gesetz dagegen. Und die Leinwand zeigt ein Bild, dessen Milchigkeit nur noch von seiner Unschärfe übertroffen wird.
Ich bestelle Orangensaft. Der Wirt schaut mich kurz an, als hätte ich ihm eröffnet, ich sei sein bei der Geburt getrennter Zwillingsbruder. Dann kramt er eine Weile im Kühlschrank und holt eine frische Flasche hervor. Er schüttelt sie so gekonnt, als hätte hier in der St.Pauli-Kneipe wirklich schon mal jemand Saft bestellt. Aber vielleicht transferiert er auch einfach sein Cocktailkönnen auf neues Terrain.
Ich setze mich an einen Tisch nah an der Theke (jeder Platz ist hier nahe an der Theke). Dort, am Tresen, führt ein Mann mit abgewetztem Jacket das große Wort und übertönt damit lässig den Sportreporter von der milchigen Leinwand. Der Mann wirkt schmierig, ungefähr wie Rolf Zacher, und strahlt jenes völlig grundlose Machoselbstvertrauen aus, das man nicht selten findet hier auf dem Kiez, bei Jung und Alt.
Er jedenfalls ist eher alt, sein Haar aber noch voll und ohne graue Strähnen, was nach meiner bescheidenen Meinung kein Geschenk der Natur ist. Der Mann stützt den Ellenbogen auf die Theke, hält die Zigarette hoch in die Luft und labert seinem jungen Nachbarn ein Ohr ab.
„Ich rauch seit 53 Johrn“, informiert er jetzt. Damit scheint er sich für ein positives Rollenmodell zu halten, denn: „Da gibt's welche, die kommen aufn Gesundheitstribb, die hörn auf zu saufen und hörn auf zu rauchen. Aber das machd der Organismus gor nich midd – unn wech sinnse!“
Längst übertönt er den Fußballreporter. Gut so. „Der Organismus“, paraphrasiert er, „kommt damit einfach nich zurächd.“ Sein Opfer schweigt. Der Schmierige zieht an der Zigarette, es ist etwa die vierhunderttausendste in 53 Jahren.
„Du“, wechselt er unvermittelt das Thema, „wenn ich deine Mudder känngelärnd hädde, dann wärst du jetz mein Souhn. Du, der hädd ich einen reingeperlt! Aber ich hab die ja gor nich känngelärnd.“
Mein Orangensaft ist alle. Ich wette, wenn ich in acht Wochen wieder hier einkehrte und ein Glas bestellte, es käme aus derselben Flasche. Und der schmierige Reinperler säße wieder rauchend an der Theke, mit tadellos funktionierendem Organismus.
Er darf nur nicht versehentlich aufhören zu rauchen. Dann isser wech.
Hier wird gequalmt, als gäbe es kein Morgen und kein Gesetz dagegen. Und die Leinwand zeigt ein Bild, dessen Milchigkeit nur noch von seiner Unschärfe übertroffen wird.
Ich bestelle Orangensaft. Der Wirt schaut mich kurz an, als hätte ich ihm eröffnet, ich sei sein bei der Geburt getrennter Zwillingsbruder. Dann kramt er eine Weile im Kühlschrank und holt eine frische Flasche hervor. Er schüttelt sie so gekonnt, als hätte hier in der St.Pauli-Kneipe wirklich schon mal jemand Saft bestellt. Aber vielleicht transferiert er auch einfach sein Cocktailkönnen auf neues Terrain.
Ich setze mich an einen Tisch nah an der Theke (jeder Platz ist hier nahe an der Theke). Dort, am Tresen, führt ein Mann mit abgewetztem Jacket das große Wort und übertönt damit lässig den Sportreporter von der milchigen Leinwand. Der Mann wirkt schmierig, ungefähr wie Rolf Zacher, und strahlt jenes völlig grundlose Machoselbstvertrauen aus, das man nicht selten findet hier auf dem Kiez, bei Jung und Alt.
Er jedenfalls ist eher alt, sein Haar aber noch voll und ohne graue Strähnen, was nach meiner bescheidenen Meinung kein Geschenk der Natur ist. Der Mann stützt den Ellenbogen auf die Theke, hält die Zigarette hoch in die Luft und labert seinem jungen Nachbarn ein Ohr ab.
„Ich rauch seit 53 Johrn“, informiert er jetzt. Damit scheint er sich für ein positives Rollenmodell zu halten, denn: „Da gibt's welche, die kommen aufn Gesundheitstribb, die hörn auf zu saufen und hörn auf zu rauchen. Aber das machd der Organismus gor nich midd – unn wech sinnse!“
Längst übertönt er den Fußballreporter. Gut so. „Der Organismus“, paraphrasiert er, „kommt damit einfach nich zurächd.“ Sein Opfer schweigt. Der Schmierige zieht an der Zigarette, es ist etwa die vierhunderttausendste in 53 Jahren.
„Du“, wechselt er unvermittelt das Thema, „wenn ich deine Mudder känngelärnd hädde, dann wärst du jetz mein Souhn. Du, der hädd ich einen reingeperlt! Aber ich hab die ja gor nich känngelärnd.“
Mein Orangensaft ist alle. Ich wette, wenn ich in acht Wochen wieder hier einkehrte und ein Glas bestellte, es käme aus derselben Flasche. Und der schmierige Reinperler säße wieder rauchend an der Theke, mit tadellos funktionierendem Organismus.
Er darf nur nicht versehentlich aufhören zu rauchen. Dann isser wech.
22 Februar 2008
Von Bob bis Murder
Link: sevenload.com
Am Sonntag gibt es auf Byte.FM die nächste von mir konzipierte Radiosendung, diesmal mit einem kleinen Schwerpunkt anlässlich des Kinofilms „I’m not there“, der am nächsten Donnerstag Bundesstart hat.
Es geht um einen Künstler, über den ich schon mehrfach gebloggt habe, und das aus gutem Grund: Er ist der Größte. Amber kann und wird das bestätigen.
Mehr zum Konzept und zur Songliste gibt es hier. Vertreten ist auch das spröde dänische Folkduo Murder, dem ich noch Anfang der Woche im Knust zujubeln durfte. Vor allem die actionreiche Show riss die wenigen Besucher zu Begeisterungsstürmen hin.
Der Höhepunkt war erreicht, als der nerdige Vollbart- und Brillenmoppel Jacob Bellens, der die ganze Zeit stoisch mit übergeschlagenem Bein auf einem Hocker saß, mit der Handfläche den Takt auf seiner Schuhsohle schlug. Unvergesslich.
Die Qualität des Filmchens ist übrigens genauso zappenduster wie die des Strunkclips gestern, versprochen. Aber der Song ist magisch.
Strunk schmeißt mit Schmutz
Link: sevenload.com
Mit GP auf der Abschlusskundgebung der PARTEI im Schanzenviertel. Uns lockten die Inhalte. Mit Slogans wie „Hamburg – Stadt im Norden“, „Jugendgewalt: ohne uns“ oder „Bildung beginnt mit B“ können wir uns vorbehaltlos identifizieren. Ja, sie bilden geradezu die (einzigen) Schnittmengen unserer politischen Überzeugungen.
GP trägt seinen üblichen stinknormalen Armanianzug, ich hingegen habe mich aufgebrezelt mit einer winddichten Land’s-End-Squalljacke, oder wie das Ding heißt. „Wie siehst du überhaupt aus?“, will GP wissen, dabei kann er das von außen viel besser beurteilen.
Heinz Strunk, hanseatischer Spitzenkandidat der PARTEI, redet glucksend und leicht lallend, obwohl er, wie er behauptet, bei weitem nicht so betrunken sei wie bei der letzten Veranstaltung. Er kündigt die Machtübernahme für Sonntag an. GP und ich wollen daraufhin sofort PARTEImitglieder werden, doch man hat es versäumt, Aufnahmeanträge herbeizuschaffen.
Stattdessen liegen Plakate und verschiedene „Titanic“-Ausgaben herum, die gegen eine freiwillige Spende abgegeben werden sollen. Ich entrichte zwei Euro für eine „Titanic“ (Nennwert: vier Euro). Nur wenig später wird sie mir an der Theke gestohlen, obwohl ich ihren Besitz mit einer darauf abgestellten Flasche Astra ausreichend markiert zu haben glaubte.
Ich beschließe, der PARTEI ohne weitere Spende eine Ersatz-„Titanic“ zu entwenden, was auch gelingt. GP trifft es härter. Obgleich sich die PARTEI als wichtiges Ziel „Raucherschutz statt Nichtraucherschutz“ auf die Plakate schrieb, wird er für seine rituelle Kippenverbrennung des Saales verwiesen.
„Warum?“, empöre ich mich gegenüber dem Tresenmann, denn zurzeit folge ich der Maßgabe, Freiheit sei immer die Freiheit des Andersdenkenden, selbst wenn er raucht statt denkt.
„Der Veranstalter will es so“, versucht der Tresenmann die Diskussion zu beenden. „Aber fungiert denn nicht die RaucherschutzPARTEI heute Abend als Veranstalter?“, wundere ich mich ostentativ, um die Lachhaftigkeit seiner Argumentation zu erschüttern.
„Nein“, sagt er und wendet sich anderen Kunden zu.
Derweil startet Strunk eine handelsübliche Schmutzkampagne und thematisiert die physiognomische Ähnlichkeit von Hinnerk Fock und dem Kannibalen Armin Meiwes – „Zufall?, fragt die PARTEI.“ Und dass die PARTEI das in Form eines glucksenden und lallenden Heinz Strunk wirklich fragt, beweist das heutige Filmchen.
Aber Achtung beim Anschauen: Es könnte Ihre Wahlentscheidung beeinflussen, und zwar auf fatale Weise.
20 Februar 2008
Weiblich, jung sucht … Schwarzfahrer
Seit mehr als zwei Jahren muss man im Schnellbus vorne einsteigen, wie mir damals auf recht rüde Art von einem Busfahrerflegel beigebogen wurde.
Und zwar muss man deshalb vorne einsteigen, weil damals eine allgemeine Fahrscheinvorzeigepflicht eingeführt wurde. Seither gewährt jeder Schnellbusfahrer erst dann Einlass in sein rollendes Reich, wenn die ihm hingehaltene Karte sein Wohlgefallen fand. Eigentlich kein schlechtes Prinzip, denn es erspart der Stadt Kosten für zusätzliche Kontrolleure.
Umso baffer war ich heute früh, als ich im 37er über die Reeperbahn rollte und plötzlich von einer jungen attraktiven Blondine angesprochen wurde. „Guten Tag, Kontrolle“, lächelte sie hinreißend, während ihre gelockten Strähnen im Sonnenlicht funkelten wie Goldfäden, sofern die Sonne geschienen hätte. „Zeigen Sie mir bitte Ihren Fahrschein.“
Wenn ich mit zwei Seltsamkeiten auf einmal konfrontiert werde, legt mich das lahm. Das wusste ich vorher gar nicht, jetzt schon. Denn die ganze Situation schien mir schlicht surreal. Während ich wie ferngesteuert nach meiner Brieftasche kramte, fasste ich die zwei Seltsamkeiten innerlich in Form einer Zwillingsfrage zusammen.
Warum, fragte ich mich statt sie, kontrollieren die Verkehrsbetriebe mit Extrapersonal die Fahrscheine von Passagieren, deren Fahrscheine soeben bereits vom Schnellbusfahrer kontrolliert wurden?
Und wo sie das schon mal tun: Warum sind die Kontrolleure plötzlich jung, hübsch, weiblich und lassen güldne Locken im imaginären Sonnenlicht schimmern, statt wie bisher strähnhaarig, ächzend und missgelaunt 60-jährige Prekariatsbäuche durch den viel zu schmalen Gang zu wuchten?
Natürlich erwischten die beiden Grazien keinen einzigen Schwarzfahrer. Wie auch? Und natürlich fing ich mich in meiner Verwirrung nicht früh genug, um die Damen auf die Absurdität ihres Tuns hinzuweisen.
Vielleicht machen die Verkehrsbetriebe das ja auch extra und setzen weibliche Kontrolleure nur in Linien ein, wo sie garantiert keine von uneinsichtigen Schwarzfahrern gelangt bekommen können. Eigentlich sehr fürsorglich.
Und ein sehr starkes Indiz für volle städtische Kassen, allem Gejammer des Senats zum Trotz.
(Das Foto entstand zwar an einer Haltestelle der Linie 36 an der Elbchaussee, doch es passt erstaunlich gut.)
Und zwar muss man deshalb vorne einsteigen, weil damals eine allgemeine Fahrscheinvorzeigepflicht eingeführt wurde. Seither gewährt jeder Schnellbusfahrer erst dann Einlass in sein rollendes Reich, wenn die ihm hingehaltene Karte sein Wohlgefallen fand. Eigentlich kein schlechtes Prinzip, denn es erspart der Stadt Kosten für zusätzliche Kontrolleure.
Umso baffer war ich heute früh, als ich im 37er über die Reeperbahn rollte und plötzlich von einer jungen attraktiven Blondine angesprochen wurde. „Guten Tag, Kontrolle“, lächelte sie hinreißend, während ihre gelockten Strähnen im Sonnenlicht funkelten wie Goldfäden, sofern die Sonne geschienen hätte. „Zeigen Sie mir bitte Ihren Fahrschein.“
Wenn ich mit zwei Seltsamkeiten auf einmal konfrontiert werde, legt mich das lahm. Das wusste ich vorher gar nicht, jetzt schon. Denn die ganze Situation schien mir schlicht surreal. Während ich wie ferngesteuert nach meiner Brieftasche kramte, fasste ich die zwei Seltsamkeiten innerlich in Form einer Zwillingsfrage zusammen.
Warum, fragte ich mich statt sie, kontrollieren die Verkehrsbetriebe mit Extrapersonal die Fahrscheine von Passagieren, deren Fahrscheine soeben bereits vom Schnellbusfahrer kontrolliert wurden?
Und wo sie das schon mal tun: Warum sind die Kontrolleure plötzlich jung, hübsch, weiblich und lassen güldne Locken im imaginären Sonnenlicht schimmern, statt wie bisher strähnhaarig, ächzend und missgelaunt 60-jährige Prekariatsbäuche durch den viel zu schmalen Gang zu wuchten?
Natürlich erwischten die beiden Grazien keinen einzigen Schwarzfahrer. Wie auch? Und natürlich fing ich mich in meiner Verwirrung nicht früh genug, um die Damen auf die Absurdität ihres Tuns hinzuweisen.
Vielleicht machen die Verkehrsbetriebe das ja auch extra und setzen weibliche Kontrolleure nur in Linien ein, wo sie garantiert keine von uneinsichtigen Schwarzfahrern gelangt bekommen können. Eigentlich sehr fürsorglich.
Und ein sehr starkes Indiz für volle städtische Kassen, allem Gejammer des Senats zum Trotz.
(Das Foto entstand zwar an einer Haltestelle der Linie 36 an der Elbchaussee, doch es passt erstaunlich gut.)
19 Februar 2008
Aldi spart sich die Schlussredaktion
Der unvermeidliche Nachschlag
Der indische Imbiss ist nur ein paar Fußminuten von der Redaktion entfernt und nahe dieser Baustelle. Auf den Franken hat dieser Imbiss eine Wirkung wie Bruni auf Sarko. Der Grund ist klar, und es kann nur einen geben: Dort gibt es Nachschlag.
„Heute habe ich Hunger“, verkündet der Franke mittags vergnügt, obwohl das praktisch für jeden beliebigen Zeitpunkt des Tages gilt, aber mittags ganz besonders, „heute brauche ich Nachschlag!“
Also geht es zum Inder. Die Portionen dort sind reichlich, geradezu üppig, schier ausreichend. Ohne es zu thematisieren kommen wir beide zu dem Schluss: Genug ist genug. Heute ist Nachschlag nicht nötig.
Wahrscheinlich wäre er sogar schädlich für die nachmittägliche Produktivität. Denn wie man weiß, fordert der Verdauungstrakt jeweils Ressourcen an, die sich proportional zur aufgenommenen Nahrungsmenge verhalten, und all das geht auf Kosten des Gehirns. Selbst das des Franken muss sich diesem Effekt regelmäßig beugen.
Plötzlich steht der junge Mann, der uns das Essen serviert hat, wieder am Tisch. Wie aus dem Nichts. „Wolle Sie Na’hschlack?“, fragt er und strahlt dabei wie der Lottomann, der montags klingelt, um dich über den Millionengewinn zu informieren (nehme ich zumindest an).
„Iss kein Proppläm“, fährt der Bursche ermunternd fort, „können ruhig sake!“ Ich sage auch – und zwar spontan ab. Dann schaue ich den Franken an. Ich weiß genau, was jetzt in ihm vorgeht. Und ich weiß, wie das alles ausgehen wird.
„NA GUT!“, bricht die Frankenfirewall zusammen wie ein Kartenhaus im Wirbelsturm Katrina. Dann reicht er seinen auf Spülmaschinenniveau abgeleckten Teller der Bedienung, die sich hocherfreut auf den Weg macht zur Quelle des Na’hschlacks.
„Weißt du was?“, wende ich mich müde an den Franken, „weder an der sittlichen Reife noch an der moralischen Standfestigkeit, einem solchen Angebot zu widerstehen, wirst du dich jemals in deinem Leben erfreuen können.“
„Was hat das mit Sitte und Moral zu tun?“, grinst der Spross fränkischer Krume jedoch keck und nimmt mit sicherem Griff den Nachschlagteller entgegen. Die Bedienung hat ihn mit praktisch der gleichen Menge gefüllt wie beim ersten Gang.
„Ach, lass nur“, murmele ich und schaue ihm die nächsten fünf Minuten einfach nur dumpf beim Schlingen zu.
„Heute habe ich Hunger“, verkündet der Franke mittags vergnügt, obwohl das praktisch für jeden beliebigen Zeitpunkt des Tages gilt, aber mittags ganz besonders, „heute brauche ich Nachschlag!“
Also geht es zum Inder. Die Portionen dort sind reichlich, geradezu üppig, schier ausreichend. Ohne es zu thematisieren kommen wir beide zu dem Schluss: Genug ist genug. Heute ist Nachschlag nicht nötig.
Wahrscheinlich wäre er sogar schädlich für die nachmittägliche Produktivität. Denn wie man weiß, fordert der Verdauungstrakt jeweils Ressourcen an, die sich proportional zur aufgenommenen Nahrungsmenge verhalten, und all das geht auf Kosten des Gehirns. Selbst das des Franken muss sich diesem Effekt regelmäßig beugen.
Plötzlich steht der junge Mann, der uns das Essen serviert hat, wieder am Tisch. Wie aus dem Nichts. „Wolle Sie Na’hschlack?“, fragt er und strahlt dabei wie der Lottomann, der montags klingelt, um dich über den Millionengewinn zu informieren (nehme ich zumindest an).
„Iss kein Proppläm“, fährt der Bursche ermunternd fort, „können ruhig sake!“ Ich sage auch – und zwar spontan ab. Dann schaue ich den Franken an. Ich weiß genau, was jetzt in ihm vorgeht. Und ich weiß, wie das alles ausgehen wird.
„NA GUT!“, bricht die Frankenfirewall zusammen wie ein Kartenhaus im Wirbelsturm Katrina. Dann reicht er seinen auf Spülmaschinenniveau abgeleckten Teller der Bedienung, die sich hocherfreut auf den Weg macht zur Quelle des Na’hschlacks.
„Weißt du was?“, wende ich mich müde an den Franken, „weder an der sittlichen Reife noch an der moralischen Standfestigkeit, einem solchen Angebot zu widerstehen, wirst du dich jemals in deinem Leben erfreuen können.“
„Was hat das mit Sitte und Moral zu tun?“, grinst der Spross fränkischer Krume jedoch keck und nimmt mit sicherem Griff den Nachschlagteller entgegen. Die Bedienung hat ihn mit praktisch der gleichen Menge gefüllt wie beim ersten Gang.
„Ach, lass nur“, murmele ich und schaue ihm die nächsten fünf Minuten einfach nur dumpf beim Schlingen zu.
17 Februar 2008
Kuri- bis furios
Dieser vermaledeite Multifunktionsdrucker! Seit Monaten machte er Probleme. Immer wieder geruhte er die schwarze Tinte unschön streifig aufs Papier zu schmieren, was zu höchst ärgerlichen Beeinträchtigungen der Lesbarkeit führte.
Stets ergriffen Ms. Columbo und ich daraufhin zornesbebend umfangreiche Maßnahmen. Von der einfachen über die Intensiv- bis zur Walzen- und gar Bodenreinigung war alles dabei, was das Handbuch hergab, ganz zu schweigen von der automatischen sowie manuellen Druckkopfausrichtung.
Ja, wir kalibrierten sogar! Und zwar ohne konkrete Vorstellung, was das überhaupt bedeutet. All das änderte selten etwas am Ergebnis: streifiges Schwarz.
Als Ultima Ratio wechselten wir schließlich blass vor Frust die Patronen, und meist erklärte sich der Multikonfusionsdrucker danach für eine Weile mit unserem Qualitätsanspruch solidarisch. Die Weilen aber wurden zuletzt immer kürzer, ja das Gerät steigerte die Häufigkeit seiner Rückfälle in die Streifigkeit sogar ins nur noch schwer Erträgliche.
Statt des finalen Patronenwechsel schwebte mir in zunehmend schwärzeren Fantasien bereits der Einsatz einer ganzen anderen Art von Patronen vor, doch mir fehlt eh die entsprechende Feuerwaffe.
Es half also alles nichts: Unsere psychische Gesundheit war ernstlich bedroht, jetzt musste eine Fachwerkstatt den gordischen Knoten zerschlagen. Wir brachten den Patienten hin, und nach nur einem Tag rief man uns zurück.
Der Drucker, eröffnete man uns, drucke klag- und streifenlos aus, zumindest mit ihren Patronen, und das seien Markenprodukte und keine von Fremdherstellern; es gäbe also ganz und gar nichts zu reparieren.
Ich überhörte den leisen Vorwurf, versuchte die Enttäuschung nicht als Schluchzen hörbar werden zu lassen und holte den Multikuriosdrucker wieder ab.
Ein von abgrundtiefer Hoffnungslosigkeit begleiteter Probeausdruck mit den wieder eingesetzten alten Patronen ergab dann aber Überraschendes: keine Streifen, nirgends. Das vom Multigloriosdrucker aufs Papier gebrachte tintentiefe Schwarz hatte eine pure sinnliche Schönheit, die mir vor Rührung und Dankbarkeit Tränen des Glücks in die Augen trieb.
Seither gibt es keinerlei Probleme mehr mit dem Multifuriosdrucker. Vielleicht hat ihn der Ausflug in die Werkstatt, wo er erstmals alleine aushäusig übernachten musste, derart verstört, dass er solcherart Traumata künftig unter allen Umständen vermeiden will – und sei es um den hohen Preis eines streifenfreien Ausdrucks trotz nichtinstallierter Markenpatronen.
Letztlich will ich das aber gar nicht so genau wissen. Es klappt, das reicht mir. Die Wahrheit liegt nun mal aufm Platz, und der nächste Ausdruck ist immer der schwerste.
Stets ergriffen Ms. Columbo und ich daraufhin zornesbebend umfangreiche Maßnahmen. Von der einfachen über die Intensiv- bis zur Walzen- und gar Bodenreinigung war alles dabei, was das Handbuch hergab, ganz zu schweigen von der automatischen sowie manuellen Druckkopfausrichtung.
Ja, wir kalibrierten sogar! Und zwar ohne konkrete Vorstellung, was das überhaupt bedeutet. All das änderte selten etwas am Ergebnis: streifiges Schwarz.
Als Ultima Ratio wechselten wir schließlich blass vor Frust die Patronen, und meist erklärte sich der Multikonfusionsdrucker danach für eine Weile mit unserem Qualitätsanspruch solidarisch. Die Weilen aber wurden zuletzt immer kürzer, ja das Gerät steigerte die Häufigkeit seiner Rückfälle in die Streifigkeit sogar ins nur noch schwer Erträgliche.
Statt des finalen Patronenwechsel schwebte mir in zunehmend schwärzeren Fantasien bereits der Einsatz einer ganzen anderen Art von Patronen vor, doch mir fehlt eh die entsprechende Feuerwaffe.
Es half also alles nichts: Unsere psychische Gesundheit war ernstlich bedroht, jetzt musste eine Fachwerkstatt den gordischen Knoten zerschlagen. Wir brachten den Patienten hin, und nach nur einem Tag rief man uns zurück.
Der Drucker, eröffnete man uns, drucke klag- und streifenlos aus, zumindest mit ihren Patronen, und das seien Markenprodukte und keine von Fremdherstellern; es gäbe also ganz und gar nichts zu reparieren.
Ich überhörte den leisen Vorwurf, versuchte die Enttäuschung nicht als Schluchzen hörbar werden zu lassen und holte den Multikuriosdrucker wieder ab.
Ein von abgrundtiefer Hoffnungslosigkeit begleiteter Probeausdruck mit den wieder eingesetzten alten Patronen ergab dann aber Überraschendes: keine Streifen, nirgends. Das vom Multigloriosdrucker aufs Papier gebrachte tintentiefe Schwarz hatte eine pure sinnliche Schönheit, die mir vor Rührung und Dankbarkeit Tränen des Glücks in die Augen trieb.
Seither gibt es keinerlei Probleme mehr mit dem Multifuriosdrucker. Vielleicht hat ihn der Ausflug in die Werkstatt, wo er erstmals alleine aushäusig übernachten musste, derart verstört, dass er solcherart Traumata künftig unter allen Umständen vermeiden will – und sei es um den hohen Preis eines streifenfreien Ausdrucks trotz nichtinstallierter Markenpatronen.
Letztlich will ich das aber gar nicht so genau wissen. Es klappt, das reicht mir. Die Wahrheit liegt nun mal aufm Platz, und der nächste Ausdruck ist immer der schwerste.
16 Februar 2008
„Herr Du Mont!“
Um mein Verhältnis zur Hamburger FDP komprimiert auf den Punkt zu bringen, wäre mir noch vor kurzem ein herzhaftes „Fock you!“ locker über die Zunge gegangen. Doch dann sah ich gestern im Kino diesen Wahlwerbespot mit Sky du Mont.
Er endet auf so erschütternde Weise unfreiwillig komisch, dass ich gar kurzzeitig erwog, am nächsten Sonntag aus purem Mitleid FDP zu wählen – wäre dieses Mitleid nicht noch überboten worden von einem unignorierbaren Schwall Fremdscham.
Fock und Sky bilden zweifellos das skurrilste Pärchen seit Plisch und Plum, Dick und Doof und vor allem Pat und Patachon.
Im Kino war das Gelächter natürlich groß. Könnte man den beiden keine eigene Comedyshow geben, ganz unabhängig von Wahlen? Darin dürfte Hinnerk Fock natürlich immer nur eine einzige Dialogzeile haben, und zwar „Herr du Mont!“
Immer nur „Herr du Mont!“, mit festgetackertem Grinsen. Der Brüller.
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