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08 Februar 2021

So sind sie, die Bullen, und nicht anders

St. Paulianer halten sich selbst gerne für ein wenig besser als den Rest der Stadt. Für politischer, reflektierter, empathischer, toleranter. Vielleicht stimmt das tendenziell sogar. Vor peinlichen Pauschalurteilen mancher Stadtteilbevölkerer schützt uns das trotzdem nicht.

Als neulich in der Bernhard-Nocht-Straße – sie liegt direkt oberhalb der für die jüngere Stadtgeschichte so berühmten wie berüchtigten Hafenstraße – ein Haus abgerissen wurde, kam eine unbefleckte Fassade zum Vorschein, die somit zum alsbaldigen Beflecken einlud. Kurz darauf landete der auf dem Foto dokumentierte Satz auf der Wand, für den ich mich als St. Paulianer nicht wenig fremdschäme.

Denn intellektuell bewegt sich diese Behauptung leider auf dem tiefergelegten Niveau von „Männer sind Vergewaltiger“, „Frauen können nicht einparken“ oder „Schwarze schnackseln gern“.

Aber nehmen wir einmal für einen Moment lang an, es wäre wirklich so: Welche Bedingungen müssten gelten, damit dieser Satz wahr wäre und bliebe? Die einzige Chance bestünde wohl darin, bereits bei der Bewerberauswahl zur Polizeiausbildung sicherzustellen, dass all jene systematisch ausgesiebt würden, die keine Rassisten sind.

Beim Einstellungsgespräch wäre also eine entsprechende Abfrage unabdingbar. Nach dem Motto: Eine Frage noch, ganz, ganz wichtig: Sind Sie Rassist? Ach, echt nicht? Tja, dann können wir Sie leider nicht gebrauchen, denn Sie haben es vielleicht übersehen, aber Bullen sind Rassisten.

Schon ein einziger Polizeischüler, der nichtrassistisch ist und trotzdem eingestellt worden wäre, würde die hier dokumentierte Fassadenbefleckung glorios widerlegen. Schon ein einziger Schwarzer, der weniger gern schnackselt, würde das Pauschalurteil der hautfarbenabhängigen Promiskuität ad absurdum führen. Eine einzige Frau, die einparken kann … Und so weiter.

Natürlich gibt es Bullen, die Rassisten sind. Genauso wie es linke Antisemiten gibt. Oder auf dem Kiez beheimatete Wandbeflecker, die sich intellektuell auf dem Niveau von Mario Barth bewegen – was zwar bedauernswert ist, aber nicht schlimm wäre, solange sie nicht dummerweise den Drang verspürten, die ganze Welt an ihrem Defekt teilhaben zu lassen.

Na ja, gut, dass dort in der Bernhard-Nocht-Straße bald ein neues Haus hochgezogen wird.





24 Februar 2020

Wenn der Kiez die Wahl hat

Das hier dokumentierte Abstimmungsverhalten in unserem Wahllokal auf St. Pauli ist zwar alles andere als repräsentativ, aber durchaus nicht unerfreulich.

So ließen wir Rotlichtviertelbewohner – Ab­ra­ka­da­b­ra, Simsalabim! – die völkisch-nationalen Rassisten spurlos im anonymen Sammelbecken der Sonstigen verschwinden. Und der Partei Die Partei (der ich, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, bereits seit mindestens sechs Jahren die Mitgliedsbeiträge schulde) schanzten wir fast doppelt so viele Stimmen zu wie der CDU.

Nein, das harte Pflaster von St. Pauli ist seit jeher kein gutes für Rechte und Rechtsaußen und diesmal erst recht nicht. Träte die Antifa auf dem Kiez unter eigenem Namen an, müssten sich wahrscheinlich sogar sämtliche Parteien links der Mitte sehr warm anziehen. Oder warum stellt nicht gleich der FC St. Pauli eine eigene Liste auf? Politisch genug ist unser kleiner Stadtteilverein doch allemal, und wer sagt, dass sich nur Parteien zur Wahl stellen dürfen? Niemand, Herr Göttlich!

Für die Bürgerschaft würde es natürlich trotzdem nicht reichen, da wären schon die stadtweit immer noch vielköpfigeren HSV-Fans vor – und zwar nicht erst, seit sie am Samstag die bitterste Heimniederlage des Jahrtausends zu verdauen bekommen haben.

Wie Sie sehen, meine Damen und Herren, war das vergangene Wochenende für mich ein von Behagen und wohligem Genuss geprägtes, zumal zu allem Überfluss auch noch mein Herzensverein seit Kindertagen, der 1. FC Köln, in Berlin auf unverhoffte Art und Weise zu reüssieren wusste. Manchmal fügt sich eben alles zum Besten, und das Leben wäre nicht lebenswert, wenn man selbst solche Tage nicht genösse bis zur Neige.

Und jetzt, liebes Wahlvolk in der Restrepublik, bitte zu Hause nachmachen, das mit dem Ab­ra­ka­da­b­ra und Simsalabim. Danke.

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02 Januar 2020

Fundstücke (241)


Was man nicht so alles entdeckt, wenn man mit Google Maps über St. Pauli fliegt … 

Ich scheine der Erste zu sein, dem das aufgefallen ist, denn es gibt webweit keine weiteren Bildtreffer mit diesem Motiv. 

Was wohl der Vermieter dazu sagt – gehört so was nicht zu den genehmigungspflichtigen baulichen Eingriffen …? ;)

31 August 2019

Das haben die G20-Gefangenen nicht verdient!

Neulich war ich einen trinken mit German Psycho und zwar im Chug Club auf St. Pauli. Unter anderem in diesen Räumen in der Taubenstraße drehte Jan Schütte 1987 seinen unvergleichlichen Film „Drachenfutter“, ein schwarz-weißes Juwel der deutschen Kinogeschichte über das Schicksal von Immigranten in Hamburg, das eigentlich dauerhaft in den Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen abzurufen sein müsste. Aber das ist natürlich nicht der Fall.

Zurück zur Anschlussverwendung des „Drachenfutter“-Drehortes als Cocktailbar: Im Chug Club darf leider geraucht werden, was mich als Nikotinabstinenzler auf eine harte Probe stellt. Aber was tut man nicht alles für einen gemütlichen Abend unter Freunden. German Psycho, Raucher, kennt meine diesbezüglichen Nöte und geht immer, wenn er Schmacht hat, aus Höflichkeit raus auf die Straße. Ich begleite ihn natürlich jeweils herzlich gerne.

Während wir also dort stehen, zeigt er auf den oben abgebildeten Aufkleber, der einen Mülleimer in der Nähe der Eingangstür verziert. „Findest du das auch so empörend?“, fragt er. Ich schaue näher hin, lese mir das durch und sage: „Ja, unfassbar … Was für ein hammerhartes Deppenleerzeichen!“ German Psycho nickt zufrieden; genau das hatte er gemeint. Doch auch semantisch bietet dieser von einer gewissen „Anarchistischen Initiative“ verantwortete Text mindestens eine Denksportaufgabe. 

Denn was um alles in der Welt bedeutet der Passus „Auch mit den Unschuldigen“? Sollte die Solidarität mit den armen durch ein Deppenleerzeichen verunstalteten Gefangenen nicht den Unschuldigen sowieso, aber eben „auch den Schuldigen“ gelten? Nicht, dass ich selbst dieser Auffassung wäre; ich versuche hier nur die Argumentation der Anarchistischen Initiative zu hinterfragen und mich – wie es die Pflicht eines jeden Homo politicus ist – einer gewissenhaften Exegese zu befleißigen.

Also: Warum werden gerade „die Unschuldigen“ von der Anarchistischen Initiative nur wie ein lästiger Appendix behandelt? Denen sollte doch der ganze Furor des anarchistischen Engagements gelten! Stattdessen gibt man mit diesem – wie man leider sagen muss: letztlich undurchdachten – Geschwurbel (wahrscheinlich höchst versehentlich) zu, dass es in der Tat doch Schuldige gibt; und stellt sie implizit auch noch besser als die armen Würste, die damals Opfer von Polizei- und Staatsanwaltswillkür wurden.

Inzwischen hat German Psycho seine Zigarette zu Ende geraucht. Wir gehen wieder rein, schwankend zwischen Empörung (Deppenleerzeichen!) und Ratlosigkeit (Semantik!). Und ich beschließe, mir demnächst mal wieder „Drachenfutter“ anzuschauen. Ich habe ihn, liebe Öffentlich-Rechtlichen, auf Festplatte.

PS: Wer nachlesen möchte, wie es wirklich zuging auf St. Pauli beim G20-Gipfel 2017, der möge sich diese Blogbeiträge noch mal zu Gemüte führen.  









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04 Juni 2019

Neuste Seltsamkeiten aus dem Kiezuniversum

Neulich sahen wir in der Clemens-Schultz-Straße etwas ganz und gar Verblüffendes: einen Mann auf einem Fahrrad, der beim Fahren nicht telefonierte. Wir starrten ihm fassungslos nach. 

Was war nur los mit diesem Mann – hatte er keine Freunde? Waren seine Kommunikationsskills verkümmert? Oder noch schlimmer: Gab es etwa gerade nichts Wichtiges zu sagen, also Sachen wie „Ich radle gerade durch die Clemens-Schultz-Straße und ein Paar starrt mich komisch an“? 

Wir werden es nie erfahren. Wäre der nicht telefonierende Radfahrer jedenfalls unlängst in der Rindermarkthalle zufällig dabeigewesen, als die Schauspielerin Nina Bott (41) eines Cafés verwiesen wurde, weil sie am Tisch ihr Kind stillte, hätte das zumindest ein Telefonthema sein können. 

Dass hier auf St. Pauli jemals eine Frau in Schwierigkeiten geraten würde, weil sie blankzieht, hätte ich mir in den ganzen 23 Jahren, die ich inzwischen hier wohne, niemals (alp)träumen lassen. Wo in Salambos Namen ist Kalle Schwensen (65), wenn man ihn mal braucht als Hüter und Verteidiger hiesiger Sitten und Gebräuche? Nina Bott (41) jedenfalls soll Tränen in den Augen gehabt haben, und ich kann sie verstehen.

Zurück zum Fahrradfahren und trotzdem zu einem ganz anderen Thema: Analog zur Elektroautoprämie hätte ich nämlich gern eine Nichtnutzungsprämie. Da ich nachgewiesenermaßen freiwillig praktisch komplett auf den Gebrauch jedweder motorisierter Verkehrsmittel verzichte, entlaste ich die öffentliche Hand, senke sogar dramatisch den Bedarf an Straßenbau- und Luftsäuberungsmaßnahmen, an Waggons, Kraftfahrern, Kontrolleuren. 

Kurz: Ich spare der öffentlichen Hand eine Menge Geld, das als generelle Nichtnutzungsprämie u. a. in den Unterhalt der polizeilichen Pferdestaffel (Foto), aber zum Teil vor allem zurück in meine Tasche fließen sollte, und zwar zu einem großen. Dafür verpflichtete ich mich auch, beim Radeln niemals zu telefonieren – selbst wenn ich beim Vorbeifahren mitbekäme, wie Nina Botts Brüste gerade eines Kiezcafés verwiesen würden. 

Meine Kontodaten, Finanzsenator Dr. Andreas Dressel (44), gibt es gern auf Anfrage.


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16 September 2018

Aller guten (Blog-)Dinge sind 13


Dass dieses Blog im Lauf der vergangenen zwölf Monate den viermillionsten Besucher begrüßen durfte, ist angesichts der erneut dramatisch eingebrochenen Veröffentlichungsfrequenz schon verwunderlich. Und ein wenig beschämend für den inhaltlich Verantwortlichen. 

Denn was finden Neuankömmlinge hier vor? Vor allem einen Riesenberg Vergangenheit. Das muss anders werden (sage ich mir jedes Jahr). Schließlich passieren hier auf St. Pauli immer noch Dinge. Erwähnenswerte Dinge. Wie neulich beim Kiezbäcker, als ich in der Schlange hinter einem gutgelaunten jungen Mann afrikanischer Provenienz darauf wartete, die im Dauerabonnement vorbestellten Karottenbrötchen abzuholen.

Als der junge Mann mich erblickte, drehte er sich um, hob überraschenderweise die Hand zum High Five und sagte mit einem Strahlen, dessen man wahrscheinlich nur dann fähig ist, wenn man neulich in einem lecken Schlauchboot die Mittelmeerpassage überlebt hat: „Germany is the greatest country in the world – because I’m here!“ Eine Logik, die holperte, aber nur auf den ersten Blick. Ich wusste jedenfalls sofort, was er meinte, und schlug grinsend ein. 

Das war noch vor Chemnitz, und vielleicht ist Germany in puncto Greatness für ihn inzwischen auf Platz zwei  oder drei abgerutscht, aber er freut sich mit Sicherheit noch immer, hier zu sein – und ich freue mich noch immer, mit Typen wie ihm beim Kiezbäcker eine Warteschlange zu bilden. 

Wahrscheinlich wird es allerdings eine Weile dauern, bis der neue Mitbürger ausreichend Deutsch gelernt hat, um die denglischen Kalauer zu dechiffrieren, die zurzeit vor allem Foodtrucks befallen wie Wespen heute meinen Tartufobecher in einer Eisdiele in der Stader Altstadt. Zur Beweisführung mögen die hier präsentierten Fotos von Beispielen gelten, die ich allesamt auf dem Spielbudenplatz auf frischer Tat ertappte.

Und jetzt feiere ich den 13. Bloggeburtstag, möglicherweise mit einem mitternächtlichen Ratsherrenpils. High Five!





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20 Februar 2018

Flaschenwerfen ganz legal


Auf allen Altglascontainern an der Louise-Schroeder-Straße an der Grenze von St. Pauli zu Altona kleben unter den Hinweisen zum Verwendungszweck weiße Zettel, die bei mir zunächst als pfiffige Werbung für ordentliche Mülltrennung durchgingen.

Denn die Behauptung „Hier droht bei Flaschenwurf keine 3,5 jährige Haftstrafe“ ist ja – trotz des unverzeihlichen, die Aussage stark überlagernden Deppenleerzeichens – eine durchaus richtige. Und als clevere hanseatische Werbeagentur, die endlich einmal einen städtischen Auftrag an Land gezogen hat, traut man sich natürlich was und ermuntert unsereins einfach mal per Anspielung auf Ereignisse vom vergangenen Juli zu farbkorrekter Altglasseparierung.

So weit, so gut, so nachvollziehbar. Skeptisch stimmte mich allerdings das künstlerische Niveau des Entwurfs. Ich konnte und kann keine Gestaltungshöhe im eigentlichen Sinne feststellen. Nein, so was wäre bei Jung von Matt krachend an der internen Qualitätskontrolle gescheitert.

Gewissheit über die Urheberschaft der Aufkleber verschaffte mir dennoch erst das Aufsuchen der am unteren Rand abgedruckten Webseite. Der Zettel stammt also von G20-Gegnern, die auf diese Weise ihre Solidarität mit Inhaftierten vom Juli 2017 demonstrieren wollen.

Gleichwohl hätte, wie mir scheint, auch die Stadtreinigung mit etwas Hilfe einer hiesigen Werbeagentur diese Klebeaktion wagen können – zum Beispiel in einem Anfall augenzwinkernden Sarkasmus’. Das soll ja selbst in Beamtenkreisen vorkommen.

Übrigens sollten Sie die angegebene Webseite nur dann besuchen, wenn Sie starke Nerven haben. Auch dort wird nämlich dem bereits auf den Altglascontainern dokumentierten Hang zu Deppenleerzeichen schamlos nachgegeben („G20 Aktivisten“).

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13 Januar 2018

Zum 50.: Das Lexikon einer geilen Generation



A wie APO: Die 68er waren irgendwie gegen alles Alte, deshalb drehten sie das Wort –>OPA einfach um und erhielten sein Gegenteil. So entstand die APO. Sie wollte möglichst „jung“ wirken, deshalb verhielt man sich auch konsequent idiotisch, steckte sich Blümchen ins Haar und ging in kindlicher Unschuld massenhaft öffentlich duschen (–>Wasserwerfer). So was ist neuerdings wieder total in, siehe G20-Gipfel.
B wie Barrikaden: Auf die Straßen geschmissene Haufen aus Steinen, Türen (–>Kommune), Balken und was nicht alles. Damit wollten die 68er verhindern, dass die –>Wasserwerfer abhauen konnten, bevor sie Duschwasser bereitgestellt hatten. Heutzutage ist das Barrikadenbauen aus der Mode gekommen, weil die meisten Menschen eh kurze –>Haare haben.
C wie Che Guevara: Ein eitler Selbstvermarkter aus Kuba. Er ließ Millionen Poster von sich selber drucken, welche die gutmütigen 68er dann dezentral lagerten, meist an den Wänden ihrer ->Kommunenräume. Als Che wegen der Poster pleite war, floh er vor den Gläubigern in den Wald, aber sie fanden ihn trotzdem. Nach seinem Ableben wussten die 68er nicht mehr, wem sie die Poster zurückgeben sollten, und ließen sie einfach hängen. Bis heute.
D wie Drogen: Chemische Substanzen, die das Hirn weich und das Wesen sanft machen – und so verhinderten, dass aus 68ern –>Terroristen wurden.
E wie Establishment: Die zarte Poesie der 68er bezirct bis heute mit Zeilen wie „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment“. Damit waren nicht nur Monogame gemeint, sondern auch Leute, die das Klo abschlossen und zum Duschen daheim blieben, statt den kostenlosen ->Wasserwerferservice zu nutzen.
F wie Flokati: Ein Teppich mit langen Haaren. Sie sollten den Dreck binden, der beim ungehemmten –>Sex in der aus revolutionären Gründen ungeputzten –>Kommune aufgewirbelt wurde. Als in den 90ern Cybersex aufkam, starb der Flokati aus. Für die letzten Exemplare wird immer noch ein sicheres Endlager gesucht.
G wie Gammler: Splittergruppe der 68er, die sich vor allem dadurch unterschied, dass sie nicht von –>Vietnam träumte, sogar öffentliches Duschen mied (–>Wasserwerfer) und immer wusste, wo es den billigsten Joint gab. Deshalb waren Gammler als –>Terroristen völlig untauglich.
H wie Haare: Ein praktischer Körperauswuchs, den die 68er in bis dahin ungekannter Form ausbildeten, um den Flokatiteppich beim Filtern des Staubs aus der Luft zu unterstützen. Die Säuberung erfolgte –>nackt und öffentlich (–>Wasserwerfer).
I wie Ideologie: Unverzichtbarer IQ-Ersatz für jeden 68er.
J wie Jesus-People: Komische Käuze, die zwar auch in –>Kommunen lebten, aber jede Chance aufs Rudelrammeln sausen ließen. Ähnlich tragische Figuren wie –>Terroristen.
K wie Kommune: Eine total demokratische Wohnform, die sogar Gerüche gleichberechtigt behandelte. Viele von ihnen waren jahrhundertelang gedisst und weggesperrt worden, doch die 68er befreiten sie, indem sie sämtliche Türen aushängten. Jetzt konnten sich sogar Klodüfte frei durch die Wohnung bewegen und etwa in der Küche nette Kollegen treffen. Heute ist man davon aber wieder weg.
L wie links: Eine Art holpriges Denken in Widersprüchen, das die 68er toll fanden. Linke lobten lauthals das damals noch „Proletariat“ genannte Prekariat, statt sich – wie heute alle bis auf Oskar Lafontaine – darüber zu beömmeln. Inzwischen ist längst erwiesen, dass man rinks und lechts leicht verwechseln kann, deshalb gilt Richtungsdenken generell als überholt. Genauso wie –>Ideologie übrigens.
M wie Muff: Biologische Sonderform eines sehr alten Schimmelpilzes, den die 68er unter der Standeskleidung (Talare) ihrer Professoren vermuteten und gern weggehabt hätten. Problem: Wenn man Talare lüftet, verbreiten sich die Sporen des Muffs in alle Winde und sorgen überall für neue Schimmelpilze. Darunter leiden die Unis bis heute, und alles nur wegen der 68er.
N wie nackt: Was inzwischen selbstverständlich ist, haben die 68er für uns mutig erstritten: das Nacktsein. Sie rissen sich überall und im Affenzahn die Kleider vom Leib, ob in der WG (–>Kommune), an der Uni (–>Muff) oder vor Gericht, und das ohne jede Rücksicht auf ästhetische Erwägungen. Hauptsache, die –>OPAs regten sich auf. Außerdem kam man so beim –>Sex viel schneller zur Sache.
O wie OPA: Das Gegenstück zur –>APO und letztlich Ursache ihrer Gründung. Sammelbecken für Altnazis, Monogame, Kloabschließer, –>Wasserwerferfahrer und Leute, die BILD lasen statt Bildblog (wenn es das damals schon gegeben hätte).
P wie Porno: Weil die 68er unheimlich locker waren, hatten sie auch nichts dagegen, sich beim –>Sex filmen zu lassen – fertig war der erste Porno der Welt. Vorher wusste man nicht mal, wo man was reinstecken sollte; dank der 68er konnte man sich das jetzt genau anschauen. Wie alles Gute wurde aber auch diese super Idee sofort vermarktet bis zum Gehtnichtmehr (vgl. Youporn).
Q wie quasseln: Neben dem Poppen, Kiffen und ->Barrikadenbauen gehörte das ständige Quasseln zu den nervtötendsten Eigenschaften der 68er. Ein Erbe, das heute in sogenannten Talkshows verwaltet wird. Dass die Lanzens und Illners nicht einmal das Maul halten können, liegt nur an den 68ern.
R wie Revolution: Die 68er wollten nicht mehr von –>OPAs regiert werden und schimpften deshalb rum. Ein gewisser Schröder rüttelte später sogar am Zaun des Kanzleramtes und rief: „Ich will da rein!“ Viele Jahre später klappte es sogar, und das war dann die Revolution.
S wie Sex: Die Fortpflanzung vor 1968 liegt völlig im Dunkeln. Man vermutet eine Mitwirkung von Störchen. Ab 68 wurde dann alles anders: Man poppte, was das Zeug hielt, das eh keiner mehr anhatte (–>nackt). Seither weiß man erst genau, wie das funktioniert mit der menschlichen Fortpflanzung. Allerdings ist die 1968 etablierte Methode inzwischen schon wieder überholt, dank Gentechnik.
T wie Terroristen: Gescheiterte 68er, die zu tüddelig waren, sich die richtigen –>Drogen zu besorgen. Tagelang irrten diese Dummerchen durch die falschen Viertel und stießen dort natürlich auf keinen einzigen Dealer. Das machte sie unheimlich sauer – mit bekannten Folgen (RAF, Stammheim, Mogadischu).
U wie Universität: Beliebte Sammelstellen für 68er, vor allem, weil es dort Stühle gab. In den –>Kommunen gab es ja nur noch –>Flokatis.
V wie Vietnam: So wie wir uns heute nach Bali sehnen, so verzehrten sich die 68er nach Vietnam. Endlose Strände, entlaubte Wälder, dünne Menschen in Erdhöhlen: All das löste eine romantische, letztlich aber unstillbare Sehnsucht aus. Denn die meisten 68er waren wegen der kostenlos bereitgestellten Stühle an der –>Universität und hatten kein Geld für den Flug, deshalb demonstrierten sie zu Tausenden für staatliche Reisekostenzuschüsse. Weil das im Budget nicht drin war, bot die Regierung ersatzweise mobile öffentliche Duschen an (–>Wasserwerfer), womit sich die 68er dann auch begeistert zufrieden gaben.
W wie Wasserwerfer: Ein Fahrzeug, das die Polizei zur Verfügung stellte, um die verweigerten Reisekostenzuschüsse (–>Vietnam) zu kompensieren und zugleich das hygienische Niveau der 68er zu heben. Vor allem lange –>Haare waren Schmutzfänger erster Kajüte, und weil in vielen –>Kommunen aus revolutionären Gründen kein Wasser lief, versammelten sich die 68er auf großen Plätzen und Straßen, wo sie sich abbrausen ließen. Vor allem der –>Sex war danach deutlich angenehmer.
XY wie Aktenzeichen xy … ungelöst: Fahndungssendung, die am 20. Oktober 1967 von –>OPAs erfunden und quasi zum Begleitformat der 68er wurde. Da praktisch jeder mit langen –>Haaren verdächtig war, hatte die xy-Redaktion unglaublich viel zu tun. Heute fahndet die Sendung allerdings vor allem nach Kurzhaarigen.
Z wie Zausel: Liebevoller Ulkname für Rainer Langhans, den letzten noch aktiven 68er aller Zeiten.


(Dieses Lexikon ist die aktualisierte Fassung eines Textes, der für die Zeitschrift umagazine entstand.)

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14 Dezember 2017

Zu kurz gedacht


Natürlich wäre eine Welt anstrebens- und empfehlenswert, in der keine Polizisten mehr nötig wären. 

Aber jetzt mal angenommen, der auf der linken Bank geäußerte Wunsch ginge früher in Erfüllung als der auf der rechten: An wen könnte man sich dann wenden, wenn einen Nazis dabei erwischt hätten, wie man „No Nazis“ auf eine Bank sprühte, und das täten, was Nazis, die sich ungeliebt fühlen, gemein tun?

So weit hat der Spraydosenmissbraucher im Alsterpark mal wieder nicht gedacht. Und deshalb soll er das bitte wieder wegmachen. 

Zumindest links das.

22 November 2017

Fundstücke (223)


Entdeckt an der U-Bahn Mundsburg. Suchen Sie sich bitte Ihre Lieblingsübersetzung aus:






06 Oktober 2017

Die normative Kraft des Dicklichen

Auf Rügen sind sie alle wohlgenährt: die Spinnen, die Möwen und die Menschen. Schmal hingegen ist die Internetbandbreite. In unserem Göhrener Hotel namens Berliner Bär müssen sich alle Gäste eine einzige kümmerliche 6000er-Leitung teilen. Danke, Merkel! 

Zurück zur Fülligkeit allen Lebens auf Rügen: Im Selliner Kaufhaus Stolz, in das wir uns wegen eines verheißungsvollen 70-prozentigen Umbaurabatts hineinverirrten, fanden wir quasi nichts in unserer Größe, sondern fast durchweg nur Zeugs in X- und XXL (ganz abgesehen davon, dass Stolz seinen Riesenladen mit einem indiskutabel KiK-artigen Polyesterbilligsortiment vollgekotzt hat, für dessen Herstellung wahrscheinlich halb Pakistan seine Kinder opfern musste). 

Tags drauf die nächste Bestätigung unserer Beobachtung. Wir schaukelten in einem maximal 30 km/h dahinrumpelnden Dampfzug namens Rasender Roland nach Binz und stolperten dort über einen Modeladen, der vor der normativen Kraft des Dicklichen längst sämtliche Waffen gestreckt hat – und sein kugelförmiges Zielpublikum mit verheißungsvollen „Größen bis 5XL“ in den Laden locken will.

Vielleicht gibt es im Osten ja nicht überall Kohls blühende Landschaften, doch das Durchschnittsgewicht des Bevölkerungsbesatzes hat sich – zumindest auf Rügen – seit Honeckers Zeiten erheblich hochgearbeitet. Wenn Bertolt Brecht also Recht hätte mit seinem verständnisvollen „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“, dann müsste es sich bei den gut gesättigten Rügenern um eine ethisch gefestigte Ethnie von hochentwickelter Menschlichkeit handeln. 

Ehe wir zur Überprüfung dieser These kommen, möchte ich noch vorwegschicken, dass die gewonnenen empirischen Erkenntnisse allein auf der Beobachtung offenkundig deutscher Probanden beruhen. Irgendwie exotisch aussehende Menschen waren schlichtweg nicht zu sehen. Niemand mit Kopftuch. Keine Afrikaner, Türken, Syrer, Chinesen, Koreaner (wobei wir wegen unserer Halbpension im Berliner Bären in die durchaus international aufgestellten Restaurants nicht hineingeschaut haben. Dort mag also möglicherweise importiertes Personal vorzufinden sein).

Es gibt ja das statistische Paradoxon, dass gerade dort, wo es die wenigsten Nichtdeutschen gibt, diese am skeptischsten oder gar ablehnend betrachtet werden. Und genauso ist es auch auf Rügen, wenn man die letzte Wahl als Grundlage nimmt. Jene schlechtgemachte Simulation einer demokratischen Partei namens AfD (bekannte einschlägige Zitate, die ihren nicht nur latenten Rassismus belegen, erspare ich Ihnen an dieser Stelle) räumte nämlich im Wahlkreis Vorpommern-Rügen/Vorpommern-Greifswald kräftig ab. Sie ging bei der Bundestagswahl im September mit 19,6 Prozent als zweitstärkste Kraft durchs Ziel.

Ich fasse zusammen: Die hiesigen, von keiner Irritation durch anders Aussehende geplagten Blässlinge verfügen augenscheinlich über Kalorien im Überfluss und verwenden sie zum Teil dafür, in zeltartigen 5XL-Pullis Kreuzchen gegen Fremde zu machen, die auf Rügen nicht vorkommen.

Aber die Küste, die Klippen und die Seebrücken: toll, toll, toll.



02 Oktober 2017

Fundstücke (221)


Manchmal frage ich mich ja schon, wie Automobilisten reagieren würden, wenn man ihnen solche Streckenführungen zumutete. 

Als Radfahrer jedenfalls nimmt man lustige Einfälle Hamburger Verkehrspolitik wie plötzlich an der Bordsteinkante endende oder botanisch herausgeforderte Radwege inzwischen duldsam hin. 

Oder fotografiert und verbloggt sie.

09 Juli 2017

G20: Nachlese eines Desasters


Ich weiß nicht, ob das Gerücht stimmt, aber in den Tagen vorm Gipfel sollen Leute aus der autonomen Szene die oben abgebildeten Plakate mit dem Text „NO G20 – SPARE OUR STORE“ verteilt haben – aber nur an manche, offenbar politisch genehme Ladengeschäfte. Was im Umkehrschluss bedeuten hätte, dass jene, die kein Plakat erhalten hatten, zum Abschuss freigegeben waren. So eine Art umgekehrtes Judensternprinzip also.

Wie gesagt: Keine Ahnung, ob das stimmt. Keine Ahnung, ob eine Art linksautonomes Gremium eine Selektion des Einzelhandels vorgenommen hat. Die Plakate sah man jedenfalls in den Tagen vorm Gipfel in vielen Geschäften. Heute hingen immer noch viele auf dem Kiez und in der Schanze; an unversehrten Scheiben.


Andere hatten keine „SPARE OUR SHOP“-Plakate abgekriegt, und weil sie nicht mal ein Shop waren, bastelten sie sich panisch selber welche. Die Kita in der Bernhard-Nocht-Straße zum Beispiel. 

Das Gebäude, in dem sie untergebracht ist, wurde erst vor einigen Jahren im typischen Klinker-Glas-Mix errichtet, und das macht es wohl – durch den Tunnelblick eines Pflastersteinwichtes – zum zerstörungsprädestinierten Palast des Raubtierkapitalismus. Zumindest scheint die Kita-Leitung diesen Verdacht gehegt zu haben – und appellierte vorauseilend auf schier verzweifelte Weise ans Mitleid der Randalierer. 

Ob es die Schilder waren, die wirkten, oder der Schwarze Block gerade keine Wurfgeschosse zur Hand hatte, als er durchs Viertel marodierte: Wir werden es nie erfahren. 




Mindestens einer von ihnen aber hatte zumindest eine Spraydose dabei. Und schaffte es, beim Verschönern einer Klinkerfassade in der Taubenstraße gleich zwei Rechtschreibfehler in einen einfachen Hauptsatz einzubauen. Möchte man wirklich, dass solche Leute irgendwann mal das Sagen (und Schreiben!) haben? Auch nur ein winziges Bisschen? Nope, Sir.


Eingangs des Schulterblatts brachte die Gluthitze der brennenden Barrikaden den Asphalt zum Schmelzen. Er erstarrte danach wieder zu einem welligen, grobporigen, buckligen Etwas, das nun von Baustellenmarkierungen eingezäunt ist. 

Ein paar Dutzend Meter weiter haben Anwohner des Schanzenviertels eine Wäscheleine gespannt und Zettel drangehängt, auf denen sie ihre Wut (nicht nur auf die potenziellen Mörder, sondern auch auf unseren Ersten Bürgermeister Olaf Scholz) und ihren Stolz darauf, anders zu sein als die Marodeure, aufgeschrieben haben. 

Drumherum sitzt alles bereits wieder in den Kneipen, Restaurants, auf Bänken und Gehwegen. Es ist viel passiert, aber nichts davon verdirbt ihnen dauerhaft Durst und Appetit – nimm das, Autonomer.






Den ganzen Sonntag über räumten die Schanzenbewohner ihr Viertel auf, und heute Abend sah es schon beinah wieder so hübsch abgeranzt aus wie immer – wenn man von den vielen blinden Fensterlöchern absieht, hinter denen nun Bretter und Spanplatten befestigt sind. 

In der Seilerstraße sind die grotesk wirkenden, weil in dieser Gegend eigentlich nicht überlebensfähigen Parklücken inzwischen wieder verschwunden. Das Foto unten konserviert aber die atemberaubende Ausnahmesituation für die Ewigkeit – damit die Enkelgeneration es uns auch glaubt.



Auf dem Spielbudenplatz hatte noch jemand eine Botschaft für alle, die es angeht. Eine ohne einen einzigen Rechtschreibfehler. 






04 Juli 2017

G20: Haut Trump die Elphi kurz und klein?


Für zwei hochkarätige Teilnehmer des G20-Gipfels verspricht das Konzert in der Elbphilharmonie am Freitagabend besonders aufregend zu werden. 

Recep Tayyip Erdoğan etwa wird bass erstaunt darüber den Kopf schütteln, dass dieser einst als Trainer in der Türkei erfolglose Teufelskerl Jogi Löw neuerdings sogar in der Lage ist, ein Sinfonieorchester zu dirigieren (Bild). 

Donald Trump hingegen wird sich mächtig aufregen über die dargebotene „Fake music!“, weil das Fraud-Media-Programmheft böswillig verschweigt, wer das von Jogi Löw dirigierte Stück namens „Beethoven“ in Wahrheit schuf – nämlich der große amerikanische Komponist Chuck Berry.

Viel Konfliktpotenzial also am Wochenende. Bleiben Sie lieber zu Hause oder in Travemünde.

Quelle: Hamburger Abendblatt, 28.06.2017


19 Juni 2017

Willkommen in der Hölle


Wäre ich gerade auf Twitter unterwegs statt hier im Blog, würde ich sagen: Ich brauche Followerpower. 

Vielleicht weiß ja jemand von Ihnen Bescheid. Es geht um ein neues Objekt auf dem Dach gegenüber, also auf einem Haus an der Reeperbahn, das von uns aus – der Rückseite der Reeperbahn – seit Kurzem zu sehen ist.

Die beiden großen Antennen dort drüben gibt es schon eine Weile, doch das Teil, das am Ende des Auslegers rechts promeniert (auf dem folgenden Bild zweimal vergrößert zu sehen), scheint mir neu. 


Was ist das bloß – eine Kamera? (Und wenn ja: Was nimmt sie auf? Und darf sie das überhaupt? Immerhin wurde die Kameraüberwachung auf dem Kiez vor einigen Jahren wg. nachgewiesener Illegalität wieder aufgehoben.) 

Oder ist es ein Strahler? (Und wenn ja: Was strahlt er an? Und warum haben wir dann das Objekt bisher noch nie beim Emittieren von Licht ertappt?)

Oder handelt es sich eventuell um ein unverzichtbares Accessoire des Antennenduos, ohne das unser LTE nicht mehr funktionieren würde?

Und warum hat es sich auf der Unterseite verfärbt, obwohl ich es innerhalb von wenigen Sekunden zweimal aus identischer Position fotografiert habe?

Fragen über Fragen, welche ich die Observierer, Ingenieure, Telekommunikationstechniker und Verschwörungstheoretiker unter Ihnen zu beantworten bitte. Eine plausible Erklärung trüge zur Beruhigung der Lage hier auf der Rückseite der Reeperbahn nicht unwesentlich bei, denn man wird ja schon ein bisschen paranoid, je näher der G20-Gipfel rückt.

Gestern etwa sah ich im SPIEGEL die Route der vielversprechend betitelten Auftaktdemo „Welcome to Hell“, die bereits für den 6. Juli, also den Tag vorm Start des Gipfels, anberaumt ist. Sie führt Richtung Westen über die Reeperbahn, biegt in die Detlev-Bremer-Straße ein und nimmt dann den Weg zurück nach Osten über die Simon-von-Utrecht-Straße.

Man könnte auch sagen: Die „Welcome to Hell“-Demo hat uns im Schwitzkasten. Hier in der Seilerstraße sind wir im Zentrum der Hölle. 

Ja, es sind wirklich nur noch gut zwei Wochen, dann kommt Donald Trump nach Hamburg. Mit erhobener Faust muss ich ihm deshalb hiermit den Sparks-Song „This town ain’t big enough for both of us“ entgegenschmettern. Und um aus dieser Erkenntnis auch eine vollinhaltlich korrekte Handlungsoption abzuleiten … – verlassen wir am G20-Wochenende die Stadt. Und fliehen nach Wolfsburg.

Wer das jetzt hasenfüßig findet, sollte eins bedenken: Trump hat etwas, was wir genau so wenig haben wie die Sparks: Atombomben.

Theorien über das Objekt da drüben bitte in den Kommentaren.


05 April 2017

Free Deniz – aber schreibt ihm auch!

Am Palmenplatz – oder wie es im Tourismusbehördensprech heißt: Park Fiction – fand heute am frühen Abend eine Kundgebung aus Solidarität mit dem in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel statt. 

Es war arschkalt da oben über der Elbe, was aber letztlich gut passte zum Objekt unserer Solidarität, welches die Rednerin Silke Burmester nämlich für „arschcool“ hält. 

Ihre Einschätzung stützte sich dabei vor allem auf das bereits ikonografische Yücel-Porträt, das ihn zeigt mit wildem Haar, Rebellenschnauzer und Fluppe im Mundwinkel. Der Che Guevara des 21. Jahrhunderts! Und das hat der eher Koran- als Popkultur-affine Erdogan wahrscheinlich nicht bedacht, als er Yücel wegen eines Witzes und einer ungenehmen Interviewfrage in den Knast werfen ließ.

Auch Yücels Schwester Ilkay war erschienen. Erst vorgestern hat sie ihn im Gefängnis in Istanbul besucht und konnte berichten, dass er momentan a) wieder schreiben und b) wieder rauchen dürfe. Seine Texte allerdings dürften das Gefängnis nicht verlassen, und lesen dürfe sie auch keiner.

Die Resonanz der St. Paulianer und Hamburger Bevölkerung auf die „Free Deniz“-Kundgebung war übrigens betrüblich. Vor allem, wenn man das mal in Relation setzt – zum Beispiel zur Zuschauerzahl des HSV-Spiels gegen den 1. FC Köln am vergangenen Wochenende, wohin es 57.000 Menschen zog, die dafür sogar noch Eintritt bezahlten. (Ich gehörte dazu.)

Die Yücel-Solidaritätskundgebung auf dem Palmenplatz hingegen war umsonst und lockte dennoch nur eine dreistellige Zahl Interessierter aus der Komfortzone. Darunter übrigens keine Vertreter der großen Hamburger Medien, wie Silke Burmester mit deutlich vernehmbarer Bitterkeit in der Stimme anmerkte. 

Dabei geht es um einen Kollegen, es geht um die Pressefreiheit, es geht darum, den üblichen Erstanwendungen von Diktatorenanwärtern früh entgegenzutreten: der Schwächung von Justiz und Presse. 

Hoffentlich war wenigstens die Welt da, für die Deniz Yücel ja als Korrespondent in Istanbul arbeitete, als er ins Visier der Staatsmacht geriet. Morgen wissen wir (hoffentlich) mehr. 

Die taz, auch ein ehemaliger Arbeitgeber des Inhaftierten, hatte Postkarten drucken lassen, darauf praktischerweise die Knastadresse von Deniz Yücel. Wie es hieß, freue sich Yücel über jedes Schreiben – und sei es nur deswegen, weil es die Poststapel, die ihm nicht ausgehändigt werden, anwachsen ließe und dies wiederum vielleicht den einen oder anderen Schergen ins Grübeln brächte.

Die Adresse lautet folgendermaßen:


Bitte schreiben, bis der Kuli streikt. 
Dem Diktator sollen die Augen flimmern.