Versammelt ist die Crème de la Crème der Szene. Es lesen Burnster (über einen großen Affen aus der Sicht einer kleinen Frau), MC Winkel (über Schwanzvergleiche auf dem Herrenklo), Kid37 (über das Schwimmengehen mit phallischen Baguettes), Don Dahlmann (über Lachanfälle beim Tantrakurs), die Schwadroneuse (über die komplexe Verbindung zwischen Hundehaufen und Flirtchancen), Lu (über … hm, weiß nicht mehr, waren aber mehrere klasse Kurztexte), Lyssa (über das Schicksal, beim Ballett wegen eines „soliden“ Körperbaus immer als Herrenersatz herhalten zu müssen), Herr Paulsen (über das versehentliche Verlieren der späteren Verlobten während einer Überfahrt nach Sylt), Merlix (über etwas … ganz großartig Witziges, das mir aber gerade beim Niederschreibenwollen gedanklich entflutscht) und weitere, die mir just nicht mehr einfallen.
Im Publikum sichtet man weitere Blogger, darunter ix und mspro, und das Ganze wird zu einem höchst kurzweiligen Dreistundenabend, der eins klar beweist: Blogs sind eine wunderbare Kreativmaschine, in denen es so witzig wie tabulos zugeht, so tragikomisch wie rabenschwarz – und die einzige Dame, die garantiert kein Visum kriegt fürs wilde, weite, schillernde Blogsurdistan, ist Frau Langeweile.
Das alles hat – zum Glück – noch immer viel von fröhlich legerem Untergrund, was man auch an kleinen Vorfällen am Rande merkt. Auf meinen Fünfzigeuroschein kann man an der Kasse nicht herausgeben (die lachhaften drei Euro Eintritt definieren übrigens – wie sich später herausstellen wird – ein Kosten/Nutzen-Verhältnis, für das jeder Großfirmensanierer töten würde); trotzdem kriege ich nach meiner treuherzig-pathetisch vorgebrachten Versicherung „Ich zahle später, ihr könnte mir vertrauen!“ den Einlassstempel auf den Daumenballen gedrückt.
Als ehrliche Haut marschiere ich sofort zum Tresen, um zum einen den Bierpegel auf bloglesungskompatibles Niveau zu hieven und zugleich meinen Fünfziger in handliche Teilmengen zu zerlegen, damit ich rasch meine Schulden am Einlass begleichen kann. Eine Minute später habe ich zusätzlich Schulden an der Bar, weil man auch dort vor der Gewaltigkeit des Fuffis kapitulieren muss – gleichwohl aber bereit ist, mir ein Flens auf Pump auszuhändigen.
Ich und mein unkaputtbarer Fünfziger müssen uns also im Lauf des Abends nicht nur auf die Lesung konzentrieren, sondern auch darauf, die anwachsende Zahl der Gläubiger zeitnah zu bedienen. Beides klappt.
Auf dem Rückweg muss ich feststellen, dass die Brandung der MILLIONEN Besucher des Hafengeburtstags inzwischen hochgeschwappt ist bis in Reeperbahnrückseitennähe. Autos stauen sich, sie hupen wütend, ihre Fenster sind offen, und aus einem, das vollbesetzt ist mit türkischen Teenagertestosteronbomben, kreischt mir beim Vorüberfahren ein Gesicht scatartige Lautfolgen vors Rad, als wollte es meine Reifen zum Platzen bringen. Seine Augen sind weitaufgerissen unterm Druck der pulsierenden Energie verbotener Substanzen, und sie leuchten, als unterzöge sich der junge Mann gerade einer Elektroschocktherapie.
Der ganze Kiez: ein einziger Fools Garden.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Lesebezug
1. „A day in a life“ von The Beatles
2. „Summertime in England“ von Van Morrison
3. „Book artists and poets“ von Steve Miller