01 Februar 2011

Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (44)



Also bitte, ja: Ich kann ja auch nichts dafür, dass der Hafen sich ausgerechnet nach Südwesten erstreckt und die Sonne deshalb abends oft aufs Postkartigste die Kräne illuminiert.

Ein Schlaumeier könnte mir natürlich jetzt entgegenhalten, ich müsse ein solch abgeschmacktes Schauspiel ja nicht auch noch fotografieren, doch da bin ich anderer Meinung.

Denn hier in diesem Blog wird die Wahrheit dokumentiert und nichts als die Wahrheit, selbst (und gerade) wenn sie so aussieht wie auf diesem Foto.

Wollte ich nur mal gesagt haben.

31 Januar 2011

Die CDU wird usurpiert



Im Wahlkreis Rinteln tritt seit Jahren Cajus Julius Cäsar so höchstpersönlich wie erfolgreich für die CDU an. Das schien mir bisher nichts weiter zu sein als ein Ausrutscher von geradezu spätrömischer Dekadenz.

Doch als wir heute durch Bergedorf schlenderten, wurden wir eines Besseren belehrt. Dort kandidiert für die Christdemokraten ein gewisser Dennis Gladiator. Zwar wirkt der Mann eher wie der nette Moppelnerd von nebenan und nicht wie Russell Crowe; gleichwohl gibt diese Affinität der CDU für Kandidaten römischer Provenienz zu denken.

Das Volk jedenfalls nutzt dieses nomen est omen bereits feinsinnig, um seinen Fragen an den Abgeordneten Anspielungen auf jene spektakuläre Ära einzuweben. In Gladiators Gästebuch, welches bereits 24 Einträge in sieben Jahren aufweist, gibt es zum Beispiel einen Herrn von Schnabelewopski, dem besonders die Problematik der in Bergedorf nur schwierig zu verrichtenden Notdurft auf der Blase brennt.

Ein logisches Ansinnen, denn seien wir doch mal ehrlich: War es etwa nicht das alte Rom, das erstmals in der Menschheitsgeschichte ein gescheites Abwassersystem installierte? War es. Und wer anders als ein Dennis Gladiator könnte nun eine ähnliche Aufgabe in Bergedorf wuppen?

Cajus Julius Cäsar und Dennis Gladiator jedenfalls erregten meinen Verdacht. Was steckt dahinter – eine Verschwörung? Ich recherchierte fieberhaft. Und siehe da: Bundesweit gehen einem unzählige weitere CDU-Römer ins Schleppnetz.

Etwa Emmanuele Cicero aus dem sächsischen Leisnig, der Stadt der Baumblüte, beschaulich gelegen zwischen Meuselwitz und Bockelwitz. Oder Marc-Aurel von Dewitz (Berlin). Zudem Tiberius Fundel, der legendäre Müllermeister aus Indelhausen. Auch Bernd Antonius, stellvertretender Vorsitzender des CDU-Gemeindeverbands Wendeburg. Und bei weitem nicht zuletzt Claudius Hennig, jener scheinbar sympathische Kurzhaarträger aus Pfullendorf.

Es nimmt und nimmt kein Ende. Nur Eva-Maria Römer (Karben) sei noch stellvertretend genannt für all jene weiteren CDUler, die anscheindend angetreten sind, diese einstmals so bodenständig-deutsche Partei von innen umzukrempeln.

Wie sehr diese Taktik bereits verfängt, ist in Dennis Gladiators Onlinegästebuch nachzulesen; es sind erschreckende Dokumente. „Hast auch Du Ochs und Kuh“, hinterlässt beispielsweise Bauer Piepenbrinck aus Reinbek, „wähle CDU!!!“

Es ist übrigens eine wunderbare Zungenübung, den Namen S-c-h-n-a-b-e-l-e-w-o-p-s-k-i mehrfach hintereinander auszuspechen. Macht Spaß! Zumindest ab dem achten Mal, wenn man qua Übung schon kräftig aufs Tempo drücken kann.

Hier der Beweis.


30 Januar 2011

Liebe auf den ersten Kick



Meine Eltern vergötterten die Berge und alles, was damit zusammenhing, also Trenker, Trachten, Sissi, Edelweiß, Urlaub am Königssee, Maria Hellwig und die Oberkrainer.

All das trieb mich später zuverlässig in die Arme der Sex Pistols, aber das ist eine andere Geschichte. In der hier geht es um Fußball.

Da meine Eltern die Berge vergötterten und damit logischerweie auch das alpenreichste Bundesland, war mein Vater von jeher ein Fan des FC Bayern München. Und als ich 9 war, beschloss er, ich müsse nun auch einer Mannschaft anhängen, am besten natürlich (das dachte er jedenfalls insgeheim) dem FC Bayern.

Statt das einfach ex cathedra zu verkünden, was in seiner väterlichen Macht gelegen hätte, stellte er eine todsichere Falle auf, in die der naive kleine Junge tappen sollte. Ein Samstag sollte die Entscheidung bringen.

Der FC Bayern München spielte damals zu Hause gegen den 1. FC Köln, und mein Vater verkündete sardonisch, wer dieses Spiel gewänne, solle meine Mannschaft werden. Ich war 9 und nickte eifrig. Ich konnte natürlich nicht wissen, dass der FC Bayern als haushoher Favorit ins Spiel ging. Ich hätte nicht einmal definieren können, was genau eine Falle ist.

Wir sahen die Zusammenfassung gemeinsam in der Sportschau, in Schwarz-Weiß. In der 14. Minute ging Köln überraschend in Führung, Torschütze war Carl-Heinz Rühl. Kurz nach der Halbzeit gelang zwar Gerd Müller (wem sonst?) der Ausgleich. Doch dann die Sensation: Heinz Simmet köpfte in der 60. den Siegtreffer, und dabei blieb es. Der erste Erfolg der Kölner in München überhaupt.

Mein Vater war danach sehr still. „Köln hat gewonnen, Papa! Köln ist jetzt meine Mannschaft, nicht wahr, Papa?“, rief ich begeistert und zupfte ihm am Ärmel. Er brummelte irgendetwas, das ein Erwachsener als mit Widerwillen kontaminierte Zustimmung gedeutet hätte.

Wie auch immer: Damit war es besiegelt. Der 1. FC Köln war fortan meine Mannschaft. Dieser entscheidende Samstag ist schon Jahrzehnte her, doch so blieb es seither, und so wird es immer bleiben.

Die Erwählung der Lieblingsmannschaft ist schließlich kein Spaß, keine Ehe oder so ein Pipifax, sondern eine Lebensentscheidung – und zwar ganz egal, unter welchen Umständen sie zustande kam, und sei es durchs zufällige Nichttappen in eine sorgfältig aufgestellte Falle.

Seit ich auf dem Kiez lebe, liebe ich außerdem den FC St. Pauli, und immer, wenn er gegen den 1. FC Köln spielt, stürzt mich diese Partie in eine widersprüchliche Gefühlslage.

Als heute Mittag Andreas anrief und mich fragte, ob ich die Dauerkarte einer erkrankten Freundin übernehmen und zur Partie gegen den 1. FC Köln ins Millerntorstadion gehen könne, wechselten die eigentlich konkurrierenden Drüsen für Dopamin und Adrenalin parallel in den Akkordmodus. Kurz vor 3 holte ich die Karte bei Andreas ab. „Für wen bist du heute eigentlich?“, fragte er.

Und dann sagte ich es ihm.

28 Januar 2011

Rügen haben kurze Beine



In einer Vorverkaufsstelle im Mercado möchte ich auf den letzten Drücker – nämlich nur wenige Stunden vor der Veranstaltung – noch eine Karte für eine Lesung im Literaturhaus erwerben.

Die Frau am Vorverkaufscomputer klackert ein wenig herum und sagt dann: „Ja, das geht noch. Möchten Sie eine Versicherung abschließen für den Fall, dass Sie krank werden bis heute Abend?“

Die Frage erwischt mich kalt. Sehe ich etwa derart moribund aus, dass mein Besuch der Lesung offensichtlich gefährdet scheint? Die Frau verneint das; es handele sich lediglich um eine Routinefrage. Das erleichtert mich, und ich verzichte.

Ich fühle mich sowieso leicht überversichert – Rente, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Rechtsschutz, Riester, Leben, Haftpflicht, Hausrat, Fahrraddiebstahl, Krankenhauseinzelbettzimmer, Chefarztbehandlung: Da brauche ich nun wirklich nicht noch eine Lesungsbesuchsverhinderungsversicherung für heute Abend, zumal ich mich komplett beschwerdefrei fühle bis auf ein bisschen Rücken. Und wäre das auf bedenkliche Weise anders, dann erwürbe ich keinesfalls eine Eintrittskarte für eine Lesung, sondern kuschelte mich prophylaktisch in die Laken.

Für die Versicherung hätte ich übrigens, wie mir die Vorverkäuferin auf Nachfrage bereitwillig erläuterte, einen Euro und 80 Cent berappen müssen. Das sind 18 Prozent des Kartenpreises – eine Rendite, mit der sich auch Josef Ackermann zufrieden gäbe. Vielleicht sogar Carsten Maschmeyer.

Egal, alles ging gut, ich erreichte unfallfrei die Lesung, und die war ganz großartig – vor allem, weil der unvergleichliche Titanic-Autor Pit Knorr Stargast war. Er las unter anderem die Kalauereske „Der Inselpfarrer“, in der unzählige Inselnamen aufs Furioseste zu einer Geschichte verbogen, verzahnt, verknotet und verhackstückt werden. Auszug:

„Da ist doch nichts Hawaii. Ich bin Künstler und Malediven.“ „Du malst Diven? Bahamas doch! Rügen haben kurze Beine. Gestehe: Du willst dich mit ihr auf der Sumatratze wälzen, denn dich erregt der Anblick ihrer entblößten Spitzbergen und ihrer rasierten Formosa. Was regt sich denn da in deiner Helgoländen Gegend?“ „Ach", sagte er, „das ist doch nur mein kleiner Bornholm.“ „Das sieht mir aber mehr aus wie eine ausgefahrene Lanzarote!“ Und er wurde ganz Rhodos.
Viele glauben, dieser Irrwitz sei original von Otto Waalkes, weil der die Nummer im Programm hatte, und das leichtgläubige Internet denkt das mehrheitlich auch, doch nein: Es war Pit Knorr, der sich das Stück für Otto aus den Hirnwindungen wrang, und dafür sollte man ihm auf Knien danken.

Ich täte es jedenfalls sofort, wenn ich nicht auch ein bisschen Knie hätte – aber nicht so stark, dass ich heute Abend nicht die Lesung hätte besucht haben können.

Das Foto zeigt übrigens Rügen, zumindest einen Teil davon.


26 Januar 2011

Was Draculina wirklich will



Diese Werbung hängt zurzeit in Hamburger U-Bahnen.

Ich habe auf dilettantische, doch wirkungsvolle Weise den restlichen Text abgedeckt, so dass man nicht mehr sofort sehen kann, in wessen Dienst uns diese liebreizende Dekolleteevampirin da so ultraböse anfaucht.

Wofür also wirbt Draculina bloß – ist sie vielleicht das neue Testimonial eines radikalen FDP-Flügels, der den Liberalismus ruchlos bis zum blutrünstigen Liberalizismus übergeigt?

Oder vertritt die strengfrisierte Furie mit den Spockohren etwa einen Sado-Maso-Swingerclub, aus dem man frühmorgens glückselig mit blutenden Bisswunden heraustaumelt?

Beides nicht, nein: Die Dame wirbt für eine Senioreneinrichtung, die „vielseitig interessierte und engagierte examinierte Altenpfleger/innen“ sucht.

Statt auf ein wildes, gefährliches Leben in der Twilightzone läuft also alles auf Windelnwechseln in Wechselschichten hinaus.

Wer sich bewerben will: Ich habe die Telefonnummer.



25 Januar 2011

Ist ER wieder da?



Die abgebildete Tonne scheint mir das bisher wichtigste Indiz für die Wiederkehr des Herrn zu sein, zu dessen bevorzugten Hobbys es bekanntlich schon immer gehörte, Lahme wieder gehend zu machen.

Anders jedenfalls ist das erstaunliche Krückenkonglomerat im Recyclinghof von St. Pauli kaum schlüssig zu erklären.



24 Januar 2011

Das Herz von St. Pauli



Unter den Fans des FC St. Pauli gibt es eine Fraktion, die sich „Sozialromantiker“ nennt. Sie wendet sich gegen die Kommerzialisierung des Vereins, gegen dauerblinkende LED-Werbebanden, gegen Stripshows in den VIP-Logen und markenkernfremdes Marketing.

Ihr selbstironischer Name soll sie präventiv schützen vorm unweigerlichen Vorwurf, von gestern zu sein, die Mechanismen des modernen Fußballs nicht zu verstehen. Ihr Name reißt diese Tür einfach sperrangelweit auf, so dass sie erst gar niemand mehr einzutreten braucht.

Doch es kann sein, dass die selbstironischen Sozialromantiker des FC St. Pauli einer Zeit nachtrauern, die leider nicht so war, wie sie glauben.

Denn 2008, zu Zweitligazeiten, sollen nach Aussage des Hauptangeklagten im Fußballwettskandal bei mehreren Partien insgesamt fünf Spieler des FC St. Pauli bestochen gewesen sein.

Bisher wusste man von einem, und so etwas kann vorkommen, auch in der besten Familie. Ein schwarzes Schaf kann es immer geben, dagegen ist kein Verein, kein Unternehmen, keine noch so verschworene Gemeinschaft gefeit.

Aber fünf? Das wäre fast die halbe Mannschaft. Das wäre ein GAU für meinen kleinen Stadtteilverein, das würde ihn in den Grundfesten erschüttern.

Der FC St. Pauli konnte zwar noch nie mit Meisterschaften wuchern, aber immer mit Glaubwürdigkeit, Integrität und Herzblut. So schaffte es der Club, die Fanszene gleichsam zu verschmelzen mit dem Verein. Bei keinem anderen deutschen Proficlub nehmen die Anhänger so viel Einfluss auf die Vereinspolitik, und nirgendwo werden sie so ernstgenommen von der sportlichen und betriebswirtschaftlichen Führung.

Sie weiß einfach, dass die Fans die Außenwirkung des Clubs mehr prägen, als es ein Vorstand oder gar die Mannschaft selbst je könnte. Ihr Antirassismus, ihr Kampf gegen Neonazis, ihr Engagement gegen die Yuppiefizierung dieses kleinen Stadtteils: Ohne diese politische Homogenität und ihre Rückwirkung auf das Image des FC St. Pauli wäre der Club nur eine kleine graue Fahrstuhlmannschaft unter vielen.

So aber hat er Fans auf der ganzen Welt, und das Stadion ist dauerausverkauft, so dass man selbst als Vereinsmitglied praktisch niemals Karten bekommt. Und die Fußballprofimannschaft ausgerechnet dieses unvergleichlichen Clubs soll 2008 fünf Verräter in ihren Reihen gehabt haben, die auf sämtliche Werte, die der FC St. Pauli verkörpert – Glaubwürdigkeit, Integrität und Herzblut –, geschissen haben …?

Undenkbar. Doch warum sollte Sapina lügen, warum Anschuldigungen frei erfinden?

Noch sind keine Namen bekannt, noch ist alles in der Schwebe. Und dennoch geht man momentan anders durch St. Pauli – so, als veränderte sich nicht nur die Architektur dieses Stadtteils radikal, sondern auch sein wahres Herz.

Und ich meine nicht die Reeperbahn.

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23 Januar 2011

Fundstücke (125)



Dass ausgerechnet eine „magische Kohlsuppe“ von einer Firma namens No Wonder angeboten wird, zeugt von einem erfrischenden Hang zur Selbstentlarvung.

So etwas sollte Schule machen. Ein Hersteller von Homöopathika zum Beispiel käme unter dem Firmennamen „Echtnixdrin“ erheblich authentischer rüber.

Aber auf mich hört ja mal wieder niemand.



22 Januar 2011

Fundstücke (124)



Eine wunderbare Hommage an den Hamburger Hafen, ohne jemals Hamburg zu erwähnen – aber unter Verwendung des bisher noch nie in einem Popsong aufgetauchten Wortes „Massengutfrachter“.

Mit Dank an Axel für den Tipp.



21 Januar 2011

Ganz schön extremo



Vielleicht hätte ich Micha Rhein, den Sänger von In Extremo (Foto), heute Abend besser nicht daran erinnern sollen, wie er und seine Band uns vor knapp drei Jahren bei einer ähnlichen Veranstaltung mit Wodka abgefüllt hatten.

„Ja, stimmt!“, rief er, „du hast Recht!“ Dabei blitzten seine schmalen, konsequent kleingefeierten Äuglein auf vor Dankbarkeit, und schon huschte er davon, um nur wenige Minuten später mit einem Tablett außergewöhnlich gut befüllter Wodkagläser zurückzukehren.

So nahm alles seinen Lauf im abgeranzten Kleinclub King Calavera mitten auf dem Kiez.

Über uns hinweg brauste das neue Album „Sterneneisen“ dieser Berliner Dudelsackrocker (eine sichere Nr. 1), Rhein spendierte mit blitzenden Äuglein Wodka, und praktisch alle außer Ms. Columbo und mir pafften, quarzten und qualmten, dass sich ihre Lungenlappen bogen – und wir das Gefühl hatten, zurückgekehrt zu sein in die Achtziger, als wir uns noch gedanken- und bewusstlos in den dicksten Nikotinwolken aufgehalten hatten, ohne dass uns auch nur irgendetwas daran falsch oder wenigstens merkwürdig vorgekommen war.

Heute Abend, im King Calavera, war es wieder so wie in jenen guten, alten Zeiten. Der Rauch schaute sich überall neugierig um und drang dann bevorzugt tief ein in die Hackfleisch-, Roastbeef- und Ziegenkäseschnittchen, die auf der Theke herumstanden und sich am Anfang ihrer Karriere bestimmt eine mondäneres Verspeistwerden erträumt hatten als unter den gegebenen Umständen in einem abgeranzten Kleinclub mitten auf dem Kiez.

Egal, es ist jedes Mal nett mit In Extremo. Auch wenn unsere komplette Garderobe danach immer genauso laut nach der Waschmaschine schreit wie die Fischverkäuferin in „Atlantic City“ nach der Dusche.

(Kann es eigentlich sein, dass auch meine Kamera nach Rauch stinkt, oder bilde ich mir das nur ein? Ich meine: Sie ist aus METALL!)

20 Januar 2011

Fundstücke (123)



Gegen den hiesigen Fluss, die Elbe, scheint das Monster von Loch Ness geradezu eine Miezekatze zu sein.

Entdeckt in Blankenese (zumindest das rechte Schild).

Von wegen ruchlos!

Der freundliche Freund der Nachbarin hat eine Weinsendung für uns angenommen und zwischengelagert.

Nachmittags, als Ms. Columbo die Benachrichtigung vorgefunden hat und drüben klingelt, trägt er den zwölf Flaschen schweren Trumm netterweise in unsere Wohnung. Dabei erblickt er das abgebildete Tryptichon des Hamburger Malers 4000 an der Flurwand und sagt:

„Das ist von mir.“

Der Freund der Nachbarin ist 4000.
Klar, die Welt ist klein – aber so klein?

Auf 4000s Webseite schreibt ein Interpret:

„… Gleichwohl fühlt man sich angesichts der Werke frontal angeschnaubt. Es ist das nervöse Schnauben, das typisch ist für ein gewisses Popmenschentum. Er selbst wirkt in seiner cäsarenhaften Großartigkeit mitunter durchaus ruchlos.“
Und er kann hervorragend Weinkisten schleppen. Das hat der Exeget zu erwähnen vergessen.

19 Januar 2011

Der verschwundene Parmesan



Zu Hause, beim Auspacken der Einkaufstasche, stellte ich fest, dass der Parmesan im Wert von 3,82 Euro fehlte. Ich musste ihn im Wagen liegengelassen haben.

Nur fünf Minuten nach der Heimkehr hatte ich bereits wieder die Reeperbahn überquert und kniete im Supermarkt vor der Phalanx der Einkaufswagen und linste durch die Gitterwaben.

Nichts, kein Parmesan.

Ich lief zu den Kassen und nervte das Personal mit der Frage nach einem abgegebenen Stück Käse, doch niemand wollte eins entgegengenommen haben. Ein Blick in den Laden selbst ergab grob überschlagen mindestens 20 Kunden mit Einkaufswagen im Einsatz, und das war mir dann doch etwas zu kleinkariert: Jedem davon in den Wagen zu starren und ggflls. sogar die Herausgabe eines dort herumliegenden Stücks Parmesan zu fordern.

Also frustriert wieder heim. Kurz vor der Haustür begegnete ich einem Handytelefonierer, der die ganze Straße beschallte. „Weißt du, was du gemacht hast?“, schrie er erregt in sein unschuldiges Telefon, „du hast Leute bespuckt und bepöbelt, in aller Öffentlichkeit!“

Betont langsam schloss ich mein Fahrrad an, um dem interessanten Monolog noch etwas folgen zu können. „Das hast du gemacht!“, brüllte der Mann, „und weißt du was? Das machst du nicht nur in der Kneipe, wenn du getrunken hast, das machst du auch PRIVAT!“

Und plötzlich schrumpfte der Parmesan in meiner Erinnerung derart zusammen, als hätte es ihn nie gegeben.

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18 Januar 2011

Attentat auf der Reeperbahn



Im Herzblut an der Reeperbahn treffe ich mich mit dem Einheitskanzler und German Psycho zum Afterworkdrink, was man heutzutage, glaube ich, bereits wieder „Feierabendbier“ nennen darf, ohne als komplett unkühl zu gelten.

Zunächst aber – und zwar noch bevor wir bestellt haben – zaubert der Einheitskanzler einen Mirabellenschnaps aus Familienproduktion hervor, den er mir als verspätetes Weihnachtsgeschenk überreicht.

Ein ebenso rührendes wie merkwürdiges Gebaren, denn er und ich liegen in fast allen Belangen über Kreuz, aber ich finde ihn gleichwohl sehr sympathisch (seine Einschätzung vermag ich nicht einzuschätzen – erst recht nicht nach dem Mirabellenschnaps, denn den bezeichnet er noch während des Überreichens als „ungenießbar“).

Nun ja, jedenfalls steht plötzlich diese private Flasche Schnaps auf dem Tisch des reeperbahnöffentlichen Herzblut, und ich sage zu German Psycho, eigentlich bräuchten wir ja jetzt nur drei leere Gläser zu bestellen und hätten den ganzen Abend Spaß, aber keinerlei Kosten.

Er und der Einheitskanzler finden das durchaus einsichtig und leicht nachvollziehbar. Schon kommt die Bedienung, und ich sage zu ihr, drei leere Gläser bitte, das reicht, wir haben nämlich unseren eigenen Schnaps mitgebracht.

Natürlich reagiert die Frau trotz ihrer von einem engen schwarzen T-Shirt sogar noch betonten Winzigkeit so, wie man wohl reagieren muss, wenn man in einem Laden an der Reeperbahn arbeitet, der jährlich Zehntausende von Touristen in allen Aggregatzuständen ertragen und durchschleusen muss: Sie ignoriert diesen geradezu touristischen Quatsch mit stoischer Miene, rollt nicht mal mit den Augen, sagt auch nicht „Höhö“, sondern erwartet mit routiniert gezücktem Notizblock unsere Bestellungen.


Wir geben sofort auf und ordern zwei Astra und einen (verdammt teuren) Grauburgunder.

Der Mirabellenschnaps – das stellte sich hinterher zu Hause heraus – eignet sich übrigens hervorragend zum Wegätzen einer Zahnentzündung. Man sollte nur tunlichst vermeiden, ihn zu trinken, da lagen sowohl der Einheitskanzler (aus Erfahrung) als auch die Menschen- und Schnapskennerin vom Herzblut, die meine Bitte nach drei leeren Gläsern nicht mal ignorierte, völlig richtig.

Warum der Einheitskanzler mir den Mirabellenschnaps trotz alledem als Weihnachtsgeschenk überreichte, bleibt allerdings noch im Dunkeln.

Ich interpretiere das vorerst einmal als ungeschickt ausgeführtes Attentat; dann kann ich schließlich nur noch positiv überrascht werden.

17 Januar 2011

Ausflug ins Hömmaland



Da fährt man schon mal extra nach Gelsenkirchen, um
Raúl spielen und den HSV auf Schalke verlieren zu sehen, und dann gewinnt er dort, der HSV. Tja.

Die Stimmung hinterher in der Stadionkneipe war dennoch von Gerstensaft und Feierwillen geprägt. Ich hätte ja nicht gedacht, die oft karikierten Hömma-hömma-Typen auch mal in Wirklichkeit anzutreffen. Das war aber der Fall – zum Beispiel in Gestalt von Uli, einem grundgutgelaunten Schalkefan mit Schal und Schlagseite.

„Hömma“, sagte er, „wir fahrn zum Spiel Sangpauli-Schallkö am sweiten Abrill, hömma.“ Uli legte mir den Arm auf die Schulter und herzte mich. „Wir sinn im Hotel Namber Wonn, hömma“, fuhr er fort, „das iss in Hamm oder irgendwo, scheißegal.“

Meine Mimik schien Interesse an seinen Schilderungen zu signalisieren, jedenfalls fühlte er sich ermuntert, weitere Detailinformationen nachzuschieben. „Das Hotel Namber Wonn kost 50 oder 80 Euro, scheißegal“, sagte Uli.

„Für 80 Euro hättet ihr auch mitten auf dem Kiez ein Hotel nehmen können“, versuchte ich ihm eine sinnvolle Umbuchung schmackhaft zu machen. Uli kuckte mich so zweifelnd wie glasig an.

„Echt?“, sagte er und wirkte fast nüchtern dabei. „Mit de Bräute?“
„Nein“, bedauerte ich, „die Bräute kosten extra.“
„Scheißegal, hömma!“, rief Uli, „ich find euch spitze!“ Und dabei drückte er seine Stoppelwange derart fest an meine, dass ich befürchtete, als einprägsamstes Schalkesouvenir Kratzspuren mit nach Hause zu bringen.

Später, in der Straßenbahn zurück in die Stadt, sangen HSV-Fans „Wir fahrn nach Hause/ihr müsst hier wohnen“, ohne dass den Schalker Frustkappen eine adäquate Erwiderung einfiel. Aber Uli war ja auch nicht an Bord; der hätte ihnen schon gezeigt, wo der Schalker Kreisel sein Drehmoment hernimmt, hömma.

Selbst als die HSVer Schalke 04 zunächst zu „Scheiße 04“ verballhornten, um daraus übergangsweise „Hartz 04“ und schließlich „HIV“ abzuleiten, gelang ihnen als Entgegnung nichts weiter als der trotzige, aber just nicht sonderlich gut mit Substanz unterfütterte Choral „Schalke ist der geilste Club der Welt, der Welt, der We-he-helt!“

HSV-Fans bevölkerten auf der Rückfahrt nach Hamburg logischerweise auch unseren IC-Großraumwagen, was das konzentrierte Lesen durchaus erschwerte. Dabei waren sie verkatert und vergleichsweise maulfaul. Einer sagte zwischendurch mal „Könnihr euch bidde hinsetzen, ihr betrung’gn’n Schweine“, aber das war’s auch im Wesentlichen schon.

Kurz hinter Harburg rief noch einer: „Sechs halbe Hahn sind drei Broiler!“, und dann war dieser vor allem ethnologisch interessante Wochenendausflug auch schon wieder zu Ende.

16 Januar 2011

Absturzgefahr



Der Abend dämmert schon, da klettert plötzlich gegenüber einer halb aus dem Fenster eines Hauses an der Reeperbahn.

Unter ihm fünf Meter Leere und dann ein unnachgiebiges Vordach. Gut, vielleicht könnte die merkwürdige treppenhausartige Anflanschung die gröbsten Folgen eines Falles mindern.

Trotzdem fragt man sich natürlich, was das bloß für einer ist da drüben – ein Selbstmordkandidat? Ein Dieb auf der Flucht? Ein vom Gatten ertappter Liebhaber, der eher den Absturz riskiert als die körperliche Auseinandersetzung?

Nein, nach zwei Minuten Beobachtung entpuppt sich der Mann einfach nur als reinlich: Ohne Netz und doppelten Boden rubbelt er einen Fleck von der Fassade.

Derweil bereite ich mich gegenüber mit der üblichen Routine aufs Wählen des Notrufs vor, doch der Fassadenkletterer rettet sich schließlich unfallfrei zurück ins Haus.

Auch sonst verlief der Abend übrigens komplett unspektakulär.

15 Januar 2011

Die braunen Hosenscheißer



Vergangenes Jahr kam die Stadt Riesa unter Führung ihrer CDU-Bürgermeisterin Gerti Töpfer auf eine feinsinnige Idee. Sie gab der Mannheimer Straße, in der das örtliche NPD-Büro angesiedelt war, einen neuen Namen: Geschwister-Scholl-Straße.

Das anschließende Geifern und Toben, mit dem die Neonazis darauf reagierten, nunmehr dauerhaft mit Widerstandskämpfern gegen das Naziregime assoziiert zu werden, zeigte deutlich, wie tief sie dieser so simple wie effiziente Verwaltungsakt getroffen hatte.

Ich wollte nun mal nachschauen, ob die Braunen denn auch ihr Impressum ordnungsgemäß aktualisiert haben; immerhin wollen sie ja auch künftig Post bekommen. Und siehe da: Es gibt in der Tat als Anschrift die Geschwister-Scholl-Straße an.

Allerdings befindet sich das Impressum nur auf einer einzelnen Unterseite, also in der Tiefe des braunen Onlinesumpfs, wohingegen jede einzelne Seite ihres Webauftritts über eine Fußzeile mit Adresse verfügt – und dort steht durchweg noch immer eine (gewissermaßen ewiggestrige …) Anschrift, die in Riesa längst nicht mehr existiert.

Die NPD will also Deutschland retten, ist aber nicht in der Lage, die eigene Webseite konsistent zu halten? Finde ich unwählbar, so was …

Übrigens plant nun auch die Stadt Grevesmühlen Ähnliches. Dort steht das sogenannte Thing-Haus, ein Zentrum der Rechten; auch dieses Gebäude soll sich nach dem Willen eines örtlichen Aktionsbündnisses demnächst verwundert und empört in der Geschwister-Scholl-Straße wiederfinden.

Mal schauen, ob wenigstens die Grevesmühler Nazis es hinkriegen, all ihre Adressdaten zu aktualisieren. Allerdings habe ich da so meine Zweifel.

Wir hier in Hamburg haben selbstverständlich auch eine Geschwister-Scholl-Straße, und zwar in Eppendorf. Wo sie kurzerhand hinverlegt werden müsste, um die hiesige NPD nachhaltig zu belästigen, bleibt allerdings ungewiss: Die braunen Hanseaten sind nämlich hasenfüßige Hosenscheißer:

Sie firmieren blamablerweise unter einer Postfachadresse.

14 Januar 2011

Schwarzes nur im Hellen



Weizen???“, blafft der Franke mich entsetzt an, als ich naiverweise fürs Fußballkucken morgen Abend ein entsprechendes Getränk in Aussicht stelle. „Hast du Weizen gesagt? Es ist nicht das Wetter für Weizen!“

Ich glotze dumm aus der Wäsche und dennoch zur Sicherheit prüfend aus dem Fenster. Was dort zu sehen ist, stimmt nicht fröhlich: Es regnet, von den kahlen Ästen der eh gebeutelten Stadtbäume tropft die Soße, Hamburg kombiniert heute Nachmittag auf wenig feinfühlige Weise Grau mit Grau.

Mir dämmert, dass der Mann aus dem Land des Veschperla ein Weizenbier offenbar mit Outdoorlichtverhältnissen konnektiert, welche die Farbe des Getränks möglichst kongenial abbilden. Beim Bier ist der Mann aus dem Land des Zwiebelblootz eben noch eigener als sonst, das hätte man sich denken können.

„Und Schwarzes trinke ich nur, wenn es hell ist!“, ruft er allerdings plötzlich emphatisch aus, ganz berauscht von seiner Methode, deren Entsprechung im modernen Fußball bereits als Philosophie durchginge. „Und Helles wahrscheinlich nur nach Sonnenuntergang?“, mutmaße ich müde. „Richtig!“, schnappt der Mann aus dem Land des Apfelkiechla, „und an regnerischen Tagen nur und ausschließlich Rauchbier!“

Ich weiß nicht mal, was das ist, Rauchbier, doch mir erschließt sich anhand der Vielzahl der Beispiele allmählich sein Prinzip: Es ist das des antizyklischen, sozusagen gekachelmannten Trinkens, auch wenn seine Weizenbiermethodik zunächst in eine andere Richtung zu weisen schien.

Fränkische Bierdialektik. Hegel wäre begeistert.

Zur Sicherheit werde ich für den Mann aus dem Land der Faulenzerklöße morgen Abend also Folgendes bereithalten: Weizen, Schwarzes, Helles und am besten auch Pils (ohne dass mir dazu spontan ein Wetter einfiele).

Damit müsste ich eigentlich sämtliche meteorologischen Bedingungen abgedeckt haben. Nur ein Wintergewitter würde mich auf dem falschen Fuß erwischen. Oder ginge Malzbier?


Ach, es ist alles nicht einfach.