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30 März 2009

Eingeknickt



Heute, als wir in Planten & Blomen (Foto) am Untersuchungsgefängnis vorbeikamen, rief ich aus einer Laune heraus hinüber: „Osman, dein Bruder hat gesungen!“

Natürlich hätte ich auch Ede, Tobi, Pjotr oder Ahmed mit dem feigen Einknicken ihrer Brüder konfrontieren können, was ich hiermit virtuell nachhole.

Doch wie auch immer: Es kam keine Antwort.

Und dann waren wir auch schon am Kino angekommen und schauten „Slumdog Millionaire“, worum Osman, Ede, Tobi, Pjotr und Ahmed uns mit Sicherheit glühend beneidet haben.



22 März 2009

Locked-in-Syndrom



Weil sein Kofferraum hakte, musste Stephen Burch alias The Great Park sein Konzert in der Hasenschaukel auf einer wildfremden Gitarre spielen. Und er konnte keine CDs verkaufen, die lagen ebenfalls im Kofferraum.


Doch auf seiner Webseite kriegt man einige Alben sowie kostenlose Livekonzerte zum Runterladen, und warum sich das lohnt, zeigt nicht nur der kleine Clip aus der Hasenschaukel, sondern hoffentlich auch meine Rezension seines jüngsten Albums „The Great Park“:

Stephen Burch soll uns als „irischer Johnny Cash“ angedient werden. Lachhaft. Burch ist ein großartiger Künstler, der Vollbart trägt und Pullunder und manchmal eine Pfeife im Mund und der auf kargestmögliche Weise Einblicke ins zerrüttete Gefühlsleben eines einsamen Menschen gibt. Aber mit Cash hat er so viel zu tun wie das Pantheon mit einem Paternoster. Sehr viel näher ist er der brüchigen Welt eines Conor Oberst; mit dem Amerikaner teilt er sogar die schwachbrüstige helle Stimme, die immer wieder ins Zittern gerät vor Bedeutung und Schmerz. Der Ire verkörpert mit seinen Songs die Isolation des westlichen Individuums in einer Welt, die dich zur normierten Integration zwingt. Doch immer wieder fällt er raus aus dem System. Ein verzweifelterer Songanfang als „My mother called and she asked how I was/I said: she's gone, mama, she's gone“ ist kaum denkbar, und die Zeile „I'm counting friends on one hand“ stimmt auch nicht froher. Burch zupft Akustikgitarre zu kleinen tragischen Balladen, manchmal darf ein Gast Klavier, Harmonika oder E-Gitarre spielen, doch wenn man dieses Album gehört hat, haftet der Eindruck einer übergroßen Einsamkeit noch lange auf der Retina der Erinnerung. Ein kleiner Großkünstler, der seine Kunst der Tristesse abtrotzt. Und das, immerhin, hat auch Cash gemacht, manchmal. (mw) Quelle: kulturnews.de

Live ist der Ire übrigens ungemein witzig und aufgeräumt. Das scheint bei den meisten großen Melancholikern so zu sein – und bei einer Bevölkerungsgruppe besonders gut anzukommen: Frauen um die 20. Die Hasenschaukel war proppevoll davon; sie drängten gen Bühne wie die Küken zur Glucke.

Versteh einer die Frauen.


04 November 2008

Der Abend des Rezensenten

Matt: „Guckst du mit? Ich muss noch einige DVDs rezensieren. Aber alles Sachen ab 18.“
Ms. Columbo
: „Also sind Brüste zu sehen und nicht Kopf ab?“

Matt
: „Nein, Brüste sind ab 16, Kopf ab ab 18.“
Ms. Columbo
: „Ja-ha, das würde einem der gesunde Menschenverstand sagen – aber in Wahrheit ist es doch genau umgekehrt!“
Matt
: „Nur in den USA.“

Am Ende sahen wir einen Film von Uwe Boll.

Ohne Brüste.


Foto: Kinostar

24 Juli 2008

Mein Auftritt als Weltpokalsiegerbesieger

Gehe heute im „Weltpokalsiegerbesieger“-T-Shirt des FC St. Pauli zur Pressevorführung des Films „23 Tage“ von Detlev Buck.

Eine kongeniale Entscheidung, weil der Streifen ausschließlich aus YouTube-Fußballfilmchen rund um die EM besteht. Auftritt Matt, und siehe da: Der Anblick meines Shirts verwandelt die Anwesenden; er bringt sie zum Leuchten, von innen.

„Schönes T-Shirt!“, glitzert mich eine Frau aus Bucks Team an. „Danke“, glitzere ich zurück und nippe gelassen am Pappbecher Kaffee. Ein Offizieller von YouTube flüstert mir während der Pressekonferenz verschwörerisch ins Ohr: „Das T-Shirt habe ich auch!“ Ich recke ebenso verschwörerisch den rechten Daumen hoch. Auch Detlev Buck scheint zufrieden mit meinem Outfit. Und wie auch nicht?

Ohne ihn geplant zu haben, werte ich diesen Auftritt posthum als Feldversuch. Als studierter Sozio- und Ethnologe (wenngleich jeweils nur im Nebenfach) gilt es daraus nun ein belastbares Fazit zu ziehen. Es sieht einem Ratschlag zum Verwechseln ähnlich:

Wenn ihr da draußen, die ihr mühselig und beladen sowie sozial und sexuell unterversorgt seid, diesen Zustand rasch beheben wollt (und wer will das nicht?), so gehet in Stanislawskis Namen im „Weltpokalsiegerbesieger“-T-Shirt des FC St. Pauli auf Pirsch. Es wird euer Schaden nicht sein.

Noch ganz berauscht von so viel Zuneigung, die beinah schon Grenouille’sche Ausmaße erreichte, erzähle ich daheim von diesem erhebenden Tag.

„Als Wissenschaftler“, mahnt Ms. Columbo, „musst du auch die Gegenprobe machen und …“
„Neeiiiin“, falle ich ihr panisch ins Wort, „du willst mich nicht in ein HSV-Hemd stecken, oder?“
„… und dich mit der Raute in die Öffentlichkeit wagen“, fährt sie ungerührt fort.
„Ich bin empört und weise dein Ansinnen schärfstens zurück!“, weise ich empört und schärfstens ihr Ansinnen zurück.
„Ja, ja, immer den Weg des geringsten Widerstandes“, sagt sie.
„Was zu weit geht, geht zu weit!
Wissenschaft hin oder her.

Wie redet sie überhaupt mit einem Weltpokalsiegerbesieger? Na ja, wenigstens Buck versteht mich.

PS: Das Hemd hängt gerade auf dem Wäscheständer. Bis morgen früh ist es bestimmt wieder trocken.

03 Juni 2008

Das Bier der Erkenntnis

Der Komiker Vince Ebert grenzt in einem sehr verdienstvollen Sketch ein für alle Mal Wissenschaft, Religion und Esoterik voneinander ab – und zwar mit verblüffend einleuchtender Hilfe von Gerstensaft.

Das geht sinngemäß so:


Der Wissenschaftler vermutet, im Kühlschrank sei Bier, und schaut nach. Der Theologe dagegen vermutet, im Kühlschrank sei Bier, und basta. Der Esoteriker schließlich vermutet, im Kühlschrank sei Bier, er schaut nach, findet nichts – und behauptet trotzdem weiterhin, im Kühlschrank sei Bier.

Dazu passt das heutige Foto fast wie der Deckel unters Glas, entdeckt an der Fassade von „Angie’s Bierkeller“ in der Kastanienallee.

01 Juni 2008

Sex and the city

Als Kollege Kramer mich telefonisch zur Pressevorstellung von „Sex and the city“ anmeldete, fragte ihn die Promoterin: „Ist er schwul?“

Dennoch gelang es mir, vollkommen unvoreingenommen über dieses Erlebnis zu schreiben.

14 Mai 2008

Lose Zusammengekehrtes (3)

1. Du merkst endgültig, dass du allmählich alt wirst, wenn Helmut Kohl, der älter ist als dein Vater, eine Frau heiratet, die jünger ist als du.

2. Andererseits: Sie haben schon vor Jahren das Sterbegeld gestrichen. Jetzt müssen wir eh alle ewig leben.

3. Einen kümmert das alles natürlich selbst in Pakistan nicht: Dracula (entdeckt im Schaukasten des 3001-Kino).

30 März 2008

Der ewige Kampf mit der Technik

Nach der Tastenkombination Apple p begann der notorisch verhaltensauffällige Multifunktionsdrucker ächzend und rödelnd mit der Arbeit. Also wie immer.

Allerdings ächzte und rötelte er enervierend lange. Er kam einfach nicht zu Potte und klang dabei immer verzweifelter. Das erregte schließlich meine Aufmerksamkeit.

Ich schaute nach und sah: Es lugte nur das obere Fünftel der Seite aus dem Dunkel seiner Eingeweide, und trotz seines Ächzens und Rödelns bewegte sie sich keinen Millimeter. Unter nicht unbeträchtlicher Mühe rupfte ich das Papier gewaltsam aus dem Schacht. Doch woran lag’s?

Wie sich herausstellte, trug ich selbst die komplette Schuld. Also wie immer. Ich hatte nämlich das Stromkabel des Laptops so zielgenau auf dem Rest des Leitungswirrwarrs im Büro abgelegt, dass es in den Papiereinzug des Multifunktionsdruckers rutschen konnte.

Und warum auch nicht? Aus Sicht eines vereinsamten Stromkabels war es dort angenehm kuschelig, wie gemacht also für eine unbehauste Leitung, die sich zurücksehnt in jene Trommel, der sie einst entsprang.

Als der Drucker dann losächzte, zog er so neben dem Blatt natürlich auch das Stromkabel mit ein, was schließlich zu Stau und Verstopfung führte. Jetzt steckte das Kabel drin im Drucker, eingeklemmt und jämmerlich.

Ich tat, was ein Mann tun muss. Zum Glück hat Ms. Columbo nicht gesehen, wie ich unter Ächzen und Rödeln versuchte, dem Schlund des Multifunktionsdruckers das Kabel wieder zu entwinden.

Am schmeichelhaftesten wäre es noch gewesen, wenn die Szenerie sie an den „Weißen Hai“ erinnert hätte. Die Chance auf „Mr. Bean“ war gleichwohl größer.

27 März 2008

Was ist mit Krell?

Provinzkino ist toll. Nicht wegen der Filme, die sind ja überall gleich. Sondern wegen der Provinzwerbung im Vorprogramm.

Aus Marburg etwa blieb mir die Diaschau der Glastanzdiele Hermershausen unvergesslich, vor allem wegen des Namens. Welch eine Jugend muss das sein, deren Höhepunkte (sic!) untrennbar verbunden sind mit der Glastanzdiele Hermershausen! Bis heute denke ich an diese Begegnungsstätte mit warmen Gedanken zurück, obwohl ich sie niemals aufsuchte.

Unübertroffen aber blieb jener Provinzkinospot, den ich einst im Dillenburger Gloriakino die Ehre hatte kennenlernen zu dürfen. Er kam von einer Herborner Zoohandlung namens Krell, und das Großartigste an dieser unbeholfen hintereinander drein stolpernden Bilderfolge war der wirklich unübertreffliche Claim, auf den selbst eine Spitzenagentur wie Scholz & Friends niemals gekommen wäre.

Er lautete: „Hast du ein Heimtier, liebt Krell auch dein Tier.“

Vorgestern waren wir wieder einmal im Gloria in Dillenburg. Wir warteten auf Krells neusten Werbespot. Es war klar: Er wäre der Höhepunkt des Abends. Wir warteten. Doch er kam nicht.

Das hat echt den ganzen Film überschattet.

PS: Wenigstens gelang mir danach auf der Heimfahrt irgendwo vor Hannover das abgebildete Foto, und das bei Tempo 150. Ist aber nur ein kleiner Trost.

08 Dezember 2007

Pflock ins Herz!

Der notorische Indieschluffi C. sang heute plötzlich wie aus dem Nichts „Ich war noch niemals in New York“ vor sich hin. Und ein paar Stunden später einen Song von Nena.

Normalerweise singt er NIE, nicht mal einen Song von Bloc Party. Wir waren tief besorgt. Als er nachmittags den Raum zum Rauchen verließ, fingen wir an, über ihn zu tuscheln.

Meine wahrscheinlich mit hektischen roten Flecken auf den Wangen vorgebrachte Theorie erwies sich in der Diskussion als die plausibelste: C. wurde ausgetauscht, wie in „Die Dämonischen („Invasion of the body snatchers“)“.

Dabei war IHNEN allerdings ein Fehler unterlaufen, und jetzt summte der Indieschluffi völlig wesensfremd Udo Jürgens. Auch die Austauschfabriken im All können halt immer noch besser werden.

Egal: C. war jedenfalls ausgetauscht worden. Er war in Wahrheit nicht mehr C., aber immer noch rauchend auf der Balustrade. Was also tun? Wie sollten wir adäquat reagieren auf seine Rückkehr? Immerhin ahnte er nichts von seiner Enttarnung; das war unser Vorteil. Alle Trümpfe lagen bei uns.

Ich schlug flüsternd das probateste aller Mittel vor: Pflock ins Herz. Meine Kollegin war sofort einverstanden. Doch wer sollte es tun? Schließlich ist niemand von uns als van Helsing geboren.

Zum Glück kam plötzlich der Cleaner reingeschneit, und damit war die Sache rasch erledigt. Zumindest auf leicht variierte Weise.


PS: Das Foto zeigt C. vor dem Austausch. Natürlich habe ich ihn, klüger geworden durch jüngste Vorfälle, unkenntlich gemacht.

26 November 2007

Das Leben ist gerecht

Wie wir genau auf Hollywoodikone Mae West kamen, weiß ich auch nicht mehr.

Jedenfalls erklärte mir Ms. Columbo plötzlich mit deutlichen Zeichen der Erheiterung, der Künstlername dieser legendären Sexbombe (wie man das damals noch nannte) habe auch konkrete Bedeutungen. Nämlich sinnigerweise „aufgepumpte Schwimmweste“ und „Panzer mit Zwillingstürmen“.


Manchmal ist das Leben eben doch gerecht.

Nur in Dubai eher selten. Dort soll ein Brite, der auf dem Flughafen an Bewegungsmangel litt und sie mit Liegestützen bekämpfte, für drei Monate ins Gefängnis gewandert sein – Delikt: „Belästigung des Flughafenbodens“.

Man stelle sich erst mal vor, er hätte Mae West belästigt.

Andererseits wissen wir ja alle seit Schäuble: Wer nichts zu befürchten hat, hat auch nichts zu verbergen. Chrome’s Blog hat den Nachnamen unseres Innenministers daher mal durch den Anagrammfleischwolf gejagt und stieß auf „Belausche“ und „Ach, Übles“.

Manchmal ist das Leben doch gerecht – hätte ich beinah gesagt, doch das habe ich ja schon.

Der Anblick des winterlichen Ottensens von heute Abend hat übrigens mit all dem nicht das Geringste zu tun.


12 November 2007

Cruise grinst Hitler weg

Gestern sahen wir im Kino den Trailer zum Film „Walküre“ über das Attentat auf Hitler vom Juli 1944. Hollywoodstar Tom Cruise spielt Claus Schenk Graf von Stauffenberg, also die Hauptrolle.

Eine kleine Sequenz aus diesem Trailer pflanzte mir den Stachel der Skepsis ins Hirn, und dort wird er bleiben bis nächsten Sommer, wenn „Walküre“ ins Kino kommt.

Sie geht so: Einer der Mitverschwörer spricht gegenüber Stauffenberg von der Todesgefahr, in der sie alle schweben, und Tom Cruise antwortet so was wie: „Wie werden dem Tod heute noch öfter begegnen.“ Das ginge ja vielleicht noch durch als üblicher Hollywoodsprech für pathetische Situationen, in denen die Furchtlosigkeit des Helden durchscheinen soll. Doch während Cruise das sagt, grinst er auf seine hundertfach erprobte Weise aasig sarkastisch, als wäre er ein Broker, der als nächstes die Chefsekretärin flachlegen will.

Weiter entfernt vom realen Stauffenberg können diese zwei Cruise-Sekunden einfach nicht sein, dafür umso näher am draufgängerischen Sonnyboy, der diesem schrägen Diktator jetzt mal zeigen will, was ’ne richtige Harke ist – let’s roll!

Oh Mann. Der Film wird bestimmt ganz, ganz furchtbar. Und für solche Cruise-Momente durften sie im Bendlerblock drehen.

Wahrscheinlich werden Ms. Columbo und ich uns „Walküre“ trotzdem ansehen. Aber nur, wenn parallel kein EM-Spiel läuft.

PS: Wer generell wissen will, was zurzeit im Kino sehenswert ist und was man tunlichst meiden muss, sollte sich donnerstags auf Gunnars brandneuem Kinoblog Orientierung holen. Selbst wenn er einen Film noch nicht gesehen hat: Eine Meinung dazu hat er immer, garantiert …

26 Oktober 2007

Der Riss nach dem Strick



Nachdem ich und zwei Dutzend Journalisten bereits knapp zwei Stunden der Pressevorführung von Anton Corbijns Biopic „Control“ durchgestanden haben, reißt kurz vorm Ende der Film.

„Control“ handelt in edler Schwarzweißtristesse vom kurzen tragischen Leben des Joy-Division-Sängers Ian Curtis, der sich im Mai 1980 erhängte, mit 23.

Der Film reißt in der Sekunde, als Curtis nach dem Strick greift.

Sofort geht das Licht an, und
zwei Dutzend Journalisten schauen ratlos. Das könnte, rätseln wir, auch das Ende des Films sein, ein elliptisches, aber doch etwas … plötzlich. Doch im Projektionsraum wird hektisch gewerkelt, Minute um Minute, es wird also weitergehen.

Wir bleiben sitzen, und ich muss sagen: Es hat etwas sehr Makabres, mit zwei Stunden Tragödie in den Knochen im hell erleuchteten Saal darauf zu warten, dass Curtis sich endlich, endlich erhängt.

Irgendwann erlischt wirklich wieder das Saallicht, die Leinwand wird hell. Es geschieht, was geschah. Und Ende. Der Abspann ist unterlegt mit meinem Lieblingssong von Joy Division, „Atmosphere“.

Das Wochenende soll übrigens sonnig werden.

09 Oktober 2007

Ein Abend mit Busch-Frauen

Nach einem dänischen Stummfilm, den ich mit A. im 3001-Kino besuche, wird überraschend noch ein Bonusstreifen gezeigt. Er heißt „Die schwarze Messe“, dauert acht Minuten – und ist ein mit Beethovens 9. Sinfonie unterlegter deutscher Hardcoreporno von 1928.

Schon damals ging es heftig und geübt zur Sache, o ja, aber das überrascht nur Leute (wie mich), die sich nicht von Zeit zu Zeit mal wieder klar machen: Sobald man kurbeln konnte, flogen auch die Klamotten in die Ecke. Pornos waren immer vorne, ob im Kino oder im Web.

„Was man sich ebenfalls viel zu selten klar macht“, sage ich danach versonnen in einer Bar namens „Bar“ zu A., „ist die Tatsache, dass nackte Menschen zu allen Zeiten weitgehend gleich aussehen. Sobald die Kleider weg sind, gibt es außer der Frisur keine Anhaltspunkte mehr – ohne Mode keine Chance.“

A. widerspricht bzw. präzisiert. „Man erkennt schon, in welcher Zeit ein Film spielt“, sagt er, „und zwar am Busch. So viele Haare wie 1928 trägt heute keine mehr.“ Als Pornodarsteller verfügt A. natürlich über eine viel breitere empirische Basis als ich, deshalb kann und darf ich die Grundsätzlichkeit seiner Aussage nicht anzweifeln.

Lieber mäandere ich hinüber zu einem weiteren Gedanken, der mich in der Bar befällt. Nur fünf Jahre, nachdem der anonyme Regisseur die Orgie abfilmte, übernahm Hitler Deutschland und damit wahrscheinlich auch die meisten der zahlreichen Akteure aus „Die schwarze Messe“. Deren unmaskiertes Treiben haben die Nazis möglicherweise heimlich goutiert, doch öffentlich bestimmt bösartigst missbilligt.

Was mag aus diesen ganzen Busch-Frauen geworden sein – Opfer oder Täterinnen, Mauerblümchen oder Mutterkreuzträgerinnen? Vielleicht lebt noch eine von ihnen, sie wäre heute um die 100.

Wenn ja: bitte melden. Ich hätte da einige Fragen.

30 September 2007

Oliver Stone und ich haben was gemeinsam


Link: sevenload.com

Reeperbahnfestival, dritter und letzter Tag, nicht mehr lang bis Mitternacht. Ich bin extra eine halbe Stunde zu früh im D-Club, um noch die Chance zu haben, mich in die ersten Reihen vorzukämpfen.

Denn Juliette Lewis
wird spielen, die Frau aus Oliver Stones „Natural born Killers“, und so eine schaut man sich nun mal nicht aus der Ferne an.

Der D-Club ist so voll, dass die Masse schier rausquillt auf den Spielbudenplatz. Dort steht eine unwirsche Schlange, die von grimmigen Türstehern gebändigt wird. Ich werde nur deshalb noch reingelassen, weil ich einen Wunderpass um den Hals trage und ein Wunderbändchen am Handgelenk.

Mit Letzterem musste ich die letzten Tage sogar duschen. Was man nicht alles tut für die Kunst und privilegierten Einlass. Jedenfalls klappt es, ich bin drin, und dann schubse, schiebe und kneife ich mich vor bis in Bühnennähe.

Dort ist neben Luftholen (sofern man die gasförmige Substanz, die sich hier zäh wie flüssiges Gummi durch die Bronchien zwängt, noch als Luft bezeichnen kann) keine andere Bewegung mehr möglich. Ein Zustand, der sich gegenüber dem, der folgt, als komfortabel erweisen soll.

Als die rockende Mimin auftaucht, bekomme ich eine Bierdusche ab, noch vor dem ersten Song. Das hätte mich warnen sollen, doch ich bin arglos, trotz der Erfahrungen vieler hundert Konzerte.

Dann legt die Band los, und sofort klärt sich die Lage auf fatalste Weise: Ich befinde mich zu meinem Entsetzen mitten unter hunderten von Hardcore-Fans. Und diese Leute sind brutalst entschlossen, jener Frau, die statt einer Serienkillerin heute Abend die klassische Rock’n’Roll-Bitch spielt, ihre Verehrung deutlich zu zeigen, vor allem physisch.

Für mich heißt das Übles. Um mich herum beginnt es zu brodeln und zu toben, hundert Kilo schwere Lewis-Fans beginnen unter demokratischer Berücksichtigung aller horizontalen und vertikalen Möglichkeiten zu hüpfen und verfehlen dabei nicht immer meine Füße.

Statt einer einzelnen Bierdusche setzt zudem ein Bierregen ein. Und von allen Seiten rammen mir enthemmte Wahnsinnige Ellenbogen in alle verfügbaren Weichteile.

Ich halte mit den Fäusten dagegen, setze beide Schultern ein, schlage zurück. Erzieherische Wirkung entfaltet das aber alles nicht. Irgendwann wird mir alles egal, und ich hole unter abenteuerlichen Umständen die Kamera raus, um mich endlich mal auf Augenhöhe mit Oliver Stone zu fühlen.

Wer die technische Qualität des Clips moniert, sollte bedenken: Jeder Wackler dokumentiert unsichtbar einen hingenommenen Schlag in die Rippen, jedes Verrutschen des Bildes einen gefühlten Zehenbruch. Was man nicht alles tut für die Kunst und Videodokumente für die Ewigkeit.

Danach kämpfe ich mich raus, biergetränkt, rauchverpestet, durchgewalkt. Und irgendwo tief drin keimt auf einmal beängstigend viel Verständnis für natural born killers, ich weiß auch nicht warum.

10 September 2007

Douglas Adams’ späte Rache

W., dem ich versprochen habe, ihn niemals in diesem Blog zu erwähnen, lenkte meine Aufmerksamkeit auf eine schöne Veranstaltung, ohne selbst daran teilnehmen zu wollen: einen Barkassenausflug auf der Frau Hedi durch den Hafen zu Countrymusik und Bier, mit DJ Chief Brody und der Liveband Oklahoma Ranch. Pro Törn acht Euro, stündlich Zustieg an Brücke 10.

Also rief ich A. an, und der war gleich begeistert, obgleich ihn Country kaum, das Schippern durch die Fleete aber umso mehr reizte. Doch der Abend schien zu Ende, noch bevor er begonnen hatte. Denn als wir um neun Uhr an Brücke 10 die Barkasse auf uns zutuckern sahen, rief uns ein hagerer Mensch mit Dreispitz auf dem Kopf schon vom Boot aus zu: „Das war die letzte Fahrt, zu wenig Leute!“ Also kein „Lost highway“ auf der Elbe – Schiet.

Wir enterten das Schiffchen trotzdem, auf ein Bier. Plötzlich aber legte es ansagelos doch ab. Wir strahlten, und A. holte zur Feier der Fahrt die nächsten zwei Bier. Der Mann mit dem Dreispitz erklärte die überraschende Weiterfahrt mit der Generosität der Band, die spontan auf ihre Abendgage verzichtet hatte.

Das war sehr honorig von Oklahoma Ranch, obgleich ihr außergewöhnlich mäßiger Auftritt, der bald darauf folgte, auch kaum mehr als keine Gage wert gewesen wäre. Doch die Darbietungen schimmerten im sanften Licht ihrer Mildtätigkeit, und wir beklatschten sie ausgesucht höflich.

Wieder an Land verschlug es uns ins Komet zur Veranstaltung „Top oder Flop“, wo normalerweise Schallplatten, heute aber VHS-Cassetten zur Versteigerung ausgelobt wurden. Wenn niemand bot, wurde der arme Tropf von Film mit einem Hammer zerstört und in die Runde geworfen. Ein großer Spaß. Man darf nur nicht im Wurfradius sitzen, denn auch eine kaputte Videocassette entwickelt beträchtliche kinetische Energie.

Doch in dieser Nacht wurden nur wenige Tapes zerstört; selbst letztklassiger Trash wie der sehr blutige Berliner Untergrundfilm „Operation Unterarm“ fand für 50 Cent oder so seinen Käufer – obwohl gerade dieser Steifen dermaßen no budget war, dass die Macher notgeboren auf Spezialeffekte verzichtet hatten und dem Bereitsteller des im Titel erwähnten Unterarms kurzerhand eine echte Nadel quer durchs Fleisch stachen.

Von diesem Film nahm ich vorsorglich Abstand, zumal ich die Durchstechszene (Foto) ja jetzt schon gesehen hatte. Dafür ersteigerte ich nach einem sehr harten Bietduell mit dem Wirt beide Tapes der englischen TV-Verfilmung von Douglas Adams „Per Anhalter durch die Galaxis“ – und beglich so eine Schuld, die mich exakt seit dem 5. Mai 2001 latent drückte.

An jenem verfluchten Samstag nämlich war mir auf dem Flohmarkt am Schlachthof die gleiche VHS-Edition für 15 Mark zu teuer erschienen, und ich hatte von einem Kauf abgesehen. Nur eine Woche später, am 11. Mai 2001, starb Douglas Adams, wahrscheinlich an gebrochenem Herzen, wofür niemand anderes verantwortlich war als ich elender Geizhals.

Nun also konnte ich, mehr als sechs Jahre später im Komet, diese Schuld endlich begleichen – für 8,50 Euro, was umgerechnet 16,62 Mark entspricht, also sogar mehr als damals.

Wenig später übersah ich auf dem Weg zur Toilette eine geschickt versteckte Stufe und verstauchte mir zurecht böse den linken Knöchel, der sich nunmehr seit Tagen im lähmend langsamen Abschwellen übt.

Wenn man alles zusammennimmt – Adams’ Abgang, sechs Jahre schlechtes Gewissen, eine schlechte Countryband, ein verstauchter Knöchel –, dann bin ich insgesamt noch sehr glimpflich davongekommen.


Sofern nichts mehr nachkommt natürlich.

27 August 2007

Die Sitzkrise

Gestern Abend im Kino wurde es mal wieder düpierend deutlich: Ich bin ein hyperaktiver Lümmler, Ms. Columbo hingegen eine gerade Stillsitzerin. Keine Ahnung, wie sie das macht. Sie setzt sich hin, und gut ist. Zwei Stunden lang.

Ich dagegen brauche schon mal vier Minuten, um überhaupt eine halbwegs akzeptable Sitzhaltung zu finden. Trotzdem geht es nach ein paar zehn Sekunden schon los mit den Korrekturen, Schwerpunktverlagerungen und Positionskämpfen.

Beine übereinander, links über rechts. Dann rechts über links. Abwechselnd einen bestrumpften Fuß aufsetzen auf die Lehne vor mir (sofern dort niemand sitzt natürlich), manchmal auch beide, aber nur kurz. Den einen Fuß unter den anderen Oberschenkel, eine Minute später vice versa.

Linker Ellbogen auf die Lehne, rechtes Bein strecken, linkes anwinkeln. Und über Kreuz und umgekehrt und durcheinander. In der Dunkelheit des Kinosaals gibt es übelst viele Kombimöglichkeiten für vier Extremitäten, da macht sich die Welt der Stillsitzer ja gar keine Vorstellung von. Und ich dekliniere sie samt und sonders durch an einem einzigen verdammten Kinoabend, selbst bei Filmen ohne Überlänge.

Da, wo ich herkomme, nennt man das übrigens „juckeln“.

Wenn der Streifen schließlich vorbei ist, stellt sich Ms. Columbo erstaunlicherweise doch nicht als eingefroren heraus (was ich stets insgeheim befürchte), sondern vermag federnd aufzustehen und den Saal zügig zu verlassen.

Ließe sich unser beider Kinositzverhalten in gejoggte Kilometer umrechnen, käme ich auf ungefähr zwölf, sie auf nullkommanull. Komisch, dass wir uns hinterher doch über den Film unterhalten können – ganz so, als wäre ich nicht die ganze Zeit mit völlig anderen Dingen als Hingucken beschäftigt gewesen.

18 August 2007

Die Pissnelke



In Winterklamotten gehen wir in dieser kalten Augustnacht rüber ins Millerntorstadion, angezogen von den cineastischen Verheißungen des 60er-Jahre-Trashfilms „Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn“.

Wir sehen Erstaunliches. Nämlich den jungen Fritz Wepper, wie er sich mit einer nackten Frau in den Laken wälzt. Wir sehen Leute, die LSD konsumieren, wir sehen bloße Brüste, und das in einem deutschen Film von 1967!

Gegen halb 11 geht drüben auf dem Dom das Feuerwerk los. Der Verständlichkeit der Filmdialoge nützt das natürlich wenig, doch das macht nichts – denn dafür fällt ein atmosphärischer Clip dabei ab, den man nirgendwo sonst auf der Welt drehen könnte.

Als ich mich auf dem Heimweg unserem Haus nähere, höre ich plötzlich eine Frau „Nicht schauen!“ kreischen. Der Imperativ dringt mir nur halb ins Bewusstsein; er wird auf die übliche Weise automatisch herausgefiltert.

Denn unter unserem Balkon geschieht allwochenendlich sowieso viel zu viel Seltsames und letztlich Harmloses, als dass man sich über Gebühr darum kümmern sollte.

Als ich fast an der Haustür bin, kreischt es indes wieder und sehr viel lauter „Nicht schauen!“. Ebenso hätte mich irgendjemand auffordern können: „Denk bitte jetzt gerade mal nicht an die Kleine Hufeisennase“, und an was hätte ich zwanghaft gedacht? Genau.
Natürlich schaue ich also jetzt hin und sehe eine ungefähr 19-Jährige, wie sie aufgebrezelt, großäugig und breit grinsend dahockt mit heruntergelassenen Hosen und auf den Gehweg pisst. Daneben steht ihre Freundin und überwacht die Situation.

„NICHT schauen!“, schreit die Pissnelke, und ihre Riesenohrringe wackeln im Wind. Ich schaue weg, schließe wortlos die Haustür auf und betrete die Wohnung.

Natürlich hätte ich sie aufs öffentliche Klo drüben auf der Reeperbahn hinweisen können, doch wozu? Es gibt schließlich Ziele, die viel eher zu erreichen sind, als Wildpinkler auf dem Kiez zur Rückkehr in die menschliche Zivilisation zu bewegen – zum Beispiel Weltfrieden.


10 August 2007

Von Gefriertüten und Eiderenten

Dieser Artikel auf Spiegel online über das Glück auf einer kleinen norwegischen Insel ist fast zu kuschelig, um wahr zu sein. Doch er glänzt mit einem wunderbaren deppenbindestrichlosen Wort. Es heißt „Eiderentendaunenschulden“.

Das Wort ist nicht einfach erfunden, sondern sorgsam eingebetteter Bestandteil einer Geschichte, die fast zu kuschelig ist, um wahr zu sein.

Überraschenderweise muss man das Wort kuschelig neuerdings auch auf den sprichwörtlich rustikalen Franken anwenden. Der mit allen Weihwassern gewaschene Grobmotoriker hegt und pflegt zu Hause eine umfangreiche Sammlung von DVDs, und genau eine einzige davon hat er unlängst aus Gründen des besseren Staub- und Erosionsschutzes eingeschlagen – und zwar in eine Gefriertüte.

Für Außenstehende klingt das wahrscheinlich nicht sonderlich liebevoll; es hätte gewiss für mehr öffentlichen Applaus gesorgt, wenn der Franke eine Schmuckschatulle verwendet hätte.

Doch für uns, die wir das Pech haben, tagtäglich mit seinem landsmannschaftlich typischen Rumgepoltere und seiner unterfränkischen Stoffeligkeit konfrontiert zu werden, steckt in der übergestülpten Gefriertüte eine rührende Symbolik.

Irgendwo nämlich, tief versteckt unterm Unterfrankenpanzer, scheint doch so etwas wie ein Herz zu pochen, wenn auch sehr, sehr leise.

Die interessanteste Frage aber ist die, welcher Film denn nun in den Genuss seiner schier zärtlichen Anwandlung kam. Uns erwartet eine überraschende Antwort.

Denn weder handelt es dabei um eine Scheibe seines geliebten Harald Schmidt, noch wurde einem David-Lynch-Film die Gefriertütenehre zuteil. Nicht einmal seine „Twin Peaks“-DVDs erfreuen sich der Spezialunterbringung.

Nein: Es ist die „Sissi“-Box!

Kramer und ich starren ihn an, als übte er gerade im Baströckchen einen Balztanz für den nächsten Christopher-Street-Day. „Weil das Cover aus Samt ist!“, ruft der Franke in einem lächerlichen Versuch, sich zu verteidigen. „Alles andere kann man abwischen!“

Er hat ausgerechnet die „Sissi“-Box in eine Gefriertüte gesteckt. Das ist unglaublich kuschelig. Und hätte der Franke bei irgendjemand Eiderentendaunenschulden, ich würde sie bezahlen, eventuell.


Das Foto der Eiderentenfedern schoss Ian Walker.

06 August 2007

Vom Knüppeln in verschiedenen Varianten

Auf dem heiligen Rasen des Millerntorstadions, wo am Wochenende mein FC St. Pauli noch sensationell Bayer Leverkusen wegknüppelte, steht jetzt eine große Leinwand. Freiluftkino – und das in einer warmen Sommernacht!

Auf dem Programm: Klaus Lemkes ebenso dilettantischer wie charmanter Hamburgklassiker „Rocker“ von 1971. Das Tollste am Film ist neben der unfreiwilligen Komik der derbe Kiezsprech jener Zeit.

„Komm mit raus, Torte!“, pflaumt da ein vom Feminismus noch völlig unbeleckter Koteletten- und Schnäuzerträger seine Ex an. Und ein Ganove namens Ulli fragt seinen kleinen Bruder: „Hast du schon mal ne Alte geknüppelt?“ Hat er nicht.


Parallel zur Filmspule dreht sich drüben auf dem Dom majestätisch das Riesenrad, von der Achterbahn und der Überschlagsschaukel (Foto) wehen die Lustschreie der Teenies herüber, und wir versuchen auf den Schalensitzen der Haupttribüne eine halbwegs bequeme Position zu finden.

Tags darauf schauen wir uns eine Dokumentation über eine Seychelleninsel an. Ein 150 Jahre alter Schildkrötenbulle kommt vor, der gerade eine gepanzerte Dame besteigt.

„Ich würde auch gern mit 150 noch ne Alte knüppeln können“, sage ich versonnen zu Ms. Columbo. Die Torte grinst süffisant, und ich nippe entschlossen optimistisch an meinem Single Scotch Malt (Laphroaig, 10-jährig).