12 September 2019

Mein erstes und letztes Interview mit Daniel Johnston

Vorgestern starb der US-amerikanische Singer/Songwriter Daniel Johnston († 58). Vor neun Jahren habe ich mal mit diesem schrägen Vogel telefoniert. Daraus entstand ein kleiner Text, erschienen im April 2010 in der Zeitschrift uMag. Anstelle eines Nachrufs erscheint er hier noch mal.

„DANKE, GUT“  
Kurt Cobain pries ihn als weltgrößten Songschmied, Indienerds vergöttern ihn: den manisch-depressiven Sänger Daniel Johnston. Ein Mann am Abgrund – doch uMag hat ihn lachen hören.
In zehn Minuten soll ich noch mal anrufen, sagt sein Vater Bill. Und zwar in genau zehn Minuten. Okay, okay. Nach zehn Minuten: „Daniel, hi, how are you?“ Eine Anspielung auf seinen berühmten Graffitispruch, mit dem er als Teenager Kalifornien pflasterte. „Danke, gut“, sagt der größte Songschmied der Welt. 
Kurt Cobain trug mal ein T-Shirt mit dieser Grußfloskel auf MTV. „Das war echt was!“, gluckst Johnston, „richtig cool!“ Er kennt nur Fotos davon. Überhaupt hat er’s nicht so mit Technik. Mail, Web? Nix für Johnston. Er hat auch so genug damit zu tun, sein Leben auf die Reihe zu kriegen – und Alben wie „Beam me up!“ zu schreiben, ein windschiefes, rumpeliges Meisterwerk voller Jaulgesänge und besoffener Bläser, das deine Gefühlswelt völlig durcheinanderbringt. 
„Daniel, unter deinen Fans scheinen mehr Künstler zu sein als Plattenkäufer.“„Ja“, lacht er, „ich bin mehr so der Undergroundtyp.“  
Johnston hat gelacht! Der Typ, der während einer Depression mal den Zündschlüssel eines Flugzeugs abzog und es zum Absturz brachte, hat gelacht! „Daniel, wäre es immer noch riskant, dein Beifahrer zu sein?“ „Yeah“, sagt er und scheint trocken zu grinsen, „man vertraut mir kein Flugzeug mehr an.“  
Ein paar seiner neuen Stücke sind beinah optimistisch, etwa „True love will find you in the End“, der schönste, schrägste Trostsong des Jahres. Wird am Ende doch noch alles gut? „Ich möchte jeden aufheitern, der das Album hört“, sagt der größte Songschmied der Welt mit dieser dünnen Schlingerstimme, die eiern kann wie keine andere. „Jedenfalls ist mir das lieber, als jeden zu deprimieren.“ 
Beim Hören seiner Songs passiert beides, aber das müssen wir ihm ja nicht sagen. Denn es geht ihm gerade danke gut.

PS: Das Foto entstand in der Hamburger Fabrik im April 2010. Dass es ein bisschen verwackelt ist, passt eigentlich ganz gut zu diesem Typen.




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