In einem anderen Blog las ich unlängst, wie mulmig einem wird, wenn man direkt am Transenstrich in der Schmuckstraße wohnt und ein Elternbesuch ansteht. So ähnlich geht es mir dieses Wochenende.
Die beiden älteren Herrschaften kommen aus einem frommen hessischen Dörfchen und müssen jetzt zwischen Peepshows, Sexkinos und Betteljunkies hindurch slalomieren, um Sohn und Schwiegertochter in der Seilerstraße aufzusuchen. Wir lotsen sie möglichst um die neuralgischen Punkte herum, führen sie sogar in die beruhigend weit vom Sündenpfuhl entfernte AOL-Arena (Westtribüne, Block 16c), um den HSV gegen Hertha siegen zu sehen.
Statt heißer Ohren auf dem Kiez holen sie sich also nur kalte Füße im Stadion an der Müllverbrennungsanlage. Und müssen hinterher feststellen, dass dort nach dem Spiel genauso viele Taxis herumstehen wie in ihrem kleinen frommen hessischen Dörfchen an der Hauptstraße: nämlich null. Weltstadt Hamburg.
Also muss ich mich mit Frau und Eltern bang in die rücksichtslose Menschenmasse stürzen, die in einen der Shuttle-Busse eindringen will – und zwar alle Mann gleichzeitig, sofort und ohne Rücksicht auf Verluste oder ältere Herrschaften. Meine Mutter entpuppt sich indes als robuste Ellbogenscharfschützin, ich remple, schiebe und stoße staunend hinter ihr her.
Abends gibt es Hirschgulasch.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Cosmic trigger“ von Axiom Ambient, „Flammende Herzen“ von Michael Rother und „Clue“ von Roedelius.
„3000 Plattenkritiken“ | „Die Frankensaga – Vollfettstufe“ | RSS-Feed | In memoriam | mattwagner {at} web.de |
10 Dezember 2005
09 Dezember 2005
Die Weihnachtsfeier
Das Gute an Weihnachtsfeiern? Temporär freie Kost und Logis sowie viel Zeit für die üblichen dummen Witze, aber ohne dass Arbeit liegen bleibt.
Heute Abend sitzt fast die ganze Welt – na gut, rund eine Drittelmilliarde Menschen – vor den Fernsehern und verfolgt die WM-Auslosung, während das Kollegium sich an Fischsuppe, Ziegenkäse im Speckgürtel und Ente auf Rotkohl mit Polenta und Bohnengemüse laben darf. Der präventiv eingerichtete SMS-Service von zu Hause liefert zunächst unbefriedigende Ergebnisse – „Heidi Klum hat breitere Schultern als Reinhold Beckmann“ ist zwar eine interessante Beobachtung, aber nicht gerade die Neuigkeit, nach der die Fußball-Aficionados am Tisch sehnlichst gieren. Ich muss telefonisch eine zielgenauere Informationspolitik anmahnen, was auch fruchtet.
In der ersten Auslosungsphase hatte ich ein Ticket für das WM-Spiel am 15. Juni in Hamburg ergattert, und gegen 22.30 Uhr ist dann endlich klar, welches es sein wird: Costa Rica gegen Ecuador. Dabeisein ist alles, argumentiere ich präventiv offensiv, muss aber ohnmächtig erleben, wie dieses Ergebnis die Spottlust der fröhlichen Zechrunde kräftig befeuert. Selbstbewusst verbuche ich das als blanken Neid und ordere trotzig einen Marc de Provence, eine Art französischen Grappa.
Irgendwann stehen mehrere Kollegen gestikulierend im Raum, während sie mit offenbar nur noch vegetativ gesteuerten Reflexen in beiden Händen Weingläser unterschiedlich kolorierten Inhalts ausbalancieren.
Es wird Zeit zu gehen, nicht ohne die spinnenartige Deckenlampe des Restaurants La Provence auf die SIM-Karte zu bannen.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Love street“ von Nigel Kennedy, „Electric edwardians“ von In The Nursery und „Good times are back“ von TV Smith.
Heute Abend sitzt fast die ganze Welt – na gut, rund eine Drittelmilliarde Menschen – vor den Fernsehern und verfolgt die WM-Auslosung, während das Kollegium sich an Fischsuppe, Ziegenkäse im Speckgürtel und Ente auf Rotkohl mit Polenta und Bohnengemüse laben darf. Der präventiv eingerichtete SMS-Service von zu Hause liefert zunächst unbefriedigende Ergebnisse – „Heidi Klum hat breitere Schultern als Reinhold Beckmann“ ist zwar eine interessante Beobachtung, aber nicht gerade die Neuigkeit, nach der die Fußball-Aficionados am Tisch sehnlichst gieren. Ich muss telefonisch eine zielgenauere Informationspolitik anmahnen, was auch fruchtet.
In der ersten Auslosungsphase hatte ich ein Ticket für das WM-Spiel am 15. Juni in Hamburg ergattert, und gegen 22.30 Uhr ist dann endlich klar, welches es sein wird: Costa Rica gegen Ecuador. Dabeisein ist alles, argumentiere ich präventiv offensiv, muss aber ohnmächtig erleben, wie dieses Ergebnis die Spottlust der fröhlichen Zechrunde kräftig befeuert. Selbstbewusst verbuche ich das als blanken Neid und ordere trotzig einen Marc de Provence, eine Art französischen Grappa.
Irgendwann stehen mehrere Kollegen gestikulierend im Raum, während sie mit offenbar nur noch vegetativ gesteuerten Reflexen in beiden Händen Weingläser unterschiedlich kolorierten Inhalts ausbalancieren.
Es wird Zeit zu gehen, nicht ohne die spinnenartige Deckenlampe des Restaurants La Provence auf die SIM-Karte zu bannen.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Love street“ von Nigel Kennedy, „Electric edwardians“ von In The Nursery und „Good times are back“ von TV Smith.
08 Dezember 2005
Der Umzug Israels
Der heute veröffentlichte Vorschlag des iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad, Israel kurzerhand nach Deutschland zu verlegen, weil damit „das Kernproblem der Region“ gelöst sei, stieß bei mir auf spontane Gegenliebe. Zumal ich sofort eine Idee hatte, welche der „ein bis zwei Provinzen“ (Ahmadinedschad) wir dafür zur Verfügung stellen könnten. Also trabte ich vorfreudig zum Franken, doch der reagierte auf meinem Vorschlag recht muffig.
Auch mein Argument: „Dann haben wir endlich die Atombombe!“ wollte ihn in seiner Ablehnung nicht wankend machen. Selbst mein Ergänzungsangebot – Zurverfügungstellung der Provinzen Sachsen, meinetwegen auch Mecklenburg-Vorpommern – fruchtete nichts.
Dank Ahmadinedschad schlägt uns der Iran endlich auf der nach oben offenen Peinlichkeitsskala, deren Rekordmarke wir seit Bundespräsident Lübke („Meine Damen und Herren, liebe Neger“) und Kanzler Kohl („You can say you to me“) unangefochten inne hatten.
Einen solch denkwürdigen Tag sollte man kulinarisch beenden. Dabei half eine Einladung zum Showcase mit Dinner ins Café Lago, wo sie sehr schöne Bodenkacheln haben, wie man sieht. Durch die halb blickdichten Bastjalousien sahen wir die Elbe schimmern im Licht der Docks, während man u. a. Gänsekeulen auf Rotkohl servierte und ein italienischer Topten-Sänger uns mit einer Akustikversion von „Rhythm is a dancer“ überraschte.
Für einen schönen runden Abschluss dieses Tages sorgte schließlich die Enthüllung, dass der Italiener ein gebürtiger Israeli sei. Wir verbuchten ihn freudig als Vorhut im Sinne Ahmadinedschads.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Sally Ann“ von Natalie Merchant, „It takes a lot to laugh, it takes a train to cry“ von Jerry Garcia & Merle Saunders und „One“ von U2.
Auch mein Argument: „Dann haben wir endlich die Atombombe!“ wollte ihn in seiner Ablehnung nicht wankend machen. Selbst mein Ergänzungsangebot – Zurverfügungstellung der Provinzen Sachsen, meinetwegen auch Mecklenburg-Vorpommern – fruchtete nichts.
Dank Ahmadinedschad schlägt uns der Iran endlich auf der nach oben offenen Peinlichkeitsskala, deren Rekordmarke wir seit Bundespräsident Lübke („Meine Damen und Herren, liebe Neger“) und Kanzler Kohl („You can say you to me“) unangefochten inne hatten.
Einen solch denkwürdigen Tag sollte man kulinarisch beenden. Dabei half eine Einladung zum Showcase mit Dinner ins Café Lago, wo sie sehr schöne Bodenkacheln haben, wie man sieht. Durch die halb blickdichten Bastjalousien sahen wir die Elbe schimmern im Licht der Docks, während man u. a. Gänsekeulen auf Rotkohl servierte und ein italienischer Topten-Sänger uns mit einer Akustikversion von „Rhythm is a dancer“ überraschte.
Für einen schönen runden Abschluss dieses Tages sorgte schließlich die Enthüllung, dass der Italiener ein gebürtiger Israeli sei. Wir verbuchten ihn freudig als Vorhut im Sinne Ahmadinedschads.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Sally Ann“ von Natalie Merchant, „It takes a lot to laugh, it takes a train to cry“ von Jerry Garcia & Merle Saunders und „One“ von U2.
07 Dezember 2005
Die Frauennamen
Ach ja, Männergespräche in der Umkleidekabine … Heute im Fitnessstudio unterhielten sich zwei meiner Geschlechtsgenossen, natürlich über Frauen. Genauer gesagt: über eine bestimmte.
„Wie heißt die noch mal?“, fragt der eine.
Der andere: „Karina.“
„Wie?“
„Na, Karina. Wie die Damenbinden.“
Schon war die Sache klar, und das Gespräch konnte recht unfallfrei fortgeführt werden.
In einer „Seinfeld“-Folge hat Titelheld Jerry den Namen der Frau vergessen, mit der er ausgeht. Er weiß nur noch, dass ihr Name sich auf einen Teil der weiblichen Anatomie reimt. Am Ende ahnt sie seine Amnesie und stellt ihn ultimativ zur Rede. Seine Lage ist natürlich vollkommen verzweifelt und hoffnungslos, und er setzt kleinlaut alles auf eine Karte: „Mulva …?“
Sie hieß natürlich Uschi.
Der auf dem Foto vorbeihuschende Bus am Bahnhof Altona brachte mich übrigens nicht zum Fitnessstudio. Aber der nächste.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Mysterious ways“ von U2, „Feels like teen spirit“ von Makrosoft und „I'm never gonna sleep tonight“ von Asche & Spencer vom „Stay“-Soundtrack.
„Wie heißt die noch mal?“, fragt der eine.
Der andere: „Karina.“
„Wie?“
„Na, Karina. Wie die Damenbinden.“
Schon war die Sache klar, und das Gespräch konnte recht unfallfrei fortgeführt werden.
In einer „Seinfeld“-Folge hat Titelheld Jerry den Namen der Frau vergessen, mit der er ausgeht. Er weiß nur noch, dass ihr Name sich auf einen Teil der weiblichen Anatomie reimt. Am Ende ahnt sie seine Amnesie und stellt ihn ultimativ zur Rede. Seine Lage ist natürlich vollkommen verzweifelt und hoffnungslos, und er setzt kleinlaut alles auf eine Karte: „Mulva …?“
Sie hieß natürlich Uschi.
Der auf dem Foto vorbeihuschende Bus am Bahnhof Altona brachte mich übrigens nicht zum Fitnessstudio. Aber der nächste.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Mysterious ways“ von U2, „Feels like teen spirit“ von Makrosoft und „I'm never gonna sleep tonight“ von Asche & Spencer vom „Stay“-Soundtrack.
06 Dezember 2005
Die Suchabfragen
Es ist mmer wieder interessant, wie Leute über Suchmaschinen auf diesen Blog stoßen. In der Regel suchen sie bei Google nach Begriffen wie „Herbertstraße“, „Huren“, „Transen“ oder „Reeperbahn“. Doch zu ihrer Überraschung empfange ich sie hier mit launigen Bemerkungen über meinen Alltag, und sie müssen arg unbefriedigt wieder von dannen surfen.
Heute fand jemand den Weg hierher über die Suchabfrage „reeperbahn luden“. Er (ich bin sicher, dass es ein Er war) kam aus Bayern, und pikanterweise heißt sein Heimatörtchen (ich bin sicher, dass es ein Örtchen ist) ausgerechnet „Poppendorf“. Diese sinnige Kombination aus Suchbegriff und Herkunft ist bisher ungeschlagen. Ist ja noch weit besser, als würde ein Hamburger nach „McDonalds“ suchen.
Unglaublich viele Leute landen außerdem auf meiner Seite, nachdem sie nach „Zahnarztstuhl“ gegoogelt haben. „Zahnarztstuhl“? Anfangs erschien mir das seltsam, bis mir klar wurde, dass auch das wohl sexuell motiviert sein muss.
Es ist eine fremde und seltsame Welt.
Der abgebildete Table-Dance-Club auf der Reeperbahn ist hiermit jetzt auch erwähnt; mal sehen, wann der erste neugierige Moulin-Rouge-Googler aus St. Blasien hier vorbeischaut.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „The passenger“ von Iggy Pop, „Sounds of silence“ von Simon & Garfunkel und „The killers“ von Motörhead.
Heute fand jemand den Weg hierher über die Suchabfrage „reeperbahn luden“. Er (ich bin sicher, dass es ein Er war) kam aus Bayern, und pikanterweise heißt sein Heimatörtchen (ich bin sicher, dass es ein Örtchen ist) ausgerechnet „Poppendorf“. Diese sinnige Kombination aus Suchbegriff und Herkunft ist bisher ungeschlagen. Ist ja noch weit besser, als würde ein Hamburger nach „McDonalds“ suchen.
Unglaublich viele Leute landen außerdem auf meiner Seite, nachdem sie nach „Zahnarztstuhl“ gegoogelt haben. „Zahnarztstuhl“? Anfangs erschien mir das seltsam, bis mir klar wurde, dass auch das wohl sexuell motiviert sein muss.
Es ist eine fremde und seltsame Welt.
Der abgebildete Table-Dance-Club auf der Reeperbahn ist hiermit jetzt auch erwähnt; mal sehen, wann der erste neugierige Moulin-Rouge-Googler aus St. Blasien hier vorbeischaut.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „The passenger“ von Iggy Pop, „Sounds of silence“ von Simon & Garfunkel und „The killers“ von Motörhead.
05 Dezember 2005
Die Tanzhalle
Dass die Tanzhalle „Tanzhalle“ heißt, ist ungefähr so, als würde man die Londoner Royal Albert Hall „Engtanzschuppen“ nennen. Der Club ist echt klein, wahrscheinlich der kleinste auf dem Kiez.
Er liegt in der Silbersackstraße, und um von der Seilerstraße unbelästigt von einschlägigen Damen dorthin zu gelangen, muss ein Plan her. Dazu gehört essentiell das Fahrrad. Aus mehreren Gründen: weil es a) nur mäßig regnet, b) schneller geht und c) die unterwegs trotz der Umgehungsroute eventuell lauernden Abfangjägerinnen es schwerer haben mit Opfern, die unterwegs sind wie der Blitz.
Ich radle also die Seilerstraße hinab, biege am Hamburger Berg links ein und dann rechts in die Reeperbahn, folge ihr bis zur S-Bahn-Station und überquere sie an der Fußgängerampel. Somit habe ich die hochneuralgischen Punkte Davidstraße und Hans-Albers-Platz, wo die Gefahr sich vielbeinig ballt, links liegen gelassen.
Jetzt kann ich ungestört die Silbersackstraße hochfahren, wo die Tanzhalle liegt. Dort spielen heute Abend zwei Gitarren-Bands, Film School und The National, und wären sie schon größer und berühmter, würden sie höhnisch lachen über die Tanzhalle und sich lieber ums Ausschlürfen bretonischer Austern kümmern. So aber ist man als Zuschauer nirgends weiter als sechs, sieben Meter von den Musikern weg.
Das geht natürlich auf die Ohren; ich verkrümele mich daher ans hintere Ende des Raumes, wo zugleich der Tresen aufhört. Und dort auf der Anrichte entdecke ich dieses Arrangement aus Flasche, Spieß und grobem Zucker im Glas. Auch im größten Lärm ist eben Platz für ein Stilleben.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Neon lights“ von Kraftwerk, „This wheel's on fire“ von The Byrds und „In love with a view“ von Mojave 3.
Er liegt in der Silbersackstraße, und um von der Seilerstraße unbelästigt von einschlägigen Damen dorthin zu gelangen, muss ein Plan her. Dazu gehört essentiell das Fahrrad. Aus mehreren Gründen: weil es a) nur mäßig regnet, b) schneller geht und c) die unterwegs trotz der Umgehungsroute eventuell lauernden Abfangjägerinnen es schwerer haben mit Opfern, die unterwegs sind wie der Blitz.
Ich radle also die Seilerstraße hinab, biege am Hamburger Berg links ein und dann rechts in die Reeperbahn, folge ihr bis zur S-Bahn-Station und überquere sie an der Fußgängerampel. Somit habe ich die hochneuralgischen Punkte Davidstraße und Hans-Albers-Platz, wo die Gefahr sich vielbeinig ballt, links liegen gelassen.
Jetzt kann ich ungestört die Silbersackstraße hochfahren, wo die Tanzhalle liegt. Dort spielen heute Abend zwei Gitarren-Bands, Film School und The National, und wären sie schon größer und berühmter, würden sie höhnisch lachen über die Tanzhalle und sich lieber ums Ausschlürfen bretonischer Austern kümmern. So aber ist man als Zuschauer nirgends weiter als sechs, sieben Meter von den Musikern weg.
Das geht natürlich auf die Ohren; ich verkrümele mich daher ans hintere Ende des Raumes, wo zugleich der Tresen aufhört. Und dort auf der Anrichte entdecke ich dieses Arrangement aus Flasche, Spieß und grobem Zucker im Glas. Auch im größten Lärm ist eben Platz für ein Stilleben.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Neon lights“ von Kraftwerk, „This wheel's on fire“ von The Byrds und „In love with a view“ von Mojave 3.
04 Dezember 2005
Die Telefonbuchfrage
Gestern auf der Post unten an der Ecke, direkt gegenüber der legendären Kneipe Tippel II: Zwei Männer wollen ein Telefonbuch kaufen. Postangestellter: „Von A–K oder von L–Z?" 1. Mann zum 2. Mann: „Der schreibt sich doch mit I, oder?" Und zum Postmann: „Also das Buch mit I.“
Postmann läuft los (Er läuft immer. Er kann alles, nur nicht langsam.). Der zweite Mann hat inzwischen einen Zettel rausgekramt, stiert konzentriert darauf und sagt mit jener gewissen Langsamkeit, die auf ein Bildungsniveau deutlich unter Doktorgrad schließen lässt: „Nee, mit Ypsilon.“ Er hält dem Kumpel den Zettel hin: „Das ist doch ein Ypsilon?"
Der Postangestellte hat gute Ohren und eine sehr niedrige Genervtseintoleranz. Er stoppt und fragt mit jener zuschnappenden Geschwindigkeit, die auf ein Bildungsniveau von mindestens Abitur schließen lässt: „Also, was denn nun: von A–K oder von L–Z?" 1. Mann: „Ach, geben Se beide.“
Ich liebe St. Pauli.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Chosen one“ von Smog, „Steady as a rock“ von Deadbeat und „Are you goin with me“ von Pat Metheny.
Postmann läuft los (Er läuft immer. Er kann alles, nur nicht langsam.). Der zweite Mann hat inzwischen einen Zettel rausgekramt, stiert konzentriert darauf und sagt mit jener gewissen Langsamkeit, die auf ein Bildungsniveau deutlich unter Doktorgrad schließen lässt: „Nee, mit Ypsilon.“ Er hält dem Kumpel den Zettel hin: „Das ist doch ein Ypsilon?"
Der Postangestellte hat gute Ohren und eine sehr niedrige Genervtseintoleranz. Er stoppt und fragt mit jener zuschnappenden Geschwindigkeit, die auf ein Bildungsniveau von mindestens Abitur schließen lässt: „Also, was denn nun: von A–K oder von L–Z?" 1. Mann: „Ach, geben Se beide.“
Ich liebe St. Pauli.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Chosen one“ von Smog, „Steady as a rock“ von Deadbeat und „Are you goin with me“ von Pat Metheny.
03 Dezember 2005
Der Hackenporsche
Mensch, was hat sich für eine Menge Altglas in der Abstellkammer angesammelt! Also werden flaschenvolle Plastiktüten in den Hackenporsche verfrachtet, und los geht es zu den Containern an der Budapester Straße.
Es ist ein Weg mit Hindernissen, vor allem, weil gestern St. Pauli ein Heimspiel hatte. Überall auf den Gehwegen gilt es kleine Rotz- und Spuckpfützen zu umfahren. Zum Glück sind sie gefroren. Aber trotzdem.
Sie konkurrieren hart mit zahllosen Hundehaufen um die Hoheit über die Bürgersteige. Es ist ziemlich schwer, keine dieser Tretminen zu durchrollen. Doch ich will den Hackenporsche wieder mit in die Wohnung nehmen, also ist höchste Vorsicht und Fahrkunst vonnöten.
Es handelt sich übrigens schon um unser zweites Gefährt dieser Art. Das erste besaßen wir im Originalzustand nur rund 30 Minuten. Ich hatte es bei Wal-Mart gekauft und kurzerhand als Transportmittel für die restlichen Einkäufe eingesetzt. Ich zog das Ding also auf Jungfernfahrt Richtung Seilerstraße, doch kurz vorm Ziel touchierte es meinen rechten Fuß.
Kleine Ursache, große Wirkung. Es geriet nämlich daraufhin in eine sich unaufhaltsam aufschaukelnde Schlingerbewegung. Flieh- und Hebelkräfte wuchsen rapide an, wodurch sich der Trolley trotz aller Stabilisierungsversuche meiner Hand entwand und volle Lotte aufs Pflaster knallte. Drin war unter anderem Buttermilch. Jetzt allerdings nicht mehr im Becher, sondern fein verteilt auf allen Einkäufen, mit denen das Gefährt beladen war.
Die meisten konnte ich zu Hause säubern, wenngleich es eine langwierige und von vielen gemurmelten Verwünschungen begleitete Fronarbeit war. Doch das Trolleyinnere selbst ganz und gar von Buttermilchresten zu befreien, erwies sich als unmöglich. Also stopfte ich ihn am gleichen Tag, an dem ich ihn gekauft hatte, in den Mülleimer. Seitdem werden sämtliche Milchprodukte, Eier und andere verpackte Flüssigkeiten zuerst in eine Plastiktüte gesteckt und dann in den Trolley. Das hat sich schon mehrfach als sehr weise erwiesen. Denn Unfälle passieren mir immer noch, auch nach drei Jahren Fahrpraxis.
Abends Martha Wainwright im Grünspan, wo die Treppe nach oben trotz des Clubnamens in heimeliges Rot getunkt ist. Maue 50 Leute sind dabei, als Wainwright ihren berühmten Songwriter-Vater Loudon in einer Zugabe liebevoll „Mother fucking asshole“ nennt. Jede Familie hat eben so ihre Probleme.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Time passes“ von Paul Weller, „Clifton in the rain“ von Al Stewart und „California rain“ von Ryan Adams.
Es ist ein Weg mit Hindernissen, vor allem, weil gestern St. Pauli ein Heimspiel hatte. Überall auf den Gehwegen gilt es kleine Rotz- und Spuckpfützen zu umfahren. Zum Glück sind sie gefroren. Aber trotzdem.
Sie konkurrieren hart mit zahllosen Hundehaufen um die Hoheit über die Bürgersteige. Es ist ziemlich schwer, keine dieser Tretminen zu durchrollen. Doch ich will den Hackenporsche wieder mit in die Wohnung nehmen, also ist höchste Vorsicht und Fahrkunst vonnöten.
Es handelt sich übrigens schon um unser zweites Gefährt dieser Art. Das erste besaßen wir im Originalzustand nur rund 30 Minuten. Ich hatte es bei Wal-Mart gekauft und kurzerhand als Transportmittel für die restlichen Einkäufe eingesetzt. Ich zog das Ding also auf Jungfernfahrt Richtung Seilerstraße, doch kurz vorm Ziel touchierte es meinen rechten Fuß.
Kleine Ursache, große Wirkung. Es geriet nämlich daraufhin in eine sich unaufhaltsam aufschaukelnde Schlingerbewegung. Flieh- und Hebelkräfte wuchsen rapide an, wodurch sich der Trolley trotz aller Stabilisierungsversuche meiner Hand entwand und volle Lotte aufs Pflaster knallte. Drin war unter anderem Buttermilch. Jetzt allerdings nicht mehr im Becher, sondern fein verteilt auf allen Einkäufen, mit denen das Gefährt beladen war.
Die meisten konnte ich zu Hause säubern, wenngleich es eine langwierige und von vielen gemurmelten Verwünschungen begleitete Fronarbeit war. Doch das Trolleyinnere selbst ganz und gar von Buttermilchresten zu befreien, erwies sich als unmöglich. Also stopfte ich ihn am gleichen Tag, an dem ich ihn gekauft hatte, in den Mülleimer. Seitdem werden sämtliche Milchprodukte, Eier und andere verpackte Flüssigkeiten zuerst in eine Plastiktüte gesteckt und dann in den Trolley. Das hat sich schon mehrfach als sehr weise erwiesen. Denn Unfälle passieren mir immer noch, auch nach drei Jahren Fahrpraxis.
Abends Martha Wainwright im Grünspan, wo die Treppe nach oben trotz des Clubnamens in heimeliges Rot getunkt ist. Maue 50 Leute sind dabei, als Wainwright ihren berühmten Songwriter-Vater Loudon in einer Zugabe liebevoll „Mother fucking asshole“ nennt. Jede Familie hat eben so ihre Probleme.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Time passes“ von Paul Weller, „Clifton in the rain“ von Al Stewart und „California rain“ von Ryan Adams.
02 Dezember 2005
Der Stadionbesuch
Nach längerer Zeit mal wieder im Millerntorstadion, wo der FC St. Pauli gegen Werder Bremen II antritt – leiderleider in der Regionalliga, man muss es eingestehen. Ich profitiere davon, dass einer aus Andreas' Dauerkartenclique verhindert ist, also springe ich kostenfrei ein.
Die Clique steht traditionell in der Gegengerade unten am Zaun, seit vielen Jahren. Von dort aus sieht man vor allem meterhoch aufragende Drahtgitter und Nachwuchsfans, die am Zaun hochklettern. Aber auf St. Pauli ist Fußballgucken selbst auch gar nicht so wichtig. Sondern das Gefühl, bei minus fünf Grad eine bescheuerte Leidenschaft mit 17 824 anderen zu teilen.
„Der größte Augenblick“, sagt Andreas, „ist der, wenn die Glocken läuten.“ Das passiert immer vorm Spiel, nämlich beim Auflaufen der Teams, und es sind die mächtigen Donnerglocken aus AC/DCs Song „Hell's bells“.
Doch heute gibt es weitere Höhepunkte: Zur Halbzeit führen wir 2:0. Plötzlich holen die Bremer blitzartig auf – 2:2. Das weckt St. Pauli aus der vorauseilenden Lethargie des sicheren Sieges. Das Team dreht auf, und beim bald folgenden 3:2 erweist es sich als besonderer Nachteil, unten am Zaun zu stehen, denn der Inhalt der aus den hinteren Reihen euphorisch weggeschleuderten Bierbecher landet vor allem hier, auf meiner neuen Land's-End-Squall-Jacke. Beim 4:2 sind dann zum Glück alle Becher schon leer.
Nach dem Sieg ziehen wir traditionell in die Domschänke. Die gesamte Gegengerade kommt offenbar auf die gleiche Idee. Es sieht bald so aus wie in der Kabine der Marx Brothers im Film „Die Marx Brothers auf hoher See“, aber alle sind beseelt vom Sieg und somit erfüllt von Toleranz und geradezu postkoitalem Gleichmut.
Die Domschänke könnte sich an Heimspieltagen goldene Zapfhähne verdienen, doch aus irgendeinem Grund hält sie das Bier lachhaft billig: 1,40 Euro die Flasche! Vielleicht würde ja ein Preis von 2,80 die Zahl der Gäste halbieren – vielleicht aber auch nur das Mobiliar gefährden.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Time passes“ von Paul Weller, „Clifton in the rain“ von Al Stewart und „Outta my head“ von M. Ward.
Die Clique steht traditionell in der Gegengerade unten am Zaun, seit vielen Jahren. Von dort aus sieht man vor allem meterhoch aufragende Drahtgitter und Nachwuchsfans, die am Zaun hochklettern. Aber auf St. Pauli ist Fußballgucken selbst auch gar nicht so wichtig. Sondern das Gefühl, bei minus fünf Grad eine bescheuerte Leidenschaft mit 17 824 anderen zu teilen.
„Der größte Augenblick“, sagt Andreas, „ist der, wenn die Glocken läuten.“ Das passiert immer vorm Spiel, nämlich beim Auflaufen der Teams, und es sind die mächtigen Donnerglocken aus AC/DCs Song „Hell's bells“.
Doch heute gibt es weitere Höhepunkte: Zur Halbzeit führen wir 2:0. Plötzlich holen die Bremer blitzartig auf – 2:2. Das weckt St. Pauli aus der vorauseilenden Lethargie des sicheren Sieges. Das Team dreht auf, und beim bald folgenden 3:2 erweist es sich als besonderer Nachteil, unten am Zaun zu stehen, denn der Inhalt der aus den hinteren Reihen euphorisch weggeschleuderten Bierbecher landet vor allem hier, auf meiner neuen Land's-End-Squall-Jacke. Beim 4:2 sind dann zum Glück alle Becher schon leer.
Nach dem Sieg ziehen wir traditionell in die Domschänke. Die gesamte Gegengerade kommt offenbar auf die gleiche Idee. Es sieht bald so aus wie in der Kabine der Marx Brothers im Film „Die Marx Brothers auf hoher See“, aber alle sind beseelt vom Sieg und somit erfüllt von Toleranz und geradezu postkoitalem Gleichmut.
Die Domschänke könnte sich an Heimspieltagen goldene Zapfhähne verdienen, doch aus irgendeinem Grund hält sie das Bier lachhaft billig: 1,40 Euro die Flasche! Vielleicht würde ja ein Preis von 2,80 die Zahl der Gäste halbieren – vielleicht aber auch nur das Mobiliar gefährden.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Time passes“ von Paul Weller, „Clifton in the rain“ von Al Stewart und „Outta my head“ von M. Ward.
01 Dezember 2005
Der schwarze Riese
Auf der Reeperbahn gibt es einen neuen Discounter, einen Penny-Markt. Natürlich hat er sieben Tage die Woche geöffnet, sonst würde er hier ausgelacht.
Früher war in diesem Gebäude das Bayrisch-Zell untergebracht, eine auf hemdsärmelig und bierselig getrimmte Amüsierbrachialität mit weißblau gestrichener Fassade und ständig hervorbrechender „Oans, zwoa, gsuffa!“-Beschallung.
Als Koberer für diesen pseudo-urbayerischen Laden war ein schwarzer Riese tätig. Physiognomisch eine verblüffend treffsichere Mischung aus Gerald Asamoah und Roberto Blanco versah der Mann seinen Dienst mit verständlichem Missmut.
Sein von jeglichen Spuren der Hoffnung befreitetes „Wolle Se ma reinschaue?“ klingt mir noch recht gut im Ohr. Dazu schlenkerte der stets tadellos gekleidete Mann auf ungelenk herrische Weise den rechten Arm, was ich stets als einladende Geste deutete. Ganz sicher bin ich mir aber nicht.
Was er wohl jetzt macht, wo das Bayrisch-Zell einem Penny-Markt weichen musste? Wie beurteilt die Agentur für Arbeit sein Qualifikationsprofil?
Abends beim Konzert von Elbow in der Fabrik entstand das Foto. Oben in der Bar entdeckte ich diese ruhige Ecke, während drumherum die Schallwellen Purzelbäume schlugen. Leider hatte ich meine Ohrstöpsel vergessen und musste ein Papiertaschentuch zerknüllen.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Meeting across the river“ von Bruce Springsteen, „Heart of glass“ von Blondie im Justus-Köhncke-Remix und „Scene of the crime“ von Les Sybarites.
Früher war in diesem Gebäude das Bayrisch-Zell untergebracht, eine auf hemdsärmelig und bierselig getrimmte Amüsierbrachialität mit weißblau gestrichener Fassade und ständig hervorbrechender „Oans, zwoa, gsuffa!“-Beschallung.
Als Koberer für diesen pseudo-urbayerischen Laden war ein schwarzer Riese tätig. Physiognomisch eine verblüffend treffsichere Mischung aus Gerald Asamoah und Roberto Blanco versah der Mann seinen Dienst mit verständlichem Missmut.
Sein von jeglichen Spuren der Hoffnung befreitetes „Wolle Se ma reinschaue?“ klingt mir noch recht gut im Ohr. Dazu schlenkerte der stets tadellos gekleidete Mann auf ungelenk herrische Weise den rechten Arm, was ich stets als einladende Geste deutete. Ganz sicher bin ich mir aber nicht.
Was er wohl jetzt macht, wo das Bayrisch-Zell einem Penny-Markt weichen musste? Wie beurteilt die Agentur für Arbeit sein Qualifikationsprofil?
Abends beim Konzert von Elbow in der Fabrik entstand das Foto. Oben in der Bar entdeckte ich diese ruhige Ecke, während drumherum die Schallwellen Purzelbäume schlugen. Leider hatte ich meine Ohrstöpsel vergessen und musste ein Papiertaschentuch zerknüllen.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Meeting across the river“ von Bruce Springsteen, „Heart of glass“ von Blondie im Justus-Köhncke-Remix und „Scene of the crime“ von Les Sybarites.
30 November 2005
Der Verdächtige
Am Bahnhof Altona sitze ich im 37er gegenüber der mittleren Tür, lese Spiegel und warte, dass der Bus abfährt. Mein Blick fällt auf einen Mann mit Bartschatten, der vor der Tür steht, obgleich noch Plätze frei sind. Er wirkt arabisch, trägt einen dicken Parka, Handschuhe und einen Rucksack auf dem Rücken. Er blickt unstet umher, und mir wird plötzlich unwohl. Was, wenn er … Ich höre auf zu lesen und überlege, ob ich aussteigen soll. Der nächste Bus fährt in zehn Minuten, und ich bin in Eile.
Soll ich? Quatsch! Oder doch?
Wir haben eine neue Kanzlerin, die noch einen braunen Hals hat von ihrem damaligen Besuch bei Irak-Krieger Bush, mit dem sie der deutschen Regierung in den Rücken fiel. Und im Irak wurde gestern eine deutsche Staatsbürgerin entführt. Kann es nicht sein, dass wir jetzt ebenso auf der Liste stehen wie England und Spanien?
Der Mann an der Tür schaut umher. Warum setzt er sich nicht? Sein Parka beult sich, der Rucksack ist prall. Ich bin wie versteinert. Die Türen flappen zu mit einem dumpfen Zischen, und der Bus fährt los. Die wahrscheinlich lächerliche Entscheidung, auszusteigen und auf den nächsten zu warten, ist mir abgenommen worden.
Der Spiegel liegt auf meinem Schoß. Ich beobachte den Mann, der sich jetzt umdreht und durch die Türscheiben in die Dunkelheit starrt. Sein Rucksack wölbt sich mir schwarz entgegen. Der Mann hält sich mit einer Hand an der Stange fest. Sein Körper schwankt im Zusammenspiel von Gravitation und Fliehkraft.
Wann würde es passieren? An einer Ampel? Wenn der Bus die Reeperbahn hochfährt? Vielleicht an der Haltestelle Davidstraße, wo die Sünde und Verderbtheit der westlichen Welt sich verdichtet zur grandiosen Verhöhnung seines Glaubens? Oder will er zur U-Bahn, in einen Tunnel, zum Hauptbahnhof?
Die nächste Haltestelle, Altonaer Poststraße. Der Bus stoppt, die Türen zischen auf. Der Mann steigt aus. Ich sehe, dass er ein steifes Bein hat. Er hätte sich gar nicht hinsetzen können, so eng, wie die Sitzreihen aneinander gebaut sind.
Ich bin beschämt und erleichtert. Abends im bretonischen Restaurant Ti Breizh in der historischen Deichstraße esse ich einen Schoko-Marzipan-Crêpe, für den Adam jederzeit den Garten Eden verlassen hätte. Über die Ost-West-Straße huschen die Lichter der Autos; und das würden sie auch, wenn abends irgendwo in der Stadt ein Bus explodiert wäre.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Two wrongs won't make things right“ von Tarnation, „Summer dress“ von Red House Painters und „Sight of you“ von Pale Saints.
Soll ich? Quatsch! Oder doch?
Wir haben eine neue Kanzlerin, die noch einen braunen Hals hat von ihrem damaligen Besuch bei Irak-Krieger Bush, mit dem sie der deutschen Regierung in den Rücken fiel. Und im Irak wurde gestern eine deutsche Staatsbürgerin entführt. Kann es nicht sein, dass wir jetzt ebenso auf der Liste stehen wie England und Spanien?
Der Mann an der Tür schaut umher. Warum setzt er sich nicht? Sein Parka beult sich, der Rucksack ist prall. Ich bin wie versteinert. Die Türen flappen zu mit einem dumpfen Zischen, und der Bus fährt los. Die wahrscheinlich lächerliche Entscheidung, auszusteigen und auf den nächsten zu warten, ist mir abgenommen worden.
Der Spiegel liegt auf meinem Schoß. Ich beobachte den Mann, der sich jetzt umdreht und durch die Türscheiben in die Dunkelheit starrt. Sein Rucksack wölbt sich mir schwarz entgegen. Der Mann hält sich mit einer Hand an der Stange fest. Sein Körper schwankt im Zusammenspiel von Gravitation und Fliehkraft.
Wann würde es passieren? An einer Ampel? Wenn der Bus die Reeperbahn hochfährt? Vielleicht an der Haltestelle Davidstraße, wo die Sünde und Verderbtheit der westlichen Welt sich verdichtet zur grandiosen Verhöhnung seines Glaubens? Oder will er zur U-Bahn, in einen Tunnel, zum Hauptbahnhof?
Die nächste Haltestelle, Altonaer Poststraße. Der Bus stoppt, die Türen zischen auf. Der Mann steigt aus. Ich sehe, dass er ein steifes Bein hat. Er hätte sich gar nicht hinsetzen können, so eng, wie die Sitzreihen aneinander gebaut sind.
Ich bin beschämt und erleichtert. Abends im bretonischen Restaurant Ti Breizh in der historischen Deichstraße esse ich einen Schoko-Marzipan-Crêpe, für den Adam jederzeit den Garten Eden verlassen hätte. Über die Ost-West-Straße huschen die Lichter der Autos; und das würden sie auch, wenn abends irgendwo in der Stadt ein Bus explodiert wäre.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Two wrongs won't make things right“ von Tarnation, „Summer dress“ von Red House Painters und „Sight of you“ von Pale Saints.
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29 November 2005
Das grelle Licht
Was vom Rade übrig blieb … Diese auf den Rahmen reduzierte Ruine fristet an der Kreuzung Rendsburger und Simon-von-Utrecht-Straße ihre Tage. Bianchi: gute Marke. Das Schloss scheint allerdings noch hochwertiger zu sein, sonst hätte der Fahrradteiledieb doch wohl das komplette Objekt seiner Begierde konfisziert.
Übrigens liegt dieses traurige Überbleibsel eines Fortbewegungsmittels in unmittelbarer Nähe eines Eckhauses, in dessen Souterrain eine Großfamilie gleichsam öffentlich lebt. Das weiß ich deshalb so genau, weil die Bewohner in der Regel auf jede Verschleierung ihres tagtäglichen Treibens verzichten.
Vorne, direkt an der zweispurigen Simon-von-Utrecht-Straße (Spitzname: „Stadtautobahn“), steht der Esstisch. Er ist meist reich gedeckt mit kleinen Schweinereien, und oftmals – eigentlich häufiger, als es die üblichen Essenszeiten nahelegen würden – sind an seinen Gestaden diverse Familienmitglieder traulich versammelt. Sie neigen übrigens alle nicht wenig zur Körperfülle.
Die Küche geht ohne Trennwand ins rückwärtig gelegene Wohnzimmer über, weshalb in der Regel mindestens ein dickes Kind auf die Couch gefläzt zu erleben ist, wo es mit Fernbedienungen herumhantiert. Dies alles sieht man unweigerlich im Vorübergehen.
Vor allem abends ist der Blick nahezu ungetrübt. Dann ist die ganze Pracht dieses geradezu holländischen Wohnkonzeptes in grellweißes Licht getaucht, von dessen Liebreiz auch türkische Kneipen und Bistros auf dem Kiez durchweg in den Bann geschlagen sind.
In diesen öffentlichen Treffs sitzen Männer – es sind immer Männer – beim Kartenspielen und Fußballgucken beisammen, und das schrille Licht der zahlreich anwesenden OP-Lampen bringt jedes einzelne ihrer üppigen Ohrhaare liebevoll zum Glänzen und Erglühen.
Ich wette, all diese Männer würden recht verunsichert herumdrucksen, wenn sie Gemütlichkeit definieren sollten.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Rialto“ von Laura Veirs, „Summer wine“ von Lee Hazlewood & Nancy Sinatra und „Deus ibi est“ von Isobel Campbell & Mark Lanegan.
Übrigens liegt dieses traurige Überbleibsel eines Fortbewegungsmittels in unmittelbarer Nähe eines Eckhauses, in dessen Souterrain eine Großfamilie gleichsam öffentlich lebt. Das weiß ich deshalb so genau, weil die Bewohner in der Regel auf jede Verschleierung ihres tagtäglichen Treibens verzichten.
Vorne, direkt an der zweispurigen Simon-von-Utrecht-Straße (Spitzname: „Stadtautobahn“), steht der Esstisch. Er ist meist reich gedeckt mit kleinen Schweinereien, und oftmals – eigentlich häufiger, als es die üblichen Essenszeiten nahelegen würden – sind an seinen Gestaden diverse Familienmitglieder traulich versammelt. Sie neigen übrigens alle nicht wenig zur Körperfülle.
Die Küche geht ohne Trennwand ins rückwärtig gelegene Wohnzimmer über, weshalb in der Regel mindestens ein dickes Kind auf die Couch gefläzt zu erleben ist, wo es mit Fernbedienungen herumhantiert. Dies alles sieht man unweigerlich im Vorübergehen.
Vor allem abends ist der Blick nahezu ungetrübt. Dann ist die ganze Pracht dieses geradezu holländischen Wohnkonzeptes in grellweißes Licht getaucht, von dessen Liebreiz auch türkische Kneipen und Bistros auf dem Kiez durchweg in den Bann geschlagen sind.
In diesen öffentlichen Treffs sitzen Männer – es sind immer Männer – beim Kartenspielen und Fußballgucken beisammen, und das schrille Licht der zahlreich anwesenden OP-Lampen bringt jedes einzelne ihrer üppigen Ohrhaare liebevoll zum Glänzen und Erglühen.
Ich wette, all diese Männer würden recht verunsichert herumdrucksen, wenn sie Gemütlichkeit definieren sollten.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Rialto“ von Laura Veirs, „Summer wine“ von Lee Hazlewood & Nancy Sinatra und „Deus ibi est“ von Isobel Campbell & Mark Lanegan.
28 November 2005
Der Blick ins Leere
Wir sahen den Hollywood-Thriller „Flightplan“ im Cinemaxx-Kino am Dammtor. Jodie Foster spielt eine traumatisierte Witwe, die den Sarg ihres Mannes von Berlin in die USA überführen will; und im Flugzeug geht ihr auch noch das einzige verloren, was ihr geblieben war: die kleine Tochter.
Kollege F., Hauptstadtfan und -kenner, monierte heute, es gebe gar keinen Direktflug von Berlin nach Amerika. Außerdem sei sogar mal kurz das Schild „Flughafen Leipzig“ zu sehen gewesen.
Was uns hingegen am meisten störte: Der komplette Plot steht und fällt damit, dass niemand an Bord das Mädchen bis zu seinem Verschwinden zu Gesicht bekommt – und der grotesk komplizierte Plan des perfiden Verbrecherduos basiert genau auf dieser Unwahrscheinlichkeit.
Vielleicht ist es im Licht einer solchen Drehbuchschwäche auch gar nicht mehr so schlimm, auf Neufundland plötzlich FBI-Agenten herumturnen zu sehen. Na, denen würden die Kanadier im richtigen Leben aber was husten.
Auf der Berlinale 1989 habe ich Jodie Foster mal fotografiert. Damals wusste ich noch nichts von meiner beginnenden Kurzsichtigkeit. So etwas entwickelt sich ja schleichend, und als erstes bemerken es gewöhnlich die Freunde und Bekannten – und zwar daran, dass man sie im Kino von Monat zu Monat in weiter vorne liegende Reihen zerren möchte. Am Ende dieses schleichenden Prozesses stehen dann Selbsterkenntnis, verletzte Eitelkeit, Kassenbrille und schließlich der Triumph, im Kino wieder Logenkarten kaufen zu können.
Wie auch immer: Damals auf der Berlinale war ich noch längst nicht so weit, was man dem Bild leider deutlich ansieht. Doch Jodies versonnener Blick ins Leere, ihr Lauschen nach innen auf den kleinen Knopf im Ohr: Das ist noch da, das ist zeitlos schön.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Life and death in the afternoon“ von Jack, „Success“ von Iggy Pop und „Nearly motionless“ von Jeff Klein.
Kollege F., Hauptstadtfan und -kenner, monierte heute, es gebe gar keinen Direktflug von Berlin nach Amerika. Außerdem sei sogar mal kurz das Schild „Flughafen Leipzig“ zu sehen gewesen.
Was uns hingegen am meisten störte: Der komplette Plot steht und fällt damit, dass niemand an Bord das Mädchen bis zu seinem Verschwinden zu Gesicht bekommt – und der grotesk komplizierte Plan des perfiden Verbrecherduos basiert genau auf dieser Unwahrscheinlichkeit.
Vielleicht ist es im Licht einer solchen Drehbuchschwäche auch gar nicht mehr so schlimm, auf Neufundland plötzlich FBI-Agenten herumturnen zu sehen. Na, denen würden die Kanadier im richtigen Leben aber was husten.
Auf der Berlinale 1989 habe ich Jodie Foster mal fotografiert. Damals wusste ich noch nichts von meiner beginnenden Kurzsichtigkeit. So etwas entwickelt sich ja schleichend, und als erstes bemerken es gewöhnlich die Freunde und Bekannten – und zwar daran, dass man sie im Kino von Monat zu Monat in weiter vorne liegende Reihen zerren möchte. Am Ende dieses schleichenden Prozesses stehen dann Selbsterkenntnis, verletzte Eitelkeit, Kassenbrille und schließlich der Triumph, im Kino wieder Logenkarten kaufen zu können.
Wie auch immer: Damals auf der Berlinale war ich noch längst nicht so weit, was man dem Bild leider deutlich ansieht. Doch Jodies versonnener Blick ins Leere, ihr Lauschen nach innen auf den kleinen Knopf im Ohr: Das ist noch da, das ist zeitlos schön.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Life and death in the afternoon“ von Jack, „Success“ von Iggy Pop und „Nearly motionless“ von Jeff Klein.
27 November 2005
Das ewige Teenie
Nena ist genau 48 Stunden jünger als ich. Als ich sie heute Abend auf der Bühne der Color Line Arena sah, schienen es mir drei Jahrzehnte.
Sie spielte das ewige Teenie. Graue Glitzerleggings, darüber ein fein funkelndes helles Minikleidchen, das zur Gänze sichtbar wurde, als sie ihr schwarzes Discolacklederjäckchen auszog. Das war beim dritten Stück, der unschuldig süßen Teenie-Anmache „Willst du mit mir gehn?“.
Ich bin zu alt für Nena, die nur 48 Stunden jünger ist als ich. Aber auch sie ist zu alt für diese Nena dort oben auf der Bühne der Color Line Arena.
Wir verlassen die Halle als erste. Draußen Ödnis. Eine Schlange gelangweilter Taxis steht herum. Einige Meter entfernt die pausierenden Shuttle-Busse, die stets die Arenamassen aus der Abgelegenheit Stellingens zurückkarren zur nächsten S-Bahn-Station, wo die Zivilisation andockt.
Ein Bus kommt, als wir uns an der sonst menschenleeren Haltestelle zeigen. Er fährt uns zur S-Bahn, uns ganz alleine. Ein elitäres Gefühl. Ich nehme mir vor, Jess Jochimsens Buch „ Flaschendrehen oder: Der Tag an dem ich Nena zersägte" zu lesen. Kriegt gute Kritiken, das Buch.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Vote Beeblebrox“ von Andy Dunlop & Neil Hannon, „Faded glamour“ von Animals That Swim und „Finding you“ von den Go-Betweens.
Sie spielte das ewige Teenie. Graue Glitzerleggings, darüber ein fein funkelndes helles Minikleidchen, das zur Gänze sichtbar wurde, als sie ihr schwarzes Discolacklederjäckchen auszog. Das war beim dritten Stück, der unschuldig süßen Teenie-Anmache „Willst du mit mir gehn?“.
Ich bin zu alt für Nena, die nur 48 Stunden jünger ist als ich. Aber auch sie ist zu alt für diese Nena dort oben auf der Bühne der Color Line Arena.
Wir verlassen die Halle als erste. Draußen Ödnis. Eine Schlange gelangweilter Taxis steht herum. Einige Meter entfernt die pausierenden Shuttle-Busse, die stets die Arenamassen aus der Abgelegenheit Stellingens zurückkarren zur nächsten S-Bahn-Station, wo die Zivilisation andockt.
Ein Bus kommt, als wir uns an der sonst menschenleeren Haltestelle zeigen. Er fährt uns zur S-Bahn, uns ganz alleine. Ein elitäres Gefühl. Ich nehme mir vor, Jess Jochimsens Buch „ Flaschendrehen oder: Der Tag an dem ich Nena zersägte" zu lesen. Kriegt gute Kritiken, das Buch.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Vote Beeblebrox“ von Andy Dunlop & Neil Hannon, „Faded glamour“ von Animals That Swim und „Finding you“ von den Go-Betweens.
26 November 2005
Der Eigentumsschein
Ich marschiere bei Saturn in der Mönckebergstraße durch den Haupteingang, weil ich eine gestern gekaufte externe Festplatte umtauschen will. Eine Rolltreppe abwärts erreiche ich munter die zuständige Abteilung, wo ich meinen Wunsch vorbringe.
„Haben Sie einen Eigentumsschein?“, fragt mich der Saturnmensch. Keineswegs – was ist denn das? Nun, ein Nachweis, den man sich vor Betreten des Ladens holen muss und der einen als rechtmäßigen Eigentümer des eingeführten Gerätes ausweist.
Ich kann allerdings nur den Kassenzettel vorweisen. „Au, das ist schlecht“, ächzt der Mann. Er mustert mich mit einer Mischung aus Skepsis, Misstrauen und Mitgefühl. Dann führt er mich angespannt zur Information. Der Sicherheitsdienst wird gerufen. Wann ich denn das Haus betreten hätte und durch welchen Eingang. Vor fünf Minuten, Haupttor.
Es wird telefoniert. Der Überwachungszentrale werden meine Angaben geschildert. Das Security-Model bezeichnet mich als „Herr, der neben mir steht“, und erst in diesem Moment begreife ich, dass ich gefilmt werde. Immer noch. Denn natürlich auch schon beim Betreten des Geschäftes.
Jetzt muss Big Brother also die Aufzeichnung meines Entrees finden, man wird die Ausbeulung meiner Tragetasche vergleichen mit den Ausmaßen des Festplattenkartons. Und am Ende wird man beurteilen, ob meine Angaben korrekt sind oder ich einfach ein dilettantischer Tölpel bin, der mit Chuzpe und Kassenzettel versucht hat, den Megamarkt Saturn zu linken.
Ich könnte nach Abschluss der Untersuchung mit leeren Händen dastehen. Mir fällt der Matrose in B. Travens „Das Totenschiff“ ein, der seinen Pass verliert und damit gleichsam seine Existenz.
20 Minuten später kann ich die Festplatte umtauschen. Beim Hinausgehen sehe ich mich selbst auf einem Monitor, und ich versuche, unschuldig auszusehen. Auf der Stirn spüre ich einen hauchdünnen Schweißfilm.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Levitation Groove“ von Magic Sound Fabric, „River man“ von Brad Mehldau und „Groove“ von Sonica 2005 CELL.
„Haben Sie einen Eigentumsschein?“, fragt mich der Saturnmensch. Keineswegs – was ist denn das? Nun, ein Nachweis, den man sich vor Betreten des Ladens holen muss und der einen als rechtmäßigen Eigentümer des eingeführten Gerätes ausweist.
Ich kann allerdings nur den Kassenzettel vorweisen. „Au, das ist schlecht“, ächzt der Mann. Er mustert mich mit einer Mischung aus Skepsis, Misstrauen und Mitgefühl. Dann führt er mich angespannt zur Information. Der Sicherheitsdienst wird gerufen. Wann ich denn das Haus betreten hätte und durch welchen Eingang. Vor fünf Minuten, Haupttor.
Es wird telefoniert. Der Überwachungszentrale werden meine Angaben geschildert. Das Security-Model bezeichnet mich als „Herr, der neben mir steht“, und erst in diesem Moment begreife ich, dass ich gefilmt werde. Immer noch. Denn natürlich auch schon beim Betreten des Geschäftes.
Jetzt muss Big Brother also die Aufzeichnung meines Entrees finden, man wird die Ausbeulung meiner Tragetasche vergleichen mit den Ausmaßen des Festplattenkartons. Und am Ende wird man beurteilen, ob meine Angaben korrekt sind oder ich einfach ein dilettantischer Tölpel bin, der mit Chuzpe und Kassenzettel versucht hat, den Megamarkt Saturn zu linken.
Ich könnte nach Abschluss der Untersuchung mit leeren Händen dastehen. Mir fällt der Matrose in B. Travens „Das Totenschiff“ ein, der seinen Pass verliert und damit gleichsam seine Existenz.
20 Minuten später kann ich die Festplatte umtauschen. Beim Hinausgehen sehe ich mich selbst auf einem Monitor, und ich versuche, unschuldig auszusehen. Auf der Stirn spüre ich einen hauchdünnen Schweißfilm.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Levitation Groove“ von Magic Sound Fabric, „River man“ von Brad Mehldau und „Groove“ von Sonica 2005 CELL.
25 November 2005
Die Herbertstraße
Der stürmische Wind treibt horizontale Schneeflockenschauer quer über die Reeperbahn, als ich mit einem Freund aus Hessen Richtung Fischmarkt rutsche.
Dort, im Metal-Schuppen Headbanger's Ballroom, spielt heute Abend TempEau, die Band von Jan Plewka und Marek Harloff. Direkt vor der Bühne: ein riesiger verspiegelter Pfeiler, der es einem unmöglich macht, die komplette Band zu sehen. Nur, wenn man sich vor den Trumm stellt, ist die Sicht ungetrübt – aber dann kann man dem Gitarristen fast schon das Plektrum klauen. Ein architektonisches Glanzstück.
Für Jan muss es ein bizarrer Trip gewesen sein von den einstigen Stadionkonzerten mit Selig vor 50.000 Zuschauern bis zum heutigen Abend, an dem sich vielleicht 50 kuttentragende Gestalten ins Headbanger's verirrt haben.
Und Marek (hier ein Foto aus einem Konzert in der Tanzhalle, weil ich blöderweise die Kamera vergessen hatte), der sonst Kinofilme dreht und umhegt wird von Set-Assistenten, trägt eine Plastitktüte mit Utensilien durch die Gegend, und am Ende darf er die Bühne selbst abräumen. Shit happens, aber die Jungs geben alles. Hinterher erzählen sie davon, dass Stefan Raab sie für den Grand-Prix-Vorentscheid im Februar gebucht hat. Wir müssen alle grinsen. Das wird eine Schau!
Auf dem Rückweg gegen eins ist das Rotlichtviertel komplett weiß überzuckert. Die freilaufenden Huren verbergen widerwillig ihre Reize unter Skianzügen und dicken Fellstiefeln. Nur in der Herbertstraße nicht, weil sie dort in ihren kuscheligen Mottokabäuzchen sitzen. Sie klopfen von innen an die geschlossenen Scheiben, und man hört ihre Lockrufe gedämpft, wie durch Watte. Wenn ein Kunde stehenbleibt, öffnen sie ihre Fenster nur spaltweit – vor Hoffnungslosigkeit und Kälte.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Cowboys and angels“ von George Michael, „Autopsy“ von Fairport Convention und „Wiper“ von Amusement Parks On Fire.
Dort, im Metal-Schuppen Headbanger's Ballroom, spielt heute Abend TempEau, die Band von Jan Plewka und Marek Harloff. Direkt vor der Bühne: ein riesiger verspiegelter Pfeiler, der es einem unmöglich macht, die komplette Band zu sehen. Nur, wenn man sich vor den Trumm stellt, ist die Sicht ungetrübt – aber dann kann man dem Gitarristen fast schon das Plektrum klauen. Ein architektonisches Glanzstück.
Für Jan muss es ein bizarrer Trip gewesen sein von den einstigen Stadionkonzerten mit Selig vor 50.000 Zuschauern bis zum heutigen Abend, an dem sich vielleicht 50 kuttentragende Gestalten ins Headbanger's verirrt haben.
Und Marek (hier ein Foto aus einem Konzert in der Tanzhalle, weil ich blöderweise die Kamera vergessen hatte), der sonst Kinofilme dreht und umhegt wird von Set-Assistenten, trägt eine Plastitktüte mit Utensilien durch die Gegend, und am Ende darf er die Bühne selbst abräumen. Shit happens, aber die Jungs geben alles. Hinterher erzählen sie davon, dass Stefan Raab sie für den Grand-Prix-Vorentscheid im Februar gebucht hat. Wir müssen alle grinsen. Das wird eine Schau!
Auf dem Rückweg gegen eins ist das Rotlichtviertel komplett weiß überzuckert. Die freilaufenden Huren verbergen widerwillig ihre Reize unter Skianzügen und dicken Fellstiefeln. Nur in der Herbertstraße nicht, weil sie dort in ihren kuscheligen Mottokabäuzchen sitzen. Sie klopfen von innen an die geschlossenen Scheiben, und man hört ihre Lockrufe gedämpft, wie durch Watte. Wenn ein Kunde stehenbleibt, öffnen sie ihre Fenster nur spaltweit – vor Hoffnungslosigkeit und Kälte.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Cowboys and angels“ von George Michael, „Autopsy“ von Fairport Convention und „Wiper“ von Amusement Parks On Fire.
24 November 2005
Der Hornby
Mein Freund, der sich unlängst wegen promisker S/M-Tendenzen von seiner Freundin trennte, erlebt gerade ein Happyend mit ihr: Er hat zu Versöhnungszwecken zwei Reitgerten gekauft (30 Euro).
Heute Abend las der britische Autor Nick Hornby im Knust, dazu spielte seine Lieblingsband Marah. Hornby, Verfasser von Geniestreichen wie „High Fidelity“ und „Fever Pitch“ und ebenfalls Autor leicht abfallender Werke wie „The long Way down“, lieferte eine ziemlich überraschende Erklärung für Nostalgie, und zwar eine mathematische.
Die Tatsache, dass uns die Vergangenheit immer besser erscheint als die Gegenwart, hat für ihn einen ganz simplen Grund: Es gibt einfach mehr davon. Sie hat Vorsprung, und zwar immensen. Dagegen kann die Gegenwart einfach nicht anstinken. Erst, wenn sie selbst zur Vergangenheit geworden ist. Und dann sieht es für die zukünftige Gegenwart wieder mies aus.
Wie man sieht, hatte der Abend auch etwas Philosophisches. Und Hornby eine wirklich phänomenale Glatze.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „How long“ von Zippy Wallace, „Tausendfach“ von Klee und „My sympathy“ von Bob Marley & The Wailers.
Heute Abend las der britische Autor Nick Hornby im Knust, dazu spielte seine Lieblingsband Marah. Hornby, Verfasser von Geniestreichen wie „High Fidelity“ und „Fever Pitch“ und ebenfalls Autor leicht abfallender Werke wie „The long Way down“, lieferte eine ziemlich überraschende Erklärung für Nostalgie, und zwar eine mathematische.
Die Tatsache, dass uns die Vergangenheit immer besser erscheint als die Gegenwart, hat für ihn einen ganz simplen Grund: Es gibt einfach mehr davon. Sie hat Vorsprung, und zwar immensen. Dagegen kann die Gegenwart einfach nicht anstinken. Erst, wenn sie selbst zur Vergangenheit geworden ist. Und dann sieht es für die zukünftige Gegenwart wieder mies aus.
Wie man sieht, hatte der Abend auch etwas Philosophisches. Und Hornby eine wirklich phänomenale Glatze.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „How long“ von Zippy Wallace, „Tausendfach“ von Klee und „My sympathy“ von Bob Marley & The Wailers.
23 November 2005
Die kleine Geste
Ein Urlaubstag, sinnvoll genutzt zum mäandernden Einkaufen quer durch die Stadt. Bei Tchibo in der Mönckebergstraße habe ich 4,99 Euro zu zahlen, und als ich an der Kasse alles zusammenklaube, was in den Taschen herumfliegt, komme ich – man glaubt es kaum – auf exakt 4,98 Euro.
Nach Präsentation des Ergebnisses pausiere ich charmant lächelnd zwei Sekunden, um der Kassiererin Gelegenheit für die naheliegendste aller Entscheidungen zu geben: mir einen Cent zu erlassen. Sie lächelt zurück – und wartet. Also krame ich doch einen Schein raus.
Auf St. Pauli läuft das in der Regel etwas anders. In den kleinen türkischen Lebensmittelläden (und selbstverständlich auch in Renates Käse- und Weinladen) werden knappe krumme Beträge meist abgerundet. 8,02 Euro? Wortlos bekommt man auf einen Zehner zwei Münzen raus. Ich erwarte so etwas nicht, finde es aber zum Wiederkommen nett.
Aber vielleicht ist Tchibo einfach längst zu groß für kleine Gesten.
Danach geht's nach Altona, in die Beerenstraße. Sie zweigt ab von der Hamburger Vierspurhölle namens Stresemannstraße, doch schon nach wenigen Metern erstirbt dort – in der Beerenstraße – alles Leben. Lagerhallenödnis macht sich breit.
Irgendwann auf der rechten Seite kommt dann das mediterrane Paradies: Andronaco heißt der riesige italienische Lebensmittelmarkt, und wenn ich mir ein Geschäft aussuchen müsste, in das man mich versehentlich über Nacht einschlösse, dann dieses.
Ich decke mich schwer ein mit Parmesan, Taleggio, Parmaschinken, Pasta, Amarettini und Espresso, und draußen vorm Garten Eden erwartet mich wieder die bedrückende Industrietristesse der Beerenstraße, die ich ächzend fotografiere. Auch ein farbenfroher Fitzel Andronaco muss verewigt werden.
Im Bus schauen sie mich komisch an, weil aus meiner Umhängetasche ein Fünfkilosack Tortiglioni ragt. Ich schaue überlegen zurück.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Lodi“ von Creedence Clearwater Revival, „Everything must change“ von Randy Crawford und „My brain“ von Young MC.
Nach Präsentation des Ergebnisses pausiere ich charmant lächelnd zwei Sekunden, um der Kassiererin Gelegenheit für die naheliegendste aller Entscheidungen zu geben: mir einen Cent zu erlassen. Sie lächelt zurück – und wartet. Also krame ich doch einen Schein raus.
Auf St. Pauli läuft das in der Regel etwas anders. In den kleinen türkischen Lebensmittelläden (und selbstverständlich auch in Renates Käse- und Weinladen) werden knappe krumme Beträge meist abgerundet. 8,02 Euro? Wortlos bekommt man auf einen Zehner zwei Münzen raus. Ich erwarte so etwas nicht, finde es aber zum Wiederkommen nett.
Aber vielleicht ist Tchibo einfach längst zu groß für kleine Gesten.
Danach geht's nach Altona, in die Beerenstraße. Sie zweigt ab von der Hamburger Vierspurhölle namens Stresemannstraße, doch schon nach wenigen Metern erstirbt dort – in der Beerenstraße – alles Leben. Lagerhallenödnis macht sich breit.
Irgendwann auf der rechten Seite kommt dann das mediterrane Paradies: Andronaco heißt der riesige italienische Lebensmittelmarkt, und wenn ich mir ein Geschäft aussuchen müsste, in das man mich versehentlich über Nacht einschlösse, dann dieses.
Ich decke mich schwer ein mit Parmesan, Taleggio, Parmaschinken, Pasta, Amarettini und Espresso, und draußen vorm Garten Eden erwartet mich wieder die bedrückende Industrietristesse der Beerenstraße, die ich ächzend fotografiere. Auch ein farbenfroher Fitzel Andronaco muss verewigt werden.
Im Bus schauen sie mich komisch an, weil aus meiner Umhängetasche ein Fünfkilosack Tortiglioni ragt. Ich schaue überlegen zurück.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Lodi“ von Creedence Clearwater Revival, „Everything must change“ von Randy Crawford und „My brain“ von Young MC.
22 November 2005
Der Unfall
Erschreckend, wie leicht man Alltagsrollen wechselt und zugleich die Fähigkeit verliert, darüber zu reflektieren. Als Autofahrer erregst du dich über Radfahrer, die dir in der Einbahnstraße entgegenkommen, als Fußgänger nerven dich um Haaresbreite vorbeizischende Drahtesel, und als Radfahrer plagen dich VERDAMMT NOCH MAL BRÄSIGE FUSSGÄNGER, DIE BLIND AUF RADWEGE ZUSTOLPERN, OHNE AUCH NUR EINE SYNAPSE IHRES SPATZENHIRNS AUF DEN GEDANKEN ZU VERWENDEN, NACH LINKS UND RECHTS ZU SCHAUEN!
Zurzeit bin ich immer noch überwiegend Radfahrer, daher das Geschrei. Kleinen Kindern bringt man bei, sich sorgfältig umzusehen, bevor sie Wege oder Straßen betreten. Spätestens mit der Pubertät scheint diese nützliche zivilisatorische Fähigkeit wieder verloren zu gehen. Dabei hilft sie doch dabei, die eigenen Gene weiterzugeben. Merkwürdige Evolution.
Dumpf einherwankende Fußgänger sind für unsereins dennoch das kleinere Übel. Schlimmer sind (natürlich) Autos. Mich hat mal in der Louise-Schroeder-Straße eine Fahrerin auf die Kühlerhaube genommen, als sie den von mir gerade benutzten Radweg zeitgleich passieren wollte. Fahrrad und ich flogen auf die zweispurige Straße, ich fand mich etwa in der Mitte wieder, und als ich mich etwas verwirrt umschaute, sah ich in wenigen Metern Entfernung eine Phalanx von Autos gleichmütig an der roten Ampel stehen, bereit zum Losfahren.
Die Autofahrerin saß schreckensstarr in ihrem Wagen, neben mir lag die zerklumpte Drahtstahlgummiskulptur, die mal mein Rad gewesen war. Ich erhob mich vorsichtig und versuchte, innerlich irgendwelche immobile oder schmerzende Körperzonen zu sondieren, konnte aber nichts feststellen. Ich war komischerweise komplett unversehrt. Der Clark Kent von Hamburg.
„Keine Polizei!“, wimmerte die unter Schock stehende Fahrerin, die sich als Türkin erwies. Ich fand unter Verweis auf meine nicht beeinträchtigte Physis trostreiche Worte und schlug vor, sie möge mir doch das Rad unter Umgehung aller Instanzen einfach informell ersetzen, und die Sache sei erledigt. Ein Betrag von 125 Euro für das einige Monate zuvor fürs Doppelte erstandene Gefährt schien mir fair. Ihr auch – wobei sie wahrscheinlich zu allem Ja und Amen gesagt hätte, in ihrem Zustand.
Abends klingelte das Telefon. Sie war dran; ob wir nachverhandeln könnten. Im Hintergrund war die Stimme ihres Mannes zu hören, der Anweisungen und Gesprächstaktik soufflierte. Ich war zu verblüfft und zugleich amüsiert, um dem aufsteigenden Ärger Raum zu geben. So ließ ich mich um 25 Euro runterhandeln.
Irgendwann später wurde mir klar, dass ich den Radweg in die falsche Richtung befahren hatte. Aber sie hätte wirklich auch mal gucken können.
Das Foto zeigt übrigens, wo man im Bedarfsfall gut ein neues gebrauchtes Rad beschaffen könnte. Ist aber leider Amsterdam.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Touch me in the Morning“ von MFSB, „Be thankful for what you've got“ von William Devaughn und „Lichterloh“ vom Kammerflimmer Kollektiv.
Zurzeit bin ich immer noch überwiegend Radfahrer, daher das Geschrei. Kleinen Kindern bringt man bei, sich sorgfältig umzusehen, bevor sie Wege oder Straßen betreten. Spätestens mit der Pubertät scheint diese nützliche zivilisatorische Fähigkeit wieder verloren zu gehen. Dabei hilft sie doch dabei, die eigenen Gene weiterzugeben. Merkwürdige Evolution.
Dumpf einherwankende Fußgänger sind für unsereins dennoch das kleinere Übel. Schlimmer sind (natürlich) Autos. Mich hat mal in der Louise-Schroeder-Straße eine Fahrerin auf die Kühlerhaube genommen, als sie den von mir gerade benutzten Radweg zeitgleich passieren wollte. Fahrrad und ich flogen auf die zweispurige Straße, ich fand mich etwa in der Mitte wieder, und als ich mich etwas verwirrt umschaute, sah ich in wenigen Metern Entfernung eine Phalanx von Autos gleichmütig an der roten Ampel stehen, bereit zum Losfahren.
Die Autofahrerin saß schreckensstarr in ihrem Wagen, neben mir lag die zerklumpte Drahtstahlgummiskulptur, die mal mein Rad gewesen war. Ich erhob mich vorsichtig und versuchte, innerlich irgendwelche immobile oder schmerzende Körperzonen zu sondieren, konnte aber nichts feststellen. Ich war komischerweise komplett unversehrt. Der Clark Kent von Hamburg.
„Keine Polizei!“, wimmerte die unter Schock stehende Fahrerin, die sich als Türkin erwies. Ich fand unter Verweis auf meine nicht beeinträchtigte Physis trostreiche Worte und schlug vor, sie möge mir doch das Rad unter Umgehung aller Instanzen einfach informell ersetzen, und die Sache sei erledigt. Ein Betrag von 125 Euro für das einige Monate zuvor fürs Doppelte erstandene Gefährt schien mir fair. Ihr auch – wobei sie wahrscheinlich zu allem Ja und Amen gesagt hätte, in ihrem Zustand.
Abends klingelte das Telefon. Sie war dran; ob wir nachverhandeln könnten. Im Hintergrund war die Stimme ihres Mannes zu hören, der Anweisungen und Gesprächstaktik soufflierte. Ich war zu verblüfft und zugleich amüsiert, um dem aufsteigenden Ärger Raum zu geben. So ließ ich mich um 25 Euro runterhandeln.
Irgendwann später wurde mir klar, dass ich den Radweg in die falsche Richtung befahren hatte. Aber sie hätte wirklich auch mal gucken können.
Das Foto zeigt übrigens, wo man im Bedarfsfall gut ein neues gebrauchtes Rad beschaffen könnte. Ist aber leider Amsterdam.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Touch me in the Morning“ von MFSB, „Be thankful for what you've got“ von William Devaughn und „Lichterloh“ vom Kammerflimmer Kollektiv.
21 November 2005
Die Trickbetrüger
Heute in der Tagesschau interviewten sie einen Experten zum Thema Computerviren, und wie hieß der Mann? Gernot Hacker. Das Leben schreibt doch die schönsten Geschichten.
Zum Beispiel auch die von einem Trickbetrug, der gestern am Hauptbahnhof stattfand. Zwei Männer zeigten einem Passanten schwarz eingefärbte Euroscheine und führten aus, nur mit Hilfe einer speziellen Tinktur plus einem Bündel sauberen Geldes seien die zu reinigen und somit zu retten. Es ist bewundernswert, dass die Ganoven bei diesem bescheuerten Vortrag nicht selbst ins Prusten kamen, aber der so Angesprochene fand die Story plausibel und übergab ihnen laut Polizei 60.000 Euro. Die er seither vermisst.
Mein Freund J. kennt einen, der mal auf einen deutlich simpler gestrickten Trick reinfiel. Der Betreffende zog sich gerade Geld am Haspa-Automaten in der Wohlwillstraße, als ein irgendwie ostasiatisch anmutender Mensch starren Blicks herantrat und ihn mit sonorer Stimme derart hypnotisch bemurmelte, dass der darob willenlos gewordene Geldabheber seine frisch gezogenen Scheine wortlos übergab - und auf Geheiß des Fremden gar für üppigen Nachschub sorgte.
Natürlich fasst man sich da an den Kopf. Wer fällt bloß auf so was rein? Andererseits gibt es ja auch Leute, die an Astrologie glauben. Oder an Homöopathie. Der Murmler jedenfalls konnte an jenem Tag gleich mehrere freiwillige Spender von seiner Bedürftigkeit überzeugen und verduftete am Ende mit einigen tausend Euro. Bleibt die Frage, ob so etwas überhaupt justiziabel ist. Bedroht hat der Mann seine Opfer ja nicht. Nur sonor bemurmelt.
Auch der Herr auf dem Foto scheint nach unserer Börse zu greifen, doch es ist nur Schiller, dem wir heute Abend neben dem Cinemaxx-Kino begegneten.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Deep blue day“ von Brian Eno, „Sunday morning“ von James und „Kansas City“ von Jimmy Sturr & His Orchestra mit Delbert McClinton.
Zum Beispiel auch die von einem Trickbetrug, der gestern am Hauptbahnhof stattfand. Zwei Männer zeigten einem Passanten schwarz eingefärbte Euroscheine und führten aus, nur mit Hilfe einer speziellen Tinktur plus einem Bündel sauberen Geldes seien die zu reinigen und somit zu retten. Es ist bewundernswert, dass die Ganoven bei diesem bescheuerten Vortrag nicht selbst ins Prusten kamen, aber der so Angesprochene fand die Story plausibel und übergab ihnen laut Polizei 60.000 Euro. Die er seither vermisst.
Mein Freund J. kennt einen, der mal auf einen deutlich simpler gestrickten Trick reinfiel. Der Betreffende zog sich gerade Geld am Haspa-Automaten in der Wohlwillstraße, als ein irgendwie ostasiatisch anmutender Mensch starren Blicks herantrat und ihn mit sonorer Stimme derart hypnotisch bemurmelte, dass der darob willenlos gewordene Geldabheber seine frisch gezogenen Scheine wortlos übergab - und auf Geheiß des Fremden gar für üppigen Nachschub sorgte.
Natürlich fasst man sich da an den Kopf. Wer fällt bloß auf so was rein? Andererseits gibt es ja auch Leute, die an Astrologie glauben. Oder an Homöopathie. Der Murmler jedenfalls konnte an jenem Tag gleich mehrere freiwillige Spender von seiner Bedürftigkeit überzeugen und verduftete am Ende mit einigen tausend Euro. Bleibt die Frage, ob so etwas überhaupt justiziabel ist. Bedroht hat der Mann seine Opfer ja nicht. Nur sonor bemurmelt.
Auch der Herr auf dem Foto scheint nach unserer Börse zu greifen, doch es ist nur Schiller, dem wir heute Abend neben dem Cinemaxx-Kino begegneten.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Deep blue day“ von Brian Eno, „Sunday morning“ von James und „Kansas City“ von Jimmy Sturr & His Orchestra mit Delbert McClinton.
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