16 September 2017

Von Huren, Wien und Unterhosen

„Mal sehen, ob er gut gemacht ist.“ Der Kiezbäcker nimmt meinen 50-Euro-Schein, mit dem ich leicht verschämt die Samstagsbrötchen bezahlen möchte, und fährt ihn mit einem grauen, an einen USB-Stick erinnernden Lichtstift ab.

„Meine Falschgeldausrüstung zu Hause ist eigentlich spitze“, sage ich. „So“, sagt der Kiezbäcker, während er den Fuffi wegsteckt und nach Wechselgeld kramt, „hab ich Sie auch eingeschätzt.“

Dieser kleine Dialog mit einer St.-Pauli-Institution – wer den Kiezbäcker nicht kennt: Er vertickt seinen körnerreichen Stoff in der Silbersackstraße – passt gut zum heutigen Tag. Denn dieses ohne den Kiez undenkbare Blog feiert schon wieder sein Wiegenfest, und zwar zum zwölften Mal. Damit dürfte die Rückseite der Reeperbahn endgültig zu den Methusalems der deutschen Blogosphäre gehören.

Was die Besucherzahlen angeht, so liegen sie momentan recht stabil zwischen 1.700 und 2.000 täglich, mit Ausreißern nach oben und unten. Erstaunlich angesichts meiner seit Jahren rückläufigen Blogfrequenz (in den vergangenen zwölf Monaten hat sie immerhin wieder etwas angezogen).

Insgesamt waren seit 2010 (die Statistik davor ist leider verlorgengegangen) 3.490.328 Interessierte hier, viele natürlich mehrfach.

Jeder und jedem Einzelnen dafür demütigsten Dank! Ohne Sie und Ihre Kommentare wäre dieses Blog schon längst den Gang alles Irdischen gegangen. Man kann und muss sogar sagen: Nicht ich halte es am Leben, sondern Sie. Und das meine ich ernst.

Eines ungebrochenen Zulaufs erfreut sich noch immer einer der ältesten Texte überhaupt, der am 27. September 2005 veröffentlichte „Die Huren“. Mit knapp 37.000 Zugriffen ist diese kleine empirische Anleitung, wie man sich am besten der Avancen von Davidstraßendamen erwehrt, auch der mit riesigem Abstand meistgelesene. Der auf Platz zwei gelistete – „Die geschüttelte Unterhose“ vom 22. September 2013 – kommt auf 5.919.

Besonders erfreulich finde ich die 5.605 Leser von „Der weltweit mieseste Espresso von ganz Wien“, weil sie möglicherweise nicht in dieselbe Falle stolpern wie wir. Hier auf der Rückseite der Reeperbahn werden Sie nämlich nicht nur unterhalten, sondern auch geholfen!

Danksagungen, Beschimpfungen und gutgemeinte Ratschläge bitte in den Kommentaren.

PS: Das Foto zeigt die Abendsonne überm Millerntorstadion, neben dem Kiezbäcker eine weitere Institution auf St. Pauli.

3 Kommentare:

  1. Also, ich erlaube mir, sozusagen als Glückwunschtelegramm, einen weithin unbekannten Literaturkritiker, etwas abgewandelt, zu zitieren:

    "Ein Stück Weltliteratur. Jedenfalls über die Welt von St. Pauli aus der Perspektive eines hierhin eremitierten Autoren und - im besten Sinne - Literaten. Der Blog ist eine Sammlung einzelner Geschichten und Episoden, die der Autor über Jahre selbst erlebt und in seinem ihm eigenen selbstironisch-respektvoll-unterhaltsamen Stil festgehalten hat.
    Der Autor unterhält den Leser mit seiner detailliert-blumig-metaphorischen Sprache mit viel Selbstironie sehr kurzweilig und spannend über all die Jahre."

    Besser hätte ich es auch nicht ausdrücken können. Meine Verehrung.

    Aber vielleicht liegt's auch nur daran, dass mein Lieblingsblogger aus meiner und über meine Lieblingsstadt schreibt. Aber Fernweh als Franke? Eigentlich undenkbar ...

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    1. Diesen Weltliteraten werde ich bei nächster Gelegenheit zu einem Gläschen Wein nötigen!

      Was das Fernweh der Franken angeht, so gibt es dafür historisch reichlich Belege. Schließlich beherrschte dieser sympathische Menschenschlag, der zurzeit nicht mal mehr über ein eigenes Bundesland verfügt, dereinst praktisch ganz Europa. Ohne die Franken kein Frankreich! Nur mal als Beispiel.

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  2. Lieber Matthias,

    unbedingt weitermachen! Sie verschönern mir die Zeit auf Erden!
    Mehr Kompliment geht doch nicht, oder?
    By the way... was haben sich die Entwickler von iOS11 dabei gedacht, die Tastatur auf dem iPad derart zu verkomplizieren? Für diesen kurzen Text benötige ich fast 10 Minuten!

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