Posts für Suchanfrage schlagermove werden nach Datum sortiert angezeigt. Nach Relevanz sortieren Alle Posts anzeigen
Posts für Suchanfrage schlagermove werden nach Datum sortiert angezeigt. Nach Relevanz sortieren Alle Posts anzeigen

13 Juli 2008

The pain never stops



Folgende Veranstaltungen, Senat, sollte man künftig an einem einzigen megalomanischen Wochenende zusammenlegen und in einem Rutsch runterfeiern:

Harley Days, Motorradgottesdienst, Hafengeburtstag, Christopher-Street-Day, Schlagermove, Triathlon, Cyclassics, Welt-Astra-Tag und Marathon.

Der brillante Vorschlag kommt von Ms. Columbo; er erfuhr durch mich nur eine leichte Erweiterung. Den insgesamt rund zwei Trilliarden Zuschauern könnte man so nämlich, Senat, für drei Tage im Jahr feierlich den Kiez zur freien Verwüstung Verfügung aushändigen und sich gelassen ins Umland trollen. Genial.

Übrigens strömen diese zwei Trilliarden Menschen nur deswegen herbei aus aller Herren Länder, weil es so unvergleichlich toll ist auf dem Kiez. Und wir, Ms. Columbo und ich, haben das Privileg, das ganze Jahr über hier einfach so rumleben zu dürfen, ohne jeden speziellen Anlass.

Seit ich das erkannt habe, geht’s mir ganz großartig. Ja, ich werde die 35.000 zum Gottesdienst antretenden Zweitakt- und Teilzeitchristen einfach triumphal an- und somit weglächeln.


Sie werden nicht den nanokleinsten Schimmer haben, was das soll, dieses Lächeln.

05 Juli 2008

Im Kampf mit Zombieanwärtern

Ich komme nicht mehr nach Hause, der Weg ist versperrt. Mit Fahrrad und Sporttasche stehe ich eingangs der Reeperbahn (Pfeil oben rechts) ratlos vor abertausenden Irren in Schlaghosen, die einer Parade von Mottowagen zuprosten.

Aus den Wagen explodiert unsagbarer Schallterror, es lassen sich Wortfetzen wie „Mendocino“ identifizieren. Schlagermove! Das ist etwa so, als nähme man die Harley Days, potenzierte sie, verdoppelte das Ergebnis und wäre nicht mal nah dran.

Es ist Nachmittag, noch haben sich diese Leute nicht restlos weggeballert, noch können sie stehen, gehen und grölen, auch wenn sie bereits hunderte von Flaschen zertrümmert haben und bisweilen mit Chihuahuasandälchen durch die Scherben waten.

Diese brodelnde Wand aus inszenierter und längst komplett ironieloser Euphorie muss ich durchbrechen, denn ich komme vom Training, bin knülle und will nix weiter als nach Hause. Doch wie? Ich entschließe mich zur Methode Bulldozer: Rein ins Getümmel und stur Kurs halten.

Rechts ramme ich einem rosahemdigen Typen mit sombrerogroßer Gimmicksonnenbrille ein Pedal ins Kniegelenk, links bekommt eine Blondine, die aussieht wie Miss Piggy auf Speed, meinen Lenker in die Rippen. Doch alles nützt nichts, ich komme kaum vorwärts.

Selbst wenn ich vorstieße bis zur Straße, gälte es immer noch die „Mendocino“-brüllenden Mottowagen zu überwinden, und es gibt Dinge, die kann ein einzelner Mann mit Sporttasche nicht schaffen, dafür bräuchte er schon eine Bazooka. Was also tun?

Erst nach längerem Grübeln fällt mir die Lösung ein: Ich muss runter zur U-Bahn und durch den gegenüberliegenden Ausgang wieder raus. So kann ich die massierten feindlichen Linien subterran austricksen. Also wieder zurück und durch rammdösig grinsende Papierschlangenträger mit ausgeprägter Unlust, den Weg frei zu machen, hindurch zur Treppe.

Wie ich mich durch den übervölkerten U-Bahnhof kämpfe, wie lange es dauert und wie viele „Hossa!“ kreischende Zombieanwärter mir flaschenschlenkernd entschieden zu nahe kommen: Schwamm drüber. Es funktioniert jedenfalls, erschöpft rette ich mich in Ms. Columbos Arme.

„Was sind das bloß für Menschen?“, stöhne ich rhetorisch.
„Wahrscheinlich sind welche dabei, von denen man es nie gedacht hätte“, sagt sie.
„Ja, wie bei Serienkillern“, antworte ich.
Er hat immer so nett gegrüßt“, zitiert Ms. Columbo einschlägige Zeugenaussagen.
„Genau“, bestätige ich, „und heute torkelt er mit pinker Perücke besoffen über die Reeperbahn und brüllt beim schniedelschwingenden Wildpinkeln humpahumpatäterä. Man kann einfach nicht reinschauen in die Menschen.“

Gerade als ich das hier schreibe, schält sich ein einzelner Laut aus dem noch immer durch die offene Balkontür hereinbrandenden Schallterror aus Schreien, scheußlicher Musik und Polizeisirenen. Es ist ein Rülpser. Er bringt alles auf den Punkt.

Wie gern tauschte ich ihn ein gegen das sonore Geöttel einer Harley Davidson
.

19 August 2007

Meditieren auf der Reeperbahn

Mehrfach jährlich herrscht hier auf dem Kiez die sonische Hölle. Zum Beispiel beim Schlagermove („Fiesta Mexicana“-grölende Kampftrinker in Schlaghosen), dem Christopher-Street-Day (Tunten in Tüll und Karnevalsklamotten) oder den Harley Days (rollende Bierbäuche mit applizierten Graubärten).

Müsste ich mich entscheiden, welchen dieser empörenderweise sogar polizeiunterstützten Terrorakte ich zum Teufel wünschen sollte, so fiele mir das leicht: alle drei.

Außerdem gibt es hier noch ein Radrennen, die CyClassics. Auch das führt zu Lärmentwicklung. Denn tausende von Menschen stehen gewöhnlich an der Strecke und nerven akustisch die schutzlosen Fahrer.

Doch dank der Tour de France war heute alles anders. Zwar rauschte das Fahrerfeld zig-mal über die Reeperbahn, nur stand da kaum jemand rum. Radelnde Chemiedepots? Braucht wohl keiner mehr.

Weil aber natürlich trotzdem alles für den Autoverkehr gesperrt war, herrschte heute auf dem Kiez plötzlich eine himmlische Ruhe. Dafür danke ich Leuten wie Ullrich, Fuentes und Sinkewitz von Herzen. Bitte immer weiterspritzen, ja?

Natürlich nutzte ich auch die unverhoffte Chance, mich mal mitten auf die verwaiste Reeperbahn zu stellen und diese sonst tagtäglich so gequälte Straße einmal im verträumten Dämmerzustand zu fotografieren.

Ein bisschen war’s wie meditieren. Ommm.

08 Juli 2007

Mein Schutzengel darf flügellahm sein

Dieses Kiezwochenende hat es in sich. Nach der gestrigen Konfrontation mit dem Schlagermove radle ich mich heute mittag in etwas fest, das verkehrstechnisch genauso fatale Folgen hat: einem Motorradgottesdienst.

Für diese merkwürdige Veranstaltung (warum gibt es so etwas nicht für Dreiräder, Herpeskranke, Goldplombenverweiger oder Leute mit Verwandten im Saarland?) hat man die komplette Willy-Brandt-Straße dichtgemacht.

Dort stehen nun auf einem Kilometer Länge 35.000 Motorräder im Weg herum. Geh- und Radwege hingegen sind voll mit Motorradbesitzern wie Mekka mit Moslems. Ich stecke mit meinem Fahrrad mittendrin und ziemlich fest.

Fürs Umkehren ist es zu spät, vorwärts geht’s auch nur zentimeterweise. Unfreiwillig muss ich daher der Predigt lauschen, die live aus dem Michel übertragen wird.

Taktisch klug haben die Eventmanager des Motorradgottesdienstes alle paar Meter eine Lautsprecherbox montiert, so dass mir kein Wort entgeht, während ich mich und mein Fahrrad irgendwie durch das Gewusel der Ledergestalten zu wühlen versuche.

Dass die meisten dieser sog. Biker ihre Helme lässig am Arm baumeln lassen, erhöht ihren Platzbedarf enorm, zu meinen Ungunsten. (Ich schaffe es kaum, meine Kamera kontrolliert zu zücken und diese massengestützte Manifestation der Irrationalität zu dokumentieren; deshalb gibt es heute auch nur ein Foto aus Wedel, wo wir abends das Hafenfest besuchten.)

Jedenfalls geht die Predigt im Gegensatz zu mir ihren Gang, und irgendwann sagt der Zeremonienmeister eine Gastsängerin an. Siehe da, es ist die unvergleichliche Rocklegende Inga Rumpf, die ihre Kunst inzwischen allerdings in den Dienst höherer Mächte und Motorradgottesdienste gestellt hat.

„Fahr nicht schneller, als dein Schutzengel fliegen kann“, singt sie und ahnt nicht, wie das in meinen Ohren klingen muss, nämlich wie Hohn.

Weil ich eh nichts Besseres zu tun habe, übertrage ich Rumpfs Rat auf meine aktuelle Situation. Ergebnis: Wer auch immer dafür zuständig ist, er kann zu meinem Schutz einen senilen, von Fersenabszessen geplagten und praktisch komplett flügellahmen Engel abordnen; denn selbst eine Engelshöchstgeschwindigkeit von lachhaften 2 km/h kann ich zurzeit nicht toppen.

Manchmal wünschte ich, ich lebte in Kempten. Aber nur ganz kurz.

Angriff der Hossa-Hamas

Der Traum ging so: Tagsüber sollte es niagaraartig schütten und die Spaßterroristen des Schlagermove vom Kiez spülen; abends dann würde es plötzlich aufklaren, so dass wir uns unter linden Bedingungen dem größten Konzert aller Zeiten widmen könnten, nämlich „Live Earth“ im Volksparkstadion.

Zunächst lief alles nach Plan. Es goss, als stünde Noah persönlich an den Schleusen. Ms. Columbo und ich frohlockten, während das vom Spielbudenplatz herüberwehende „Griechischer Wein“ übertönt wurde vom infernalischen Pladdern der Sintflut.

Das anschließende Aufklaren verfolgten wir bang, nahmen aber gegen 15:26 Uhr das göttliche Geschenk eines anständigen Gewitters gerne an.

Komischerweise schien den Veranstaltern ein Abbruch des Schlagermoves gleichwohl keine Option. Und dann wurde es um kurz nach 4 auch noch empörend trocken; nur die von Westen heraneilenden Wolkenwände ließen die Hoffnung leben.

Und siehe da: Um 16:55 zog irgendwo dort droben jemand erneut den ganz großen Stöpsel raus. Yippie! 17:35 aber ein ernster Rückschlag. Kurz bevor John Denvers „Country roads“ die Scheiben der Sexshops zum Klirren brachte, kam gar die verdammte Sonne raus.

Andererseits nahte auch unserer „Live Earth“-Besuch, und ein minutengenaues Timing kann man selbst Petrus nicht abverlangen. Wir brachen also auf. Ich schlug vor, über die Reeperbahn zur S-Bahn zu gehen, um einen angeekelten Blick auf die durchgeknallte Hossa-Hamas zu werfen. Doch erwies sich das als die schlechteste Idee, seit ich damals in Belgrad den falschen Zug bestiegen hatte und dies erst acht Stunden später bemerkte: an der Endstation.

Wir hingen nämlich sofort fest zwischen Massen lallender Rosaperückenträger, während auf der Reeperbahn Themenwagen entlangkrochen, die uns mit gefühlten zwanzigtausend Watt „Fremder Mann“ in alle Körperöffnungen pressten.

Endlich bei „Live Earth“. Der zweite Teil des Traum wurde einschränkungslos wahr: Es blieb trocken. Das Stadion aber gähnte vor Leere. In den Umbaupausen lief auf der Leinwand das Schwesterfestival in London, was uns schmerzlich bewusst machte, mit welchem Mittelmaß wir abgespeist wurden.

Hier Revolverheld – dort Duran Duran. Hier Juli – dort Metallica. Hmpf. Immerhin interpretierte Juli-Sängerin Eva Briegel die herbstlichen Temperaturen ganz und gar Gore-gemäß: „Es ist kälter geworden“, freute sie sich über ein wichtiges globales Ziel der Megaveranstaltung, „es wirkt schon!“

Das erklärt übrigens auch meine Aufmachung auf dem Foto.

20 September 2005

Die Drogen

Als wir heute Abend aus dem Kino kamen – genauer gesagt: aus der irgendwie und trotz alledem doch schönen, heilen Welt der kenianischen Massai -, stolperten wir beinah über eine dunkle Gestalt, die vorm Nachbarhaus kauerte.

Neben ihr ein Rucksack plus Schäferhund, in ihrer rechten Hand eine Spritze. Wahrscheinlich war es eine Frau, das war so genau nicht zu erkennen.

Bisher bin ich spritzenden Junkies nur am Hauptbahnhof begegnet, nie in der Seilerstraße (die koksenden Teens vom Schlagermove aus dem Startposting zähle ich nicht mit). Und immer erschüttert mich die Ungerührtheit, mit der sie sich den Schuss setzen, dieses kalte Mir-doch-egal-dass-du-mich-jetzt-siehst.

Sie sind jenseits jeder Scham in dieser Sekunde, und vielleicht vermittelt diese Abwesenheit jedes sozialen Rechtfertigungsdrucks einem Nichtjunkie den Anflug eines Schimmers einer Ahnung davon, was die Sucht mit einem macht. Ihr innerster Kern aber bleibt vollkommen unvorstellbar.