Schwerin, Eiscafé Valentino, heute Nachmittag. Ich bestelle den abgebildeten Rocherbecher, und wenn Sie jetzt denken, ich zöge hier jetzt über die gleich drei(!) blamablen Deppenleerzeichen in der Beschreibung her, dann liegen Sie nur ganz am Rande richtig.
Nein, mir geht es um die abgebildeten fünf Rocherpralinen. Denn ihre Anzahl beeinflusst meine Bestellentscheidung absolut essenziell.
Nach wenigen Minuten wird das Eis geliefert, und was muss ich sehen?
Nicht fünf Rocherpralinen. Sondern nur zwei.
Die Gesamtkomposition ist gleichwohl von köstlicher Provenienz, keine Frage, und ich möchte hier die Welt ausdrücklich ermuntern, dem Eiscafé Valentino in Schwerin einen Besuch abzustatten. Und doch keimt in mir beim Verzehr des Rocherbechers eine gewisse Produktenttäuschung, die sich beim Bezahlen zwangsläufig ihren Weg bahnen muss; so bin ich halt gestrickt.
Den original italienischen Ober mache ich also auf die Diskrepanz zwischen visueller Verlockung und servierter Realität aufmerksam. Die Reaktion ist überraschend: Das ficht ihn nämlich nicht die Bohne an. Es stünde im Kleingedruckten, dass die Fotos gleichsam nur vage Produktbeispiele seien, äußert er sich sinngemäß. Außerdem sei das „heutzutage so“ und er außerdem „nur Angestellter“.
Meinem Vorschlag, er möge doch dem Boss – wahrscheinlich einem Signore Valentino – von meiner Enttäuschung berichten, gab er sofort statt, äußerte aber Zweifel daran, ob Cheffe „für 3000 Euro neue Eiskarten drucken lassen“ würde, nur damit eine vernachlässigenswerte Kleinigkeit wie die Zahl der gelieferten Rocherpralinen mit jener auf der Abbildung übereinstimme.
Natürlich gäbe es auch die Variante, künftig einfach fünf statt zwei Pralinen auf dem Eis zu drapieren, was auf Jahre hinaus günstiger käme als der Druck einer neuen Eiskarte, aber sei’s drum: Anscheinend ist hier, im Eiscafé Valentino, auf solcherart Einsicht nicht zu hoffen.
Nach 40 Cent Trinkgeld gehen wir und monieren draußen unisono des Obers Taktik, mit gebremster Patzigkeit auf meine Kritik zu reagieren statt mit ein bis zwei spendierten Mea-culpa-Espressi.
Doch der Nachklapp kommt noch. Als ich mir eben zu Hause das Foto des Rocherbechers noch einmal etwas genauer anschaute, stellte ich etwas fest, was vor Ort nicht nur mir, sondern auch dem Ober entgangen war, Ihnen aber natürlich längst aufgefallen ist:
Das Bild zeigt gar nicht fünf Rocherpralinen, wie ich die ganze Zeit dachte.
Es zeigt vier halbe sowie oben auf der Sahnehaube (vermutlich) eine ganze.
Somit lautet das Ergebnis beim Duell Euphemismus gegen Wirklichkeit also nicht etwa 5:2, sondern nur noch 3:2. Das wiederum ist derart knapp, dass ich hiermit lauthals ausrufe gen Schwerin:
Gehen Sie nicht zum Rapport zu Valentino, Ober! Und beim nächsten Mal, das garantiert in Bälde folgen wird, gibt’s wieder ordentlich Trinkgeld, versprochen!
(Reicht das für die Absolution?)