Ein Satz wie „Mozart würde sich im Grabe umdrehen“ war schon immer Stuss.
Gerade weil er im Grab liegt, kann er das, was ihn zu einer empörten Drehung bewegen würde, ja keinesfalls hören – nicht nur wegen der dämpfenden Wirkung der Erde über ihm, sondern auch wegen der längst irreparabel eingetretenen Dysfunktionalität seiner Ohren.
Stattdessen gilt hier der Umkehrschluss: Könnte Mozart den Empörungsgrund hören, läge er demnach nicht im Grab. Aber mal angenommen, er könnte das, was ihn empören würde, trotz seiner misslichen Lage six feet under doch sonisch wahrnehmen:
Warum sollte er sich dann ausgerechnet umdrehen wollen? Was wäre denn das für eine lahme Reaktion?
Wenn er, Mozart, also dort unten immer noch hören könnte, dann wäre es ihm doch gewiss auch ein Leichtes, sich wie ein Zombie der Rache hervorzuwühlen an die Oberfläche, um die Ursache seines Missvergnügens mit gnadenlosen Knochenhänden abzuwürgen. Statt sich einfach nur umzudrehen.
Der Satz, meine Damen und Herren, stimmt also hinten und vorne nicht, er war schon immer Stuss. Und er ist deshalb selbstverständlich auch völlig ungeeignet, um irgendetws Zutreffendes über das erste Soloalbum „Herzschlag“ des Ex-Adoro-Sängers Laszlo auszusagen, der zu Klassikpopbombast eingedeutschte Songs von u. a. Miley Cyrus derart schmettert, als versuchte er Mozart von den Toten aufzuwecken.
Mein Rat: Dieses Risiko sollte er lieber nicht eingehen.
Als wäre Laszlos Albumpräsentation heute Abend nicht schon erschlagend genug gewesen, fiel später in der U-Bahn auch noch ein junger, durchs ruckartige Anfahren von einer Zehntelsekunde auf die andere seines Gleichgewichtssinns beraubter junger Mann um und sodann auf mich drauf.
Sein frei flottierender Körper fegte mir den Hut vom Kopf, mein iPhone absentierte sich ins Nirgendwo, ebenso meine Orientierung.
Ja, Sie haben richtig gelesen: Ich trug einen Hut. Und zwar einen billigen Strohhut vom Flohmarkt.
Joseph Beuys würde sich im Grabe umdrehen.