20 August 2023

Fundstücke (259)

Dieser prachtvolle Lincoln Continental steht im Automuseum Loh Collection aufm Dorf in Hessen. Sinnigerweise wird er dort als der Wagen vorgestellt, den John F. Kennedy „zuletzt lebend verließ“. Das war am 22. November 1963 vormittags. Und in der Tat: Am selben Tag stieg JFK in eine dunkelblaue Variante des Lincoln um, tja, und dann kam Lee Harvey Oswald. Das dunkle Modell haben die USA aber ganz offensichtlich nicht rausgerückt, weshalb der autosammelnde Milliardär Friedhelm Loh zähneknirschend „nur“ das weiße anschaffen konnte. Deshalb musste er das Ausstellungsstück argumentativ ein wenig pimpen. Trotzdem auratisch, das Teil – am Wochenende selbst getestet. 

Ein Blogleser hat sich vom Foto eines Portals in Inverness aus diesem Eintrag zu einer – wie man sieht – sehr gelungenen Tuschezeichnung inspirieren lassen. Und da er mir postalisch sogar das Original vorbeischickte, hat nun unsere Bilderwand im Flur Zuwachs bekommen. 

Fußball spielt auf dem Kiez durchaus eine Rolle, für manche offensichtlich sogar eine derart wichtige, dass sie sich deswegen selbst das Betreten ihrer Loggia versagen. Entdeckt am Fischmarkt.


Apropos Fischmarkt: Hier präsentiere ich mit Stolz und Freude ein Sonntagmorgen-um-halb-zehn-Schnäppchen für insgesamt drei Euro. Und das Beste (und die große Ausnahme): keine verschimmelten dabei! 


04 August 2023

Mein erstes und letztes Interview mit Lemmy Kilmister

In Wacken wollen sie jetzt einen Teil seiner Asche endlagern, denn Lemmy ist für das Festival so etwas wie ein Säulenheiliger. Und als ich das lese, fällt mir auf, dass der große wilde Mann noch gar nicht in meiner oben genannten In-memoriam-Serie auftaucht – eine Lücke, die zum Glück leicht zu schließen ist. Hier also ein Rückblick auf mein Lemmy-Treffen aus dem letzten Jahrtausend. Damals war er 50. Tempi passati …

Lemmy beäugt die mitgebrachte Ausgabe der Zeitschrift kulturnews mit einer gewissen Skepsis. „Kultur?”, krächzt er, „if I hear kultur, I pull my gun.“ Trotz des imposanten Patronengürtels, der einen Teil seines überlappenden Bauchs stabilisiert, fühle ich den Drang, Lemmys Meinung zu korrigieren.

„Ähm, Lemmy“, sage ich vorsichtig, „du bist doch ein Teil davon … irgendwie.“

Lemmy wirft zwei Eiswürfel in seinen Jack Daniel’s, den er in einem für die Brause ungünstigen Verhältnis mit Cola verdünnt hat, und zieht an der Kippe. „Yeah“, sagt er, „irgendwie.“

Nach über einem Vierteljahrhundert Metalshouting für Hawkwind und Motörhead ist seine Stimme zu etwas geschrumpft, das klingt, als rutschte ein Schlitten über Sandpapier – der Preis des Ruhms. Würde man den Lemmy von heute Nachmittag schockfrosten und in einem Hard Rock Café aufstellen, empörten sich die Gäste gewiss über die geballte Ladung Metalklischees, mit der das Denkmal ausstaffiert ist: aufgeknöpftes schwarzes Hemd mit hochgerollten Ärmeln, Kette mit eisernem Kreuz um den Hals, Tattoos an den Armen („Born to lose / Live to win“), pferdeaugengroße Totenkopfringe an den Pranken, eine zu enge Hose mit Schlag und dazu weiße Spitzstiefeletten, die dringend geputzt werden müssten.

Und immer, wenn die Lemmy-Statue weibliche Cafégäste erblickte, würde sie „silly cow“ röcheln. So nennt er jedenfalls (wenn sie grad nicht da ist) die Blonde von der Plattenfirma, die dafür sorgt, dass ihm Whiskey, Eis und Cola nicht ausgehen – in dieser Reihenfolge.

Ich meine: Lemmy ist wirklich böse. Er hat kirschtomatengroße Warzen im Bartgesicht! Und Zottelhaare mit eisgrauen Strähnen drin. Damals, 1975, war es seine Idee, Motörhead mit „ö” zu schreiben. Das sah irgendwie deutsch aus, und die Deutschen, Mann, sind für einen Engländer echt „mean”.

Wir vereinbaren ein Stichwortinterview, das schont seine Kehle. Let's go, starten wir mit der Anatomie.

Seine arme Stimme … ? „Hat sich zur Ruhe gesetzt.“
Der Zustand seiner Ohren? „Ich hab genau verstanden, dass du mich das gefragt hast.“
Exduopartnerin Samantha Fox (… the breast and the beast, haha): „Geschichte.“
Britisches Rindfleisch? „Geschichte.“
Drogen? „Naturgeschichte.“
Techno? „Bald Geschichte.“

Lemmy trinkt schnell, er raucht schnell, aber er denkt auch schnell.

Tanzen? „Ich tanze nicht. Except for the totentanz, hehehe.“
Drei Dinge, die er am meisten hasst? „Politiker, organisierte Religion und – hmm – Intoleranz.“
Gott? „Welchen? Gibt's einen? Ich glaube daran, dass wir unsere eigenen Entscheidungen treffen müssen. Es gibt keinen Ausweg namens Gott.“
Alt zu sein? „Unvermeidlich.“

Lemmy wirft Eis nach und füllt mit Whiskey auf. Es ist 16 Uhr 11 an einem Dienstag. Wir sind in einem Hotel an der Kieler Straße, das bevölkert ist von ältlichen Frauen. Der Häkelclub Hodenhagen in der Großstadt. Und in einem der Zimmer, davon wissen die Damen nichts, sitzt Lemmy Kilmister. Der Melody Maker hält ihn für „radikal, roh, barbarisch und verrückt”. Was davon stimmt heute nicht mehr? „Nichts“, seufzt Lemmy, „alles stimmt.“

Danke, das war's, sage ich. „Das war leicht“, sagt Lemmy. Sein Händedruck ist sehr fest, ich fühle den Totenkopfring. Im Foyer wuseln aufgeregte Häkeldamen herum. Wahrscheinlich wollen sie heute Abend ins „Phantom der Oper“.



 

30 Juli 2023

Die gemütlichsten Ecken St. Paulis (198)


Die Ruhe vor dem Sturm am Millerntorstadion – am Samstag gegen die Fortuna 
wird es hier ganz anders aussehen.


22 Juli 2023

Einmal Nordsee und zurück (Teil 2)

Eine just zu Ende gegangene Schiffsreise von 3917 Kilometern Länge nach England, Schottland und Norwegen brachte uns einige Orte und Städte näher, die hier in Kurzrezensionen gewürdigt werden sollen. Ultrakurz, um genau zu sein, und bestürzend lückenhaft. Aber damit müssen Sie leben. Den ersten Teil gibt es hier.


6. Skjolden, Norwegen



An der Gegend um Skjolden – gelegen am Ende des Lustrafjords, eines Seitenarms des gewaltigen Sognefjords – ist alles, wirklich alles zauberhaft: die sattrote flatterhafte Skulptur vorm allumfassenden Grün der Umgebung, die 900 Jahre alte und weiterhin im sakralen Einsatz befindliche Holzkirche in Urnes, deren Originalbalken die gelungene Photosynthese fleißiger Bäume ab dem Jahr 1000 repräsentieren – und die Tatsache, dass man sich bei der Aussprache des Wortes Skjolden nicht die Zunge brechen muss, sondern einfach „Scholden“ sagen darf. Wermutstropfen, der einen Umzug dorthin weniger attraktiv macht: Der Notarzt muss per Helikopter einfliegen. 


7. Bergen, Norwegen

Kommt man in die regenreichste Stadt Norwegens, wenn nicht ganz Europas, so ist man vor jedweder Enttäuschung gefeit. Denn folgt die Stadt buchstäblich dem Gießkannenprinzip, dann macht sie halt einfach ihren Job. Und ist es sonnig, dann ist man hocherfreut. Als wir dort waren, machte Bergen halt einfach seinen Job. Im Viertelstundenrhythmus platschten geradezu aggressive Regentropfenverbände hernieder, sodass wir ein ums andere Mal von Hoteleingang zu Fischmarktbude sprangen, denn Menschen sind – wenn man es bis zum Ende fortdenkt – wasserlöslich. Also ging’s irgendwann entmutigt zurück aufs Schiff, von wo aus sich die Bergen-typische Schleusenöffnungstaktung weitaus kommoder verfolgen ließ.


8. Stavanger, Norwegen

Bunter als Stavanger ist höchstens die lgbtqia2s+-Bewegung. Dort – also in Stavanger, nicht bei der lgbtqia2s+-Bewegung – gibt es zudem den bestsortierten Nuss- und Trockenfruchtladen aller Zeiten sowie denen, die noch kommen, nämlich Nøtteblanderen in der Kirkegata 21. Sollte ich jemals einen Hausarrest mit Fußfessel antreten müssen, dann bitte ebenda, danke vorab. In Stavanger parkt unser Schiff übrigens in der Altstadt, aber das darf der Nabu nie erfahren, weshalb das strikt unter uns bleiben muss. 












9. Kristiansand, Norwegen


Die Stadt in Südnorwegen ist das Gegenteil von Bergen, nämlich die sonnenreichste Stadt des Landes. Sie brüstet sich gar mit dem Titel „Riviera des Nordens“, was ein wenig an die Beschönigungsskills von Aberdeen erinnert. Doch in der Tat: Ja, es schien die Sonne. Nur dies bewahrte uns angesichts der in Kristiansand aufgerufenen Preise vorm Stimmungstief. Beispiel: In einem Café wollte man für einen winzigen Brownie umgerechnet acht Euro fünfzig. Da sagt der Hamburger von Herzen nein danke. Aber von Herzen ja bitte zu den Wohnungspreisen. Hier bekommt man für rund 200.000 Euro ein solides Haus, während man sich dafür an der Elbe mit anderthalb Zimmern bescheiden müsste. Ohne Balkon.

Ansonsten war viel, viel Nordsee. Hier ein paar Belege.









 

21 Juli 2023

Einmal Nordsee und zurück (Teil 1)

Eine just zu Ende gegangene Schiffsreise von 3917 Kilometern Länge nach England, Schottland und Norwegen brachte uns einige Orte und Städte näher, die hier in Kurzrezensionen gewürdigt werden sollen. Ultrakurz, um genau zu sein, und bestürzend lückenhaft. Aber damit müssen Sie leben. Den zweiten Teil gibt es hier.


1. Newcastle upon Tyne, England




Die Stadt im Osten Englands überrascht nicht nur mit kühner Architektur zwischen schwungvoll und raupenähnlich, sondern in der katholischen St.-Mary’s-Kirche 
auch mit einem rein säkularen Fensterbild. Arbeitendes Volk bei profanen Verrichtungen statt Lobpreis des Einzigen: Deutlicher kann man seine vollumfängliche Niederlage gegen die Anglikaner wohl nicht eingestehen. Deswegen: Auf nach Schottland!











2. Inverness, Schottland


Als ich Ms. Columbo vor einem schönen lila Portal fotografierte und unversehens drei Damen ins Motiv liefen, fühlte ich mich erstaunlicherweise noch nicht an ein berühmtes Beatles-Bild erinnert, beim Betrachten am Rechner indes schon. Sonst blieb von Inverness nicht allzu viel hängen.


3. Aberdeen, Schottland

Die Stadt besteht aus Granit. Heißt: Sie ist grauer als grau. Der Himmel darüber will dem nicht nachstehen, woraufhin das Meer sagt: Das kann ich auch. Die Delfine, die in der Bucht herumtollen, sind ebenfalls nicht rosa. Allerdings betätigen sich die Aberdeener als weltweit größte Beschöniger von ganz Schottland und euphemisieren ihr tristes Häuserkonglomerat nonchalant zur „Silver City“. Angeblich soll im Sonnenschein beim richtigen Strahleneinfallswinkel und wenn man ausreichend Single Malt Scotch getankt hat, Aberdeen silbrig schimmern. Nun: Das können wir nicht bestätigen; ich erspare Ihnen den Fotobeweis. Die grauen Delfine in der Bucht haben uns dennoch verzaubert.


4. Shetlandinseln, Schottland


Vor der Küste der Shetlands soll es Orcas geben. Das ist Hörensagen; für den phasenweise von mäandernden Steinmauern gesäumten und von majestätischer Stille überwölbten Rundweg um das Städtchen Lerwick herum können wir uns allerdings herzlichst verbürgen. Dass die Wohnlage mit der besten Aussicht überhaupt der Friedhof ist, zeugt möglicherweise vom gesunden Antikapitalismus der hiesigen Insulaner; anderswo stünden hier längst lukrative Bettenburgen. Die berühmten Shetlandponys (Foto) hatten wir uns übrigens größer vorgestellt. 




5. Balmoral, Schottland



Hier im Schloss hauchte Queen Elizabeth II. ihr langes Leben aus, ganz wie von ihr gewünscht. Jahrzehntelang wandelte sie allsommerlich sinnierend am River Dee entlang, der das Schloss schier kronenartig umfließt. Wahrscheinlich besuchte Frau Windsor im Park auch regelmäßig den „Pet Cemetery“, und das wollten auch wir – vor allem um zu sehen, welche postmortale Würdigung all den königlichen Corgies zuteil wird, die dort dem Jüngsten Tag entgegenverwesen. Doch wir irrten herum, verpassten den Friedhof und landeten urplötzlich an einem Kiosk mit Eisverkauf, was alles andere augenblicklich bedeutungslos machte. Das offerierte Speiseeis indes war trotz räumlicher Nähe zum Royalen eher niederer Herkunft.

(Fortsetzung folgt mit den norwegischen Stationen Skjolden, Bergen, Stavanger und Kristiansand)


 

03 Juli 2023

Die gemütlichsten Ecken St. Paulis (197)

Mit Sicherheit der weltweit rollstuhl-, doppelkinderwagen- 
und Body-Positivity-freundlichste Gehweg von ganz Hamburg.

Entdeckt in der Clemens-Schultz-Straße, St. Pauli.


27 Juni 2023

Wir haben aufgerüstet


Seit anderthalb Jahrzehnten währt er nun schon, unser epischer Kampf gegen die Kieztauben. Seit heute hat dieser Konflikt seine nächste Evolutions- beziehungsweise Eskalationsstufe erreicht.

Denn ich habe eine Wasserspritzpistole angeschafft, und, verdammt, ich werde sie benutzen!

Mit seinem Achthundert-Milliliter-Magazin und einem Pumpstrahl von zehn Metern Reichweite vermag das Modell der Marke Paochocky, wie ich hoffe, eine ausreichend verheerende Wirkung auf die Taubenpsyche zu erzielen. Aber auch nur auf die, denn körperliche Schäden haben die Gluckscheißer nicht zu befürchten.

Ich bin ja kein Unmensch. Nur dauersauer und deshalb willens, die Vögel möglichst nachhaltig zu vergrämen – zumal sie auf empörte Zischlaute, explosives Klatschen und andere sonische Kampfmittel schon lange nur noch so reagieren wie Friedrich Merz auf die inständige Bitte, sich vom Acker zu machen: gelangweilt.

In der Tat orientierte sich die ekle Taubenschar, was mich angeht, zuletzt immer deutlicher an Karl Valentin und seinem zeitlosem Rat: „Des ignoriern ma net amoi!“ Parallel dazu arbeitete sie zudem erfolgreich am Abbau ihres Gespürs für soziale Distanz, was sich erst kürzlich in einem paarweise vorgenommenen Besuch unseres Wohnzimmers niederschlug.

Schreiend und mit dreschflegelartigen Armbewegungen bat ich die beiden zu gehen, was auch gelang. Leider nur recht geringe Befriedigung vermochte ich dabei aus der Tatsache zu ziehen, dass eine der beiden Vertreterinnen der Art Columba livia forma domestica bei ihrer widerwilligen Flucht erst einmal Kopf voran gegens Balkonfenster krachte.

Statt aus diesem Vorfall nun – wie es jeder mittelclevere Vogel getan hätte – den Schluss zu ziehen, unser Territorium künftig zu meiden, hockten die Terrorgurrer bereits kurze Zeit später wieder balzend auf unserem Geländer und schissen wohlig auf Sonnenschirm und Balkonmöbel.

All das dürfte Ihnen verdeutlichen, warum ich nach siebzehn zehrenden Jahren endlich entscheidend aufrüsten musste. Seit gestern liegt also eine Paochocky-Wasserspritzpistole im Hängegitter für Pflanzentöpfe, welches am Balkongeländer angebracht ist, parat und fiebert dort dem ersten Kampfeinsatz entgegen. Und ich noch mehr.

Allerdings gibt es ein Problem. Seitdem nämlich lässt sich – Stand heute – keine Taube mehr blicken. Wirkt meine Paochocky etwa ähnlich wie Atombomben in der Geopolitik: Es reicht, sie zu zeigen, um sicherzustellen, dass niemand sie einsetzt? Klar, das wäre die beste Lösung für uns alle, vor allem für sie. Aber wahrscheinlich beratschlagen sie einfach nur, was nun zu tun ist.

„Morgen Mittag“, prophezeiht Ms. Columbo, „ist die Pistole bestimmt vollgekackt.“



 

19 Juni 2023

Kalauer (19–20)


In Freiburg stolperte ich innerhalb kurzer Zeit über gleich zwei kalauernde Fahrradläden, denen anscheinend die jahrelange Führungsfunktion der Friseurläden auf diesem Gebiet keine Ruhe ließ.

Zeichnet sich hier der Megatrend der Zukunft ab? Wann wird der erste Laden namens „Kommt Zeit, kommt Rad“ – also dem abgedroschensten Drahteselkalauer ever – aufploppen?

Sie werden es als Erste erfahren.


09 Juni 2023

Mein erstes und letztes Interview mit Rammstein

1999 traf ich den Rammstein-Bassisten Oliver Riedel (2. v. r., hier 2017) zum Interview. Die aktuellen Ereignisse bewegen mich, den Text aus der Mottenkiste zu holen, was ich normalerweise nur dann tue, wenn ein ehemaliger Interviewpartner dahinscheidet, als Nachruf, sozusagen – aber vielleicht wird dieses kurze Gespräch über Plastikpenisse und Feminismus (!) im Nachhinein ja auch noch einer, wer weiß.

Spiel mit dem Feuer

Eigentlich war es eine Schnapsidee, dem Regisseur David Lynch ein Demo zu schicken. Doch Lynch beschallte seinen Film „Lost Highway“ damit, und die Ossiband Rammstein wurde berühmt. Vor allem in Amerika gruselt man sich seither wohlig beim schlichten Stechschrittmix aus Metal und Techno, bei der kalkuliert skandalösen Show aus Feuer, Sex und Herrengemenschel. Ganz selten in der Rockgeschichte hat eine Band mit so beschränkter Kompositionskunst so überragenden Erfolg gehabt. Rammstein-Gigs, das unterstreicht jetzt auch das Konzertalbum und -video „Live aus Berlin“, sind wie Rockparteitage. Doch ist das durchdacht? Sind Rammstein schlau? Ein Interview mit dem Bassisten Oliver Riedel.

Oliver, warum ist eure Show bloß so humorfrei?
Riedel: Also, ich kann schon drüber lachen. Dem Till seine Pimmelstelle – das ist ja nicht wirklich ernst.

Du meinst den Song „Bück dich“: Da wird mit Hilfe eines Plastikpenis Geschlechtsverkehr zwischen Sänger Till Lindemann und Keyboarder Flake angedeutet. Dafür sind sie in Massachusetts verhaftet worden …
Riedel: … weil man Flakes Hintern sehen konnte. Das ist so schizophren: Die Kids können sich den brutalsten Film ankucken ab sechs, aber sowie man eine Brust sieht, ist der Film ab 18. Das ist Doppelmoral. Da stimmt was nicht.

Für euch aber nicht schlecht. Das gibt schöne Schlagzeilen.
Riedel: Auf jeden Fall!

Was verspritzt der Penis eigentlich – Milch?
Riedel: Früher war es Milch. Aber die ist sauer geworden. Jetzt nehmen wir weißen Alkohol. Und die Leute in der ersten Reihe wollen immer was davon haben.

Hat Till Lindemann einen Tank in der Hose?
Riedel: Nein. Einer sitzt hinter der Bühne und pumpt wie ein Verrückter. Wenn das nicht funktioniert, wird er ganz schön angebrüllt. Vom Till. Der steht dann da, und es kommt nix. Das finde ich ganz wichtig, dass da auch was rauskommt.

Natürlich. Politische Inhalte hatten bisher keinen Platz in euren Songs. Bleibt das so?
Riedel: Im Prinzip schon. Rammstein macht keine politische Aussage. Vielleicht indirekt. Keine Ahnung.

Welche Partei ist denn wählbar für ein Rammstein-Mitglied?
Riedel: Da gibt‘s ganz verschiedene. Von Grün über Umweltgesetz-Partei (gemeint ist wohl die Naturgesetz-Partei, mw) bis CDU, SPD …

So breit ist das Spektrum …?
Riedel: Mmh. So wie die Musik auch breitgefächert ist.

Wegen eurer Leni-Riefenstahl-Ästhetik hält man euch jedenfalls für rechts.
Riedel: Weil man eine bestimmte Ästhetik benutzt, heißt das ja noch nicht, dass man rechts ist.

Ihr seid es nicht?
Riedel: Definitiv nicht. Deswegen können wir auch diese Ästhetik benutzen.

Es ist doch Teil des Skandals, den ihr erzeugen wollt: dieses Missverständnis zu provozieren.
Riedel: Wir wollen nicht provozieren, um erfolgreich zu sein. Sondern weil es uns Spaß macht.

Spaß? In euren Songs geht es um Sex, Gewalt, Sodomie, Sadomaso … Was haltet ihr denn vom Feminismus?
Riedel: „Feminismus“?

Frauenemanzipation. Alice Schwarzer.
Riedel: Ist okay, auf jeden Fall. Wir akzeptieren Frauenemanzipation.

Und wie ist für dich der typische Deutsche?
Riedel: Arbeitsam, ordnungsfanatisch. In der Musik überträgt sich das dann auf gerade Beats. Wie unsere: stumpf und ziemlich monoton.

Gerade in den USA bestätigt ihr das alte Hollywoodbild der Deutschen: martialisch zu sein und mit dem Feuer zu spielen.
Riedel: Na klar. Wir haben auch überlegt, ob wir extra für Amerika Lederhosen anziehen und Bockwurst am Eingang verkaufen sollen.

Ich glaube, das hätte eure Aura zerstört.
Riedel: Nicht für die Amerikaner! Die stehen auf dieses Image der Deutschen.

Ihr spielt mit diesen Stereotypen, aber ihr ironisiert sie nicht.
Riedel: Doch, die ironisieren wir schon. Unser Keyboarder hat sich mal auf dem brennenden Mantel des Sängers eine Bockwurst gegrillt. Solche Sachen.

(Erschienen in kulturnews, September 1999)

Foto: Bryan Adams



 

08 Juni 2023

Wie die Jungfrau zum Kind

Als ich gestern vom Einkaufen nach Hause kam, entdeckte ich auf meinem iPhone unversehens ein neues Foto. Das Verb „entdecken“ ist sorgsam gewählt, denn dieses Foto habe ich nicht selbst geschossen. Sie sehen es oben. Es zeigt den Schriftzug „DEAD SEA“ an einem kargen Sandstrand, und es ist anzunehmen, dass im Hintergrund das Tote Meer zu sehen ist.

Ich war noch nie am Toten Meer. Die mit dem Bild abgespeicherten Geodaten zeigen allerdings unzweifelhaft: Dieses Foto wurde genau dort aufgenommen, und zwar vor einem Jahr, am 9. Juni 2022, morgens um zwanzig vor elf mit einem iPhone 8. Ich hatte noch nie ein iPhone 8. Aber ich habe ein anderes Modell dieser Produktreihe, und die Erklärung dafür, dass ich wie die Jungfrau zum Kind in den Besitz eines fremden Fotos gelangte, dürfte in der Funktion AirDrop liegen. Damit kann unsereins, liebe Windows- und Android-User, Dateien auf direktem Weg zwischen Apple-Geräten austauschen. Ja, das ist super! Grundsätzlich.

Allerdings – und hier wird es unheimlich – habe ich per Voreinstellung festgelegt, dass ich AirDrop-Dateien ausschließlich von Menschen akzeptiere, die in meinem Adressbuch stehen. Und dann muss ich auch noch gefragt werden, ob ich dem Anliegen dieses Menschen, mir eine Datei zu übertragen, zustimme. All das kann ich definitiv ausschließen. Gestern geschah nichts dergleichen. Ich habe nicht einmal jemand getroffen, der in meinem Adressbuch steht. Nur Ms. Columbo, und die war auch noch nie am Toten Meer. 

Meine Ratlosigkeit, das spüren Sie sicherlich überdeutlich, ist mit Händen zu greifen. Doch unter Ihnen gibt es gewiss Spezialisten, die nun laut auflachend den Kopf schütteln über den ahnungsarmen Blogvater und ihm die simpelste Erklärung dieses Vorfalls per Kommentar frei Haus liefern, sodass er ruhig schlafen kann, anstatt Gefahr zu laufen, Verschwörungstheorien zu spinnen, in denen Tim Cook, Elon Musk, der BND oder Putin prominente Rollen spielten.

Dass ich das Beweisfoto hier veröffentliche, ohne über die Bildrechte zu verfügen, sieht man mir hoffentlich nach. Wer immer auch das Copyright besitzt, möge sich bitte beschweren – mir aber auch eine sehr gute Geschichte dazu erzählen, wie sein Foto es auf mein iPhone XE geschafft hat. 

Deal?




26 Mai 2023

Wir haben uns vergiftet

Als ich in Planten un Blomen gerade Bärlauch in der Blüte seines Lebens pflücke, stoppt neben mir ein Fahrzeug der Parkverwaltung. Zwei Frauen in Arbeitsklamotten sitzen darin, und ich befürchte das Schlimmste: dass sie mir die Ernte untersagen. Für uns ist die Bärlauchsaison nämlich quasi die fünfte Jahreszeit, eine paradiesische Phase zwischen Frühling und Sommer, in der wir uns mehrfach die Woche dem Genuss des – wie der Österreicher sagt – Latschenknofels widmen, meist in Form eines Salats. Soll das nun alles vorbei sein? Weil mich die Gärtnerinnen erwischt haben? Die Fahrerin beugt sich aus dem Fenster. „Sie wissen schon, dass Bärlauch giftig ist, wenn er blüht?“

Ich glaube mich verhört zu haben. Seit vielen Jahren ernten wir das köstliche Wildgemüse und sehen seiner Blühphase stets besonders vorfreudig entgegen. Zwar bedeutet sie einerseits das baldige Ende der fünften Jahreszeit, andererseits sind gerade die Bärlauchblüten von besonderer Schmackhaftigkeit. Noch intensiver als die inzwischen gar zu großen Blätter konzentriert sich in ihnen das knoblauchähnliche Aroma, und zudem trägt ihre weiße Pracht beträchtlich zur ästhetischen Veredelung von Ms. Columbos Salatkompositionen bei. Kurz: Wir lieben Bärlauchblütentage!

Das Wort Gift nun in einem nahtlos vorgetragenen Satz gemeinsam mit dem Wort Bärlauch zu vernehmen: Das irritiert mich. Und ich kann auch eine gewisse Verunsicherung nicht leugnen, denn wen habe ich hier vor mir? Eine hauptberufliche Gärtnerin! Gleichwohl lebe ich noch, was mich zur Gegenrede ermuntert. „Wie bitte?“, leite ich nach dem ersten Schreck (und der Erleichterung, dass sie mir anscheinend die Ernte nicht grundsätzlich untersagen möchte) meinen Einwand ein: „Wir verzehren Bärlauch seit Jahren, auch die Blüten, und vertragen alles bestens.“

„Ich sag’s ja nur“, rechtfertigt sich die Frau und lächelt bedauernd. Wenn ich also nachher tot umfalle, das soll mir wohl ihr gelächeltes „Ich sag’s ja nur“ mitteilen, dann ist keinesfalls sie schuld. Denn sie hat’s ja nur gesagt. Und sie ist die Expertin. Wobei ich an dieser Stelle betonen muss, ein glühender Anhänger des Expertentums zu sein. Während der Pandemie habe ich auf Virologen vertraut und nicht auf die YouTube-Universität, und bei Stromproblemen rufe ich den Elektriker, nicht den Klempner. Ja, ich mag Fachkräfte, und diese Frau hier betreut einen öffentlichen Park, sie wird doch wohl wissen, wovon sie spricht, nicht wahr.

Andererseits: Ich lebe noch.

Nach ihrem „Ich sag’s ja nur“ ist die Sache für die Gärtnerin erledigt. Sie und ihre Kollegin, die stumm geblieben ist, fahren weiter und überlassen mich meinem Schicksal – also Tod und Verderben. Zu Hause wird natürlich sofort gegoogelt. Eine fachlich kompetent wirkende Infoseite bestätigt mich vollumfänglich und blamiert die Gärtnerin: Viele Menschen glaubten, heißt es dort, dass Bärlauch zur Giftpflanze mutiere, sobald er blüht. „Doch das stimmt nicht.“

Das und die hervorragende Verträglichkeit des Bärlauchgiftes beweisen gerichtsfest: Was die Gärtnerin mir erzählt hat, ist Quatsch. Florales Querdenkertum. Mein unerschütterlicher Lobpreis des Expertentums, von dem mein Freundeskreis augenrollend Zeugnis ablegen kann, wirkt plötzlich schal. Ich meine: Diese Frau verdient ihr täglich Brot mit der Botanik, gleichwohl trötet sie Humbug über ein unschuldiges Wildgemüse in die Welt hinaus? Das ist ja ungefähr so, als glaubte ein Astronom an Astrologie. Oder ein Chemiker an Homöopathie.

Natürlich haben wir trotz alledem und gerade deshalb auch diese Portion Bärlauchblätter und -blüten zu einem köstlichen Salat verarbeitet – und ihn mühelos überlebt. Morgen geh ich wieder hin, vielleicht zum letzten Mal in dieser Saison. Denn die fünfte Jahreszeit ist schon fast wieder vorbei, es ist ein Jammer.




26 April 2023

Nur Luden sterben arm

Neulich fragte mich ein Blogbesucher nach meiner Meinung zur Amazon-Prime-Serie „Luden – Könige der Reeperbahn“, und ich musste gestehen, sie bisher nicht gesehen zu haben. Mein Interesse hält sich – nach allem, was ich darüber gelesen habe – auch in Grenzen. Noch eine Serie, die Zuhälter als irgendwie cool und ihren Lifestyle als erstrebenswert darstellt? Das macht so müde.

Zudem bin ich auch als Betreiber eines Blogs namens „Rückseite der Reeperbahn“ nur unzureichend kompetent, um eine Fiktionalisierung glaubhaft mit der Kiezrealität abgleichen zu können. Es gibt ja (mindestens) zwei St. Paulis: das Rotlichtmilieu und das Wohnviertel. Und ich tummle mich seit einem Vierteljahrhundert ganz überwiegend in Letzterem.

Meine Berührungspunkte mit dem Rotlicht sind an einer Hand abzuzählen. Einen echten Luden habe ich zum Beispiel nie kennengelernt. Ich sehe ab und zu Corvettes und Lamborghinis in der Straße parken (hier ein Bild von letzter Woche), aber gehören sie auch wirklich einer Rotlichtgröße? Gerichtsfeste Beweise fehlen. Bei einem Bier im La Paloma lernte ich mal eine Prostituierte kennen, die gerade Pause machte und mich und meinen Begleiter um eine Cola anschnorrte. Sie erzählte uns von ihrer Jugend in Ostdeutschland, was sie nach Hamburg verschlagen und wie sie ein Auskommen im Rotlichtviertel gefunden hatte. Eine freundliche junge Frau, die sich für die Cola bedankte und wieder zurückging an die Arbeit in der Davidstraße.

Persönlich kenne ich nur die nicht nur leicht schillernde Kiezgröße Kalle Schwensen. Der Kontakt kam beruflich zustande. Ich war Musikjournalist, und Kalle hatte die wiedervereinigten Tic Tac Toe am Start. Zeitweise informierte er mich via Facebook über seine Veranstaltungen wie Freistilboxen und Ähnliches.

Zweimal bin ich Kalle Schwensen in natura begegnet, und seither meide ich den Kontakt – vor allem deswegen, weil sein größter Ehrgeiz darin zu bestehen scheint, einem bei der Begrüßung den Mittelhandknochen zu brechen. Muss nicht sein. Auch dass er als selbst ernannter Welterklärer zuletzt mit Corona-Verschwörungsfantasien verhaltensauffällig wurde und Wolodymyr Selenskyj und Annalena Baerbock für europäische Großverbrecher hält (nicht aber Putin), spricht kaum dafür, den Kontakt zu reaktivieren.

Im Fitnessstudio begegnete mir ab und zu mal Inkasso-Henry, der in seiner großen Zeit für Luden Geld eintrieb. Henry ächzte und keuchte beim Bankdrücken wie ein Pottwal mit Katarrh. Irgendwann tauchte er nicht mehr auf, und dann las man Nachrufe auf ihn – wie jetzt auf den einstigen Nutella-Gang-Luden Klaus Barkowsky, der gestern früh vom Balkon seiner Wohnung in Altona gesprungen sein soll. Unter anderem seine Geschichte erzählt die erwähnte Amazon-Prime-Serie.

Was auffällt bei solchen Geschichten über Kiezgrößen, die sich einst die Zigarren mit Hundertmarkscheinen anzündeten: Die meisten (oder alle?) wurden arm, und sie sterben arm. Wo sind all die Millionen hin, die junge Frauen auf St. Pauli für sie erwirtschaftet haben? Jede Ludengeschichte, die ich je gehört habe, endet traurig, tragisch, deprimierend. Die Serie „Luden – Könige der Reeperbahn“ dürfte diesen Aspekt ihres Lifestyles aussparen. Aber wie gesagt: Ich habe sie nicht gesehen.

Wer sich hingegen bis heute mit cleveren Aktivitäten immer über Wasser halten konnte, ist Kalle Schwensen. Aktuell betreibt er einen anscheinend gut frequentierten Sadomasoklub in der Erichstraße. Aber Kalle ist ja auch kein Lude. Vielleicht bietet das die beste Chance, auf St. Pauli nicht arm zu sterben.



30 März 2023

20 März 2023

Die gemütlichsten Ecken St. Paulis (192)

Welch kulinarische Verlockung sich hinter dem Rollo verbirgt – und dass es sich um eine solche handelt, dafür steht allegorisch der beleibte Koch links –, entzieht sich meiner Kenntnis. 

Dazu müsste ich erneut vorbeischauen, wenn der Rollo oben ist – sofern dies überhaupt noch einmal der Fall sein wird in diesem Leben.

Vielleicht will ich das alles aber auch gar nicht so dringend wissen.

Entdeckt am Nobistor.


28 Februar 2023

Meine Chakren sind nur noch Granulat

Ich hatte über Groupon einen günstigen Massagegutschein geschossen, mich aber vorher nicht umfassend über den Anbieter informiert. Als ich nun zum vereinbarten Termin vor der Tür der Praxis stand und die Angebotsliste studierte, wurde mir klar, wo ich hier unfreiwillig hingeraten war.

„Spiritual Body Healing“, Sakralenergien, Chakradingens: Ich stand eindeutig vorm Hades der Esoterik. Wer schon länger in diesem Blog herumstöbert, kennt meine Haltung zu Humbug jeder Couleur. Insofern möchte ich Sie ermuntern, mir höchste Anerkennung zu zollen für den nächsten Schritt, den ich tat: Ich drückte trotz alledem die Türklinke und betrat diese Massagepraxis.

Nach dem Empfang durch einen muskulösen Herrn fernöstlicher Provenienz betrat ich die Toilette und gewahrte eine merkwürdige Rohrkonstruktion, die vom Wasserhahn des Waschbeckens zu einer Apparatur führte. Ein daran gehefteter Zettel informierte mich darüber, dass diese für eine „Informationslöschung auf null“ beim Wasser sorge.

Schwer stützte ich mich einen Moment auf die Keramik. Ja, ich war wirklich im Hades der Esoterik. Würde es mir gelingen, wieder unbeschadet zu den Gestaden der Wirklichkeit zurückzukehren?

Jedenfalls reduzierte ich angesichts der Wasserinformationslöschung auf null meine Erwartung an die bevorstehende Massage ebenfalls auf genau dieses Maß. Wahrscheinlich würde mir der Mann, ungeachtet seiner definierten Muskulatur, einfach nur eine Stunde lang die Chakren streicheln, Energieströme beflüstern und somit Dinge zu heilen versuchen, die a) nicht existierten und b) wenn doch, gar nicht kaputt waren.

Enorm erwartungsarm legte ich mich auf den Massagetisch und schaute, innerlich resigniert seufzend, einer von Klingklangmuzak umdudelten Wohlfühlstunde entgegen. Doch dann legte der Mann los. Und wie. Mehrfach musste ich in den folgenden sechzig Minuten Schmerzensschreie unterdrücken und vermochte sein sporadisches „Okay so?“ nur mit einem mühsam geächzten, Tapferkeit simulierenden „Ja, geht, kein Problem“ zu beantworten. 

Am Ende waren meine Chakren Granulat. Er hatte meine Muskulatur aufgebrochen wie der Jäger das Wild. Und als er mich fragte, wie ich es gefunden habe, gestand ich ihm, eher auf Wellness eingestellt gewesen zu sein als auf eine amtliche Sportmassage.

„Nein, nein“, lachte er und schüttelte den Kopf. „Das war ganz klassisch. Bei einer Sportmassage wäre ich viel tiefer reingegangen.“


PS: In Ermangelung eines Beweisfotos gibt es hier eine Alsterimpression zu sehen – immerhin liegt die Praxis in der Nähe dieses Gewässers.