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13 Juni 2007

In Sichtweite der Taubenstraße

Tote Tauben auf St. Pauli bieten gewöhnlich einen erbärmlichen Anblick. Meist mussten sie eine deutliche Reduktion ihres Körpervolumens hinnehmen, da ihre Mortalitätsrate vor allem von fatalen Kontakten mit Verkehrsmitteln bestimmt wird.

Nur ganz selten hingegen sieht man Taubenleichen, die eines offenbar natürlichen Todes gestorben sind. Dann sehen sie aus, als schliefen sie.

Vornübergekippt und mit dem Schwänzchen in die Höh ruhen sie auf dem Gehweg, ihre Köpfchen sind traulich zur Seite geneigt, die Taubenwängchen ruhen friedlich auf dem Stein.

Es scheint dann, als träumten sie vom Pickparadies.

Genauso lag die von heute da – und das ausgerechnet in Sichtweite der Taubenstraße. Der Kiez kann so zynisch sein.

15 April 2007

Alle Vöglein sind schon weg

Touristen schieben sich schwarmartig über die Landungsbrücken, die eklen Dieselschwaden der Schiffe hängen träg im traumhaften Tag, und wir suchen einfach nur Enten. Gerne auch Möwen. Denn wir haben Brotkanten dabei, und Vögel sollen sie fressen, solange es keine Tauben sind, diese elenden Ratten der Lüfte. 

Hierher aber, ans hochsommerliche Glitzerfunken sprühende Wasser, trauen sich die Tauben nicht. Sie fürchten sich vor der Aggessivität und den Hakenschnäbeln der Möwen. Aber wo sind die Möwen bloß? Und wo die Enten? Wir sehen keine. Eine Brücke nach der anderen laufen wir zunehmend verwundert ab, doch die Elbe scheint jetzt, wo endlich die Lachse wieder da sind, vom gefiederten Volk völlig verlassen. 

Wir sind schon wieder auf dem Rückweg, als ich auf dem kleinen Ponton unter Brücke 10 endlich ein faules Entenpaar entdecke. Es sitzt träg im Schatten des traumhaften Tages und verdöst die Mittagszeit, statt seiner evolutionären Pflicht zu folgen und Nahrung zu suchen. Doch heute erweist sich Tatenlosigkeit als genau richtige Taktik im Sinne Darwins, und als das erste Stückchen Brot neben ihnen ins Wasser platscht, sind die beiden sofort hellwach – genauso wie die gefühlten dreißig Möwen, die urplötzlich aus dem Nichts materialisieren, als hätte Scotty sie hierher gebeamt, an die Landungsbrücke 10. Wo, verdammt, waren diese Vögel die ganze Zeit? Und wie, in Phoenix’ Namen, kriegten sie die Mannalieferung derart schnell spitz? 

Jedenfalls herrscht binnen Sekunden ein Hauen und Stechen. Wir versuchen die Enten zu bevorzugen, weil sie keine Chance hätten im Kampf mit den Möwen, doch wir haben eh genug für alle dabei. Schon bald sind Enten und Möwen satt und prall und zunehmend desinteressiert. Ich kann Ms. Columbo zu Hause abliefern und sofort rübergehen zum Stadion, wo ich auf den letzten Drücker noch eine Schwarzmarktkarte fürs Spiel meines kleinen Stadtteilvereins gegen Holstein Kiel ergattere. St. Pauli siegt 2:0, ich stehe in der Nordkurve träg im traumhaften Tag und hole mir – Mitte April – einen leichten Sonnenbrand auf beiden Lippen.

Ich liebe den Klimawandel.

25 August 2006

Das Bein von Sibylle

Heute hat mir Sibylle Berg mal wieder ein Newsletter geschrieben. Der Betreff der Mail lautete: „das wird wieder 2 mal kommen,weil ist noch nicht repariert“. Und das stimmte auch. Es lagen knapp drei Stunden dazwischen. (Ich habe trotzdem beide Mails aufgehoben; ich kann einfach nichts wegschmeißen.)

Frau Berg ist eine Schweizer Schriftstellerin, der seit Jahren meine Bewunderung gilt, seit ich mal eine Lesung von ihr besuchte. Ich erlebte sie im damaligen Mojo Club (einst zu finden unter der gloriosen Adresse Reeperbahn 1), wobei mich nicht nur das, was sie las, zur Bewunderung hinriss, sondern auch die Art, wie sie saß.

Frau Berg nämlich ruhte, während sie sprach und rauchte, die ganze Zeit auf ihrem rechten untergeschobenen Bein. Selbiges hatte sie mit gymnastischer Gelenkigkeit, die man ihrem ranken, schmalen, wenn nicht gar hageren Körper auch durchaus zugetraut hatte, rechtwinklig abgeknickt unter ihren linken Oberschenkel geschoben.

Dies ist ebenso
bequem wie orthopädisch bedenklich. Doch wenn ich das tue – und ich tue das gern, zum Beispiel in dieser Sekunde, denn es stabilisiert irgendwie die Sitzhaltung –, dann halte ich es nur kurze Zeit durch. Nach wenigen Minuten bereits beginnt ein Kribbeln im Unterschenkel, schiebt sich schleichend hoch zum Knie, und schon ist mir beinah unbemerkt das halbe Bein weggedrusselt.

Dann fluche ich, stelle das Bein zum Auftauen ab, schiebe nunmehr das andere zwecks Sitzstabilisierung unter den Oberschenkel mit dem tauben Ding untendran, und nach wenigen Minuten wiederholt sich das Beinchenwechseldich. So geht das bisweilen einen ganzen Abend lang.

Frau Berg hingegen sitzt die ganze Lesung lang stoisch auf ihrem rechten Bein, ohne dass sie es je herausziehen muss – und ohne dass es ihr danach einfach abfällt. Dafür bewundere ich Frau Berg sehr.

Heute, in ihrem Newsletter, informiert sie mich über ihr Musical „Wünsch dir was“, das am 29. September in Zürich Premiere hat. Sie zitiert sogar einen Song daraus, und der geht so:

Du hast doch immer so geträumt,

von etwas, das viel größer ist,

und hast dann morgens schon geweint

über all den tristen Mist.

Der Stapel Rechnungen im Müll,

in der Nacht lagst du starr still.


Nie würdest du den Oscar kriegen,

nie einmal um die Welt rumfliegen,

du gehst zur Arbeit früh um acht,

hast du das früher mal gedacht,

als du von Lady Di geträumt,

die deine Sachen dir nachräumt.


Was ist das schon, das kleine Leben,

ein Haufen Stunden voller Müll,

du drehst dich um und greifst den Menschen,

der aus Versehen bei dir ist,

du kraulst den Bauch und weißt dann eben,

dass du doch sehr glücklich bist.


Erst Mist und Müll, und am Ende wartet das kleine Glück: So kenne ich Frau Berg gar nicht, sondern eher umgekehrt.

„ansonsten“, schreibt sie abschließend, „wünsche ich euch ein ereignisreiches wochenende und grosse möpse, eure langgesichtige frau berg“. Das hat sie bestimmt alles getippt, während sie auf ihrem rechten Bein saß, welches garantiert kein bisschen einschlief.


Ich bewundere Frau Berg.

PS: Vor allem für den hochgeschätzten schwäbischen Blogdichter Poodle dürfte übrigens die Tatsache von höchstem Interesse sein, dass in Frau Bergs Stück ein böser Pudel namens Ralf sein Unwesen treibt.

Foto: Katja Hoffmann

16 August 2006

Eine wilde, wütende, ganz & gar ungerechte Schimpfkanonade

[Nestbeschmutzungsmodus an:]
Unter Kulturkritikern gibt es eine gar nicht kleine Fraktion Verbohrter, deren geschmackspolizeiliches Gehabe zutiefst reaktionär ist. Diesen Leuten sind ihre zementierten Vorurteile heiliger als jede Kunst, und deshalb könnte ein von ihnen einmal als verachtenswert eingestufter Künstler auch mit einem überraschenden Meisterwerk nie mehr reüssieren.

Wer einmal als irrelevant abgehakt wurde, hat es bei den Geschmackskapos auf ewig verschissen. Und manchmal reicht ihnen als Grund fürs Todesurteil schon das Geburtsdatum im Pass – als wenn das biologische Alter automatisch große Kunst verhindern würde. Das tut es manchmal wirklich, aber halt nicht immer. Doch den Vernagelten entgeht die späte Spitzenleistung auf jeden Fall.

Manchmal lassen sie eine Ausnahme zu – wie im Fall Johnny Cash –, aber nicht, weil sie selbst den Künstler wiederentdeckt hätten. Nein, weil junge Fans, deren Hirn noch nicht vollvernagelt war, überraschenderweise angerührt wurden von der zeitlosen Kunst eines großen Alten, die ihnen vermittelt wurde von einem Produzenten, der bisher nur die Jugendkultur bedient hatte. Ihm haben sie geglaubt, er hat sie hingeführt zu einer wundersam spröden Musik der Gefühle, die ihnen ganz und gar unbekannt geblieben wäre, wenn die Verbohrten allein die Sache geregelt hätten.

Aber plötzlich hören die Kids Johnny Cash, und die Vernagelten reiben sich die Augen und hören auch mal wieder zu – aber nur, damit sie sagen können: Wir sind gar keine Vorurteilsfaschisten, wir hören uns doch alles an! Und im nächsten Augenblick fahren sie besinnungslos fort mit ihrer Lieblingstätigkeit, dem pawlowschen Verachten all dessen, was nicht als hip und cool gilt.

Diejenigen aber, die gerade als hip und cool gelten, denken da (natürlich) oft anders. Junge Künstler wissen in der Regel, auf wessen Schultern sie stehen, und wenn sie die Chance haben, ihre glühende Verehrung fürs Vorbild zu demonstrieren, dann nutzen sie die gern. Deshalb schwärmen Jungstars wie die Kooks oder Nerina Pallot für Bob Dylan, deshalb freut sich
der New Yorker Hippiefolkie Devendra Banhart einen Wolf, wenn er auf einem Album des vitalen Folkrentners Bert Jansch mitsingen darf, deshalb schreibt Will Oldham Songs für die alte Souldame Candi Staton, deshalb gibt es fast jedes Jahr einen neuen Tribute-Sampler mit Songs der Rolling Stones.

Die Kapos aber raffen das nicht. Sie suhlen sich lieber im faden Schlamm ihrer kleinen, kleinen Welt; sie wissen nichts von Geschichte, von der dreidimensionalen zeitlichen Struktur von Kunst und Kultur. Einen Roman wie „Robinson Crusoe“ hätten sie gar nicht erst gelesen, denn der Dichterdebütant Daniel Defoe war schon 60, als er ihn veröffentlichte – Rentnerprosa, hätten sie genasrümpft und nicht mal die Schutzfolie entfernt. Beethovens 9. Sinfonie wäre ihnen nicht in den Player gekommen, denn was kann man schon erwarten von einem alten tauben Wirrkopf, dessen beste Zeiten Jahrzehnte zurückliegen?

Geschmackspolizisten haben natürlich nicht die Spur einer Ahnung davon, wie unglaublich scheiße sie sind. Sie leben in einer Pfütze, die mit den Brettern vor ihrem Kopf umzäunt ist, und diesen flachen Wasserklecks halten sie für die ganze Welt. Das uralte und tiefe Meer, die Schaumkronen und Brandungswellen: All das kennen sie nicht, weil sie es nicht kennen wollen – oder sie leugnen es prophylaktisch.

Das alles wäre natürlich herzlich egal, wenn solche Kritiker nicht wesentlich die Wahrnehmung neuer Platten, Bücher, Filme und bildender Kunst bestimmen würden. Doch über ihre armseligen Texte sickern die Vorurteile ein in die Köpfe des Publikums; und dort erstarren sie zum gleichen reaktionären Zement, auf den die Kapos so stolz sind.


Ich spare mir Namen. Lest ihre Texte, hört ihnen zu. Sie sind leicht zu erkennen.

[:Nestbeschmutzungsmodus aus]

So, und jetzt zurück an die Arbeit: Platten rezensieren.

Ex cathedra: Die Top 3 der tollsten Songs von geschmackspolizeilich misshandelten Künstlern
1. „If you think you know how to love me" von Smokie
2. „Johnny W." von Marius Müller-Westernhagen
3. „Lyin' eyes" von The Eagles

13 August 2006

St.Pauli-Nacht

Gute Idee, fanden wir, als die Nachbarn vom Balkon gegenüber einen großen gefährlichen Plastikraben am Geländer befestigten – bis die Tauben anfingen, ihm auf den Kopf zu kacken.

Gute Idee, fand ich, als Opa Edi vorschlug, ich könne doch dem zu Besuch weilenden Münchner Bloggerkollegen Fellow Traveller mal den Kiez zeigen. Das allerdings blieb eine gute Idee bis zum Schluss.

Gemeinsam nämlich gewannen wir interessante Erkenntnisse. Der alte Elbtunnel (Bild) etwa schlägt den neuen in punkto Fotogenität und symmetrische Reize um Längen.

Wir bewunderten zudem die Choreografie der stolzen Huren in der Davidstraße. Immer, wenn eine aus der Phalanx ausbrach, um auf die Beute loszugehen wie eine furchtlose Taube auf einen Plastikraben, rückte sofort eine Kollegin auf. Nie entstanden Lücken. Ein Hurenballett vorm Burger King.

Dann verschlug es uns via Herbertstraße in den erstklassigen Tabledanceclub Dollhouse, und auch dort wartete eine interessante Erkenntnis: Die Silikonära ist offenbar vorbei. Man präsentierte uns überwiegend knabenhafte Brüste. „Im Gegensatz zur Herbertstraße“, merkte der inzwischen sachkundige Fellow trocken an.

Der Mann lernt schnell.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Tunnel und andere Röhren
1. „Down in the tube station at midnight" von The Jam
2. „Tunnel of love" von Dire Straits
3. alles von The Tubeway Army

22 Februar 2006

Der Streik(unter)brecher

Nichts gegen den Streik im Öffentlichen Dienst, soviel vorweg. Wenn eine Gewerkschaft es zuließe, dass Menschen, die bereits einen Arbeitsplatz haben, zu Mehrarbeit gezwungen würden, obwohl genug Arbeitslose parat stünden, die jene Mehrarbeit leicht erledigen könnten; wenn man das also zuließe als Gewerkschaft, dann könnte man sich gleich wegen Schizophrenie einweisen lassen.

Doch zufällig gibt es ein paralleles Phänomen, welches die Lage verändert: die Vogelgrippe. Auf Rügen fielen schon hunderte Vögel vom Himmel. Rügen ist nicht sooo weit weg von Hamburg. Und parallel zur Seuche streikt die Müllabfuhr.

Für den Kiez ist das eine Katastrophe. Normalerweise kommen die Müllmänner hier zweimal am Tag. In Worten: z-w-e-i-m-a-l am Tag. Das tun sie zurzeit nicht. Weil die Abfallberge binnen kurzem fast so hoch wuchsen, dass man die Huren an der Davidstraße nur noch hüftaufwärts beurteilen konnte, wurde mehr oder weniger heimlich etwas weggekarrt. Merkt man aber kaum.

Also Müll überall, zerfledderte Zeitungen auf den Straßen und Gehwegen (vor allem BILD, was ein höchst adäquater Verwendungszweck für dieses Blatt ist), zerquetschte McDonalds-Boxen, Flaschen, Scherben, zertretene Pommes Frites – was immer du willst.

Kurz: ein Fest für Vögel. Eine Megaparty. Woodstock und Monterey zusammen. Wenn ich morgens auf dem Weg zur S-Bahn die Reeperbahn entlanggehe, sehe ich Trauben von Tauben, überall. Und Möwen, die sich dazwischenstürzen. Die Tauben stieben gurrend hoch und flattern wieder zu Boden, zurück zu den Leckereien im Straßendreck.

Ein Chaos aus Müll und Federvieh. Die Tiere gedeihen prächtig dabei, das spricht sich rum, sie kommen von überallher. Sie werden sich explosionsartig vermehren diese Saison. Und irgendwo da draußen – auf Rügen oder vielleicht schon näher – lauert H5N1 auf seine ganz große Chance. Voilà: Hier ist sie, mitten auf St. Pauli. Denn der Kiez wird gerade zu Bodega Bay. Wenn nur ein einziger infizierter Rügener Schwan hier mal guten Tag sagt, dann gute Nacht.

Es ist also ein ganz, ganz schlechter Zeitpunkt für einen Streik der Müllabfuhr. Gut, das konnte kein Mensch wissen, selbst Frank Bsirske nicht. Aber jetzt weiß er es. Und er könnte sich dafür stark machen, den Streik auszusetzen, bis die Seuche im Griff ist. Wie wäre das, Bsirske?

Bitte denk mal darüber nach.


Ex cathedra: Die Top 3 der Gewerkschaftssongs
1. „Part of the union“ von The Strawbs
2. „Joe Hill“ von Joan Baez


3. „There is power in a union“ von Billy Bragg

30 Januar 2006

Der suchende Hund

Der Eingang des Tabledance-Schuppens an der Reeperbahn ist voll verspiegelt. Jeden Morgen versammeln sich dort die Tauben. Vielleicht fühlen sie sich wohler, wenn sie das Gefühl haben, viele zu sein.

Der Spiegel verdoppelt sie. Sie scheinen Kraft zu tanken für einen harten Tag aus unablässigem Picken, Verscheuchtwerden, Autosausweichen, Umsfutterstreiten – oder Vögeln. Neulich sah ich auf dem Flachdach gegenüber den recht freudlosen, vor allem aber außerordentlich kurzen Akt. Zwei, drei Sekunden, und schon war die Grundlage gelegt für eine weitere Taubengeneration. Es hört nie auf.

Als ich abends aus der Sauna komme, steht ein zotteliger Terrier (im Stammbaum der Hundreassen etwa Nr. 124) im Mittelpunkt der Geschehnisse. Er kommt mir auf der U-Bahntreppe halb entgegentrippelt, schaut sich um, blickt erneut nach unten mit aufmerksamem, gleichsam intelligentem Blick. Er sieht offenbar nicht das, was er sucht, und huscht hoch, erforscht mit gerecktem Kopf die Lage vor der Station.

Als ich die Fußgängerampel zur Reeperbahn überquere, geht er mit, bleibt aber mitten auf der Straße stehen, immer noch hochkonzentriert die Umgebung musternd, in alle Richtungen. Ich überlege, ob ich ihn ermuntern soll, mir auf den Millerntorplatz zu folgen. Immerhin wird er dort in zehn Sekunden nicht von einer brüllenden Meute äußerst bremsunwilliger Autos überrollt.

Doch dann trifft er allein die richtige Entscheidung, läuft eifrig hinüber auf den Platz. Und von dort tönt plötzlich ein Pfiff, der Hund schießt los mit jener sehnigen Energie, die große Freude nun mal verleiht, und umtobt schier geck sein Herrchen.

Ich muss noch öfter an die Besorgnis dieses Hundegesichts denken, an diesen wachen, sondierenden Blick und die planmäßige Suche, und mich beschleicht das Gefühl, die Vorstellung von der Einmaligkeit unserer Intelligenz könnte nichts weiter sein als ein schrecklicher arroganter Irrtum.

Vorm verspiegelten Tabledance-Schuppen sitzen jetzt keine Tauben mehr. Wo sind sie eigentlich nachts? Haben sie Nester? Warum sieht man niemals Taubenküken?

Der Hund hat übrigens kein einziges Mal gebellt.

Ex cathedra: Die Top 3 der besten Songs, in denen Vögel vorkommen
1. „Albatros“ von Fleetwood Mac
2. „White bird“ von It's A Beautiful Day
3. „Bluebirds“ von Adam Green


06 November 2005

Die bösen Überraschungen

An der U-Bahnstation Rödingsmarkt hat es eine Taube erwischt. Sie muss auf dem Gleis gesessen und den herannahenden Zug mit taubentypischer Gleichmut betrachtet haben. Doch das übliche Wegfliegen in letzter Nanosekunde klappte diesmal nicht. Effekt: Den dummen Vogel hat's säuberlich zweitgeteilt. Auf dem Gleis selber waren komischerweise keine Spuren der Katastrophe zu sehen, doch links und rechts davon gab es eine große Schweinerei.

Uns erinnerte das an eine
„Seinfeld“-Folge. George Costanza hält wohlgemut mit dem Wagen auf Tauben zu, die mit taubentypischer Gleichmut mitten auf der Straße sitzen, und als es plötzlich Federn auf die Windschutzscheibe schneit, ruft er entsetzt und empört: „Ich dachte, wir hätten einen Deal!“ (In Ermangelung eines Tote-Taube-Fotos greife ich übrigens heute auf eine festgefrorene Möwe zurück, die ich letzten Winter in Gesellschaft eines Einkaufswagens im Parksee entdeckte.)

Eine böse Überraschung muss auch ein alter Freund von mir verdauen. Seine neue (und sehr junge) Freundin hat ihm nach einigen Monaten Karenzzeit zunächst gestanden, dass sie vor einer Webcam strippt und diese Show im Internet abonnierbar ist; allerdings war das noch nicht die böse Überraschung, denn das fand mein bekannt toleranter Freund eher anregend (immerhin kriegt er regelmäßig das, wovon die Abonnenten nur feucht träumen). Doch dass sie nach einer weiteren Karenzzeit damit herausrückte, sich ihr Studium nebenbei auch noch als Domina zu finanzieren, die ihre Kunden zu Hause besucht – das hat er nicht mehr locker weggesteckt.

Jetzt ist er wieder solo und hält Ausschau nach etwas Soliderem und nicht mehr ganz so Jungem. Tipps leite ich gerne weiter.


Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Pony ride on“ von Katja Werker, „New World Order“ von Galliano und „Once“ von Laid Back.