Am Palmenplatz – oder wie es im Tourismusbehördensprech heißt: Park Fiction – fand heute am frühen Abend eine Kundgebung aus Solidarität mit dem in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel statt.
Es war arschkalt da oben über der Elbe, was aber letztlich gut passte zum Objekt unserer Solidarität, welches die Rednerin Silke Burmester nämlich für „arschcool“ hält.
Ihre Einschätzung stützte sich dabei vor allem auf das bereits ikonografische Yücel-Porträt, das ihn zeigt mit wildem Haar, Rebellenschnauzer und Fluppe im Mundwinkel. Der Che Guevara des 21. Jahrhunderts! Und das hat der eher Koran- als Popkultur-affine Erdogan wahrscheinlich nicht bedacht, als er Yücel wegen eines Witzes und einer ungenehmen Interviewfrage in den Knast werfen ließ.
Auch Yücels Schwester Ilkay war erschienen. Erst vorgestern hat sie ihn im Gefängnis in Istanbul besucht und konnte berichten, dass er momentan a) wieder schreiben und b) wieder rauchen dürfe. Seine Texte allerdings dürften das Gefängnis nicht verlassen, und lesen dürfe sie auch keiner.
Die Resonanz der St. Paulianer und Hamburger Bevölkerung auf die „Free Deniz“-Kundgebung war übrigens betrüblich. Vor allem, wenn man das mal in Relation setzt – zum Beispiel zur Zuschauerzahl des HSV-Spiels gegen den 1. FC Köln am vergangenen Wochenende, wohin es 57.000 Menschen zog, die dafür sogar noch Eintritt bezahlten. (Ich gehörte dazu.)
Die Yücel-Solidaritätskundgebung auf dem Palmenplatz hingegen war umsonst und lockte dennoch nur eine dreistellige Zahl Interessierter aus der Komfortzone. Darunter übrigens keine Vertreter der großen Hamburger Medien, wie Silke Burmester mit deutlich vernehmbarer Bitterkeit in der Stimme anmerkte.
Dabei geht es um einen Kollegen, es geht um die Pressefreiheit, es geht darum, den üblichen Erstanwendungen von Diktatorenanwärtern früh entgegenzutreten: der Schwächung von Justiz und Presse.
Hoffentlich war wenigstens die Welt da, für die Deniz Yücel ja als Korrespondent in Istanbul arbeitete, als er ins Visier der Staatsmacht geriet. Morgen wissen wir (hoffentlich) mehr.
Die taz, auch ein ehemaliger Arbeitgeber des Inhaftierten, hatte Postkarten drucken lassen, darauf praktischerweise die Knastadresse von Deniz Yücel. Wie es hieß, freue sich Yücel über jedes Schreiben – und sei es nur deswegen, weil es die Poststapel, die ihm nicht ausgehändigt werden, anwachsen ließe und dies wiederum vielleicht den einen oder anderen Schergen ins Grübeln brächte.
Die Adresse lautet folgendermaßen:
Bitte schreiben, bis der Kuli streikt.
Dem Diktator sollen die Augen flimmern.