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06 Januar 2012

Fundstücke (151)



Inhaltlich möchte ich diesen am Hauptbahnhof entdeckten Aufkleber erst einmal nicht bewerten. Denn jede Exegese würde sowieso überstrahlt und kontaminiert von der bestürzenden Tautologie des Wortes „KACKSCHEISSE“.

Um das wieder aus dem Kopf zu kriegen, gehe ich am besten heute Vormittag zur Thaimassage. Es wird funktionieren, ich weiß es. Dank Joy.



02 Januar 2012

Fundstücke (150): Zum Thema Außenwerbung



„Ich nehme eine Portion Internet, bitte.“
„Tut mir Leid, Internet ist grad aus. Aber einen 1-a-Wasserschaden könnte ich Ihnen noch anbieten.“
„Hm, nicht schlecht … Mein letzter war nämlich mau, so eher zwei minus.“
„Sehen Sie! Unserer hingegen hat Topqualität. Der reicht fürs ganze Haus! In welchem Stockwerk wohnen Sie?“
„Im vierten.“
„Hervorragend! Dann mache ich Ihnen einen Sonderpreis. Wollen wir gleich einen Termin vereinbaren?“
„Passt es Ihnen nächsten Mittwoch?“
„Klar! Bis dahin müsste auch Internet wieder reingekommen sein. Das bringe ich gleich mit.“
„Ich glaube, ich muss über Sie qypen.“
„Na hoffentlich positiv, hahaha!“
„Kommt ein bisschen auf den Wasserschaden an. Ist der wirklich 1 a?“

(Schild entdeckt am Schulterblatt)




25 August 2011

Hm, leckeres Graubrotsushi!



Das Grafikbüro, welches einst den Auftrag erhielt, das abgebildete Sushibuch mit einer Titelillustration zu versehen, finde ich deswegen so rührend, weil es wirklich alles falsch gemacht hat.

Gehen wir die Elemente mal einzeln durch:

– Eine Dorade? Kein Sushifisch.
– Ein Messweinpokal? Keineswegs ein adäquates Behältnis für den Riesling zum Sashimi.
– Ein Graubrot? Wer um alles in der Welt assoziiert zum Sushi GRAUBROT?

Dieses haarsträubend fehlkompilierte Ensemble dann auch noch in eine Plastikschale zu legen und eine Folie drüberzuziehen: mutig. Ich denke mal, das Buch war nicht der vom Verlag erwartete Verkaufsschlager.

Immerhin aber habe ich es am Wochenende auf dem Alsterdorfer Flohmarkt entdeckt, irgendjemand muss es also mal bewusst erworben haben.

Und beinah hätte ich nach dem Preis gefragt. Beinah.

30 Juni 2011

Die Zwiespältigkeit von Sattelmützen



Wie Sie bereits wissen, stehe ich Menschen, die mich mit Reklame behelligen, reserviert gegenüber. Neuerdings mache ich allerdings eine Ausnahme: bei Sattelbezügen.

Mit durchaus nicht nur klammheimlicher Freude fand ich vor einigen Wochen meinen Fahrradsitz mit einer Blau.de-Mütze überzogen vor. Gegenüber meiner üblichen Methode – mit Jackenärmeln trockenwischen – schien mir das einfache Abziehen eines durchnässten Bezugs ein deutlicher Fortschritt.

Unschön blieb dennoch die Tatsache, für ein Unternehmen zu werben, welches ich mal im Streit verlassen hatte – übrigens wegen Werbe-SMS, die es mir monatlich aufs Handy schickte, was ich nach einigen unschönen Telefonaten mit einer Kündigung sanktionierte.

Egal: Meine Blau.de-Sattelmützenbiografie war eh schon nach dem ersten richtigen Regenguss wieder am Ende. Ich hatte den triefenden Schutz abgezogen und ihn, wie ich glaubte, recht sicher unter den Gepäckträger geklemmt. Doch als ich zu Hause ankam, war er verschwunden. Wo bist du, kleiner Blau.de-Sattelbezug?

Meine Trauer um dieses so nützliche Accessoire war wie weggeblasen, als vergangene Woche sämtliche Fahrradsättel der Seilerstraße in leuchtendem Rot erstrahlten, darunter auch meiner. Es handelte sich um einen weiteren Bezug für lau, den arme Lohnsklaven anscheinend in nächtlicher Friemelarbeit hundertfach übergezogen hatten. (Jetzt können sie problemlos nach Uganda gehen und dort der ländlichen Bevölkerung die Handhabung von Kondomen vorführen, ich schwör.)

Eine feine Sache, das neue Teil, doch am beworbenen Produkt habe ich seither schwer zu schlucken. Ich, der ich mir gerade sämtliche Terrence-Malick-Filme auf DVD zugelegt habe, fahre nun also Werbung für den neuen „Werner“-Film. Für Bölkstoff statt Filmkunst.

Das ist außergewöhnlich unschön, lässt sich durch ein Umdrehen des Bezugs aber halbwegs kaschieren. Der Schriftzug schimmert trotzdem noch durch, wenigstens spiegelverkehrt. Allerdings protestiert das Ding, welches sich in seiner Reklamefunktion offenbar beeinträchtigt sieht, gegen diese Behandlung, indem es an den Nähten hämisch auszufransen beginnt. Irgendwas ist halt immer.

Hiermit fordere ich daher die Werbeindustrie auf, Fahrräder auf St. Pauli grundsätzlich nur mit Sattelmützen in neutralen Farben und ohne jegliche Aufschrift zu versehen, gerne auch nächtens von Lohnsklaven, so tolerant muss man schon sein.

Mit Hilfe sozialer Netzwerke (Stichwort: virale Werbung) könnte dann ja das so beworbene Objekt enttarnt werden, vielleicht sogar in Form einer Schnitzeljagd oder ähnlichem Kinderkram, und ich wäre natürlich auch bereit, es hier an dieser Stelle zu nennen. Einmal, ganz kurz.

Übrigens pressiert es ein wenig. Die „Werner“-Mütze franst wirklich ziemlich stark.


29 Mai 2011

Flyer müssen draußen bleiben



„Ja, bitte?“, sagte ich in die Gegensprechanlage, denn es hatte geklingelt. „Schönen Tag“, kam es juvenil beschwingt herauf, „würden Sie bitte aufmachen? Ich möchte bei Ihnen ein bisschen flyern!“

Ein bisschen flyern also. Ungeachtet meiner spontan aufflammenden Bewunderung für diesen sehr sinnig dem Englischen entwundenen Neologismus vermochte ich seinem Ansinnen keinesfalls zu entsprechen. Mit so etwas war der junge Mann bei mir nämlich genau an der richtigen Adresse.

Auf unserem zum Glück im Treppenhaus aufgehängten Briefkasten prangt ganz in Rot „KEINE Werbung und Prospekte – danke!“, wobei das „danke“ als zähneknirschende Konzession an zivile Umgangsformen erst auf den allerletzten Drücker mitaufgenommen worden war. Auf der Robinsonliste stehen Ms. Columbo und ich selbstverständlich auch, und als sich neulich in unser parallel betriebenes Postfach ein Pizzeriaflyer verirrt hatte, warf ich ihn dem Postfilialenangestellten auf den Tresen, begleitet von der rhetorischen Frage, was das solle.

Der Mann war erstaunt über meine Erbostheit und riet, den Wisch doch einfach wegzuwerfen, doch genau so etwas beschleunigt die Entropie und muss aufhören. Ich meine: Er macht sich die Arbeit, den Flyer hineinzulegen, und ich, ihn wegzuwerfen – darin liegt doch kein Sinn, höchstens für Postbedienstete (was ein betrübliches Licht auf das Anspruchsniveau ihrer restlichen Tätigkeiten würfe).

Jedenfalls weigerte er sich, mir zuzusichern, künftig keine unadressierte Werbung mehr in mein Postfach zu legen. Dazu, erklärte der ganz offensichtlich intellektuell fehlgeprägte Heini, müsse ich die zuständige Posthotline anrufen und dort eine entsprechende Weisung hinterlassen.

Diesen Weg, antwortete ich schneidend, könne man ja wohl sehr deutlich abkürzen, indem er einfach hier und jetzt diese Weisung von mir entgegennehme, statt auf eine Order der Zentrale zu warten, die ja auch nur den Kundenwillen – also meinen – an ihn weiterleiten würde. Eine Logik von geradezu kristalliner Unanfechtbarkeit, die zu diesem fleischgewordenen Denkbunker aber leider nicht vordrang; er beharrte auf den Weg der entropischen Beschleunigung, obwohl er mit Sicherheit noch nie von diesem Phänomen gehört hatte.

Schnaubend verließ ich die Filiale, wandte mich an die Hotline, die schnelle Abhilfe zusicherte und dies gar in einem devoten Schreiben noch einmal bestätigte – doch gestern lag wieder ein Pizzeriaflyer im Postfach. Ich betrat dampfend die Filiale auf der Suche nach meinem weisungsresistenten Flyerverteilungsautomaten, prallte jedoch an einer meterlangen Schlange ab. Die Hotline sicherte in beschwichtigenden Worten zu, „die Sache nun eine Stufe höher zu hängen“. Da bin ich aber mal gespannt.

Von all dem konnte der junge Mann, der gestern morgen bei uns flyern wollte, natürlich nichts wissen, und deshalb behandelte ich ihn auch nach den Maßgaben der Genfer Konvention. Nein, beschied ich ihm durch die Gegensprechanlage, ich würde es bevorzugen, nicht zu öffnen, da wir dem Flyern als solchem nur wenig abgewinnen könnten.

„Und Ihre Nachbarn?“, fragte er. „Die bestimmt auch nicht“, sagte ich. „Na, dann noch einen schönen Tag.“ Das wünschte ich ihm auch. Konfliktlösung auf höchstem Niveau.

Ob das am Ende auch für meinen Spezi bei der Postfiliale gelten wird, ist noch nicht raus. Oh nein.

26 Mai 2011

Pareidolie (5)



Die von Volkswagen konzipierte Mittelkonsole seiner Pkws glotzt uns an wie Darth Vader ohne Mundschutz, und ich würde mich auf George Lucas’ Lichtschwert stellen und diesen Satz wiederholen.

13 März 2011

Oskar und KT haben was gemeinsam



Klar, wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung, und wer andern eine Grube gräbt, ist selbst ein Schwein – trotzdem würde ich mich als Verantwortlicher des Stellenanzeigenblattes JOBS-KOMPAKT NORD nicht wundern, wenn das Testimonial auf der aktuellen Titelseite wenig amüsiert wäre über seinen unfreiwiligen Einsatz als Coverboy.

Vielleicht setzt Herausgeber Sven Wolter-Rousseaux auch darauf, von Exminister Guttenberg belangt zu werden, was dem Blättchen sicher einen erheblichen Bekanntheitszuwachs einbrächte. Und die Chancen von JOBS-KOMPAKT NORD, damit vor Gericht durchzukommen, wären nicht schlecht, wenn man den Fall Lafontaine gegen Sixt zugrunde legt.

Der damals (1999) ebenfalls gerade zurückgetretene Minister war vom Autoverleiher ohne Genehmigung parodistisch als Werbefigur missbraucht worden und klagte auf 100 000 Euro Schadenersatz, weil er seine Persönlichkeitsrechte verletzt sah. In der zweiten Instanz verlor er, weil das Gericht das Ganze unter Meinungsfreiheit verbuchte.

Guttenberg und seinen Fans allerdings ist wahrscheinlich eh längst alles wurst, Hauptsache, es wächst ENDLICH Gras über die Sache. Und mit einer Klage würde KT ja gleichsam den Rasenmäher anwerfen.

Prognose: Sie kommen damit durch.

PS: Jaja, ich weiß, die Guttbye-Frequenz ist hier noch immer hoch. Aber sie wird sinken, versprochen. Wie sein Stern.


15 Februar 2011

Ausnahmesituation



Wann immer ich in den vergangenen Jahren das Obdachlosenlager an der Simon-von-Utrecht fotografierte, gewann das Motiv seinen widersprüchlichen Reiz aus einer ganz speziellen Wechselwirkung zwischen Reklame und Elend.

Meist schien das Werbemotiv auf geradezu absichtlich zynische Weise das Schicksal der Heimatlosen zu seinen Füßen zu kommentieren (zum Beispiel hier, hier und hier). Heute aber motivierte mich erstmals genau das Gegenteil zur fotografischen Dokumentation der Szenerie.

Denn ausgerechnet die Obdachlosenzeitung Hinz & Kunzt hat diesen Werbeplatz gebucht, und endlich ist die Gesamtsituation dort harmonisch und homogen. Kein Hintersinn, kein Sarkasmus, keine Bösartigkeit lädt die Lage mit Symbolik und Sozialkritik auf. Man sieht nur eine Werbung, die von der Realität bestätigt wird und umgekehrt.

Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose.

Der polnische Obdachlose – nennen wir ihn Jaczek A. – war übrigens damit einverstanden, fotografiert zu werden. Trotzdem war es mir sehr unangenehm, die Linse auf ihn zu richten. Sie verwandelte sich dabei unversehens in eine Waffe, die auf einen Schutz- und Wehrlosen gerichtet war.

Trotzdem schien mir das Motiv wichtig genug, um mich über die Obszönität der Situation hinwegzusetzen. Denn wenn Jaczek A. schon mal nicht von einem Werbeslogan für Wohlstandsbürger düpiert und veralbert wird, dann sollte das ebenfalls dokumentiert werden.

Es wird eh die Ausnahme bleiben, so viel ist sicher. Demnächst wirbt an dieser Stelle wieder irgendjemand für „Kokowääh“, Flatratetarife oder den Heidepark Soltau.

Vielleicht auch für wahnsinnig günstige Baukredite.

26 Januar 2011

Was Draculina wirklich will



Diese Werbung hängt zurzeit in Hamburger U-Bahnen.

Ich habe auf dilettantische, doch wirkungsvolle Weise den restlichen Text abgedeckt, so dass man nicht mehr sofort sehen kann, in wessen Dienst uns diese liebreizende Dekolleteevampirin da so ultraböse anfaucht.

Wofür also wirbt Draculina bloß – ist sie vielleicht das neue Testimonial eines radikalen FDP-Flügels, der den Liberalismus ruchlos bis zum blutrünstigen Liberalizismus übergeigt?

Oder vertritt die strengfrisierte Furie mit den Spockohren etwa einen Sado-Maso-Swingerclub, aus dem man frühmorgens glückselig mit blutenden Bisswunden heraustaumelt?

Beides nicht, nein: Die Dame wirbt für eine Senioreneinrichtung, die „vielseitig interessierte und engagierte examinierte Altenpfleger/innen“ sucht.

Statt auf ein wildes, gefährliches Leben in der Twilightzone läuft also alles auf Windelnwechseln in Wechselschichten hinaus.

Wer sich bewerben will: Ich habe die Telefonnummer.



23 Januar 2011

Fundstücke (125)



Dass ausgerechnet eine „magische Kohlsuppe“ von einer Firma namens No Wonder angeboten wird, zeugt von einem erfrischenden Hang zur Selbstentlarvung.

So etwas sollte Schule machen. Ein Hersteller von Homöopathika zum Beispiel käme unter dem Firmennamen „Echtnixdrin“ erheblich authentischer rüber.

Aber auf mich hört ja mal wieder niemand.



18 Dezember 2010

Lieblingsorte (6): Diesmal von jemand anderem



Der angestammte Lagerplatz der obdachlosen Polen, die hier im Blog schon mehrfach Erwähnung fanden (1, 2, 3), ist zurzeit verwaist und eingeschneit.

Nur ein Koffer mit Utensilien, den vorsorglich niemand anrührt oder gar wegräumt, hält einsam die Stellung. Somit verpassen die polnischen Gesellen den ganz speziellen Sarkasmus der ihren Lagerplatz von jeher dominierenden Werbefläche.

Doch wahrscheinlich würde sie diesen Claim genauso stolz und stoisch ignorieren wie alle anderen, die bisher von desinteressierten Plakatieren dort hingepappt wurden.

Selbst wenn sie ihn lesen könnten.


10 Dezember 2010

Fundstücke (118)



Die Lockmethoden auf St. Pauli sind von schillernder, durchaus auch widersprüchlicher Vielfalt, und es ist nicht auszuschließen, dass sich jemand ausgerechnet von den Verheißungen dieses Schildes zum Betreten der verantwortlichen Spelunke hinreißen lässt.

Wobei vorsorglich noch zu klären wäre, ob man selbst einen Tritt ausführen oder nur einen einstecken darf. Im Gegensatz zu den schlampigen Bedienungen ist diese Sache jedenfalls ein Alleinstellungsmerkmal auf St. Pauli (soweit ich informiert bin).

Entdeckt an einer Kneipenfassade in der Talstraße.

13 November 2010

Viva le Hirnriss



Irgendwann, während irgendeiner dieser endlos zähen und schon seit Monaten fruchtlosen Sitzungen, muss jemand gesagt haben: „Verdammt, Leute, so kommen wir wirklich nicht weiter. Dann können wir unseren Laden ja gleich VIVA LA WURST nennen!“

Alle müssen ihn angestarrt haben, als sei er das Rauchmonster aus „Lost“. Es kehrte Stille ein. Aber dann haben sie doch nicht die 112 angerufen, sondern einen Lichtreklamenhersteller.

Und wer hatte gestern Abend, als er in Sturm und Regen an der Reeperbahn arglos auf den Bus wartete, die Folgen zu tragen?

Einmal dürfen Sie raten.


07 November 2010

Enten sind Schweine

Natürlich kann ich mich kein Stück mehr dran erinnern, mit welchen Werbeslogans der Ehapa-Verlag damals, als ich sie noch las, Disneys „Lustige Taschenbücher“ ans Kind bringen wollte.

Aber hundertprozentig nicht mit einem Claim, der auch auf der Visitenkarte des Hauptdarstellers aus „Gaywatch – Die Riesenschwänze von Malibu“ stehen könnte.

Wahrscheinlich heißt bei Disney, dem einstmals saubersten Comicverlag der Welt, jetzt auch die Ente anders; „Donald Fuck“ böte sich an.

Wenn man allerdings – erst mal alarmiert – genauer hinschaut, gab es schon immer sublime sexuelle Anspielungen in den „Lustigen Taschenbüchern“. Ich erinnere da nur an Daniel DüsenTRIEB.

Das Plakat hier hängt übrigens nicht mal auf St. Pauli, sondern in meinem FickFitnessstudio am Rödingsmarkt.
So viel zur Sexualisierung auch der Restwelt.


03 November 2010

Angriff der Lobhudelhuren



Heute wurden ich und vier andere Blogger, darunter Spreeblick, Ziel des angeblich ersten digitalen Flashmobs im Internet.


Eine spanische Modefirma, die auf dem deutschen Markt Fuß fassen möchte, hat sich diese wirre Aktion ausgedacht, die in großem Maße Lebenszeit und Bandbreite verschwendete.

„Ist es möglich“, textete der Modehöker auf seiner deutschsprachigen Webseite, „das Internet mit Tausenden von positiven Kommentaren zu überschwemmen? Wir hinterlassen positive Kommentare in unseren Lieblings-Blogs.“

Ziel dieser organisierten Claquerei war es, die fünf ausgewählten Blogger mit Pseudoschmeicheleien zu umgarnen und so zum Beantworten der Kommentare zu bewegen; die ersten 100 gehorsamen Schäfchen, die sich der Armseligkeit dieser Aktion unterwarfen und mit der unverdienten Ehre einer Bloggerantwort bedacht worden wären, sollten von der Modefirma ein Kleidungsstück erhalten, das sie sich vorher auf der Homepage der Firma ausgesucht hatten.

Uff. Sich für ein T-Shirt zur Lobhudelhure zu machen: Das sollte doch eigentlich nicht verfangen bei der gewitzten Webjugend von heute. Hätte man meinen können. War aber nicht so. In Massen strömten sie herbei, als würden sie am Nasenring in die Arena geführt, und simulierten auf mehr oder weniger dilettantische Weise Begeisterung.

„hahaha…dein blog ist super lustig! Der Eintrag mit dem Hundeschild vor dem Hotel ist zum Wegschmeißen. Aber auch deine scharfe Beobachtung im Mediamarkt bringt mir Tränen in die Augen. Übertrieben lustig!“, schrieb einer. Andere versuchten plumpdirekt, eine Antwort herauszukitzeln („Darf man fragen wie alt du bist?“ „Wohnst du inem schönen Stadtteil?“), andere probierten es mit – wie sie hofften – entwaffnender Ehrlichkeit („Wäre super, wenn einer von Euch auf mein Posting antworten würde. Dann könnte ich etwas von XXXXXXX gewinnen und ich wäre HAPPY :-)))))))))) DANKE“).

Einige hatten ihre sprachlichen Mittel nicht richtig im Griff und bogen die positive Grundtendenz versehentlich in Richtung Beleidigung („Es macht wirklich Spaß zu lesen, was du schreibst, da ist der Inhalt schon fast wieder egal.“).

Allen gemeinsam aber war, dass sie selbstverständlich keine Antwort von mir erhielten.

Hätte freilich irgendeiner aus dieser treudoofen, willig gleichgeschalteten Horde die cojones gehabt, hier entgegen der Anweisung der spanischen Modefirma kräftig abzuledern, mir ans Bein zu pinkeln, wild rumzupöbeln, Schimpfkanonaden abzufeuern – ja, dann hätte ich mich wahrscheinlich sogar erweichen lassen, ihm ein kostenloses Mäntelchen zu ermöglichen.

So aber lief der angeblich erste digitale Flashmob hier ins Leere. Ob die anderen vier betroffenen Blogger sich vor den holpernden Karren dieses Viralmarketings haben spannen lassen? Selber nachgucken tu ich jedenfalls nicht.

Einen der Pseudokommentare mag ich übrigens doch: „Die rückseite der repperbahn ist wie die rückseite meines rückens. hautfarben glatt aber trotzdem schön anzusehen.“

Nur dieser Kommafehler im zweiten Satz: widerwärtig.

01 November 2010

Fundstücke (111): Lose Zusammengekehrtes



1.
Die neue Media-Markt-Kampagne steht ja unter dem Motto „Billiger geht so!“. Das scheint sich nicht nur auf Qualität und Preise der Produkte auszuwirken, sondern auch auf die Rechtschreibkünste der Mitarbeiter. Oder liege ich falsch, und die verkaufen dort neben WLAN-Zubehör und Waschmaschinen
wirklich auch einen neuen Wacholderschnaps namens „Disgin“?

2. Dazu passt irgendwie gut dieser unlängst hereinflatternde Promotiontext zu einer CD: „Although they may call themselves DUM, Alessio Mereu and Andrea Ferlin are certainly no idiots.“

3. Was frustrierend ist? Wenn man bei Ebay nach der DVD von John Houstons finalem Filmmeisterwerk „Die Toten“ sucht und nur dutzendfach Scheiben einer Band angeboten bekommt, bei der ein gewisser Campino mitsingt.

4. Habe am Wochenende den besten Brownie meines Lebens gegessen. Außen lockte dieser teuflische Verführer mit knusprigen Klippen und Kanten, innen mit halbflüssiger schwarzschimmernder Schokolade; und dann überraschte das Suchtmittel auch noch
aus dem Off mit geschickt eingebauten Walnussstücken. Eigentlich sollte ich dieses kulinarische Geheimnis sicher im Salzstock Asse verwahren, um es mit niemandem teilen zu müssen, aber da wir hier unter uns sind: Dieses Wunder von einem Brownie wird serviert im Caffe Latte in der Wohlwillstraße, das manche auch noch zu den besten deutschen Espressobars zählen.

19 Juni 2010

Fundstücke (84)



Diese haushohe Werbefläche, die uns seit einigen Wochen anschreit, wenn wir den Balkon betreten, passt heute plötzlich noch besser als gestern.

Hinter Michael: der Michel,
schemenhaft, stoisch und ganz und gar kickabhold.


30 März 2010

Be stupid



Nicht nur in Berlin stößt man auf öffentlich besichtigbare Merkwürdigkeiten, auch beim Schlendern durch Hamburg geraten immer wieder Dinge ins Blickfeld, die des Stutzens wert sind, zumindest für mich.

In der Großen Bergstraße stieß ich heute mal wieder auf das Ergebnis höchst eifrigen Kalauerns unter Friseuren, weshalb mir diese Berufsgruppe bereits seit längerem ans Herz gewachsen ist.

„Komm-hair“ bietet jedenfalls in seiner geschickten bilingualen Verschmelzung eines Imperativs mit dem dezenten Hinweis auf die Art des Geschäftsmodells viel Grund zur Freude. Hätte ich diesen Berufsstand noch nötig, ich wäre glatt geneigt gewesen, den Komm-hair-Friseur in Anspruch zu nehmen.



C&A hingegen scheint sich von seinem Geschäftsmodell komplett verabschiedet zu haben. Verkaufen die nicht eigentlich Klamotten? Wenn sie aber nicht mal mehr ihre Schaufensterpuppen einkleiden können (außer mit Socken), dann darf man ihnen wohl auch keineswegs mehr zutrauen, ihre Kundschaft auszustatten. Vielleicht hat C&A sich einfach den neuen Diesel-Werbespot „Be stupid“ allzu kritiklos zu Herzen genommen.

Jedenfalls mied ich nach dem Anblick des Herrenensembles (der auch mit Damen und Kindern variiert wurde) diesen Laden sorgsam und beschränkte mich auf das, was ich im Grunde eh am besten kann: die Flanage.


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