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13 April 2013

Time to say goodbye (5)


So, meine sehr verehrten Damen und Herren: Unsere schon seit einer gefühlten Ewigkeit wie sauer Bier angebotenen Bücher sind jetzt wirklich weg.

Drei kräftige, teils untersetzte Männer mit wenig Haupthaar und viel Bizeps luden sie in Kisten und trugen sie fort. Am Ende hingen nur noch Streben an der Wand, worauf die leeren Massivholzbretter lagen.

„Möchten Sie vielleicht auch die Bretter mitnehmen?“, fragte ich den Chef des Trios.
„Gärrnä! Sind gute Brättär. Kann ich gebrrauchän fürr Bau von Vögelhaus.“
„Sie meinen wahrscheinlich Vogelhaus. Mit o.“
„Ja, gännau: Haus fürr Vögeln!“
„Nein, nein, Vorsicht. Der Plural ist Vögel, also ohne n. Das könnte leicht missverständlich …“
„… Wie sagän noch in Teutsch zu Vögelhaus? Issä Puff? Gännau das will ich bauän mit Brättär!“
„Oh.“

Nun, der Dialog nahm nach dem absolut authentisch geschilderten Auftakt nicht ganz diesen Verlauf, das gebe ich zu.

Doch am Ende waren auch die Bretter weg, und das ist die Hauptsache.




08 April 2013

Serviettendeppen

Die „Teigtasche“ ist angeblich das weltweit einzige litauische Restaurant auf dem Kiez und überhaupt in Deutschland. Deshalb mussten wir auch endlich hin.

Neulich waren wir also da und suchten nach den Servietten. Bevor es Ihnen auch so geht: Lupfen Sie doch mal vorsichtig die Laschen der Ledertaschen, die auf jedem Tisch stehen.

Bei dem so leckeren wie öligen Brot (Foto) werden Sie sie brauchen. Nicht die Ledertaschenlaschen, sondern die Servietten.

Das litauische Bier ist übrigens auch köstlich. Aber im Vergleich zu Astra ist natürlich jedes Bier …  ich verzettel mich. Besser zurück zu den Servietten: Die haben wir Cleverles natürlich nicht selber entdeckt, die Kellnerin musste sie uns zeigen.


Und damit hat sich die ernsthaft erwogene Geheimdienstkarriere wohl erledigt.


01 April 2013

Time to say goodbye (4)



Wir waren sooo knapp dran …

Der nette Mann von der Rathauspassage hatte angerufen und einen Termin mit uns vereinbart. Er wollte – wirklich wahr, kein Scherz –  die Bücher abholen.

Aber dann, kurz vorm Termin, rief er wieder an: Er könne doch nicht kommen. Irgendein Unfall sei passiert, Genaues wissen wir nicht.

Aber eins wissen wir: Die Bücherwand ist immer noch da. Der große, kühne Plan, uns nach und nach vom Ballast irdischer Güter zu trennen: Er wird immer wieder torpediert, wahrscheinlich vom Universum.

Aus Frust spazierten wir am Wochenende stundenlang kreuz (sic!) und quer durch Hamburg und entdeckten dabei überall Hinweise auf den uns umgebenden Feiertag – siehe Fotos.


Doch als wir wieder nach Hause kamen, war immer noch da und nicht gen Himmel gefahren: die Bücherwand.

18 März 2013

Time to say goodbye (3)

Der Versuch, die von den unverlässlichen Freunden bisher verschmähten Bücher komplett an einen Profihöker zwecks Vermarktung zugunsten eines sog. „sozialen Projektes“ zu verschenken, scheiterte heute Mittag kläglich.

Dabei hatte der Ankäufer überall Kiezlaternenpfähle und -hauseingänge mit Zetteln bepflastert, auf denen ebenso großspurig wie offenkundig widerrechtlich behauptet wurde, er käme mit Freuden vorbei und nähme die ganze Sammlung mit – sofern „gut erhalten“.

Ja, Pustekuchen! Nach einem Blick auf die oben abgebildete Bücherwand verzog das überpünktlich hereinschneiende mittelalte Paar beinah angewidert das Gesicht und murmelte etwas von „maximal zwei bis drei Prozent interessant“. Die feinen Herrschaften vermissten plötzlich Sciencefiction und Krimis und waren derart schnell wieder draußen, dass Ms. Columbo und ich uns ungläubig schief angrinsten.

Ja, wo sind wir denn, dass diesen Leuten auf einmal Schiller, Lessing (Doris und G. E.), Houellebecq, Melville oder Foster Wallace nicht mehr gut genug sind? Ja, wo denn??

Das Foto oben war eigentlich als Erinnerungsstück gedacht, an dem sich dereinst Wehmut und Nostalgie entzünden könnten, sofern der bald losbrechende Sonnensturm der X-Klasse alle Daten der Welt hinwegrafft, auch die auf unseren elektronischen Lesegeräten. Wobei auch das Foto weggeblitzt werden würde, aber das ist jetzt mal kurz egal. (So funktioniert Dialektik.)

Erst neulich erst musste ich ja die Demütigung des Weggeschicktwerdens verdauen, als ein Plattenhändler angesichts meiner Tasche mit alten CDs quasi einen Lachanfall bekam. Und jetzt das. Kann man sich denn heutzutage nicht mehr ordnungsgemäß von seinen Besitztümern trennen, ohne zum Gespött zu werden? Kann man im 21. Jahrhundert nicht mehr vom Jäger und Sammler zum Abschaffer umschulen, ohne gesellschaftliche Ächtung zu riskieren?

Es war jedenfalls viel leichter, den ganzen Kram herbeizuschaffen, als ihn jetzt wieder loszuwerden. Wir müssen uns also wohl oder übel über kurz oder lang der charakterlichen Fragwürdigkeit des schnöden Wegwerfens schuldig machen. Mit dieser Schuld werden die Händler der Welt leben müssen. Und unsere feinen Freunde natürlich.

Als die unwilligen Höker entflohen, riefen sie uns noch einen Tipp zu. „Gehen Sie zur Rathauspassage“, schallte es schon halb aus dem Treppenhaus, „die nehmen ALLES.“

Der Subtext dieses Ratschlags gefällt mir übrigens ganz und gar nicht.


03 März 2013

Sie haben das N-Wort gesagt!





In den Seitenstraßen von St. Pauli entdeckt man auch nach vielen Jahren immer wieder Neues, zum Beispiel überraschend auftauchende Essgelegenheiten.

Unlängst stolperte ich in der Trommelstraße über ein mir bis dato völlig unbekanntes Steakhaus namens The Bird. Laut Speisekarte befleißigt es sich der gehobenen US-Küche und versucht sie dem Gast mit allerhand Allegorien schmackhaft zu machen.

So bewirbt The Bird eins seiner T-Bone-Steaks mit einem Vergleich, den selbst Brüderle höchstens denken, aber niemals sagen würde: „Fleischig und saftig wie eine hochbezahlte Nashville Nutte“.

Wenn ich eins auf dem Kiez gelernt habe (danke, Miele!), dann das: Nenn eine Prostituierte meinethalben Hure, aber nie, nie, niemals Nutte. Ersteres trägt sie wie ein Ehrenabzeichen, Letzteres dir ewig nach.

Dass nun ausgerechnet ein Restaurant auf St. Pauli eine in seiner Nachbarschaft  überproportional stark vertretene Berufsgruppe pauschal schwerst beleidigt, scheint mir doch recht unklug.

Am empörendsten aber – und da sind wir uns sicher sofort einig –  ist das hirnlose Deppenleerzeichen in „Nashville Nutte“.

Spätestens dieser Klopper dürfte in orthografisch gebildeten Ludenkreisen das Fass zum Überlaufen bringen. The Bird sollte schon mal die Fenster verrammeln.

Oder schnell die Speisekarte überarbeiten. Vielleicht ist es ja noch nicht zu spät.


19 Februar 2013

Mein Ausflug in den Familienblock

St. Pauli gegen Köln: Als Doppelfan muss ich da hin! Dass mir dies siedendheiß erst am Abend des Spiels einfällt, verbessert indes die Chance auf Umsetzung nicht unbedingt.

Doch siehe da: „Ja, ich habe noch eine Karte für 27 Euro, aber im Familienblock“, sagt die liebreizende Frau am Kartenschalter. „Gerne!“, jubiliere ich. „Familienblock deshalb“, erläutert sie, „weil Sie dort nicht rauchen und trinken dürfen.“

Wahrscheinlich glaubt sie, für mich sei diese Karte damit gleichsam vergiftet, doch es ist geradezu das Gegenteil der Fall. Denn: Ich werde hinterher nicht stinken wie Don Draper nach einem Kundenmeeting, mir werden keine Suffköppe Plörre übern Latz kippen, und auf der Toilette werde ich nicht ausrutschen, nur weil irgendein beschwipster Schwanker sich jedwede Treffsicherheit weggesoffen hat.

„Kein Problem“, sage ich also heiter, „aber ich muss doch kein Kind mitbringen oder so?“

„Nein, nein“, beschwichtigt sie.

„Und wenigstens Wasser gibt es dort zu kaufen?“

„Ja, ja.“

Vorfreudig schlendere ich kurz vor 8 rüber zum Stadion – und erblicke Schlangen vorm Einlass wie anno 77 in Ostberlin nach einer Bananenlieferung. Mild panisch reihe ich mich in etwa 50 Metern Entfernung vorm Eingang ein und nehme an, dass sie natürlich den Anpfiff verschieben werden. Schließlich kann man nicht Tausende draußen stehen lassen und drinnen einfach so tun, als wären sie schon drin.

Doch es geht recht zügig voran, weil vorn die Kontrolleure die Gefahr eines Aufstandes anscheinend mit einer zunehmenden Laxheit beim Abtasten zu mindern versuchen. Im Familienblock angekommen sehe ich aus dem Augenwinkel gerade noch das 0:1 und finde anschließend meine Reihe nicht.

Denn nirgends stehen Nummern, die Ordner können auch nicht helfen („Bin neu hier“). Als ich einen bereits sitzenden Fan frage, in welcher Reihe er sich befindet, glaubt er, ich wolle ihm seinen Platz streitig machen. „Ich sitze schon seit Jahrhunderten hier!“, schwört er mit Panik in der Stimme.

Immerhin finde ich heraus, dass es die richtige Reihe ist. Nur liegt mein Platz anscheinend am anderen Ende. Der seit Jahrhunderten mit seinem Schalensitz verwachsene Fan rät mir mit deutlicher Erleichterung, es vom anderen Aufgang aus zu versuchen, das sei leichter. Wahrscheinlich will er mich nur loswerden, weil er in mir einen Sargnagel für seine Sitzschalendynastie zu erblicken glaubt.

Also treppab, treppauf – und wieder das gleiche Problem: keine Reihennummern am Sockel. Deutlich zu lesen sind sie – wie ich bald herausfinde – nur auf den Lehnen der Sitzschalen, aber nur auf den Vorderseiten, und die werden ja verdeckt von denen, die draufsitzen. Ein Teufelskreis, und schuld ist der Stadionarchitekt.

Unmerklich habe ich inzwischen den Familienblock verlassen, das Spiel schreitet fort, Kalla ballert Horn an, und ich habe immer noch keinen Platz. Also gebe ich auf und setze mich einfach irgendwohin, ist ja hie und da noch was frei, trotz ausverkauft.

Ähnlich halten es auch andere Herumirrende. Keiner von ihnen findet den Platz, für den er bezahlt hat, also wird improvisiert. Ein fröhliches Hin und Her, schön chaotisch, aber hochkommunikativ. Wahrscheinlich möchte der FC St. Pauli so den Zusammenhalt der Fanbasis stärken, und das klappt auch. 


Man könnte die Maßnahme vielleicht noch effizienter gestalten, indem man von vorneherein überhaupt keine nummerierten Karten mehr anbietet, sondern „freie Platzwahl“ draufdruckt. Den Rest regeln dann der Markt und die Evolution („survival of the fittest“).

Um mich herum wird übrigens wohlgemut gekifft und gesoffen, als gäbe es morgen kein Gras und auch kein Astra mehr; als Thorandth mit Gelb-Rot vom Platz fliegt (42.), tun es ihm viele volle Becher nach; die eisige Luft ist plörregesättigt, und auf der Toilette pieselt bestimmt gerade irgendein beschipster Schwanker auf die Brille und gern auch mal daneben. Als ich nach Hause komme, stinke ich wie Don Draper nach einem Kundenmeeting.

 

So viel also zu meinem Ausflug in den „Familienblock“. Aber kein weiteres Wort zum Ergebnis des Spiels. Da, euer Ehren, berufe ich mich auf mein Aussageverweigerungsrecht als Schwerstbetroffener.

09 Februar 2013

Gescheitert beim Verramschen

Die Trainingsphilosophie von Chris, dem Schlächter, kann man kurz und bündig zusammenfassen. Sie lautet: Zuckerbrot und Peitsche – nur ohne Zuckerbrot.

Sein allsamstägliches Vorgehen beim Fitnesskurs ist der Hauptgrund, weshalb ich über den Schlachthofflohmarkt wankte, als spielte ich in einem George-Romero-Film mit, aber keinen von den Lebendigen.

Die trotz dieser anatomischen Einschränkungen tapfer durchgeführte Suche nach Weinraritäten zum kik-Preis führte zu keinerlei Ergebnissen. Wenn ich also schon nichts zu  kaufen finde, dachte ich mir, dann verkaufe ich wenigstens was.

Also suchte ich zu Hause einen Stapel alter CDs zusammen und radelte ächzend in die Feldstraße zu Ruff Trade Records. Ein graubärtiger Althippie saß dort hinterm Tresen. Ich fragte ihn, ob er mir ein paar CDs abnehmen wolle.

„CDs?“, brummte er und schaute, als hätte ich ihn gefragt, ob er sich vorstellen könne, mit mir nach Tuvalu auszuwandern, „die kannste gleich wieder mitnehmen.“ Und das meinte der Mann auch noch ernst; er wollte nicht mal einen Blick in meine Tasche werfen.

Solche Erlebnisse zeigen überdeutlich, dass die Totenglöckchen für dieses kaum 30-jährige Trägermedium längst bimmeln. Mit Vinyl kann man inzwischen wieder richtig was reißen, aber CDs sind oft nicht mal mehr so viel wert wie ein Ersatzjewelcase, das man für das verkratzte alte kaufen muss, damit die CD überhaupt noch was wert ist.

Ich sitze übrigens auf Tausenden dieser Scheiben. Aber das haben Sie sicher schon geahnt.


01 Februar 2013

Ich ist ein anderer

Beim Stöbern in meiner eigenen Plattensammlung fiel mir heute ein apart gestaltetes Album in die Hände, welches ich noch nie im Leben gesehen zu haben glaubte.

Neugierig geworden googelte ich danach – und stieß bei Amazon auf meine eigene Albumrezension.

An unserer Wohnzimmerwand hängt ein Gemälde des Künstlers Bodo W. Klös. Es zeigt ein viergeteiltes Porträt des Poeten Arthur Rimbaud, der einst den mysteriösen Satz schrieb: „Ich ist ein anderer.“

Meine Kritik des Albums ist übrigens erstaunlich zutreffend. Von diesem Rezensenten würde ich gern mehr lesen.

Wo kann man ihn liken?

30 Januar 2013

Es folgt: kein Mucks über Bowie!

Gestern  spielte man mir an streng geheimem Ort, einem versteckt gelegenen Aufnahmestudio in Altona, das neue Album von David Bowie vor. Es erscheint am 8. März.

Bevor es losging, musste ich eine verpflichtende Erklärung unterschreiben. Sie ermöglicht es den Sicherheitskräften, mich standrechtlich zu köpfen, sofern ich vor dem 25. Februar auch nur den leisesten Mucks über die Musik abtropfen lasse. Aufs Niveau dieses Blogs hätte die Strafe wahrscheinlich eine qualitätssteigernde Wirkung, mein Wohlbefinden allerdings wäre womöglich beeinträchtigt.

Deshalb halte ich lieber fein säuberlich die Klappe und erzähle nur von diesem dringenden Bedürfnis, das mich nach dem letzten Track befiel (und nein, das hatte GAR NICHTS mit dem letzten Track zu tun und ist somit KEIN MUCKS über Bowie, damit das ganz klar ist!).

„Entschuldige“, sagte ich zu einem Studioangestellten, „gibt es hier eine Toilette?“ „Ja, nur kenne ich das Passwort von dieser Etage nicht“, antwortete er und entsicherte sein Smartphone, „aber ich kann dir schnell das Hotspotlogin vom WLAN zumailen.“

Hotspot? Login? WLAN? Ich wollte doch einfach nur pinkeln.

Aber so dringend war es dann auch wieder nicht.


PS: Beim Bild oben handelt es sich lediglich um ein allgemeines Beispielfoto. Eigentlich wollte ich den Zettel mit den Songtiteln als Illustration benutzen, doch dann habe ich von Guillotinen geträumt und es lieber gelassen.


21 Januar 2013

Nase zu und durch

Die Vogelschar, die sich mitten auf der Seilerstraße an irgendeinem Leckerli gütlich tut, muss aufgemischt werden.

Mit dem Fahrrad lässt es sich hervorragend mit Karacho hineinsteuern in dieses Gefiedergewirr, so dass alles lustig auseinanderstiebt, die Tauben und die Möwen.

Beim Durchbrettern wird indes bestürzend deutlich, woran die Vögel sich so interessiert labten: an einer sonntagsmorgens auf den meisten Kiezstraßen handelsüblichen kapitalen Kotzlache. Bremsen oder Ausweichen ist nicht mehr drin, es heißt Nase zu und durch.

Immerhin hat mir das eine sehr gute Begründung dafür verschafft, etwas nicht zu tun, das ich eh nur sehr selten getan habe, aber nur aus Faulheit: das Fahrrad im Haus unterzustellen.

Ich möchte übrigens nie mehr in einer Stadt leben, wo es keine Möwen gibt. Habe ich das schon mal gesagt?


10 Januar 2013

Ärmer, aber nicht um eine Erkenntnis

Als wir unlängst über eine Brücke die Speicherstadt verließen, sahen wir einen zylindrigen Pfeiler aus den trüben Fluten aufragen. Er endete ein paar Meter unterhalb der Brücke.

Interessanter noch als seine uns Landratten unbekannte Funktion, auf die auch das aufgepflanzte Nummernschild keine näheren Hinweise geben konnte, erschien uns augenblicklich die beträchtliche Münzsammlung, die es sich auf dem Pfeiler wohlergehen ließ.

Wie kamen die Geldstücke bloß dort hin? Ein Wurf von der Brücke musste doch unweigerlich dazu führen, dass das auftreffende Hartgeld seine überschüssige kinetische Energie sogleich zu einem Satz ins Wasser … ähem … ummünzen würde.

Das wollte ausprobiert werden: Sportlichen Herausforderungen nie abgeneigt, kramte ich sogleich in der Parkatasche nach etwas Rotgeld (so viel Geiz muss sein), fingerte ein Zweicentstück hervor und erbat Ms. Columbos voll(st)e Aufmerksamkeit. Sie stellte sich erwartungsvoll ans Geländer und harrte des Stunts ihres angetrauten Helden.

Ich visierte das Ziel an, schwang sachte den Unterarm, ließ die Münze los – und verfehlte den Pfeiler.

In 80.000 Jahren werden Archäologen sie aus dem seit Ewigkeiten erstarrten Elbgrund buddeln und wichtige Hinweise auf die Lebensweise im 21. Jahrhundert gewinnen. Bis dahin bin ich um zwei Cent ärmer.

Und der Gegenwert dieser Investition war auch eher mau, offen gesagt.


02 Januar 2013

Das lässt tief blicken

Am Neujahrsmorgen standen unten vorm Tunnel – einer Diskothek, deren Eingangsbereich wir von unserem Balkon aus sehen können – junge Menschen im Winterregen, darunter eine Frau im kleinen Schwarzen und wadenfrei.

Im Winter sieht man so was erstaunlich oft in Hamburg und vor allem auf dem Kiez, wo das Bedürfnis, sich zu präsentieren, anscheinend stärker ist als jede Lungenentzündungsbefürchtung.

Man sieht sogar bei Minusgraden schalfreie Hälse und Dekolletees von einer derartigen Tiefe, dass sich in ihren Spalten jeder dahergelaufene russische Eiswind formidabel aufwärmen kann. (Und ich spreche nicht von den Huren in der Davidstraße; die tragen nämlich Skianzüge.)

Ich und Ms. Columbo laufen derweil vollvermummt an diesen merkwürdigen Menschen vorbei und fragen uns, ob wir wirklich zur gleichen Spezies gehören. Wenn hier eine dieser Winterhalbnackedeis mitliest: Frieren Sie denn nicht? Und wenn ja: warum bloß nicht?

Ich frage für eine genetisch benachteiligte Halbsardin, die sich schon ins Lammfell mummelt, wenn sie nur Langnese-Werbung im Fernsehen sieht.

Übrigens ließ auch unsere Haustür am Neujahrsmorgen tiefer blicken als noch am Abend zuvor, doch das ist ja durchaus nicht unüblich – und damit für dieses Jahr hoffentlich erledigt.

16 Dezember 2012

Watt Muse, datt Muse

Beim Muse-Konzert in der o2-Arena filme ich mit der Digicam einen Song mit, als mir plötzlich jemand eine Hand auf die Schulter legt. Es ist eine Ordnerin.

„Bitte stellen Sie das Filmen ein“, brüllt sie mir ins Ohr, „das ist untersagt!“

Wir befinden uns im Unterrang. Einige Meter tiefer wogt die Fanmasse, die Stehplätze erworben hat. Man sieht Dutzende, vielleicht Hunderte Handys und Kameras, die im Dunkeln leuchten.

Alle filmen mit.

Ich würde der Ordnerin gerne erläutern, wie sinnlos der Versuch ist, Zahnpasta zurück in die Tube zu drücken. Aber dazu ist es einfach zu laut.

Und es würde auch die Aufnahme verderben.

11 Dezember 2012

Von 0 auf 180 – und zurück

Auf einer Handelsplattform im Netz, wo man auch Produkte aus zweiter Hand verkaufen kann, hatte ich eine CD aus meinem überbordenden Archiv eingestellt und erfolgreich verkauft, für 12,88 brutto. Zwei Tage nach dem Versand erhielt ich vom Käufer eine Mail. Sie klang unzufrieden:

Hallo, leider musste ich eben feststellen das sie mir die Falsche Ware zugeschickt haben!! Ich habe die CD inkl. DVD bestellt. Sie lieferten mir die Standard-Version des Albums! Wie sollen wir jetzt verfahren???? Frechheit zumal Ihr Ware bei CD gelistet ist/war!
Anscheinend hatte ich beim Einstellen das falsche Produkt angeklickt und es nicht bemerkt. Er schon, und wie. Noch ehe ich mich von meiner schamvollen Verdatterung erholen konnte, pingte seine nächste Mail ins Fach. Diesmal sparte er sich auch die Anrede und wählte das Stilmittel der unmittelbaren Ansprache:

Zumal ich dies als betrug bewerten kann, denn allein die Coverdarstellung ist die der Deluxe-Version mit DVD!!! Sie haben mir die Standard zugeschickt!!!! Und dann auch noch im Lieferschein stehend: CD. Obwohl die Listung bei CD+DVD stand. Klicken sie einmal auf den Artikel und schauen sie wo er gelistet ist!!
Wie mir schien, war dieser Mann rechtschaffen empört. Und sämtliche seiner Rückschlüsse waren alles andere als schmeichelhaft für mich. Allein das Wort „betrug“ in Zusammenhang mit mir lesen zu müssen, traf mich tief, trotz der Kleinschreibung. Dennoch kam ich nicht umhin, seine Suada nah an der Überreaktion anzusiedeln.

Für ihn gab es, wie mir schien, keine andere denkbare Erklärung für die ihm zugemutete Ungeheuerlichkeit als die kriminelle Energie eines Dr. Mabuse. Und der zu begegnen, bedurfte es aus seiner Sicht offenbar keineswegs des Floretts, sondern eines kapitalen Flakgeschützes.

Man liest in letzter Zeit viel von marodierenden Trollen im Netz, von Tobern und Pöblern, und es heißt, es läge an der Anonymität, die selbst wohlerzogene Mitbürger dort alle Anstandsregeln vergessen ließe. Wo im richtigen Leben (neudeutsch: RL) gemeinhin vier bis fünf Eskalationsstufen durchlaufen werden müssen, ehe man endlich beim „ARSCHLOCH!“ anlangt, sind es online höchstens die Hälfte. Mein Kunde schien diesen Erklärungsansatz zumindest nicht vollends zu widerlegen.

Ich beschloss, dieser Attacke auf meine Integrität, ja auf mein ganzes säkulares Moralsystem angemessen zu begegnen. Nämlich mit brutalstmöglicher Höflichkeit: 

Entschuldigen Sie vielmals, das war ein Fehler und keine Absicht. Ich erstatte Ihnen selbstverständlich Ihre Kosten. Behalten Sie bitte die CD. Ich hoffe, Sie können mir diesen Fauxpas nachsehen. Mit freundlichen Grüßen.
Die Wirkung war erstaunlich. Seine Reaktion kam nur wenige Minuten später – und grenzte geradezu an Selbsterkenntnis:

Hallo, Danke für den schnellen Schriftverkehr. Mir tut es selber Leid hier einen aufriss zu machen. Bitte entschuldigen sie meine Wortwahl. Da ich ihnen dankbar bin für Ihr verständniss etc. biete ich ihnen an mir 10€ zurück zu überweisen den rest dürfen sie getrots behalten. Ich danke Ihnen nochmals, mit frdl Grüßen und einer schönen vorweihnachtszeit. LG
Doch so leicht wollte ich ihn nicht vom Haken lassen. Wer mich beim Tippen der folgenden Zeilen beobachtet hätte, hätte mich sardonisch lächeln sehen:

Ich habe Ihnen den Komplettbetrag zurücküberwiesen. Da ich die CD falsch zugeordnet habe, muss ich auch die Kosten tragen. Aber danke für Ihr Angebot! Wenn Sie mögen, können Sie mir ja trotz der Umstände eine positive Bewertung geben. Besten Gruß.
Er hatte als tollwütiger Hammerhai angefangen. Aber jetzt war er nur noch ein Putzerfischchen, und man kann nun wirklich nicht sagen, dass diese Entwicklung die (Online-)Welt schlechter macht, oder? Er schrieb steviasüß zurück:

Bewertung wurde ebend gemacht. Positiv natürlich  ;-) Alles alles liebe und gute!!!
Einen Heiratsantrag hat er übrigens nicht nachgeschoben. 
Na ja, noch nicht.



06 Dezember 2012

Sehr delikatet

Nehmen wir mal an, ich käme auf die Idee, mit Ms. Columbo in Peking ein Restaurant mit hanseatischer Küche aufzumachen.

Nehmen wir des weiteren an, eines Tages wäre – sagen wir – überraschenderweise Herbert Grönemeyer zu Gast, und wir beschlössen, dieses Großereignis zu Eigenwerbungszwecken der Welt resp. ganz Peking per Schaufensteraushang zu verkündigen.

Gesetzt also diese unwahrscheinlichen Fälle: Würden wir uns dann wirklich ohne jede einheimische Hilfe mächtig einen auf Chinesisch abbrechen? Nein, würden wir nicht. Das Restaurant China in der Kirchenallee ist da allerdings deutlich selbstbewusster.

Mit den üblichen Folgen.



24 November 2012

Der Biss in die Bank

Neulich joggte Kramer abends mit Musik auf den Ohren durch Eppendorf. Dabei übersah er eine perfide verdunkelte Parkbank (Symbolfoto). Er traf sie auf der schmalen Seite.

Über Kramers Schienbein setzte eine naturgesetzlich bedingte Hebelwirkung ein, die seine Einsneundzig in einer parabelartigen Flugbewegung längs auf die Parkbank knallen ließ. Dabei schlug Kramer seinen Oberkiefer kraftvoll ins unschuldige Holz dieser Eppendorfer Sitzgelegenheit.

Wie er uns am Folgetag mit aufgeschlagener Oberlippe und lockerem Vorderzahn berichtete, sei allerdings unmittelbar nach dem Aufprall keineswegs die aufgeschlagene Oberlippe oder der lockere Vorderzahn das größte Ärgernis gewesen, sondern die Tatsache, dass sein iPod weiter ungerührt Musik spielte.

Und zwar einen Song der Schweizer Band Die Aeronauten.

Quälend zähe Sekunden lang befingerte Kramer demnach den vielfach verfluchten Player, ehe er den Soundtrack zu seinem Unglück endlich stoppen konnte.

Besorgte Passanten, die den zitternd und zeternd auf einem kleinen weißen Kasten herumdrückenden Trumm von Mann nach seinem Wohlbefinden fragten, beschied er in verwaschenem Duktus und unangemessen schroff, alles sei „in Ordnung“. Doch das stimmte nicht. Nichts war in Ordnung.

Und dass ausgerechnet eine Band namens Die Aeronauten Kramers Sturzflug auf die Eppendorfer Parkbank untermalte: Das hat schon ein G’schmäckle, liebes Schicksal.

21 November 2012

Das schwere Atmen

Heute tauchte zum wiederholten Male die Hamburger Telefonnummer 040-808044935 in der Anrufliste unserer Fritzbox auf. Normalerweise steht diese Nummer einfach im Protokoll, denn dem ominösen Anrufer ist es bisher zuverlässig gelungen, uns nie zu Hause anzutreffen.

Heute aber war etwas anders, nämlich eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Zu hören ist, wie jemand 50 Sekunden lang schwer in den Hörer atmet. Im Hintergrund Trubel und Stimmengewirr, meist weiblichen Zuschnitts.

Eine Webrecherche legt die Vermutung nahe, dass es sich dabei um den Kontaktversuch eines o2-Callcenters handeln könnte. Das beweissichere Hinterlassen schweren Atmens erwarte ich aber normalerweise nicht von o2. Nicht mal von der Telekom.

Warum 040-808044935 immer wieder mal anruft, aber nie etwas sagt, sondern allenfalls schwer atmet, könnte darauf hindeuten, dass sie Arbeit bloß simuliert – „hier, Chef, das sind die 1278 Nummern, die ich heute angerufen habe, krieg ich jetzt ne Gehaltserhöhung?“

An dieser Taktik muss 040-808044935 auch künftig nichts ändern, denn dass ich die Nummer jetzt endlich in die Fritzbox-Sperrliste eingetragen habe, kriegt sie gar nicht mit. Angeblich hört sie nämlich trotzdem ein Freizeichen – wir aber das Klingeln (und Atmen) nicht mehr.

Wieder mal eine Win-win-Situation, wie ich sie sehr, sehr schätze.



15 November 2012

Glück im Unglück und im Keks


Neulich vermisste ich meine Kamera. Nirgends war sie zu finden. Ich schickte Rundmails an die üblichen Verdächtigen, ohne Erfolg.

Als ich drei Tage später zu Hause eine Jacke von der Garderobe nahm, sah ich sie plötzlich wieder. Sie hing mittels der Handschlaufe an einem der Jackenknöpfe. Die ohne Zweifel gerichtsfeste Rekonstruktion des Vorfalls lautet hiermit folgendermaßen:

 

Als ich den Parka, in deren Brusttasche sich die Kamera üblicherweise befindet, drei Tage zuvor von der Garderobe genommen hatte, verfing sich die Schlaufe im Knopf der darunter hängenden Jacke. Die Kamera wurde dadurch sanft und unbemerkt herausgezogen und blieb dort baumeln.

Die üblichen Verdächtigen waren also wirklich unschuldig. Das war Vorfall Nummer eins, der glimpflich ausging. Vorfall Nummer zwei betraf mein iPhone. Es befindet sich ebenfalls gerne mal in der Brusttasche des Parkas.

Beim Schlendern übern Flohmarkt fand ich es allerdings zu meiner Verblüffung in der Umhängetasche, in der ich normalerweise Flohmarkfunde wie rare Edelweine verstaue, aber niemals das iPhone.

Auch hier gelang mir dank meiner Sherlock-Holmes-schen Kombiniationsgabe eine lückenlose Beweisführung des Tathergangs: 


Ich hatte in einer Kiste gewühlt, die auf dem Boden stand, und mich tief hinabgebeugt. Dabei war das iPhone klammheimlich aus der Brusttasche gefallen – aber nicht etwa in die Kiste, sondern in meine Umhängetasche, die mir ob meiner gebeugten Körperhaltung und wohl auch in weiser Voraussicht vom Rücken vor den Oberkörper gerutscht war.

All das geschah
direkt vor meinen Augen und doch vollkommen unbemerkt. Zwei entscheidende Gadgets, ohne die mein Leben trübsinnig wäre und voller Harm und Ödnis, sind also aus purem Dummenglück weiterhin in meinem Besitz.

„Mit all dem“, fasste Ms. Columbo diese Slapsticknummern zusammen, „könntest du im chinesischen Staatszirkus auftreten.“ Anscheinend bin ich gebenedeit unter den Schusseln.

Apropos China: Im Asiarestaurant Bok im Schanzenviertel erwischte ich neulich oben abgebildete Glückskeksbotschaft, die meine gesamte Berufslaufbahn der vergangenen 25 Jahre trefflichst auf den Punkt bringt.

Irgendwie ein toll(dreist)er Monat, dieser November, wenn ich dieses Fazit schon mal ziehen darf.

13 November 2012

Meine Killerskills als Linguist

Über unseren Köpfen dreht sich die wahrscheinlich größte Discokugel St. Paulis und überflackert die Stuckengel an den Wänden mit silbrigem Gesprenkel. Kein Zweifel: Wir sind in der Prinzenbar, wo die Südtiroler Frauenband Ganes konzertiert.

Die aparten Damen haben die urige Eigenart, auf Ladinisch zu singen. Dabei handelt es sich einer Theorie zufolge um das Überbleibsel eines alten lateinischen Dialekts aus der römischen Provinz Raeta. Vielleicht importierten aber auch Außerirdische das Ladinische vom Aldebaran; jedenfalls höre ich fasziniert zu.

„Sie rollen das R wie die Spanier“, informiere ich überraschend sachkundig Ms. Columbo, „und manche Nuschellaute klingen deutlich nach Portugiesisch.“

„Das Stück gerade“, antwortet sie, „war aber auf Italienisch.“

Hmpf. HMPF.

Im Anschluss singen die Grazien zum Glück und ganz ohne Rrrrollen und Nuschellaute Bob Marleys „Redemption Song“, und ich bin froh, dass Ms. Columbo das Thema nicht weiter vertieft.

10 Oktober 2012

Der ununterdrückbare Reflex

Auf der Reeperbahn und drumherum ist es unvermeidlich, unablässig angebettelt zu werden. Am scheißfreundlichsten tun es die zahlreich auf dem Gehweg lagernden Punks.

Wenn du dich näherst, unterbrechen Sie kurz das Tätscheln ihrer Hunde, tänzeln geschmeidig herbei, machen ironische Verbeugungen, während sie mit Plastikbechern rasseln, und verabschieden dich übertrieben höflich; schließlich weiß man nie, ob man sich nicht noch mal sieht im Leben. Oder später am Tag.

Paradoxerweise unterliege ich dem ununterdrückbaren Reflex, das tagtägliche Ansinnen der Punks stets mit einem gemurmelten „Nein, danke“ zu beantworten – ganz so, als böten sie mir etwas an, statt etwas von mir zu wollen. Im Nachhinein schüttle ich immer den Kopf über mich, doch wenn mich das nächste Mal ein Punk anbettelt, das weiß ich schon jetzt, rutscht mir garantiert wieder dieses ununterdrückbare „Nein, danke“ raus.

Die Reeperbahnpunks müssen sich schwer wundern über mich. Aber was soll ich tun? Das ist wohl eine Typenfrage. Oder genetisch bedingt. Denn wenn mich jemand anrempelt, sage ich auch automatisch „Entschuldigung“ statt „HEY! AUFPASSEN, DIGGA!!“

Als ich neulich mal wieder über die Reeperbahn lief, geriet ein Mann, der mir entgegenkam, gerade ins Schleppnetz eines becherschüttelnden Punks. Er schaute den devot grinsenden Burschen düster an und sagte dann einen Satz, den ich mir merken muss. Dringend.

Der Mann sagte: „Lass ma gut sein.“

Genial. Warum kommen immer nur andere Leute auf so was? Und warum rutscht mir morgen stattdessen garantiert wieder ein ununterdrückbares „Nein, danke“ raus?

Vielleicht bin ich doch nicht kieztauglich. Nach 16 Jahren auf der Reeperbahn und drumherum wäre das allerdings eine derart betrübliche Erkenntnis, dass ich sie hiermit innerlich empört von mir weise.