Posts mit dem Label religion werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label religion werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

24 Dezember 2015

Nur die Harten kommen in den Garten (Eden)


Vormittags waren wir frohgemut aufgebrochen zum Ostereiersuchen, blieben aber seltsam erfolglos.

Stattdessen entdeckten wir in der Innenstadt, die wider Erwarten kaum von hochnervösen Last-Minute-Panikern bevölkert war, allerhand Christen diverser Couleur mit Ermahnungen auf selbstgebastelten Schildern.

Der Mann rechts im Bild etwa hatte in der Bibel einen Korintherspruch entdeckt, in dem diverse Zielgruppen aufgezählt werden, die nach Gottes Gusto dermaleinst ewige Verdammnis zu gewärtigen haben.

Neben den üblichen Verdächtigen – Diebe, Schwule etc. – drohte er auch „Weichlingen“ mit finalen Konsequenzen. 

Gerade von Letzterem fühlte ich mich ein wenig verletzt, denn als Kriegsdienstverweigerer* gehöre ich nicht gerade zur Hardboiledfraktion, die Gott anscheinend präferiert.

Ob Leute, die Seine Sprüche auf Schilder pinnen, auch kommasicher sind, scheint Ihm hingegen ziemlich pimpe zu sein.

Und damit wünsche ich Ihnen allen frohe Ostern.


*Ja, liebe Jugend, so was gab es mal in der BRD. Einfach mal googeln.

29 November 2013

Mitten im Religionsoverkill

An der Klagemauer werden die Betenden nach Geschlechtern getrennt. Männer links, Frauen rechts – inoffizielle Begründung: damit die Schläfenlockenträger beim Gebet nicht hormonell herausgefordert werden. 

So etwas entlarvt auf hübsche Weise, für wie wenig kraftspendend die Gläubigen letztlich ihren Schöpfer halten, der ja auch ihre Hormone schuf. Überhaupt wirkt Jerusalem, obwohl es bis obenhin vollgestopft ist mit monotheistischem Religionsoverkill, wie eine gewaltige Säkularisierungsmaschine. 

Denn der Kitsch allenthalben ist zum Weglaufen. An der Stelle in der Grabeskirche, wo Jesus gekreuzigt worden sein soll, glimmt und glitzert es wie am Wochenende in Las Vegas. „Sieht aus wie ein Lampengeschäft“, kommentiert Ms. Columbo das große Baumeln von der Decke. 

Alle halten ihre Handys und Tablets hoch, um zu fotografieren, manche kriechen untern Steintisch, der vorm Kreuz steht, um knieend zu beten. Andere breiten ihre PVC-Rosenkränze und strassbesetzten Plastikkreuze auf der Platte aus, wo ihr Heiland angeblich vor der Beerdigung präpariert wurde, und küssen und streicheln den Stein. 

Wer nicht spätestens hier begreift, dass Religionen nur mehr oder weniger geschickt konzipierte Produkte verkaufen, während sie parallel Ängste schüren, vor denen ebenjene Produkte die zitternden Kunden dann wieder erlösen sollen, der begreift es nimmermehr. 

In einem christlichen Nippesladen in Bethlehem, den wir vorher besucht hatten, verkaufen sie ein sehr europäisch wirkendes Jesusbaby aus Holz oder Plastik, das anscheinend bereits betend dem Mutterleib entschlüpft ist. Kitsch as Kitsch can. 

Dennoch duschen die jahrtausendealten Jerusalemer Mauern und Steine uns mit einem wahren Aurawasserfall. Schließlich hätte sich ein Großteil der orientalischen und abendländischen Politik, Geschichte und Kultur ohne diese Stadt und die Region komplett anders entwickelt. 

Was hier gedacht und getan wurde, beeinflusst weltweit Milliarden Menschen in ihrem Denken und Tun. Abermillionen wurden im Lauf von rund fünf Jahrtausenden gefoltert, getötet, verachtet, geschnitten und vertrieben, nur weil hier ein paar Mythen mit Moral ausgetüftelt und von zwölf Göttern elf gestrichen wurden. Eine unfassbar langlebige, uns dadurch durchweg alle betreffende und beeinflussende Wirkungsgeschichte – und genau deshalb so faszinierend. 

All das steckt in den Steinen von Jerusalem. Am Sockel der Klagemauer ist das sogar sichtbar. Bis in ungefähr 1,80 Meter Höhe hat die Patina von zweitausend Jahren ihn dunkel eingefärbt. Es ist das hinterlassene Körperfett von fast hundert Generationen von Menschen, die mit ihren Köpfen und Händen die Mauer berührten.

Auch ich fasse sie an – und erwäge sogar, irgendetwas (genauer gesagt: meine Visitenkarte, weil ich sonst überhaupt nichts Zettelähnliches dabeihabe) in eine der Ritzen zu stopfen. Zugleich bekämpfe ich mühsam den Impuls, zum Ausgleich eine der zahlreichen bereits dort steckenden Botschaften an mich zu nehmen. 

Gut, dass ich widerstand, denn es hätte sich sowieso nicht gelohnt. Zum einen könnte ich die Sprache nicht lesen, zum andern enthalten diese Zettel mit hoher Wahrscheinlichkeit nur lauter kleine lächerliche egoistische Bitten an eine Schimäre. Die der Männer links, jene der Frauen rechts.

In der Via Dolorosa, dem Kreuzweg, gibt es übrigens seit mindestens zweitausend Jahren kein offenes WLAN. Nicht mal ein verschlüsseltes. 

29 März 2012

Von Tabletten, Teufeln und Toiletten



Eigentlich war der Plan, an diesem speziellen Tag eine Zugreise anzutreten, prekär genug.

Nach oraler Zufuhr von vier Loperamid-ratiopharm akut hoffte ich, die fünf Stunden bis nach Hamburg halbwegs schadlos zu überstehen. Auch sollten die Tabletten der unverscheuchbaren Vorstellung, unterwegs könnten im entscheidenden Moment (und davon würde es einige geben) zufällig alle Toiletten gleichzeitig belegt sein, ihren Schrecken nehmen.

Die bedenkliche Instabilität meines Metabolismus (man darf NIEMALS im Landesinnern Fisch vom Buffet essen, verdammt, und eigentlich weiß ich das auch!) hätte also schon gereicht, um diese Zugfahrt unschön zu kontaminieren. Doch dann traf sich auf dem Sitz vor mir auch noch ein Zufallspaar, das bald ein gemeinsames Interesse entdeckt hatte: seinen christlichen Glauben.

Ein Junge und ein Mädchen, beide um die 18. Schon nach kurzem Beschnuppern erörterten sie die Frage, ob der Teufel existiere. Man kam gemeinsam zu dem Schluss: ja. Die praktischen Probleme – wie schafft man es als Teufel, überall gleichzeitig zu sein, muss man sich die Zähne putzen, kann man in seiner Position Dermatitis kriegen usw. – ließen sie dabei außen vor.

Sodann ging es um uns, die Menschen. Wir seien ja perfekt von Gott erschaffen worden, behauptete sie. Na, nicht ganz, wandte er ein, und erinnerte an die blöden Zwischenfälle im Paradies. Aber Engel – immerhin –, die seien perfekt, schließlich täten sie immer, was Gott von ihnen verlangte.

Während ich innerlich nicht Gott, sondern Loperamid-ratiopharm akut lobpries, erzählte sie von ihrem aktuellen Wohnsitz, einer Kinder- und Jugendpsychiatrie in ****. Dort war sie gelandet, weil sie – trotz ihrer gottgegebenen Perfektion – dazu neigte, sich mit spitzen Gegenständen die Arme aufzuschlitzen. „Ah so“, machte er. Dann landeten sie bei den wirklich wichtigen Dingen – und dem Satz, der den Nachmittag rettete.

Während irgendwo hinter Göttingen die perfekte Sonne, die uns irgendwann verschlucken wird und sämtliche Religionen gleich mit, im Wald versank, sagte sie: „Ich glaube ja nicht, dass man wegen kleiner Sünden in die Hölle muss. Denn dann wäre ja der Himmel leer … Und die Hölle voll.“

Die Unfähigkeit dieser beiden Fasterwachsenen, das Diskussionsniveau von Konfirmanden hinter sich zu lassen, war erschütternd. Sie war auch ein Beleg dafür, wie verheerend Religion auf den menschlichen Verstand einwirken kann. Doch die verdrehte Logik dieser jungen fehlgeleiteten Frau amüsierte mich immens und half mir auf ähnlich segensreiche Weise über den Nachmittag wie vier Loperamid-ratiopharm akut.

Der Satz war genauso sinnvoll, als hätte sie gesagt: Ich glaube nicht, dass es morgen regnet, denn sonst besäße ich ja einen Schirm. Ihr Nachbar war trotzdem beeindruckt. Er schien mir sogar ein wenig erleichtert. Und erst beim Abschied in Celle fragte er sie nach ihrem Namen.

Als die Wirkung der Tabletten nachließ, war ich übrigens schon wieder zu Hause. Gottlob.



28 Januar 2012

Der Clash fällt vorerst aus



Das größte Hamburger Rotlichtviertel außerhalb von St. Pauli befindet sich am Steindamm hinterm Hauptbahnhof; ein Viertel, das zugleich von einer Wohnbevölkerung überwiegend islamischen Glaubens geprägt ist.

Dieser Umstand klingt nach einem programmierten Clash der Kulturen, doch der erschöpft sich bislang allenfalls in lustigen Kontrasten, wie die beiden abgebildeten Werbeschilder zeigen.


Hier runtergesetzte Gebetsmützen oder frisch eingetroffenes „Zam-Zam Wasser“ aus Mekka; dort, nur wenige Meter weiter, eine flüsternde Hure im Hauseingang oder eine annotierte Gang-Bang-Party.

Es geht also, man muss nur wollen.
Vallah.

08 November 2011

Keine Chance mehr für die Schanze?



„Also jetzt glaube ich auch, dass die Schanze gentrifiziert wird“, sagte Ms. Columbo, als wir gestern im Zirkusweg dieses Plakat auf einer Litfaßsäule erblickten.

Und das stimmt: Es gibt kaum ein stärkeres Indiz dafür, dass ein Stadtviertel von gehobener Bürgerlichkeit infiltriert wurde, als der Bau einer Waldorfschule.

Wenn man diese von einem esoterischen Rassisten gegründete und von seinem Denken weiterhin subkutan kontaminierte Verbildungseinrichtung erst mal im Viertel hat, dann ist alles zu spät. Schon das Deppenleerzeichen auf dem Plakat ist Vorbote verheerenden Unheils.

„Wo ist eigentlich der schwarze Block, wenn man ihn mal braucht?“, wäre mir deshalb beinah rausgerutscht. Doch zum Glück
wird das niemand je erfahren.

29 Juni 2011

Es gibt noch Zeichen und Plunder

Zweifellos, die Apokalypse naht. Beispiele? Sonder Zahl.

Ein einziger Blick gen Himmel offenbarte am Sonntag gleich drei Kondensstreifenkreuze über der Elbe, und wir wissen ja alle, was das bedeutet, nicht wahr?

Nur wenige Stunden später streifte ein Meteorit quasi die Erde. Und am nächsten Tag dann erzählte mir wie zufällig der Einheitskanzler, er besäße ein T-Shirt mit der Aufschrift „333 – Half Evil“. Sörr wötzöch.

All das sind natürlich düstere Mahnungen, wie damals in „Das siebte Zeichen“, und wahrscheinlich kommt gleich Jürgen Prochnow um die Ecke und raunt irgendwas.

Die drei Kondensstreifenkreuze sahen wir übrigens von wo aus? Natürlich Teufelsbrück.


22 April 2011

Alles verboten

Weil die Kirche es irgendwie geschafft hat, dem ganzen Land am Karfreitag das Singen, Tanzen und Spielen zu untersagen, herrscht auch auf dem Kiez heute tote Hose. Selbst zum Luftgitarrensolo in der Friedrichstraße wird es garantiert nicht kommen.

Und da ich unsicher bin, ob die Kirche es nicht auch irgendwie geschafft hat, am Karfreitag das Bloggen zu untersagen, mache ich hier vorsichtshalber Schluss.

22 Februar 2011

Der Ätschi-bätschi-Gott



Ein etwa 17-jähriges Mädchen marschiert telefonierend bei Rot über die vierspurige Stresemannstraße, ohne den Verkehr auch nur eines Blickes zu würdigen.

Es gibt schließlich Wichtigeres als eine Tonne heranrauschendes Todesblech, und das Wichtigere kommt gerade aus einem kleinen Kästchen mit SIM-Karte, welches das Mädchen fest ans Ohr presst. Auch als das ignorante Teenie mitten auf der Straße empört angehupt wird, zeigt es keine Reaktion, sondern schlurft weiter, über die nächsten zwei Spuren.

Echt cool, die Kleine. Und entschieden suizidal, freilich ohne es zu ahnen.


Das hupende Auto verfehlt das Mädchen knapp. Wir schauen fasziniert zu. „Solchen Leuten“, moniert Ms. Columbo mit einer Mischung aus Genervtheit und Bewunderung, „passiert immer nichts.“ „Nun“, erwidere ich, „das würde ja einen Gott voraussetzen, der sich als eine Art Kontraindikator versteht.“ „Genau!“, pflichtet mir Ms. Columbo bei, „ein Ätschi-bätschi-Gott!“

So verwunderlich wäre das freilich gar nicht, denn schon in der Bibel wird von einer eingehenden Psychoanalyse berichtet, die zu dem beunruhigenden Ergebnis kommt, die Wege des Herrn seien unergründlich. Und zur Unergründlichkeit gehört es unbedingt dazu, auch mal optional die Verdammenswerten zu hätscheln und die Folgsamen zu vierteilen.

Das Mädchen, das da so sinnierend und in sich gekehrt über die vierspurige Stresemannstraße stapfte, kam jedenfalls mit dem Leben davon. Wohl bald schon wird es seinen fragwürdigen Genpool wider alle Vernunft reproduzieren, vielleicht sogar mithilfe seines Gesprächspartners am anderen Ende der Handyverbindung, wer weiß das schon.

Als wir Zeuge dieses Vorfalls wurden, kamen wir übrigens gerade aus einem mit bröckeligen Kacheln verkleideten Café namens Herr Max (Foto) in der Schanze, wo es den definitiv besten Espresso gibt, den man für einen Euro kaufen kann.

Ich würde mich übrigens auf die Theke des Caffe Latte stellen und das wiederholen. Aber dort ist der Espresso eh teurer.


06 August 2010

Fundstücke (95)



Der Weg zu Gott führt also erst mal Richtung Ballermann: eine bestechende geografische Analyse der Hamburger Freievangelen, wahrscheinlich basierend auf Google Earth.

Entdeckt an der Michaelispassage.

24 Februar 2010

Was Kirche und Kiez trennt



Wer aktuell erwägt, zum Christentum zu konvertieren, hat die Qual der Wahl, aber buchstäblich.

Wo soll er bloß hin – zu den Kinderf*ckern, die vor jeder neuen Vergewaltigung die letzte einfach wegbeichten? Oder doch lieber zu den Suffköppen, die den Abendmahlswein wegkippen, als gäbe es selbst für sie kein Morgen?

Hach, es ist ein Krux mit dem Kreuz. Da lobe ich mir doch den Kiez: Hier ist der Sex nicht ganz so tabulos, und wer besoffen Auto fährt, ist in der Regel noch clever genug, sich nicht erwischen zu lassen.

Womit wir völlig unelegant überleiten können zum legendären Tittenmaler Erwin Ross, den Günter Zint, der unermüdlichste Kiezfotograf aller Zeiten, unzählige Male in seinem Leben abgelichtet hat.

Heute mailte mir Günter – selbst ein Kiezoriginal wie viele seiner Motive – einige sehr schöne Ross-Fotos, von denen ich hier eins dokumentiere.

Will sagen: Wer für Bücher, Filme oder was weiß ich St.-Pauli-Bilder aus knapp fünf Jahrzehnten braucht, der kommt an Günters Archiv nicht vorbei – und sollte sich einfach mal mit ihm in Verbindung setzen.

PS: Nein, er bezahlt mich NICHT für diesen Blogbeitrag.
Er wusste nicht mal was davon.


25 Oktober 2009

Fundstücke (61): Über Gott und die Welt



1. Wie betrüblich es um die monotheistischen Religionen bestellt ist, dokumentiert u. a. die beschämende Followerzahl von Gott bei Twitter: lediglich 116 Schäfchen wollen Sein Wort hören. Doch auch Er leidet unter Weltekel und interessiert sich nur noch für 49 seiner Geschöpfe. Konsequenterweise hat Er seit einem Monat nichts mehr getwittert. Ja, es ist ein Elend.

2. Budnikowsky bietet eins der hartnäckigsten Nester von Deppenleerzeichen auf ganz St. Pauli. Da müsste mal der Deppenleerzeichenkammerjäger durchmarodieren; ein Job, für den ich keineswegs unterqualifiziert wäre. „Dieser Bereich ist Kamera“, heißt es etwa kryptisch auf einem Schild über der Kasse. In einer weiteren Zeile hält uns das Schild dann ein unmotiviertes „überwacht“ vor die Nase, und man ahnt, was die Budnikowskys semantisch im Sinn hatten, als sie dem Schildermacher diesen debilen Auftrag erteilten. Die Deppenleerzeichenmarotte erstreckt sich sogar bis aufs Sortiment. Im Alnatura-Regal zum Beispiel findet sich ein „Berg Linsen“. Immerhin lässt das den Kilopreis von 3,98 Euro nicht gerade überteuert wirken.



3. „Pizza, ital. Art“ klingt wie „Eulen nach Vogelart“, jedenfalls betäubend tautologisch. Dafür sind aber immerhin weder Gott noch Budnikowsky verantwortlich, sondern ganz allein Würzburg.


28 Mai 2009

Wie ich mal nicht dabei war, als Thomas Wolf gefasst wurde (mit langer Off-Topic-Einleitung)

Jeder dahergelaufene Irre darf in Deutschland (steuerbegünstigt!) den öffentlichen Raum mit Wahnvorstellungen wie „Jesus lebt!“ plakatieren und so den Nichtglauben von Millionen von Agnostikern und Atheisten beleidigen.

Doch sobald die Schüchterstimme der Vernunft Busse mit einem Slogan à la „Höchstwahrscheinlich gibt es keinen Gott, also sorge dich nicht, sondern genieß dein Leben“ bemalen möchte, springt jeder, der was zu sagen hat, dem zuverlässig aufheulenden Irren bei und schützt das arme Seelchen, das er sich einbildet, vor dieser Zumutung.

Das ist jetzt nix Neues, gebe ich zu, das ist schon seit Wochen im Schwange, doch es nervt, nervt, nervt halt einfach, wie einem als Verstandeswesen jeder Spaß verdorben wird, nur weil sich ein paar Leute noch immer an Dinge klammern, die vor tausenden von Jahren schon zu blöd waren, um wahr zu sein – und dafür von Staats wegen sogar betuddelt und bepudert werden.

Überall stößt man auf diesen Irrsinn, sogar, wie ich heute erfuhr, auf dem staubtrockenen Gebiet der Eigentümerversammlungen. Die dürfen in Deutschland zwar durchaus an Sonntagen einberufen werden, aber nicht vormittags – Grund: Rücksichtnahme auf Kirchenbesucher.

Gäbe es einen Gott, er schlüge sich vor den Kopf (und griffe natürlich ins Leere).

Das alles steht hier natürlich nur, weil ich auf dem Kiez heute nichts erlebt habe – und das, obwohl ich um 18.30 Uhr ganz in der Nähe war, als Deutschlands meistgesuchter Verbrecher, Thomas Wolf, mitten auf der Reeperbahn verhaftet wurde. Allerdings mümmelte ich da gerade daheim dumpf am abendlichen Käsebrot.

Wie auch immer: Grund genug für ein weiteres hintersinniges Reeperbahnfoto ist die ganze Chose allemal.


15 Mai 2009

Wunderliches Frankenland

Im brutalstkatholischen Würzburg, wo wir auf Einladung des Maritim-Hotels das Wochenende verbringen, liegt nicht etwa eine Gideonbibel im Nachtschränkchen des Hotels, sondern – „Die Lehre Buddhas“.

Herrschaftszeiten, die Welt ist auch nicht mehr das, was sie mal war! Selbst in Franken nicht.

Der Rest hingegen präsentiert sich hier bislang exakt so, wie wir ihn uns dank jahrelanger zoologischer Studien des Hamburger Exilfranken vorgestellt haben: bier-, wein- und wurstfixiert.

Den mutmaßlich merkwürdigen Zungenschlag der Eingeborenen werden wir aber erst morgen im Rahmen einer innerstädtischen Exkursion detaillierter studieren können, denn unser Hauptgesprächspartner heute Abend war Österreicher.

Globalisierung: Selbst im brutalstkatholischen Würzburg ist das also kein Fremdwort mehr.


10 April 2009

Das Wort zu Ostern

Ein Ausflug führt uns nach Wandsbek, weil dort das einzige Kino Hamburgs steht, in dem Larry Charles’ agnostisches Dokupamphlet „Religulous“ läuft. Doch was tut man nicht alles, um dem Karfreitag die Würde zu nehmen.

Unterwegs stießen wir auf das abgebildete Grafitto, dessen Botschaft eine unbedingt unterstützenswerte ist. Gleichwohl bleiben Restzweifel, ob die empfohlene Methode zum natürlichen Aussterben der Nazis führen wird.

Doch wenn sich alle dran hielten, führte das zumindest zu einer ernsten Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität. Endlich mal ein Zölibat, das auch wir vorbehaltlos unterstützen können.

Nach „Religulous“ fiel mir ausgerechnet auf dem Kinoklo ein kleiner Aphorismus ein, der auch nicht paradoxer ist als das meiste, was Bibel und Koran so verzapfen. Er lautet:


Gäbe es Gott wirklich, hätte er uns nicht den Verstand gegeben, uns seiner Nichtexistenz bewusst zu werden.

Jetzt kann Ostern kommen.



08 April 2009

Beschwörung

Die neue Praktikantin sitzt am ältesten iMac des Büros und starrt mit der gleichen Sehnsucht auf den Bildschirm wie einst die Menschen im blockierten Berlin gen Himmel, wo die Rosinenbomber im Anflug waren.

Auf ihrem prähistorischen iMac-Monitor ist allerdings kein Rosinenbomber zu sehen, sondern bloß das Bild eines MacBook Pro. Aber was heißt schon „bloß“.

„Meinst du“, fragt sie träumerisch und ohne den Blick abzuwenden, „es materialisiert sich, wenn ich es nur lange genug anstarre?“

Ich erzähle ihr vom Syrer, der unterm Einfluss fernöstlicher Irrlehren fest daran glaubt, irgendwann fliegen zu können, wenn er nur noch ein paar Dekaden meditiert, und als ich nach Hause komme, gerieren sich Himmel, Luft und Mond überm Kiez schon ausgesprochen frühlingshaft.

05 Februar 2009

No go area



Gleich das erste Tragen meines „THERE'S PROBABLY NO GOD“
-Hemdchens ist ein großer Erfolg.

Nicht nur, dass man darin tadellos trainieren kann; später im Duschraum spricht mich auch noch ein Mann darauf an.

Er sagt mit dem offenen, herzlichen Lächeln des Co-Agnostikers: „Cooles T-Shirt“. Dabei bin ich splitternackt – tja, das Wunder des menschlichen Erinnerungsvermögens.

Die Schrift auf dem Hemd zieht sich übrigens derart breit über die Brust, dass man bei einer bestimmten ungünstigen Körper- und Armhaltung einen ganz anderen Slogan erzeugt, nämlich:

„HERE'S PROBABLY NO GO“.

Vielleicht hat Gott diese textile Blasphemie deshalb nicht verhindert: Weil er Humor hat.


10 August 2008

Komische Vögel



Das westhessische Dorf, wo wir ein geruhsames Wochenende verbrachten, wird geprägt von verschiedenen unversöhnlichen evangelischen Religionsgruppen. Darunter auch die sogenannte Alte Versammlung.

Diese Splittergruppe ist nicht sonderlich vielköpfig, was gewiss an den wenig attraktiven Features liegt, mit denen sie in den Kampf der Konfessionen zieht. Zum Beispiel platziert sie Gottesdienstbesucher nach Geschlechtern getrennt, was gerade dem pubertierenden Nachwuchs das eh begrenzte Vergnügen einer Predigt gänzlich vergällen kann.

Zudem verpflichtet sie Frauen zu grenzenlosem Haarwuchs und ewigem Röcketragen, und das Fernsehen findet die Alte Versammlung mit sich selber inkompatibel, weil davon ja nichts in der Bibel steht.

„Wenn Gott die Bibel wirklich selbst geschrieben hätte“, sage ich angesichts dieser Umstände zu Ms. Columbo, als wir frohgemut agnostisch am Gemeindehaus der Alten Versammlung vorbeiflanieren, „müsste er aber langsam mal ein Update liefern.“
„Ja, Bibel 3.0 – jetzt mit Waschmaschine!“, ergänzt sie meine Forderung gleich um einen praktischen Vorschlag.

Übrigens erlaubt die Alte Versammlung interessanterweise das Fahren von Autos, obwohl die ebenfalls in der Bibel nicht vorkommen. Allerdings missbilligt sie es wiederum, das Gefährt volltrunken in eine Mauer zu rammen, was einem Altversammlungspatriarchen dennoch schon mal unterlaufen ist.

Statt sich aber nun hochnäsiger Häme hinzugeben, wie es naheliegt und auch wohlfeil wäre, sollte man an dieser Stelle ein Loblied singen auf die unverwüstliche menschliche Schwäche, die auch noch das bescheuertste religiöse Korsett mühelos zu sprengen in er Lage ist.

Im Wald fanden wir übrigens einen toten kopflosen Vogel, an dessen zoologischer Bestimmung wir scheiterten. Vielleicht gelingt ja jemand anhand der prägnanten Kralle eine Artbestimmung. Wenn nicht: auch nicht schlimm.



30 Mai 2008

Die falsch investierten 2 Euro

Am hie und da von Vandalen heimgesuchten Gleis 13 ist heute ein friedlicher Bettler unterwegs. Zwei südländisch aussehende Nonnen – vielleicht aus Griechenland oder Portugal – stehen am Bahnsteig; die visiert der Bettler jetzt an.

Nonnen sind eine todsichere Sache, wegen Franz von Assisi, Nächstenliebe, linker Wange, rechter Wange und all dem Kram. Er schlurft also hin und bettelt um ein paar Cent.

Doch zu unser aller Überraschung wenden die Nonnen sich ab, täuschen ein inniges Gespräch vor – sind somit auch nicht besser als ich. Ein befriedigendes Gefühl, das mich beinah zu einer nachträglichen Spende an den Bettler animiert hätte, und zwar aus einem Gefühl heraus, das entfernt mit Boshaftigkeit verwandt ist.

Doch am Hauptbahnhof Bettlern etwas zuzustecken ist risikobehaftet. Ich gab mal einem mutmaßlichen Junkie, der mir zunächst auf ein-, dann zudringliche Weise die alte Geschichte von 2 fehlenden Euro für Heimfahrt/Mittagessen/Übernachtung erzählte, 2 Euro, und zwar vor allem, um ihn loszuwerden.

Allerdings war genau das der Fehler. Meine Spende nämlich weckte in ihm eine ungeheure Gier nach Aufstockung derselben. Hier glaubte er seine Melkkuh schlechthin gefunden zu haben, und das konnte ich ihm nicht mal verdenken – wer gibt schon 2 Euro?!

Der mutmaßliche Junkie erwies sich in der Folge jedenfalls als unablässig plappernder Klammeraffe, der mir hunderte Meter weit nicht von der Seite wich und mich mit Wortkaskaden überschüttete, die alle darauf hinausliefen, dass gleichsam sein Leben von weiteren 2/5/10 Euro abhinge.

Es war nicht leicht, dem Mann verständlich zu erläutern, wie generös ich mich bereits jetzt fühlte und wie wenig eine weitere Steigerung dieses Gefühls meiner mentalen Verfassung zuträglich sei. Im Grunde waren nur mein guter Trainingszustand und der pure Stoizismus des Weitergehens für mein erfolgreiches Entkommen verantwortlich.

Ein lehrreicher Tag. Selbst Bettler, die vorher bei griechischen oder portugiesischen Nonnen abgeblitzt sind, haben es seither höllenschwer bei mir.


07 Januar 2008

Neulich in der Buchhandlung

„Ich weiß nicht genau, wie der Autor heißt“, sagt die Kundin zur Verkäuferin, „aber ich hätte gern das Buch über Gott.“

„Über Gott?“, staunt die Verkäuferin Buchstützen, ohne naheliegenderweise an Manfred Lütz’ „Gott – Eine kleine Geschichte des Größten“ zu denken, das gefühlt seit dem Auszug der Israeliten aus Ägypten die Büchercharts verstopft wie ein Haarbüschel den Abfluss.

Aber das fällt der Fachverkäuferin gerade nicht ein.

„Wenn ich Gott in den Computer eingebe“, sagt sie stattdessen, „dann hängt der sich auf!“

PS: Sie meinte den Computer.

Das Foto zeigt (mal wieder) das Gebäude der Heilsarmee in der Talstraße.