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26 September 2012

Öffentliche Selbstkritik

Ich muss ja eine hämische Genugtuung eingestehen, wenn Leute, die oberschlau dem denglischen Zeitgeist nach dem Mund reden wollen, orthografisch – und in der Folge auch semantisch – voll gegen die Wand fahren.

Dafür findet man natürlich überall Beispiele („Back Shop“ etc.), aber selten so schöne wie heute in Westerland auf Sylt. Der gute Jan Schwarze, der möglicherweise gar nicht mal schlecht darin ist, Sanitäreinrichtungen zu entwerfen, hat nämlich mit seinem „Bad Design“ ein wunderbares Eigentor geschossen.

Jeder Kunde aus dem englischen Sprachraum wird über so viel öffentlich demonstrierte Selbstkritik erstaunt sein und sich lieber einen Baddesigner suchen, der sein Handwerk auch versteht.

Und wer der deutschen Rechtschreibung halbwegs mächtig ist, wird dem guten Herrn Schwarze raten, sich künftig (nein: am besten gestern) vor Deppenleerzeichen tunlichst zu hüten.

Wie hiermit geschehen.


25 September 2012

Sylt unter

Hey, Ms. Columbo, sagte ich irgendwann im Juli sinngemäß zu Ms. Columbo, lass uns Ende September ein paar Tage auf Sylt verbringen. Spätsommer am Meer, verstehst du, mit Strand, Sonnenöl und Waffeleis, das wird ein Fest!

„Morgen“, sagt Ms. Columbo gerade in der Westerländer Ferienwohnung zu mir, wo wir tolle Filme auf DVD gucken, „soll laut Wetterbericht nur die Hälfte an Regen runterkommen.“

Das wird ein Fest!


08 September 2012

Pareidolie (48): Terror im Treppenviertel



Wir haben das Blankeneser Treppenviertel von jeher als Oase der Ruhe in Erinnerung.

Man läuft durch umrankte Pfade, schaut Kapitänswitwen in die Rabatten und in der Ferne dem Fluss beim Fließen zu. Und wenn man dann auch noch ein Bänkchen findet zum Sinnieren Arm in Arm, dann ist das Paradies ganz nah.

So war es zumindest in all den Jahren immer, aber diesmal nicht. Nach wenigen Minuten flog eine startende Passagiermaschine über uns hinweg, fünf Minuten später die zweite, dann die dritte und immer so fort.

War das damals auch schon so, dass Blankenese in der Einflugschneise von Fuhlsbüttel liegt? Oder bauen sie gerade da oben eine Umgehungsstraße, und die Flugzeuge fliegen eine Umleitung? Sehr irritierend jedenfalls das alles, möglicherweise sogar schädlich für die traditionell atemberaubenden Immobilienpreise hier im Treppenviertel.

Und das befürchten wohl auch die aufgeregten pareidolischen Blankeneser Schilderfüße.

PS: Eine ganze Pareidoliegalerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.

05 September 2012

Bombige Erkenntnisse



Eins ist sicher: Das nächste Mal, wenn wir mitten in der Nacht irgendwohin evakuiert werden, legen wir uns sofort auf die dort parat stehenden Pritschen.

Gestern, bei unserem Evakuierungsdebüt wegen 750 Kilo übriggebliebenem Weltkriegssprengstoff, begingen wir nämlich den Fehler, nach dem Eintreffen in der Notunterkunft erst einmal anderthalb Stunden an einen Resopaltisch rumzusitzen und zu twittern und zu lesen, ehe wir uns dann doch endlich hinlegten – und prompt nur fünf Minuten später mit der Entwarnung behelligt wurden.

Um kurz vor 3 Uhr in der Früh lagen wir wieder in unserem Bett auf St. Pauli. Den Stadtteil prägte auch bei unserer Rückkunft noch jene gespenstische Leere, wie sie sonst nur an Weihnachten herrscht und selbst dann nicht.

Es ist übrigens interessant, was man so zusammenrafft, wenn es kurz vor Mitternacht plötzlich heißt: Alle Mann raus hier, in zehn Minuten könnte das Viertel in Schutt und Asche liegen. Meine Wahl fiel auf Folgendes:

– die zum Glück stets reisefertig bestückte Toilettentasche
– eine Haushose
– die Geldbörse
– das iPhone
– den Kindle
– die externe Festplatte mit den jüngsten Time-Machine-Sicherungen
– die Digitalkamera (die ich allerdings versehentlich doch liegen ließ)

Diese Auswahl zeigt eins ganz deutlich: einen erschreckenden Hang zu Gadgets. Und wissen Sie was? Je ne regrette rien. Ich würde es wieder tun.

Obwohl sich mir der Sinn der Haushose gerade nicht mehr so recht erschließen will.

12 August 2012

Albern an der Trave



Am Strand von Travemünde sah es heute wirklich prachtvoll aus. Den für diese Jahreszeit erheblich zu kühlen Wind in ostseeunüblicher Stärke, der uns ungemein zusetzte, sieht man auf diesem Foto freilich nicht.

Wir versuchten ihm mit Fußballspielen im Sand, Frisbee im Wasser und erheblichem Rotweinkonsum auf den nur mühsam zu bändigenden Sitzdecken zu trotzen, doch er war letztlich stärker. Morgen werden wir wahrscheinlich alle in jenem niesintensiven Zustand sein, in dem der arme Einheitskanzler bereits anreiste.

Dem Franken flog ein Insekt mit Tigerstreifen in den 2009er Saint Chinian, was eine gute Gelegenheit bot, den bereits getwitterten Kalauer von der „schusssicheren Wespe“ auch verbal noch einmal anzubrigen. Vorher hatte ich Ms. Columbo bereits erheitert mit diesem hier: „Kräuterdiplom bestanden – mit Basili cum laude“.

Wie man sieht, schafft es auch der schärfste Travemündener Wind nicht, uns die Albernheit aus den Hirnen zu blasen.


09 Juli 2012

Madonna bevorzugt



Geschäftlich in Marburg, ausgerechnet und zufällig während des Stadtfestes, dem in der aparten Unistadt unumstrittenen Höhepunkt des Jahres. Überall Stände, Buden, aufgeregte Menschen.

In der Oberstadt haben Initiativen und Parteien Infostände aufgebaut, auch Die Linke. Per Transparent fordert sie die Rettung des „Uniklinkums“, und man muss sich fragen, ob eine Partei, die nicht mal das Wort Klinikum richtig buchstabieren kann, in der Lage sein wird, es zu retten. Natürlich ist es kleinlich, das hier zu erwähnen, aber vielleicht auch nicht.

Beim Essen erzählte mir mein Gastgeber von einem befreundeten Sänger, der sich mal samt Gattin mit einem potenziellen Arbeitgeber im Restaurant traf und während einer kurzen Abwesenheit der Dame vom Chef in spe folgendes Angebot erhielt: „Wenn ich Ihre Frau mal pudern darf, dürfen Sie bei mir alles singen.“

Der Schlag, den der Freund meines Freundes im unmittelbaren Anschluss und ungeachtet der Auswirkungen auf seine Jobchancen über den Tisch schickte, knackte dem Lustmolch gepflegt den Unterkiefer. So verständlich diese Reaktion auch war, für die hübsche Metaphorisierung des Verbs „pudern“ hätte man den Mann auch durchaus vorher kurz belobigen können, was hiermit nun als nachgeholt gelten soll.

Als ich mich abends ins Getümmel des Stadtfestes stürzen will, bleibe ich im Steinweg an den Filmplakaten kleben und beschließe spontan, mir statt feiernder Marburger den von Madonna gedrehten Film „W.E.“ anzuschauen, der in dieser Minute anfängt.

Beim Kauf der Karte grinst die Kassiererin komisch, das Gleiche tut auch die Kartenabreißerin. Der Grund: Keiner außer mir will diesen Film sehen, alle bevorzugen das Stadtfest, den unumstrittenen Höhepunkt des Jahres.

Mir aber führt man privat und exklusiv „W.E.“ vor, und ich fühle mich zwei Stunden lang wie einst Michael Jackson, der hatte ja auch ein Privatkino. Allerdings lief bei Jacko daheim vor der Vorstellung wahrscheinlich kein Werbespot der Glastanzdiele Hermershausen.

Vor „W.E. übrigens auch nicht. Aber früher, als ich noch in Marburg wohnte, lief der immer. Ach, selige Studentenzeiten!



24 Juni 2012

Überall ist es schlechter, wo wir nicht sind



Hamburg sollte uns wirklich dafür bezahlen, dass wir die Stadt nicht verlassen. Denn bereits mehrfach, wenn wir das taten, passierte irgendetwas, das besser nicht geschehen wäre – oder dem man besser fernbleiben sollte, was wir ja auch in intuitiver Voraussicht manchmal tun.

Zum Beispiel schlug mal der Blitz in unser Haus ein, als wir gerade auf der Ostsee herumschipperten. Statt wie unsere Nachbarn im Nachthemd, Regen und Blaulicht zitternd auf dem Bürgersteig vorm Haus herumzustehen, flanierten wir elegisch durch St. Petersburg. Die weitaus bessere Wahl.

Das gilt seit neuestem auch für dieses Wochenende, welches wir in Wolfsburg (Foto) statt in Hamburg verbringen. Nicht nur, dass wir so wie durch ein Wunder dem Horror der Harley Days entgehen, nein, auch die am Samstagnachmittag in der Großen Freiheit entdeckte Weltkriegsbombe, von der uns die segensreiche App „Katwarn“ per SMS warnte, tangierte uns buchstäblich nur peripher.

Kurz überlegte ich, was alles verlorenginge, wenn der Kiez komplettemang in die Luft flöge, während wir in Wolfsburg weilten – und merkte: Alles Wichtige ist sicherheitskopiert. Und das Materielle – CD-Sammlung, Plasmafernseher, Benjaminus, Weinklimaschrank – wäre zu ersetzen. Außer der letzten verbliebenen Flasche Chateau D’Yquem natürlich.

Ein guter Grund, schnellstmöglich nach Hamburg zurückzukehren. Denn wie gesagt: Wenn wir dort sind, passiert ja nichts. Außer manchmal der Schlagermove, wogegen eine Weltkriegsbombe übrigens nur Pipifax ist.

18 Juni 2012

Von Brötchen, Büchen und Benzin



Sonntagmorgens um halb neun ist beim Kiezbäcker die Schwankungsbreite vor allem der männlichen Kundschaft immens groß – und ich meine das nicht im übertragenen Sinne. Dennoch gelang es mir auch diesmal, dort unbeschadet Brötchen zu ergattern.

Nach dem Frühstück fuhren wir nach Ratzeburg, was – wie Dr. K. mir neulich vorschwärmte – eine schöne Inselstadt mitten im See sein sollte, und siehe da: Das stimmt auffällig.

Die Ratzeburger haben neben viel Kopfsteinpflaster auch einen schönen Klinkerdom mit urgemütlicher Aura, der zudem beweist: Auch in vormodernen Zeiten gab es schon das Deppenleerzeichen. Ein Gemälde im Seitenschiff (Foto) versorgte uns mit dieser bestürzenden Erkenntnis.



Auf dem Rückweg statteten wir der Eulenspiegelstadt Mölln noch einen Besuch ab (toller Marktplatz!), und als wir zurück nach Hamburg aufbrechen wollten, fiel der Zug aus. Notarzteinsatz. Also nahmen wir den Bus, der außer uns niemand an Bord hatte, und krochen gemütlich über die Dörfer bis zum Büchener Bahnhof (2. Foto).

„Stell dir vor, wir haben eine Panne“, sagte ich irgendwo mitten im Wald zwischen Nestern wie Benzin, Göttin und Besitz (sic! sic! sic!) zu Ms. Columbo, „es wird allmählich dunkel, und dann kommen die Hillbillys.“ Sie bekam sofort eine Gänsehaut.

Kurz: Diese Busfahrt möchten wir hiermit wärmstes empfehlen. Auch ohne Notarzteinsatz.


09 April 2012

Osterausflug Ost



Wir waren bisher weder auf dem Mars noch in Schwerin, deshalb fuhren wir am Ostersonntag hin. Nach Schwerin.

Mit dem Ruf „Auf zu den Schwerinötern!“ bat ich Ms. Columbo in den Regionalexpress. Es sollte einer der letzten Kalauer des Tages gewesen sein, denn die zierliche Stadt mit den vielen Teichen und Seen gab zu weiteren kaum Anlass.

In der außerordentlich schmucken Altstadt ist alles historisch und hochadrett, man sieht, wo der Solidarbeitrag – diese Pflegeversichung Ost – überall verbaut wurde.

In Schwerin gibt es augenscheinlich weder Ausländer noch Obdachlose, aber auch keine Nazis oder deren Parolen. Stattdessen erfreulich oft Graffiti der örtlichen Antifa. Und wo Hamburger Ladenbesitzer jederzeit und skrupellos riesige „SALE!!!“-Brüllschilder ins Schaufenster hängen, bescheiden sich die Schweriner mit sympathisch putzigen „Kleinpreisangeboten“.

„Wenn man das r aus dem Stadtnamen rausnähme“, sinniert Ms. Columbo irgendwann über die Wunder der Phonetik, „wäre man beim Schwein.“ Kleiner Unterschied, große Wirkung – doch semantisch hat das mit Schwerin überhaupt nichts zu tun, im Gegenteil: Die Stadt kam uns ganz erheblich wohnlicher vor, als wir uns (laienhaft) den Mars vorstellen, wo wir immer noch nicht waren.

Just als wir auf der Rückfahrt alle erdenklichen Wortspiele mit der Bahnstation Müssen durchdekliniert hatten, stieß Ms. Columbo übrigens beim Blättern im Spiegel auf die oben abgebildete Anzeige.

Zufälle gibt es, die gibt es … eben doch.

27 Januar 2012

Fundstücke (152)



Dieses forschfrivole Reklameschild ist dort, wo es steht, durchaus ein Wagnis, denn es verziert die Altstadt des stark christlich kontaminierten hessischen Städtchens Herborn.

Möglicherweise führt der anzüglich unterfütterte Claim bei manchem Zufallspassanten zu mentaler Verschnupfung. Oder zu noch Schlimmerem: einem Leserbrief an die Lokalpresse. Das ist dort die Bazooka des rechtschaffen Empörten.

Aber vielleicht sind sie inzwischen auch schon viel weiter als damals, zu meiner Zeit.

17 Januar 2012

Es gibt Wurstschneidemaschinen!

Der Sonntag war schön wie Uschi Obermaier anno 68, die Sonne brachte Hamburg zum Leuchten, und wir fuhren weit raus nach Steilshoop, weil dort laut iPhone-App ein Flohmarkt anberaumt war. Allerdings ein spezieller, wie sich herausstellte.

Wir wussten vorher kaum etwas über Steilshoop, haben aber seit diesem Ausflug eine ungefähre Vorstellung von der Zusammensetzung der dortigen Population – zumindest, wenn man die Flohmarktstände als Datenbasis zugrundelegen darf.

Praktisch jeder Steilshooper Flohmarktanbieter hatte sein Angebot nämlich auf die Bedürfnisse von Besuchern mit breitgefächertem Migrationshintergrund abgestellt. Es gab polnische Pierogi, die in der Wintersonne klammheimlich ihr Mindesthaltbarkeitsdatum heruntersetzten, ein Händler offerierte „Hausschuhe für zwei Euro!“, und zwar welche, die gefüttert waren mit original Lammfellimitat, und komplette Kunstfaserbettgarnituren wurden für sagenhafte acht Euro unter die dankbaren Völker dieser Welt gebracht.

Auch Handyschalen gab es sonder Zahl, russische und türkische Wortfetzen tanzten Ringelreihen in der frostigen Luft, und an einem Stand stapelten sich für kleines Geld die unfassbarsten Küchenhelfer. Darunter auch der „Wurst-Schneider Curry Max Das Original“, bekannt aus der TV-Werbung.

Kein Zweifel: Dieser Steilshooper Flohmarkt war an einem Tag, der so schön war wie Uschi Obermaier anno 68, auch eine etwas weitere Anreise wert, selbst wenn wir, Ms. Columbo und ich, dort draußen als Zielpublikum völlig versagten. Doch vielleicht entwickeln wir uns ja noch, man kann nie wissen.

Dieser Schokobrunnen für zehn Euro brachte mich jedenfalls schon mal ins Grübeln, verdammt.


09 Januar 2012

Peinlich: Senat schämt sich für Elbphilharmonie (oder?)

Seit fast 17 Jahren wohnen wir in Hamburg, also wird es endlich Zeit für eine Stadtrundfahrt. Und Süßschnäbel wie wir sollten uns auch das frischeröffnete Chocoversum am Meßberg ansehen. „Eine richtige Touritour“, vorfreut sich Ms. Columbo, „nur ohne Anreise.“

An den Landungsbrücken erwischen wir die besten Sitze oben im Doppeldeckerbus, und schon kreuzen wir gemütlich durch unsere Stadt, untermalt von einem (natürlich) auf Ortsfremde gemünzten Soundtrack inklusive uralter Herrenwitze („Wissen Sie, warum der Neue Wall auch Schick-Scheck-Schock-Straße genannt wird? Weil die Dame erst was schick findet, dann den Scheck zückt und der Mann zu Hause einen Schock kriegt.“).

Wir erfahren auch, warum wir Zugezogenen „Quiddjes“ genannt werden. Irgendwann in grauer Vorzeit nämlich sollen die Hamburger von Auswärtigen, die ihre Stadt betreten wollten, Eintrittsgeld verlangt haben. Dafür wurde ihnen eine Quittung ausgestellt, auf Plattdeutsch „Quiddje“ …

Jedenfalls plaudert unser Reiseführer munter vor sich hin, verweist auf dies und das, identifiziert für uns die rosa Villa von Karl Lagerfeld, ohne dessen Namen zu nennen – doch irgendetwas fehlt. Eine der größten hiesigen Attraktionen spart der Mann merkwürdigerweise aus, obwohl wir zweimal dran vorbeifahren: die Elbphilharmonie.

Das kommt mir sehr komisch vor, und ich frage ihn am Ende der Rundfahrt, warum er dieses so berühmte wie berüchtigte Halbmilliardengrab mit keiner Silbe erwähnt hat.

„Weil die Stadt das nicht möchte“, sagt er freimütig. Alle Rundfahrtbetreiber, erzählt er, hätten ein Schreiben bekommen, in dem sie darum gebeten worden seien, die Elbphilharmonie tunlichst nicht zu erwähnen.

Habe ich das richtig verstanden? Ganz Deutschland liest ständig etwas über neue Kostenexplosionen dieses Prestigebaus, der die Skyline Hamburgs auf Generationen prägen wird, aber hier, vor Ort, Aug in Aug mit seinen Bullaugenfenstern, wird die Existenz Ihrer Exzellenz vor den Touristen totgeschwiegen?

Olaf Scholz hat also quasi eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen mit dem Ziel, eine Veröffentlichung zu verhindern, und falls die Rundfahrtbetreiber sich nicht dran halten, ist der Rubikon überschritten, und es wird Krieg geführt, oder was …?

Diese anscheinend öffentlich noch gar nicht bekannte „Bitte“ des Senats trägt jedenfalls Früchte; denn kein unbedarfter Tourist erfuhr heute während unserer Stadtrundfahrt, welch kapriziöses Gebäude an der Kehrwiederspitze gen Himmel wächst und warum sein Anblick so dröhnend verschwiegen wird.

Eine Blamage für Hamburg – und ein peinlicher Beweis dafür, wie sehr die Stadt sich mittlerweile schämt für ein Projekt, das einst als das genaue Gegenteil geplant war: als hanseatischer Imagebooster.

Nach dieser derart kurios geendeten Rundfahrt ging es noch ins sogenannte Chocoversum, das angesichts seiner Größe und Ausstattung eher Chocohütte heißen sollte. Und trotz 9,50 Euro Eintritt rücken sie nicht mal eine kostenlose Rippe Schokolade raus – hach, Hachez, so wird das nix.


01 Januar 2012

Nein, alles macht Sinn …



… natürlich auch nicht richtig. Aber beim gemütlich in der Landschaft Herumliegen zwischen Wetzlar und Herborn macht diesem Dorf weltweit niemand etwas vor. Für manche der sechseinhalbtausend Einwohner ist es sogar das Sinn des Lebens.

Wie Sie bereits an diesen wenigen Sätzen merken, nimmt hier auch 2012 die Kalauerdichte nicht ab. Höchstens ab und zu, dann aber über kurz oder lang nicht mehr, nur hie und da mal mehr oder weniger schlecht als recht.

Das alles macht natürlich Sinn. Und zwar mit mir.

30 Dezember 2011

Die Diktatur des Gutscheins



Ms. Columbo
: Wir müssen unbedingt den Car2go-Gutschein einlösen. Der läuft Silvester ab.
Matt: Ich lasse mir doch von einem Gutschein nicht vorschreiben, wann ich Auto zu fahren habe!
Ms. Columbo: Zur Not fahren wir einfach zweimal um den Block.
Matt
: Das rettet die Welt aber nun wirklich nicht.

Dennoch kam es am Ende doch dazu, dass wir mal wieder dem anachronistischen Irrsinn des Autofahrens frönen werden.[1]


Ein Smart, den wir eine halbe Stunde lang kostenlos durch Hamburg bewegen können: Hat jemand einen Vorschlag, wohin? Und zu welchem Zweck?

[1] Präteritum mit Futur 1 zu kombinieren: Das traut sich auch nicht jeder.


29 Dezember 2011

Raus in Uelzen



Der IC strandete in Celle. Triebwerkschaden. Lange standen wir ratlos auf dem Gleis, ehe es weiterging, aber nur bis nach Uelzen. Hier war der Zug endgültig kaputt.

In Uelzen auszusteigen ist dank Susanne Fischer literarisch unabdingbar, praktisch aber möglichst zu vermeiden. Dort gibt es ja gewöhnlich nichts – heute aber immerhin den außerplanmäßigen Stopp des ICE aus München, der uns Havarierte liebevoll aufnahm („Kommen Sie, gehen Sie gleich in die erste Klasse!“, rief der Zugbegleiter) und weiter gen Hamburg transportierte.

„Ab 30 Minuten Verspätung gibt es eine Teilrückerstattung“, informierte ich Ms. Columbo, und da es bereits jetzt 35 waren, entschlossen wir uns, den zu erwartenden Geldsegen präventiv zu verfuttern. Im Speisewagen orderten wir Chili con Carne.

Man lieferte uns dazu einen Brotkorb von üppigster Ausstattung, den ich als posthume Backpfeife für Mitropa interpretierte. „Das sollte man fotografieren und an Rach mailen“, jubelte Ms. Columbo, die sich noch ungut an jene berühmte singuläre Minischeibe Brot erinnerte, die uns damals im Tafelhaus eine Livrierte mit großer Geste auf den Teller hub, ehe sie auf Nimmerwiedersehen entschwand in Rachs halbdunkler Räuberhöhle.

Sofort fotografierte ich den Brotkorb, um das Dokument an Rach zu mailen. Während des Chili con
Carne erreichten wir Lüneburg. Die Verspätung war noch immer befriedigend bis gut, und wir hielten sie locker bis Harburg, in Hamburg waren es weiterhin 35 Minuten. Damit hatten das Stranden in Celle und das Aussteigen in Uelzen etwas echt Gutes, was Susanne Fischer in ihrer nächsten Uelzen-Geschichte mitberücksichtigen sollte.

Vom Zugbegleiter ließ ich mir handschriftlich die Ankunftszeit bestätigen und begab mich vergnügt ins Reisezentrum, um die Teilrückerstattung entgegenzunehmen. „Wir sind erst mal in Celle liegengeblieben“, versüßte ich der jungen Frau hinterm Schalter die Lektüre meines inzwischen vielschichtigen Onlinetickets, „und dann mussten wir in Uelzen den Zug wechseln.“

Die Bedeutsamtkeit gerade letzterer Information schien der Frau trotz meiner kursivierten Sprechweise gar nicht recht bewusst zu sein; wahrscheinlich hatte das arme Hascherl Susanne Fischer überhaupt nicht gelesen. „Schließlich sind wir mit 35 Minuten Verspätung in Hamburg angekommen, deswegen hätte ich gern eine Teilrückerstattung.“

Sie schaute lächelnd hoch, legte das Köpfchen schief und klimbimberte mit den Lidern. „Das tut mir Leid“, sagte sie, „erst ab einer Stunde Verspätung. Da kann ich leider nichts machen.“

Ich war verdattert. Hatte mir nicht der mit allen Bahnwassern gewaschene Franke etwas von einer halben Stunde als Untergrenze der Rückerstattungsfähigkeit erzählt? „Aber … Ich dachte … 30 Minuten …“, stammelte ich, „hat sich das denn geändert?“

Noch immer trug sie ihr mädchenhaftes Tröstungsgesicht zur Schau. „Ach“, lächelte sie mich final in Grund und Boden, „da ändert sich immer mal wieder was.“

Und wer, frage ich, ersetzt uns jetzt das Chili con
Carne?
Also Rach bestimmt nicht.


12 Dezember 2011

Chucky, die Grinsepuppe



Um nach Rahlstedt zu Marks alljährlichem Greueljulklapp zu kommen, lösten wir eine Tagesgruppenkarte für 9,60 €.

Zwar galt sie gar nicht für die erste Klasse, als die Schnellbusse wie der zielgenaue 36er anachronistischerweise deklariert sind, doch die Handyticketapp bot die richtige Gruppenkarte für 11,20 nicht an, und der Busfahrer würde ja schon was sagen, wenn er sähe, dass wir die falsche gelöst hatten, nicht wahr.

Doch wie alle Busfahrer betrachtete er den flüchtig präsentierten QR-Code auf dem iPhone-Display so interessiert wie Godzilla ein vegetarisches Antipastibüffet. Und ehrlich gesagt hatten wir darauf auch ein wenig spekuliert.

Nach Rahlstedt heizte der Fahrer wie ein Irrer. Ich zählte vier überfahrene rote Ampeln, was mich aber überhaupt nicht aufregte, sondern sogar sehr gelassen machte. „Wenn er sich nicht an die Regeln hält“, raunte ich Ms. Columbo im Hinblick auf unsere mutwillig verbilligte Gruppenkarte zu, „dann müssen wir das auch nicht.“ Sie war ganz meiner Meinung und vermutete, der Mann müsse einfach mal dringend aufs Klo.

Durch seine spezifische Fahrweise erreichten wir unsere Haltestelle mehr als fünf Minuten zu früh und kehrten spontan noch in eine Videothek ein, die des Weges kam. Ergebnis: drei gebrauchte DVDs für zehn Euro – nur weil der Fahrer dringend aufs Klo musste.

Marks Greueljulklapp ist übrigens nicht nur stets mit kulinarischen Köstlichkeiten wie Kinderpunsch und selbstgebackenen Smartieshäuschen verbunden, sondern auch mit dem immens hohen Risiko, am Ende Sachen mit nach Hause zu schleppn, die man im schlimmsten Fall als Sondermüll entsorgen oder von einem Sondereinsatzkommando abholen lassen muss.

Gut, das hätte weder für die monströse Handsäge noch für Chucky, die Grinsepuppe (Foto), gegolten. Dennoch waren wir heilfroh über die DVD „No talk“, auf der sich sechs Talkmaster eine halbe Stunde lang anschweigen, sowie eine selbstbefüllte Bügelverschlussflasche undeklarierten Inhalts. Es roch nach Glühwein. Die Antwort kennt allerdings allein der Ausguss.

In der Julklapprunde kamen rasch Fantasien auf, was man Chucky mithilfe der Handsäge antun könnte, vor allem die schief grinsenden Gewinner beteiligten sich rege. Doch alle blieben relativ zivilisiert und nahmen noch einen Kinderpunsch.

Als wir gingen, kontrollierte Mark persönlich, ob auch jeder seinen Greueljulklappgewinn eingepackt hatte. Es gibt einfach kein Vertrauen mehr unter den Menschen.

25 Oktober 2011

Ein Ausflug, der Spuren hinterließ



Wenn man schon das Netzteil seines MacBook irgendwo vergisst, dann gerne an einem so schönen Ort wie Büsum.

Vorher waren wir gewarnt geworden vor diesem Städtchen an der Nordsee; als größte Attraktion galt einer Wohlmeinenden ein Bedienkino, das dort einmal existiert haben soll – vor 27 Jahren.

Doch der gewundene Strand, die Sonne, die sich abends capriesk ins Meer verflüchtigt, die fischrestaurantgesättigte Fußgängerzone, menschliche Schattenrisse auf dem Deich vorm Abendrot: All das liefert durchaus ein Ambiente, in dem selbst ein vereinsamtes MacBook-Netzteil nicht sofort depressiv wird.



Trotz der Heimeligkeit Büsums hatten wir einen Tag unseres Aufenthaltes genutzt, um nach Helgoland überzusetzen. Zwar war das Wetter von güldner Pracht, doch zumindest die Hinfahrt hinterließ gleichwohl deutliche Spuren – allerdings keine, die eine moderne Waschmaschine nicht irgendwie beseitigen könnte.

Jetzt sind wir längst wieder zurück auf dem Kiez – zwar ohne Netzteil, aber mit zwei Litern zollfreiem Single Malt Scotch.

Es könnte alles viel schlimmer sein.

03 Oktober 2011

Neues unter der Sonne



Dieser Sommer mitten im Herbst macht alle Leute kirre. Gestern auf dem Flohmarkt kramte ich eine CD aus einer Kiste und sagte zum Standbesitzer: „Okay, die nehm ich für zwei.“

Er antwortete: „Komm, gib mir einen.“

Und meinte das ernst.

Noch nie erlebt, so was – genauso wenig wie das Frisbeespielen in der Ostsee an einem 2. Oktober, freundlich bewacht von still im Himmel stehenden Drachen.

Man erlebt halt auch im gesetzteren Alter immer wieder neue Dinge, und so lange es solche sind wie an diesem Wochenende, werde ich den Teufel tun und das anprangern.

16 September 2011

Masseurin oder Masseuse?



„Vielleicht“, hatte Ms. Columbo vorher noch geunkt, „ist das auch was ganz anderes.“

Jetzt stand ich in diesem tristen Hinterhof vor einer beigen Klinkerwand, und ihre Worte fielen mir wieder ein. Auch die blickdichte Holztür mit Gegensprechanlage vermochte gewisse Befürchtungen nicht zu zerstreuen.

Ich war mir plötzlich gar nicht mehr sicher, ob es eine gute Idee gewesen war, bei Groupon einen Sechserpack Thaimassagen erworben zu haben – und dann hieß die Masseurin (oder war es doch eine Masseuse?) auch noch Joy

Doch der geschätzt 45 Kilo leichte Floh entpuppte sich trotz Handverletzung als Powerfrau, die Muskelfasern aufbrach, von deren Existenz ich bisher nicht mal etwas wusste und die jetzt, zwölf Stunden später, noch immer protestieren.

Morgen mach ich den nächsten Termin.

23 Juli 2011

Pareidolie (10)



Einmal jährlich besuchen wir aus hochnostalgischen Gründen die Universitätsstadt Marburg und schreiten versonnen alle mythen- und autobiografisch umrankten Stätten ab.


„Die Erinnerung“, gab mir einst der weise Jan Plewka am Rande eines Interviews mit auf den Weg, „malt mit goldenem Pinsel“, und daran vermag auch der kälteste Juli seit der letzten Eiszeit nichts zu ändern.

Zur Feier unserer Wiederkehr begrüßte uns unsere alte Alma Mater, die Philfak, gar mit einem pareidolischen Kussmund an der Eingangstür, worüber ich sogar bloggen kann, denn in Marburg hat es ein stabiles Internet.

Die vergangenen Tage hingegen hatten wir in der Schwalm zugebracht, ein Landstrich, welchen wir hinfort klammheimlich als Tal der WLAN-losen zu diskreditieren bereit sind.

Davon dürfen die Menschen dort aber nie etwas erfahren, denn es sind prachtvolle, liebenswerte Menschen.