Ein früherer Freund von mir war ein ausgewiesener Feind des öffentlichen Nahverkehrs. Aufgrund rarer, aber nachdrücklicher Erfahrungen beklagte er in Bussen und Bahnen olfaktorische Belästigungen, zu wenig körperliche Distanz zum Pöbel und eine generell unzulängliche Bekleidungsästhetik. Immer wenn ich ihn überreden konnte, einmal mit mir ein ÖPNV-Fahrzeug zu betreten, geschah prompt irgendetwas, was ihn in seinem Vorurteil bestätigte, und ich stand belämmert da.
Heute wäre mal wieder so ein „Siehst du, ich hab’s dir ja gesagt“-Tag für ihn gewesen. Tatort war ein Bus der Linie 112, den wir bestiegen, um nach Blankenese zu gelangen. Es begann schon damit, dass der Fahrer einen Gast am Einsteigen zu hindern suchte, weil dieser nur eine OP- und keine FFP2-Maske trug, wie es seit gestern in Hamburg vorgeschrieben ist. Der Fahrgast ignorierte diese Forderung geflissentlich und betrat den Bus, was der Fahrer widerspruchslos hinnahm.
Schlimmer aber war das bei unserer Ankunft bereits anwesende mittelalte Herrentrio im hinteren Teil des Busses. Alle drei waren wohl ebenfalls trotz des Fahrerprotestes ins Innere gelangt, denn auch sie trugen nur OP-Masken, und das nicht einmal mit jener Akkuratesse, die wenigstens die Basisfunktionen dieses Modells abgerufen hätte. Zudem krakeelten sie zugunsten einer optimalen Aerosolverteilung lautstark herum.
Wir hofften, all diese Kantonisten würden alsbald das Fahrzeug wieder verlassen, doch Pustekuchen. Stattdessen stieg eine Frau mit einem dreibeinigen Hund zu, der alsbald in den Gang reiherte, fest und flüssig. Die Versuche von Frauchen, die sich rasch über drei Längenmeter ausbreitende Bescherung zu beseitigen, gelang nur unzulänglich. Obwohl der Hund nach Kräften half, indem er einen Teil aufleckte.
Wir öttelten weiter Richtung Blankenese. Am Nienstedtener Marktplatz begehrte ein Rentner Einlass, der ebenfalls nur eine OP-Maske trug, und zwar konsequenterweise gleich unterhalb der Nase; war ja eh wurscht. Erneuter Versuch des Busfahrers: „Seit gestern Zustieg nur noch mit FFP2-Maske.“ Was aber hatte der Rentner leider nicht dabei? Eine ebensolche. Eine Frau unter den Fahrgästen half ihm glücklicherweise aus, sodass er eingelassen wurde. Die Maske setzte er dann verkehrt herum auf, mit der Nasenklammer unterm Kinn. Und wenn er seiner Bekannten, zu der er sich gesellte, etwas Wichtiges mitteilen wollte, zog er die Maske der besseren Verständlichkeit wegen runter.
In Blankenese verließen wir diesen Bus des multiplen Unbills eilends. Die Argumente des ehemaligen Freundes sehe ich plötzlich in einem ganz anderen Licht.
Und dabei hatte er wahrscheinlich noch nicht mal einen Hund in den Gang kotzen sehen.