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09 November 2018

Fluchtpunkt Topinamburschaumsüppchen


Eins muss man ja mal deutlich festhalten: Ohne den schlüpfrigen Santa-Pauli-Weihnachtsmarkt und das Varietézelt Palazzo wäre die Vorweihnachtszeit in Hamburg nichts weiter als eine fantasielose Glühweinverklappungstortur vor bisweilen wenigstens schöner Kulisse.

Während uns Santa Pauli alljährlich vielerlei unchristliche Aktivitäten wie etwa ein geschlechterübergreifendes Stripzelt anempfiehlt (sie schrauben drüben aufm Spielbudenplatz übrigens just die Buden zusammen), setzt die Dinnershow Palazzo im Spiegelpalast an den Deichtorhallen heuer zum fünften Mal auf die Verbindung von Kulinarik und Artistik. Und diesmal spart die Mottoshow namens „Kings & Queens!“ sich – im Gegensatz zum vergangenen Jahr – glücklicherweise auch die derben Zoten. Ohne freilich bei den Akrobatennummern auf Erotik zu verzichten.

Sogar für Interessierte mit eher fließenden Geschlechterdefinitionen ist einer abgestellt: Der Spanier Omar Cortes Gonzalez (großes Foto), einst Turnolympionike in Sydney 2004, hangelt sich in Travestiemontur an baumelnden Bändern durch die Tiefe des Raums und vor allem dessen Höhe. „Er sieht ein wenig aus wie der Bruder von Conchita Wurst“, flüstert mir mein Schwippschwager zu. Korrekt.

Mit Ms. Columbo, dem Franken und besagtem Schwippschwager saß ich an einem optimal platzierten Tisch: nah genug am Geschehen, doch ausreichend weit weg, um bei der in einer halbvollen Badewanne startenden Luftnummer von Fréderique Cornoyer-Lessard ohne Wasserflecken auf dem Sakko davonzukommen; dicht dran und doch auf der richtigen Seite des Tisches, um den üblichen Mitmachspäßken zu entgehen und stattdessen weiter vergnügt am weißen D’Artagnan nippen zu können.

Palazzo – das bedeutet reinsten Eskapismus. Denn was kümmern uns noch Trump, Horst und Erdogan, was Schäfer-Gümbels Griff nach der Macht in Hessen oder die zweifelhafte Zukunft der gesetzlichen Rente, wenn wir unter einer rot illuminierten Zeltkuppel gemütlich Angeldorsch und Speckknusper aus Cornelia Polettos Topinamburschaumsüppchen fischen dürfen?

Die Realität in Form einer fantasielosen Glühweinverklappungstortur vor bisweilen wenigstens schöner Kulisse holt uns noch früh genug ein. Denken Sie an meine Worte.


Disclaimer: Zu dieser Veranstaltung war ich eingeladen.



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22 Dezember 2017

„Body to body?“

Es ging schon mit einer Panne los. Das Thaistudio, für das ich mir via Groupon einen Massagegutschein über zwei mal eine Stunde gegönnt hatte, war einfach nicht zu finden. Die Straße wies nicht einmal die genannte Hausnummer auf. 

Fünf Minuten vorm Termin hatte ich genug von der Suche und rief dort an. Ja, stimmt, die auf dem Gutschein genannte Hausnummer sei falsch, richtig hingegen die ??a. Okay. Ich wechselte die Straßenseite und betrat einen trostlosen Hinterhof. Das Auffälligste an dem zweistöckigen Backsteinflachbau, in dem das Massagestudio eine Etage gepachtet hatte, war die eminente Pfütze davor, die sich schamhaft in mehreren Flussarmen zu verflüchtigen versuchte. Das weckte heimatliche St.-Pauli-Gefühle.

Auf dem Klingelschild stand „MASSAGE“. Ich stieg zwei Treppen hoch. Eine freundlich lächelnde kugelrunde Studiomutti wies mir ein Zimmer zu und bat mich zu warten. Mich wunderte, dass ein französisches Bett den Raum dominierte und keine Massageliege, aber was weiß ich schon. Ich fragte nach der Toilette und wurde durch einen Flur hingeführt. 

Dort die nächste Erstaunlichkeit: ein derart hoch an die Wand montiertes Pissoir, dass man schon die lichte Höhe eines Vladimir Klitschko hätte haben müssen, um seine Gerätschaft dort ordnungsgemäß zum Einsatz zu bringen. Und nirgends eine Trittleiter. Nachdem ich mit großem Erfindungsreichtum die Hürde bewältigt hatte (das unfallfreie Balancieren auf Zehenspitzen spielte dabei eine nicht unwichtige Rolle), kehrte ich zurück zum französischen Bett und wurde dort bereits von einer jungen Thailänderin von aparter Zierlichkeit empfangen. 

Sie redete in unverständlichem Thaidenglisch auf mich ein. Aus dem Wortschwall vermochte ich lediglich den Satzfetzen „Body to body?“ zweifelsfrei zu dechiffrieren. Nur seine Bedeutung wurde mir Ausbund des Arglosen nicht gleich deutlich, weshalb sie die rundliche Chefin zu Hilfe holte. „Erotisch Massage?“, fragte sie. Erst jetzt begriff auch ich. „Nein, nein, klassisch!“, beeilte ich mich zu rufen, worauf ich das Zimmer wechseln musste. 

Diesmal war es eins mit Massageliege. Die Masseurin blieb allerdings dieselbe. Anscheinend hatte sie viele Talente. Nach einer Weile kam eine Kollegin zum Plaudern und Giggeln hinzu. Natürlich verstand ich kein Wort, aber ich redete mir ein, dass Sätze fielen wie „Der ist aber sauber“ und „Ja, endlich mal einer, der geduscht hierher kommt“.

Irgendwann wurden rund um meine Liege die Vorhänge zugezogen, denn ein weiterer Kunde erschien und wurde auf der Nachbarliege versorgt. Dann war die Stunde vorbei, und siehe, es war gut.

Was ich eigenlich mit der ganzen Geschichte sagen will, ist Folgendes: Ich kenne in Hamburg ein Thaimassagestudio, für das man bei Groupon für sensationell günstige 24 Euro eine einstündige Behandlung bekommt – bedarfsweise sogar mit Happy Ending. Man muss halt nur nicken, wenn die Frage „Body to body?“ aus einem thaidenglischen Wortschwall aufploppt, anstatt „Nein, nein, klassisch!“ zu rufen.

Aber wie ich damals aufm Dorf gelernt habe, darf man sich den Appetit zwar durchaus auswärts holen, aber gegessen wird daheim. Und das ist NICHT etwa die offizielle Version für Ms. Columbo, ich schwör!

PS: Details nur gegen Gebot. Der Doppelgutschein will refinanziert sein.

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20 November 2017

Rechtsruck in Swinemünde

Speisen in Polen: Das ist ein ganz eigenes Kapitel. Gestern wählte Ms. Columbo aus der Vitrine im sehr empfehlenswerten Swinemünder Lokal La Trompa  einen optisch sehr ansprechenden Kuchen aus, dessen Name nur auf Polnisch angegeben war. Der Lokalchef, ein Deutscher, übersetzte ihn, während er uns über den Rand seiner Lesebrille hinweg neugierig musterte: „Das heißt Zigeunerbrüste.“ 

So etwas hätte es in Deutschland inzwischen schwer. Eine denkbare Variante namens „Sinti-und-Roma-Brüste“ wäre als Vermeidungsstrategie nicht mal die wahrscheinlichste, sondern eher die vorauseilende Flucht in eine garantiert von keiner beleidigungs- und empörungsfähigen Minderheit anmahnbare Umbenennung. Vielleicht „Hügeltorte“ …? 

Unterhaltsam wird es auch, wenn die Swinemünder Gastronomie sich ans deutsche Touristenzielpublikum ranwanzen will. Eine Süßspeise aus der Pommestüte zum Beispiel nennen sie hier „Wuffel“; das ist schon sehr putzig. Allerorten sorgen zudem Karten und Schilder für kleine Entertainmentmomente – einfach nur dadurch, dass beim ungelenken Versuch, sich entgegenkommend des Schriftdeutschen zu bedienen, diese komischen Tüddelchen über den Vokalen fehlen („Brathahnchen“).

Auch in unserem Hotel hakt es überall ein bisschen, aber nirgends so sehr, dass man es deswegen mit Liebesentzug bestrafen müsste. Das hoteleigene Internet etwa schenkt uns seine Gunst nur sporadisch, glänzt dann aber mit Geschwindigkeiten von 217 Mbit/s. Von so was kann ich zu Hause auf dem Kiez nur träumen, o2! 

Im Bad ist derweil die Klobrille locker und kippt – konform zur momentanen polnischen Regierung – stark nach rechts, so dass jede Sitzung zu einem Balanceakt mit ungewissem Ausgang wird. Vom Vorhang vor der Balkontür, der einen knappen Meter überm Boden unversehens endet und Passanten interessante Wadenblicke bietet, berichtete ich ja gestern schon.

Der Swinemünder sieht das eben alles nicht so eng. Wer sich an solchen Petitessen stört, wandert halt ein paar Kilometerchen weit zum Soundtrack der Brandung über den festen Sandstrand nach Norden, wo ihn alsbald das urdeutsche Seebad Ahlbeck willkommen heißt.

Und dort – darauf würde ich eine ganze Wuffelladung verwetten – kippelt keine einzige Klobrille.



19 November 2017

Der Meister aller Chuzpeklassen

Auf dem riesigen Polenmarkt in Swinemünde, der auch im Wind und Regen der Nachsaison unermüdlich durchgeführt wird, inspizieren wir interessiert eine Funktionsjacke von Wellensteyn. Es gibt hier Hunderte davon, und alle sind günstig, aber sind sie auch echt?

Wahrscheinlich will man uns hier Fälschungen andrehen, das ist bekannt. Also heißt es auf dem Quivive sein. Zur Sicherheit haben wir kurz gegoogelt und herausgefunden, woran man echte von gefälschten Wellensteyn-Jacken unterscheiden kann: besonders an den Knöpfen und Reißverschlüssen, auf denen der Firmenschriftzug ebenfalls eingeprägt sein sollte. Diese Aufgabe scheint Fälschern zu komplex zu sein, weshalb sie sie sich gerne sparen. Sie setzen einfach darauf, dass der gemeine Kunde so genau nicht hinschaut, sondern sich von den applizierten Buttons blenden lässt. 

Wir wähnen uns nach dieser Recherche also gut genug gerüstet, um uns von den Händlern auf dem Polenmarkt von Swinemünde nicht übertölpeln zu lassen. Ja, mehr noch: Im Verkaufsgespräch werden wir sie gegebenenfalls mit unseren Erkenntnissen konfrontieren und somit schwer zum Schwitzen bringen. Wahrscheinlich werden sie sodann unter der Last der vorgebrachten Beweise zusammenbrechen und auf Knien schwören, hinfort nicht mehr zu sündigen wider die heilige Markenhoheit der Hersteller. 

Das sind die Rahmenbedingungen, unter denen wir an einem Klamottenstand auf dem Polenmarkt in Swinemünde interessiert eine Funktionsjacke von Wellensteyn inspizieren. Vor allem schauen wir uns die Knöpfe an. Und siehe da: Es gibt weder Wellensteyn-Logo noch imprägnierten -Schriftzug – das Teil ist gefälscht! Der noch arglose Händler schichtet in der Nähe Kleider auf und schaut nicht herüber. Er ahnt noch nichts vom hochnotpeinlichen Kreuzverhör, dem wir ihn gleich unterziehen werden. Doch er kommt uns zuvor. 

„Bittä nicht guckän Knepfe“, sagt er, „ist alläs nachgemacht.“ 

Ein Satz wie aus dem Nichts, einer wie ein nasser Waschlappen, der einem links und rechts um die Ohren gehauen wird. Wir sind komplett entwaffnet, unsere ganze Google-Munition löst sich in Luft auf. „Auch bei Ihren Kollegen?“, fasst sich Ms. Columbo als erste, während ich noch schwer an meiner Verdatterung zu knabbern habe. 

„Nadirrlich“, sagt der Meister aller Chuzpeklassen, während er einen weiteren Kleiderstapel von A nach B packt, „alläs nachgemacht.“

Ich glaube, es gibt kaum etwas Verblüfferendes als fehlendes Unrechtsbewusstsein, das auch noch offensiv vertreten wird. Eine ganz frische Erkenntnis, für die ich Swinemünde von jetzt an sehr dankbar sein werde.

PS: Gespart hat auch unser Hotel, nämlich an der Länge der Vorhänge (Foto). Man könnte von gegenüber also unsere Waden bewundern, aber dort steht nur eine unbewohnte Ruine.



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14 Oktober 2017

Unterwegs mit einem Bolzenschneider

Wie langjährige Leser und Leserinnen wissen, sind mir bereits acht Fahrräder entwendet worden, sieben davon auf dem Kiez. Wer die Chronik der traurigsten dieser Vorfälle noch einmal nachlesen möchte, kann das hier, hier, hier, hier, hier und hier tun.  

Heute aber wurde mal keins geklaut, sondern es geschah so etwas Ähnliches wie das Gegenteil: Irgendein Witzbold nämlich hatte Ms. Columbos Rad, obgleich es bereits mit ihrem eigenen Faltschloss ans Geländer gekettet war, mit einer zusätzlichen Kette dort befestigt (Foto oben), allerdings ohne den Schlüssel da zu lassen. Das Fahrrad war also immobil. 

Um meinen Ruf als der weltweit erfolgreichste Ermöglicher unserer Haushaltes zu festigen, erbot ich mich, das Problem zu lösen, und suchte den Fahrradladen um die Ecke auf, um mir einen Bolzenschneider zu leihen. Nach einer kurzen Schilderung der Umstände und aufgrund meines ehrlichen Gesichts sowie eines 20-Euro-Scheins als Pfand drückte man mir das Werkzeug in die Hand. „Aber sagen Sie vorher der Polizei Bescheid“, riet mir der Kollege noch. Eine gute Idee – das fand man auch auf der Davidwache. 

„Wenn Sie in der Seilerstraße mit einem Bolzenschneider rumwerkeln“, sagte der Diensthabende, „stehen sofort drei Polizeiwagen da.“ Nun, dachte ich im Stillen, während meine acht Räder entwendet wurden, hätte ich mich schon über das Auftauchen eines einzigen gefreut, aber gut. Schnee von gestern. 

Die Freunde und Helfer der Davidwache erklärten sich zu meiner Freude bereit, mich zu begleiten, sogar in Gesellschaft eines polizeieigenen Bolzenschneiders. Das Gerät, welches aus der Waffenkammer hervorgeholt wurde, verhielt sich zu dem, das ich bei mir führte, wie der Hulk zu einem Heinzelmännchen. 

Noch ganz benommen von diesem Eindruck stieg ich mit zwei Uniformierten, einem Mann und einer Frau, in den Streifenwagen. Wir kamen allerdings nicht direkt durch, obwohl die Seilerstraße praktisch gegenüber der Davidwache schon anfängt. Auf dem Hamburger Berg nämlich taumelte uns ein zirka 60-jähriges Faktotum mit Fusselbart, Piratenkopftuch und Jeansweste vors Auto und verlangte die Aufnahme einer sofortigen Anzeige. 

Vorm Penny, keuchte der Mann in höchster Erregung, habe ihn so’n Typ mit Glatze und ganz, ganz komischen Augen irgendwie am Ohr erwischt und zudem damit gedroht, ihm auffe Fresse zu hauen, dabei „hab ich seine Frau gor nich annemacht!“. Die Polizistin schickte ihn auf die Wache, ihr Kollege murmelte „Spinner“, und wir fuhren weiter. 

In der Seilerstraße angekommen, trat der nächste Passant auf uns zu. Ach, man sei im Einsatz? Er wolle aber dringend eine Meldung machen, und zwar habe er im Lauf der Woche beobachtet, wie jemand dort drüben – er zeigte ins Ungefähre – haufenweise Steine gehortet und deponiert habe, wer weiß, zu welchem Behufe. 

Als auch dies registriert worden war, widmeten wir drei uns Ms. Columbos festgesetztem Zweirad. Mit ihrem Fahrradpass und durch Aufschließen des Faltschlosses hatte ich mich vorher als Bevollmächtigter der Eigentümerin legitimiert. Sonst könnte ja jeder kommen und sich von der Polizei beim Fahrraddiebstahl helfen lassen.

Zunächst probierte der Polizist es mit meinem Zwergenbolzenschneider, vergeblich. „Vielleicht doch der große?“, regte ich an, begierig darauf, das Monster im Einsatz zu sehen. Der Mann war einverstanden, doch das Billigschloss erwies sich als ungeahnt zäh. Oben zog die Polizistin die Kette stramm, unten ich, und in der Mitte nagte der von kräftiger Bullenhand geführte Bolzenschneider wütend und verzweifelt am längst freigelegten Drahtgeflecht.

Wir mühten uns gewiss fast zehn Minuten ab mit diesem zähen Miststück, ehe es endlich knack machte und die Sache erledigt war. Danach suchten wir noch längere Zeit nach der Rahmennummer, um sie mit dem Fahrradpass abzugleichen; mir traten schon die ersten Schweißtröpfchen auf die Stirn, und nicht nur, weil dieser goldene Oktobertag sich so sommerlich gerierte.

Das zerbissene Schloss entsorgte ich im Mülleimer. Wer eine Theorie hat, wieso man fremde Fahrräder irgendwo ankettet, möge hervortreten und sie darlegen. Ich bin neugierig. Als ich den kleinen Bolzenschneider wieder zurück in den Laden brachte, fragte mich der Verleiher, während er mir die 20 Euro zurückgab, ob alles geklappt habe. „Nö“, sagte ich. „Aber der kriegt sonst eigentlich alles durch“, antwortete er.

Aus diesem Erlebnis habe ich mehrerlei gelernt. Erstens: Auch mit einem Bolzenschneider vom Ausmaß eines Laubbläsers braucht man zu dritt außerordentlich lange, um ein Popelschloss zu knacken. Mir als Dieb wäre das zu nervenzerrend, ich nähme lieber eine Flex. 

Zweitens: Aus einem Polizeiwagen kann man nicht aussteigen, ohne dass jemand von außen die Tür aufmacht. Selbst wenn man nicht verhaftet ist.

PS: Ein ähnlicher Fall ist mir schon mal passiert. Und er ging so aus.



24 Juli 2017

Die Falle der Mönche

Selbstverständlich sollte man im mittelalterlichen Brügge unbedingt das Biermuseum besuchen, gerne auch am hellichten Nachmittag. Allerdings sollten Sie, die Sie dies beim nächsten Brüggebesuch erwägen, eines wissen: Zum krönenden Abschluss werden drei Biersorten zum Verkosten gereicht. 

Ich nahm naiverweise an, es handele sich dabei um schnapsglaskleine Probierportiönchen, doch der belgische Zapfmann schenkte forsch aus; das tendierte alles deutlich in Richtung Kölschgröße. Dreimal nullzwo, das sind ja schon nullsechs. Wie gesagt, am hellichten Nachmittag. 

Auch das wäre noch kein Problem gewesen, das man als gestandener Hanseat nicht bewältigen könnte, hätte sich unter den Verkostungsproben nicht eine befunden, die auf den Namen La Trappe Quadrupel hörte.

Dass bereits der Name dieses Getränks an das englische Wort für Falle gemahnt, hätte bei uns sofort sämtliche Alarmglocken schrillen lassen müssen. Was bei uns arglosen Hamburger Hascherln allerdings nicht geschah.

Dieses Bier also, das La Trappe Quadrupel, wird von Zisterziensermönchen gebraut, die umgangssprachlich auch Trappisten genannt werden, und wenn man schon unbedingt nach einer Existenzberechtigung für das Christentum suchen möchte, dann liefert dieses Getränk das bislang überzeugendste mir vorliegende Argument.

Denn es ist verdammt noch mal das beste Bier, das ich in meinem ganzen Leben getrunken habe. Allerdings bedauerlicherweise auch das stärkste. 

Mit gewaltigen zehn Volumenprozenten überfällt es einen hinterrücks – und unter tätiger Beihilfe der anderen beiden Bierproben karriolt man ergo nach Abschluss der Veranstaltung hackedicht durch Brügge. Vor allem Ms. Columbo, die ja nix gewohnt ist, traf das La Trappe völlig unvorbereitet.

Das Foto oben zeigt einen noch zuversichtlichen Blogbetreiber in jenem Augenblick, als das Unglück seinen Lauf zu nehmen begann. Der Rest ist Geschichte.




18 September 2016

Die schlechtesten Cover ALLER Zeiten (2)


Natürlich, diese zum Aushängeschild einer Langspielplatte geronnene Szenerie ist dermaßen legendär kacke, dass das Motiv einst auch schon von der britischen Zeitung Guardian in ihre Allzeitbestenliste der allerübelsten Albumgestaltungen aufgenommen wurde.

Für meine Ende August gestartete Galerie der schlechtesten Albumcover ALLER Zeiten ist Millie Jacksons 1989er-Werk „Back to the Shit“ aber genau deshalb und in umso größerem Maß die reinste Zierde.

Dass die (nebenbei bemerkt: großartige) Soulsängerin sich auf diesem Foto nicht nur nicht entblödet, ihr bitchy Outfit im Rahmen einer Toilettensitzung komplett ad absurdum zu führen, sondern auch noch guckt, als erlebe sie nach einwöchiger Verstopfung justamente die Erleichterung einer Totalabfuhr, ist für Außens(t)ehende wirklich nur äußerst schwer zu verknusen. Auf mich wirkt das sogar verstörend.

Und warum eigentlich steht die Gute anscheinend kurz davor, uns mit einem ihrer Pumps zu bewerfen – nur weil wir das Cover anstarren wie eine Massenkarambolage auf der A7? Denn das tun wir völlig zu Recht, Millie!

Immerhin ist das Cover bei all seiner Scheußlichkeit gleichwohl in der Lage, auch positive Gefühle auszulösen. Ich empfinde zum Beispiel Mitleid mit dem Blumenstrauß in der Vase unten rechts. Und bin außerdem sehr dankbar für die blickdiche Gardine vorm Klofenster.

Was mich allerdings nachhaltig beschäftigt, ist die bestürzende Tatsache, dass der abgebildete Fußboden peinlicherweise ein verblüffend ähnliches Muster aufweist wie der in unserer Küche auf der Rückseite der Reeperbahn.

Ms. Columbo und ich müssen wohl noch diese Woche den Familienrat zusammenrufen und sehr, sehr ernsthaft über eine ästhetische Neuorientierung im Kochbereich reden.

Herzlichen Dank auch dafür, Frau Jackson. 



 
 
 

31 August 2016

Ein halber Euro zu viel


Kurz nach der Eröffnung des Einkaufszentrums Rindermarkthalle in St. Pauli besuchten Ms. Columbo und ich eine dort ansässige Espressobar, wo die abgebildete Tafel uns über die Preise informierte. Unter anderem über den eines sogenannten Americano.

Als monothematischer und somit ignoranter Kaffeekonsument – will sagen: Ich trinke ausschließlich völlig unkontaminierten schwarzen Espresso à la italiano, nichts anderes, niemals – wusste ich nicht genau, was darunter zu verstehen war.

„Das ist ein mit Wasser verlängerter Espresso“, klärte mich Ms. Columbo auf. Also so eine Art Kaffeeschorle. Umso erschreckender der im Vergleich exorbitante Preissprung. Immerhin wird einem ganz normalen Espresso lediglich Leitungswasser beigefügt, und wenn der Barbetreiber schlau ist, nimmt er sogar weniger Espressopulver; merkt ja eh keiner.

Es handelt sich also um ein Produkt, das den Betreiber wahrscheinlich weniger kostet als ein Espresso. Gleichwohl hält er eine 33-prozentige Preissteigerung für opportun. Mir war das eine Thematisierung wert.

Also fragte ich denjenigen, der uns bediente, warum denn ein Americano ein Drittel mehr koste als ein Espresso, obwohl der einzige Unterschied doch lediglich in der Beifügung einer kostentechnisch vernachlässigbaren Menge Leitungswassers bestünde.

Der Mann war baff. Darüber habe er noch gar nicht nachgedacht, gab er zu, und wir hatten keinerlei Grund, an seiner Aussage zu zweifeln. Eigentlich, fuhr er fort, hätten wir aber Recht. Das sei im Grunde nicht zu rechtfertigen, für das bisschen Wasser. Er würde das mal bei der Geschäftsführung zur Sprache bringen.

So kann es also auch gehen in der Gastronomie: Man wird auf einen Fehler aufmerksam gemacht und korrigiert ihn. Wie in so einer idealen Welt. Wir bedankten uns gerührt und empfahlen uns.

Das war, wie gesagt, in der Eröffnungsphase der Rindermarkthalle. Also vor ungefähr anderthalb Jahren. Heute waren wir mal wieder da und hatten die Gelegenheit, unser segensreiches Wirken anhand der dort noch immer aufgestellten Tafel zu überprüfen.

Und jetzt raten Sie mal, wie viel der Americano mittlerweile kostet.

Ganz genau.







10 Juli 2016

Auf Abenteuerurlaub in Schwerin

Wetterseiten im Web sind grundsätzlich eine feine Sache. Allerdings vermögen sie die Vorfreude auf eine Reise nicht unwesentlich zu trüben.

Für die Premiere der Schweriner Schlossfestspiele – man hatte „Aida“ einstudiert – verhieß wetter.de seit Tagen mit durchaus hämisch durchwirkter Prognosesicherheit Regen, Wind und, pünktlich zum Anpfiff, gar Gewitter.

Ms. Columbo packte deswegen vorsorglich Regencapes ein, die sich beim in der Tat notwendigen Überziehen vor Ort indes als wenig kleidsam erwiesen. Ihr Modell überzeugte wenigstens durch Transparenz, wollte also gar nicht in Konkurrenz treten zur Kleidung darunter; meins aber war in seinem peinlich leuchtenden Blau nichts weiter als ein Müllsack mit Löchern drin. 

Es gibt eine fotografische Dokumentation dieser Lachnummer, für deren Herausgabe man mich allerdings schon Trump’schen Befragungsmethoden unterziehen müsste. Also versuchen Sie es erst gar nicht, danke.

Stattdessen zeige ich hier gern die beeindruckende Sanktionsliste her, mit der unsere Unterkunft, das empfehlenswerte Café Karina in der Werderstraße, all jene bedroht, die sich trotz Verbots erdreisten, heimlich im Zimmer eine durchzuziehen:

Auf Twitter habe ich gestern bereits vorgeschlagen, doch lieber diese AGB aus der Hölle auf Zigarettenpackungen zu drucken statt der sogenannten Schockfotos, die jedem, der auch nur eine einzige Folge „The Walking Dead“ gesehen hat, beim routinierten Zünden seines Zippos nur ein Gähnen entlocken.

Aber Auslöser zu sein für den Einsatz von Spezialreinigern und Zwangsumsiedlungen unbescholtener Mitbewohner: Das schockt wirklich. Wir haben jedenfalls lieber nicht geraucht, ich schwör!

Auch während der „Aida“-Premiere wäre das nicht möglich gewesen, dazu war es einfach rundum zu nass. Wir hatten wenigstens unsere Regencapes, die auf der Bühne Agierenden allerdings waren schutzlos den Naturgewalten ausgesetzt; manche hatten sich unter der unbekümmerten Regie von Georg Rootering gar in den munter wachsenden Pfützen zu wälzen.

Nur das von wetter.de seit Tagen versprochene Gewitter hätte das Ensemble erlöst. Doch der sardonisch gießende Wettergott hielt lieber alles in der Schwebe, sodass niemand entkommen konnte – wahrscheinlich eine kleine, feine Rache am mehrheitlich noch immer atheistischen Osten.

Wenn Sie also zu denen gehören, die sich gern die Lunge bräunen und zudem Abenteuerurlaube schätzen: Buchen Sie einfach „Aida“-Karten in Schwerin – vor allem aber ein Zimmer im Café Karina. 

Und dann tun Sie, was Sie tun müssen.




26 September 2015

Fundstücke (206)


„Sonst“, bemerkt Ms. Columbo ganz richtig, „sieht man so etwas nur in Mafiafilmen. Dann liegt das Gesicht allerdings in einem Teller Spaghetti.“

Das war hier allerdings nicht ganz der Fall. Woher sollte im ICE zwischen Hamburg und Koblenz auch ein Teller Spaghetti kommen?

Die Dame wachte übrigens trotz bedrohlich eingeschränkter Frischluftzufuhr irgendwann wieder auf.

Aber da hatte ich mein klammheimliches Bild schon im Kasten.

20 Juli 2015

Zufälle gibt’s, die gibt’s … doch


Neulich las ich auf einer Nachrichtenwebseite gerade in einem Satz das Wort „Comeback“, während im Hintergrund Coldplay lief – und deren Sänger Chris Martin exakt in dieser Sekunde das Wort „Comeback“ lippensynchron sang. Ich war frappiert bis an den Rand der Esoterik.

Es gibt eben Zufälle, die gibt’s gar nicht, aber wie wir alle schon lange wissen, kommt, wenn man unendlich lange eine Horde Schimpansen auf Schreibmaschinen rumhampeln lässt, halt irgendwann „Faust 1“ dabei raus. Das ist auch kein Zufall, nein: That’s statistics, stupid!

In puncto Zufälle kann ich aber noch ein weiteres Ereignis beisteuern, das sich, wenn ich mich recht erinnere, auch noch am selben Abend zutrug wie Chris Martins „Comeback“-Singen bei meinem Lesen des Wortes auf einer Nachrichtenseite. An eben jenem Abend nämlich nahm ich im Bad die Elektrozahnbürste aus der Halterung und stieß dabei versehentlich Ms. Columbos Ring an, der auf der Ablage lag.

Wie in Zeitlupe sah ich das unschätzbar wertvolle Stück ins Waschbecken fallen und dort das metallisch tuende, aber federleichte Plastiksieb, welches bis dahin ohne Fehl und Tadel den Abfluss bewacht hatte, sanft anstupsen und beiseite stoßen, woraufhin der Ring umstandslos im Abfluss verschwand.

Man mag sich meinen Schrecken ob dieses ebenso unwahrscheinlichen wie doch soeben eingetretenen Ereignisverlaufs vorstellen. Ich war wie erstarrt, vermochte aber noch ein halb ersticktes „Oh nein!“ hervorzupressen, was Ms. Columbo auf den Plan rief.

Im Hinausstürzen – „Ich brauche eine Rohrzange!“ – und wieder Herbeieilen hechelte ich ihr die unglaubwürdige Geschiche vor, und schon hatte ich den Haupthahn abgedreht, das Siphon abgeschraubt und panisch nach dem Ring gefischt.

Natürlich fand er sich in der exakt dafür eingebauten Rohrbiegung, und mit zitternden Fingern legte ich ihn Ms. Columbo in die zarte Hand. Aber es war gar nicht – wie von mir die ganze Zeit befürchtet – der ideell unersetzliche Ehering, sondern irgendein schmuckes Modeschmuckteil aus Kunststoff. Was plötzlich ihre Gelassenheit recht plausibel erklärte.

Am Grad meiner Panik hätte das möglicherweise einiges geändert, doch dafür hätte ich erheblich früher davon Kenntnis erlangen müssen.

So viel zur Macht des Zufalls. Chris Martin würde mich verstehen, wenn er diesen Blogeintrag läse. Aber das wiederum ist noch unwahrscheinlicher, als wenn ein Ring sich im Waschbecken den Weg in den Abfluss durch Wegstupsen des Siebs bahnte.

Andererseits: Wenn Martin unendlich viel Zeit damit verbrächte, Blogs zu lesen, stieße er unweigerlich spätestens am Sanktnimmerleinstag auch auf diesen Eintrag, und zwar nicht zu seinem Schaden.

Irgendwie tröstet mich das. 



 

27 März 2015

Marokko gehört zu Deutschland – und umgekehrt

Marokko vergreist nicht gerade: 60 Prozent der Bevölkerung sind jünger als 25. Deutschland hingegen liegt am gegenüberliegenden Ende der Skala. 
Während unserer Stadtrundfahrt durch Casablanca fällt mir eine nobelpreisverdächtige Lösung für gleich beide Probleme ein: Warum nicht kurzerhand unsere beiden Länder zusammenlegen?

In der dadurch demografisch von Null auf jetzt harmonisierten neuen BRDuM (Bundesrepublik Deutschland und Marokko) hätten wir alle eine gemeinsame Staatsangehörigkeit, lernten in der Schule Deutsch und Arabisch als gleichberechtigte Erstsprachen, würden ermuntert, uns kräftig reproduktiv zu vermischen (vor allem für BRDuM-Bewohner aus den nördlichen Provinzen ein Fest, das kann ich Ihnen sagen!), und der zunächst wahrscheinlich zukunftsängstlich herummaulende marokkanische König Mohammed VI. ließe sich gewiss leicht kalmieren, indem man ihn lockte mit dem Amt des Bundespräsidenten.

Der Mann dürfte meinetwegen auch in seinem Casablancer Königspalast (Foto) verbleiben, statt ins Schloss Bellevue umziehen zu müssen – aber nur, wenn er die beiden wenig repräsentablen Sonnenschirme vorm Eingangsportal endlich zum Sperrmüll gäbe. Deal, Mohammed?

Kurz: Ich sehe bei dieser ganzen Sache – bis auf das zugegebenermaßen nicht ganz leicht zu lösende Problem einer Anschlussverwendung für Joachim Gauck – insgesamt wenig Probleme, ehrlich gesagt. Das gilt auch in optischer Hinsicht, denn Casablanca wirkt – wie Ms. Columbo schon wenige Minuten nach unserer Ankunft herausgefunden hat – „ein wenig wie Wilhelmsburg“.

Rege hiermit die ersten bilateralen Sondierungsgespräche noch in diesem Sommer an.






17 September 2014

Bloggeburtstag. Na toll.


Sehr aufmerksam: Ms. Columbo gratulierte mir gestern zum neunten Bloggeburtstag. Ich hätte ihn glatt vergessen, denn seit einiger Zeit ist hier vor allem nur noch eins zu sehen: eine Brache. 

„Nein, das ist keine Brache“, tröstet mich Ms. Columbo in einem zärtlich-liebevollen Tonfall, der signalisiert, dass es doch eine Brache ist, und streichelt mir aufmunternd über den Kopf. Na ja, jedenfalls feuert der HSV inzwischen pro Saison mehr Trainer als ich hier Einträge ab. 

Zu St. Pauli ist das Wesentliche auch gesagt. Dass wieder mal jemand seinen Mageninhalt vor unsere Wohnungstür drapiert? Langweilig. Der nächste Fahrraddiebstahl? Gähn. Noch eine bollernde Großveranstaltung mit teilnehmenden Torkelhorden? Grrr. 

Demotivierend erwies sich zuletzt außerdem ein fatalerweise erst sehr spät entdecktes technisches Problem, welches zur Folge hatte, dass sämtliche VG-Wort-Zählpixel von 2013 nicht funktionierten. Hatte das Blog mir vorher jahrelang den großen Sommerurlaub finanziert, verweigert es mir deshalb in diesem Jahr jegliche Ausschüttung. So kann ich nicht arbeiten. 

Inzwischen ist das Problem zwar wieder behoben, doch die lähmende Wirkung dieses Desasters hat noch nicht entscheidend nachgelassen. Trotz alledem möchte ich hier den Betrieb nicht offiziell einstellen. Schließlich könnte ja noch mal etwas Berichtenswertes passieren, für das ein Forum wie dieses das richtige ist – und sei es nur das nächste nette Graffito an einer schmutzigen, vollgepissten Kiezwand. Wie das abgebildete.

Mach ich mir jetzt noch einen Geburtstagssekt auf? Na, mal schauen, ob die Kommentare eine Entscheidungshilfe bieten.

(Ähm, welche Kommentare?)

04 September 2014

East of Eden

Das East-Hotel, eine mondäne Provokation mitten auf St. Pauli, feiert 10-jähriges Jubiläum. 

Im Lauf der Dekade wurden, wie der Chef im Vorfeld seiner Geburtsansprache penibel ausgerechnet hat, 65 Tonnen Rinderfilet serviert und eine halbe Million Portionen Sushi. 

Heute Abend aber spendiert das East etwas, statt immer nur Geld zu scheffeln, und zwar alle Getränkeeinnahmen zugunsten von Hamburg Leuchtfeuer. 

Saufen gegen Aids: ein Projekt, an dem man (= wir) natürlich gerne und generös mitwirkt. Der Schampus wird zu fünf Euro das Glas verramscht, und so ein gülden perlendes Gläschen steht jemand im cremefarbenen Canali-Anzug – also mir – ausnehmend gut, wie ich zumindest annehme respektive hoffe.

Unter den kostenlos gereichten kulinarischen Köstlichkeiten findet sich allerdings nullkommanix Vegetarisches, weshalb sich Ms. Columbo recht früh empfiehlt und ich in ein Gespräch mit einem Hamburger Künstler und seiner Begleitung gerate, welches derart einseitig verläuft, dass sie sich irgendwann absentiert.

Meine Versuche, ihn dezent auf die Notwendigkeit hinzuweisen, diesem tragischen Umstand durch umgehendes Hinterherlaufen Rechnung zu tragen, versanden so lange, bis ich überdeutlich werde. Dann eilt er von hinnen und ich zur Theke, um ein weiteres Glas Champagner für einen Fünfer zu ordern. 

Der gute Zweck heiligt, hicks, die Mittel, ist doch klar.

07 August 2014

Geleert statt gefüllt

Da lässt man einmal, EINMAL! sein Fahrrad über Nacht draußen statt im Hausflur stehen, und sofort fallen die walking dead vom Kiez darüber her. 

Heute Morgen fand ich die beiden Satteltaschen durchwühlt vor. Daraus verschwunden waren ein – zugegeben – fahrlässigerweise dort drin deponiertes Billigbügelschloss vom Flohmarkt und eine verschwitzte Schirmmütze in unmodischem Olivgrün. 

Wie bloß muss jemand ticken, frage ich mich hoffentlich auch für Sie nachvollziehbar, um ein Bügelschloss ohne (!) Schlüssel und eine gebrauchte Mütze zu klauen? Also ich kenne die Antwort nicht. Nicht mal im Ansatz.

Meine heimliche Befürchtung war stattdessen immer, dass jemand die Fahrradsatteltaschen eher füllen statt leeren könnte. Zum Beispiel mit Nahrungsmittelresten oder – schlimmer –  Körperflüssigkeiten. „Keine Sorge“, tröstet mich Ms. Columbo, „das kommt alles noch.“ 

Das denke ich auch. Wozu leben wir auf St. Pauli?

03 Mai 2014

Pareidolie (96): Cherchez le Gurkensalat


Interessanterweise geht der Wiener ja „am“ Markt und „am“ Berg, aber wenigstens nicht „im“ Bett – und wenn doch, könnte das eine Inaugenscheinnahme durch einen Psychotherapeuten nach sich ziehen. 

Gemeinsam mit der hier im Blog und darüberhinaus weltberühmten Pareidolie-Tante arbeiteten wir heute im Wiener Café Ritter speziell diese Unterschiede zwischem dem Deutschen und dem Österreichischen heraus, dabei aufmerksam, aber in rasch abnehmendem Maße beobachtet von Apfel- und Topfenstrudelstücken sowie begleitender Vanillesoße.

„Topfen“ ist übrigens Quark, und ich meine das sehr konkret und nicht despektierlich. Das Gleiche gilt für das hiesige „Misttelefon“, was keineswegs eine Wienerische Kritik an der Qualität eines Kommunikationsgerätes ist, sondern einfach die Nummer des nächsten Abfallentsorgers. 

Am Abend vorher besuchten wir das Kleinkunst- und Verzehrtheater Kullsse, wo Angelika „Geli“ Niedetzky einen so fur- wie grandiosen zweistündigen Solocomedyparforceritt namens „Niedetzky-Marsch“ aufs Parkett legte. 

Kurioserweise hat Ms. Columbo vor einigen Monaten unfreiwillig den Titel des Programms geliefert, weil sie, als ich gerade Frau Niedetzky anmailte, mit deren Namen herumkalauerte und ich das noch hineinschrieb in meine Mail. Bingo! Manchmal haben die besten Ideen als Hebamme einfach nur den Zufall – oder eine kleine Albernheit zur rechten Zeit. 

Geli Niedetzky verdanke ich übrigens auch weitere tiefe Einblicke ins Österreichische. Sich „oan Fetzen umhänga“ etwa hat sehr, sehr wenig mit Kleidung zu tun – und heißt nichts anderes als sich die Kante geben. Was umgekehrt wiederum wohl die Österreicher nicht auf Anhieb raffen. Aber mir ist das inzwischen so was von blunznhugo, das können Sie mir glauben.

Ein Treffen mit der Pareidolie-Tante kann natürlich nicht ohne Pareidolieentdeckung zu Ende gehen. Abends beim Wiener Schnitzel im Falkensteiner Stübchen war es dann so weit: Cherchez le Gurkensalat.

Übrigens fokussierte meine Kamera, deren Gesichtserkennung aktiviert war, natürlich sofort das hier zu sehende Gurkenscheibenarrangement. Es liegt also nicht an mir, sondern ist objektivierbar! 

Den Termin meiner Inaugenscheinnahme durch einen Psychotherapeuten kann ich also erst mal beruhigt canceln.

PS: Eine ganze Galerie gibt es – natürlich – bei der Pareidolie-Tante.


16 März 2014

50 Meter weiter


Heute Nacht scheint eine vielköpfige Gruppe auf den Stufen vor unserem Hauseingang ein vielgängiges Fastfoodgelage veranstaltet zu haben. 

An den hier nur rudimentär dokumentierten Resten – mayonnaisekontaminierte Kunststoffboxen, Hamburgerrinden, Pommes Frites – waren sie anscheinend nicht weiter interessiert, denn sie hinterließen sie den Tauben. 

Ich geruhte mich beim Drumherumgehenmüssen darüber zu echauffieren, doch Ms. Columbo sah die Lage sachlicher. „Ein großer Vorteil ist doch“, sagte sie, „dass sie erst 50 Meter weiter kotzen.“ Völlig richtig.

Die auf nachgewiesenermaßen jedem Foto des Kiezbodens herumliegende Kippe ist diesmal übrigens links oben vorzufinden.


16 Februar 2014

Kein Interesse


Heute flohen wir vorm einsetzenden Regen auf einen Tee bzw. Espresso in ein Kneipencafé in der Markstraße. 

Hinterm Holztresen empfing uns eine desinteressierte Schnepfe mit der typischen Schnute einer Soziologiestudentin, die diesen Scheißbedienungsjob nun mal tun MUSS, weil Papa nicht genug Kohle springen lässt für bedingungsloses Rumstudieren. 

Ms. Columbo nahm die den Raum füllende Muffelaura indes mit erheblich mehr Gleichmut hin, als es eigentlich logisch gewesen wäre. Denn so was hat auch Vorteile. Statt sofort von einer überaufmerksamen Bedienung bereits beim Ablegen der triefenden Mäntel mit einem Bestellaufnahmewunsch behelligt zu werden, durften wir in aller Ruhe ablegen, die Getränkekarte in Augenschein nehmen, den ranzigen Muff der Inneneinrichtung beschnuppern und die – kaum dass wir Platz genommen hatten – plötzlich durchs Fenster hereinflutenden Sonnenstrahlen genießen.

Als die Tresentrulla dann schließlich unwillig herbeigeschlurft kam und mit ins Nirgendwo schweifendem Blick unsere Tee-, Espresso- und Kuchenwünsche entgegennahm, waren die Mäntel schon wieder trocken.

Vorgestern hatten wir bereits ein Erlebnis, welches durch das gemeinsame Band des Desinteresses auf wundersame Weise verknpüft ist mit der Marktstraßenschnepfe. Wir waren am Fuß der Wexstraße auf ein Brot- und Brötchendepot gestoßen, welches für auf Straßen herumliegende Lebensmittel eine erstaunliche Güte und Unversehrtheit aufwies. Die Körnerlaibe hatten sogar noch unbeschädigte Banderolen, wie auf dem Beweisfoto oben gut zu erkennen ist. 

Warum sich aber nicht schon längst Abertausende von Tauben heiß und innig für diese unverhoffte Ladung Manna interessierten, kann mit einem unterfinanzierten Soziologiestudium wohl kaum hinreichend erklärt werden.

04 Dezember 2013

Es war echt subber


Nach fast 3.500 Seemeilen – das ist ein Sechstel des Erdumfangs – sind wir zurück von der Schiffsreise, und Hamburg feiert dieses Ereignis standesgemäß: mit Orkan und Sturmflut. Wir fühlen uns geschmeichelt – aber auch ein wenig fröstelig. 

Vergangene Woche noch schwitzten wir bei 29 Grad am Rand der Negevwüste, jetzt glaubt der Kiez uns mit Nieselregen nahe null bezirzen zu können. Aber das funktioniert nicht, Kiez! Immerhin bleiben uns schöne Erinnerungen, die uns niemand mehr nehmen kann. Zum Beispiel unser Vierertisch beim Abendessen. 

Unsere kleine Runde nämlich wurde von einem wunderbaren älteren Ehepaar komplettiert, das ausgerechnet woher kam? Aus FRANKEN! Die beiden aus einem Dörfchen nahe Schweinfurt unterhielten uns knapp zwei Wochen lang mit Anekdoten und Tragödien, mit Wärme, Witz und Bratenrezepten; es war das reinste Vergnügen. Und beim Abschied fanden die beiden uns ebenfalls „Subber! Gans subber!“

In Izmir erstaunte uns die geringe Kopftuchquote, die uns niedriger schien als in Hamburg; für Erdogan gibt es also noch viel zu tun. Ein Händler in der Altstadt rief uns zu: „Wir habbe eine Lade mit Originalkopie! Lederjacke, alles!“ So wird das schon rein urheberrechtlich schwer mit dem EU-Beitritt, liebe Izmirer, Ankararer etc. 

In Athen hatte es am Tag vor unserem Besuch geschüttet wie verrückt, Land und Luft waren blitzeblankgespült, und somit erblickten wir von der Akropolis aus etwas, was man sonst von dort aus niemals sieht: Athen!

In Rom war es so unglaublich kalt (16 Grad!), dass die Gladiatorendarsteller vorm Kolosseum Socken trugen. „Wenigstens schwarze“, versuchte Ms. Columbo das empörend Unhistorische dieser Situation zu beschönigen. In einer Kaffeebar dort tranken wir den teuersten Espresso unseres Lebens (3,30 Euro für eine extrakleine Pfütze) und versuchten uns zu rächen, indem wir keinen Cent Trinkgeld gaben, aber es wollte sich keinerlei Genugtuung einstellen.

In Jerusalem focht ich einen zähen Kampf mit einem Busfahrer aus. Er fuhr die Klimaanlage trotz meiner Interventionen immer wieder auf eisige 18 Grad runter, was eine deutlich zu große Differenz zu den tropischen Außentemperaturen darstellte, als dass ich mir keine Klimaanlagenerkältung hätte zuziehen können. Und so kam es, wie es kommen musste: Erst musste ich mich dem Busfahrer beugen und bereits am nächsten Tag dem Schnupfen.

Tja, und in Tel Aviv schwebte ein Baum in der Luft.

27 November 2013

Schon zwei weniger

Schon zum zweiten Mal mussten wir den Kurs wegen eines angeblichen „medizinischen Notfalls“ ändern, neulich vor Sizilien und gestern vor der Insel Chios. Jedesmal kam ein kleines Boot herangeeilt und transportierte jemand weg. 

In der Hauptstadt der nicht gerade weltallweit berühmten Insel Chios leben 23 000 Menschen, und gerade diese Tatsache weckt Skepsis. „Wahrscheinlich“, raunte Ms. Columbo düster, „handelt es sich gar nicht um medizinische Not-, sondern um Todesfälle.“ 

In der Tat klingt diese Theorie beunruhigend plausibel. Denn ist es wirklich denkbar, dass eine Insel im ägäischen Meer über eine bessere medizinische Ausrüstung verfügt als ein kleinstadtgroßes Kreuzfahrtschiff? Ist es nicht normalerweise genau umgekehrt, nämlich dass medizinische Notfälle von dünn besiedelten Inseln weg- statt hingebracht werden? 

Wie auch immer: Momentan sind zwei Passagiere weniger an Bord als nach der Einschiffung in Savona, und ich wünsche ihnen alles Gute. Andere Mitfahrer tragen ebenfalls ihr Päckchen bzw. unerfüllte Sehnsüchte mit sich herum. Eine ältere Dame offenbarte im Gespräch ihren Lebenstraum: einmal, nur ein einziges Mal Sascha Hehn treffen. Sascha Hehn.

Ob Butler Alan wohl beliebigen Personen links und rechts Watschen verpassen würde, sofern man ihn darum bäte? Es ist bestimmt einen Versuch wert. Schließlich fiebert er Aufträgen entgegen. 

Er ist unser Butler.