08 Juni 2015

Wie werde ich zum Smartphonezombie?


Eine Kurzanleitung in acht Schritten

1. Um ein Smartphonezombie zu werden, brauchen Sie unbedingt ein „Mobile Device“. Zum Beispiel ein iPhone oder ein Tablet, es reicht auch ein gebrauchtes. Mehr ist gar nicht nötig. Alles Weitere liegt ganz allein bei Ihnen – genauer gesagt: aufm Platz.

2. Beginnen Sie Ihre Karriere als Smartphonezombie erst mal zu Hause und im Freundes- und Familienkreis, am besten beim gemeinsamen Essen. Nutzen Sie Ihr Gadget in geselliger Runde, indem sie draufstarren, statt sich an Gesprächen zu beteiligen. Machen Sie mürrisch „Hä?“, wenn Sie angesprochen werden, natürlich ohne aufzuschauen. Vor allem, wenn Sie zur Adipositas neigen, ist ein Dasein als Smartphonezombie bei der Essensaufnahme geradezu ein Segen: Denn jeder Tweet, den Sie tippen, jeder Facebook-Kommentar, den Sie hinterlassen, hält Sie nun mal von der Kalorienaufnahme ab. Smartphonezombies sind nachgewiesenermaßen um 30 Prozent schlanker als der Bevölkerungsdurchschnitt. Denken Sie mal darüber nach!

3. Treten Sie in die zweite Entwicklungsphase ein und nutzen Sie ihr Gadget in der Öffentlichkeit, am besten in Großstädten und – das ist das Wichtigste überhaupt! – während Sie sich fortbewegen. Zu Fuß ist gut für Anfänger, zu Rad für Fortgeschrittene und am Steuer eines Autos auf der sechsspurigen, von Dauerbaustellen zerschredderten Bundesautobahn meisterlich.

4. Wo immer Sie auch sind, was immer Sie auch tun, wer immer zugegen ist: Konzentrieren Sie sich ganz und gar auf ihren kleinen Screen, starren Sie drauf, ignorieren Sie komplett Ihre Umwelt. Aber: Bleiben Sie niemals stehen, bremsen Sie nicht, bewegen Sie sich weiter, immer weiter – das ist der entscheidende Punkt! Karriolen Sie also irre durch die Stadt, taumeln Sie passantengefährdend über den Bürgersteig, eiern Sie raumgreifend über Radwege, befahren Sie jede beliebige BAB in die Gegenrichtung, dafür aber unbedingt in Schlangenlinien – und starren Sie dabei un-a-b-l-ä-s-s-i-g auf den Bildschirm Ihres Mobile Device. Nicht hochschauen! Nicht ablenken lassen! Auch nicht von der Polizei, die Sie möglicherweise anhält – die starrt ja selbst irgendwo rein, um Ihre Daten abzurufen.

5. Zucken Sie nur kurz zusammen, wenn Sie mit jemand zusammenkrachen, aber überlassen Sie es dem Unhold, sich zu entschuldigen. Schließlich ist er der Blöde; er hat Sie ja gesehen und Sie ihn nicht. Das ist nämlich das Tolle, wenn Sie sich als Smartphonezombie etabliert haben: Sie sind damit die komplette Verantwortung für die Folgen Ihrer öffentlichen Anwesenheit los. Im Kleingedruckten der AGB Ihrer Gadgethersteller ist genau geregelt, dass Sie mit der Nutzung der Geräte die Verantwortung für alle Folgen kollektiv an jene übertragen, die solche Geräte noch nicht in der vorgesehenen Weise nutzen. Diese retardierten Hinterwäldler sind jetzt für Sie mitverantwortlich, wie eine Art Vormund – und zwar so lange, bis sie selbst zu Smartphonezombies geworden sind. Aber mal ehrlich: Wer das bis jetzt noch nicht geschafft hat, wird es wahrscheinlich nie mehr schaffen. Im Gegensatz zu Ihnen.

6. Verfluchen Sie ruhig innerlich den Laternenmast, der nicht ausgewichen ist, obwohl Sie gesenkten Kopfes einhermäanderten, doch lassen Sie sich von der blutenden Beule an Ihrer Stirn nicht von Ihrem neuen Lebensentwurf abhalten. Sonst werden Sie niemals ein Smartphonezombie von Weltklasse, und das kann keiner wollen.

7. Hauchen Sie auf der Trage im Rettungswagen mit letztem Atem: „Wo ist mein iPhone? Geht es ihm gut?“ Und wenn der Notarzt wortlos den Kopf schüttelt, dürfen Sie loslassen. Zu überleben hätte jetzt eh keinen Sinn mehr.

8. Sorgen Sie aber vorher unbedingt noch für einen riesigen Vorrat an aufgeladenen Lithium-Ionen-Akkus an einem geheimen Ort, den nur Sie kennen. Denn die Smartphonezombieapokalypse wird kommen, das ist so sicher wie das iPhone 7. Und dann werden Sie ganz vorne dabei sein.

Wir „sehen“ uns.

Foto: Apple




 

17 Kommentare:

  1. Du hast es auf den Punkt gebracht!
    Werde das mal verlinken in meinem Blog.

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  2. Ich werde sicherlich kein Smartphonezombie werden, ist mir viel zu gefährlich.
    Aber diese Smartphonezombies sind mittlerweile überall, hoffentlich wird man von ihnen nicht gefressen. ;)
    Ich habe es übrigens auch verlinkt.

    Gruß nach Hamburg von
    menzeline

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  3. Ich kann mich menzeline nur anschließen... viel zu gefährlich, bei dem Versuch mich damit während der Nutzung fortzubewegen, würde ich kläglich scheitern. Aber das am Tisch sitzen und draufstarren, beherrsche ich schon ein wenig... tja, aber für "smartphonezombie" reicht das wohl noch nicht ;-)
    Gruß aus Hamburgs Landgebiet
    Mischa

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    1. Dann hilft Ihnen meine kleine Anleitung ja sicher weiter auf diesem wichtigen Weg. Alles Gute dabei!

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  4. Olaf aus HH10.06.15, 17:35

    Ich habe immer meine Videofunktion an und starre auf den kleinen Bildschirm, wenn ich unterwegs bin... So sehe ich immer, was vor mir passiert. ;-) (Ironiiiieee)

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    1. Mist, jetzt hatte ich Sie gerade ernstgenommen.

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    2. Olaf aus HH17.06.15, 20:47

      Tja - so kann es dann mal kommen im richtigen Leben auf dem Kiez...
      Und ich habe bewiesen, daß ich kein richtiger Roboter bin ;-)

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  5. Ich bin ein Smartphonezombie.
    Bisher gehe ich nur... aber wenn ich erstmal die Autobahn in Gegenrichtung befahre, dann werde ich alle fressen, die sich mir in den Weg stellen. Zumindest beißen.

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    1. Das ist die ganz hohe Kunst – und ich weiß, Sie schaffen es!

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  6. Panama Jack15.06.15, 12:15

    Da kann ich doch zur weiteren Erbauung nur dieses ... ähm ... Lehrvideo nur wärmstens empfehlen:
    https://youtu.be/kNyTqIsrk0w

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    1. Genial – vor allem, weil es unzählige Arbeitsplätze schafft. Vielleicht eine Lösung auch für Griechenland?

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    2. Panama Jack16.06.15, 16:54

      Ach, das wäre vermutlich auch nur ein Strohfeuer auf dem Arbeitsmarkt ... in Belgien ist man da schon weiter: http://bit.ly/1dFUhtX
      Aber man sieht, ein sehr aktuelles Thema, das Sie hier behandeln :-)

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    3. Noch besser fände ich ja vergitterte Gänge für Smartphonezombies. Die Antwerpener Lösung birgt noch immer das Risiko des unkontrollierten Überschreitens der Seitenstreifen mit eventuell lethalen Folgen.

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  7. Panama Jack17.06.15, 13:36

    Ach so? Ich dachte, das ginge per App, und die Linien wären nur für die Nicht-Zombies ...

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