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23 Oktober 2020

06 März 2020

Vielleicht Salzsäure?

Heute kam ein Mann mit zwei Bierhumpen aus der erst neulich erwähnten Kiezkneipe Tippel II, als ich dort gerade die Straße überquerte. Beide Gläser waren halb gefüllt mit einer farblosen Flüssigkeit, augenscheinlich Wasser. Was will er damit, und wo will er hin?, fragte ich mich im Vorübergehen. 

Die Antwort gab er prompt. Der Mann ging nämlich stracks zum roten Hängemülleimer und kippte das, was immer auch die Humpen halb füllte, dort hinein. 

Unter den bizarren Verhaltensweisen, die uns im Lauf der Jahrzehnte auf dem Kiez begegnet sind, gehört diese aus dem Stand und fortan zu den bizarrsten. Was hätte dagegen gesprochen, beide Gläser in die Botanik am Wegesrand zu entleeren, zumal es eh von oben tröpfelte? Warum stattdessen in den Mülleimer? Handelte es sich bei der glasklaren Flüssigkeit vielleicht gar nicht um Wasser, sondern um etwas, mit dem keinesfalls ein Busch oder Bäumchen gegossen werden darf – vielleicht um so was wie … Salzsäure?

Aus dieser Überlegung ergäben sich allerdings dermaßen viele und durchaus verstörende Folgefragen, dass ich Sie damit gerne an dieser Stelle alleine lassen möchte.


26 Oktober 2019

Ein lehrreicher Saunabesuch

„Normale“ Smartphonezombies haben ihr Suchtmittel selbstverständlich immer und überall dabei. Sie karriolen damit blind über Radwege, torkeln gegen Poller oder bekommen einen Herzkasper, wenn man im Vorübergehen leise „Buh“ macht. Die ganz harten User haben es vermutlich auch auf dem Klo in Gebrauch und allerhöchstens beim Sex und unter der Dusche nicht. (Bei einem der beiden Szenarien bin ich mir allerdings nicht so sicher.)

Bislang dachte ich, dass auch eine 90-Grad-Sauna zu den wenigen Tabuzonen gehören müsste. Das aber ist, wie sich heute herausstellte, falsch. Mir gegenüber in der Sauna nämlich saß im Halbdunkel ein wohlbeleibter Mann, und ich erkannte erst, was da Schwarzes neben ihm auf der glühenden Holzbank lag, als er es hochnahm, aufklappte und ein aufflammender Bildschirm uns Saunabesucher in fahles Licht tauchte.

Der Mann schaute kurz drauf, klappte sein Smartphone wieder zu und legte es zurück auf die vor Hitze leise knackende Holzbank. Ein iPhone zum Beispiel soll nur bei Temperaturen bis zu 35 Grad zuverlässig funktionieren. In der Sauna herrschten heute – wie erwähnt – ungefähr 90 Grad. Läge sie, die Sauna, in einer Höhe von 2981 Metern, finge dabei Wasser an zu kochen. Die Ionen seines Handys müssen sich gefühlt haben, als tanzten sie auf einer eingeschalteten Herdplatte um ihr Leben. 

Vor vielen Jahren habe ich übrigens einmal vorm Betreten eben dieser Sauna vergessen, meine Brille abzunehmen, und als ich den Raum nach zehn Minuten verließ, waren die Kunststoffgläser angeschmolzen. Die Brille war Schrott. Fielmann verhielt sich damals sehr kulant, was unbedingt für diesen Brillenverkäufer spricht, doch Ähnliches sollte der Kollege aus der Sauna von seinem Smartphonehersteller nicht erwarten. Das ist zumindest der erhellenden Webseite Saunazeit zu entnehmen. 

Übrigens verdanke ich dem heutigen Saunabesuch noch eine weitere Erkenntnis: Nicht bei allen Frauen ist der 70er-Jahre-Busch verpönt. Aber das nur nebenbei.

PS: In verständlicher Ermangelung eines Fotos der oben geschilderten Situationen gibt es eins vom Solarium um die Ecke.


24 Juli 2019

Die Million ist wieder da!

Meine Damen und Herren, Sie werden hier und jetzt Zeugen eines Weltereignisses. Denn noch niemals im 21. Jahrhundert, da bin ich sicher, ist eine 90 Jahre alte Briefmarke im Nennwert von einer Million Mark (hier der erste Teil der Story) abgestempelt und zugestellt worden. Meine schon! Und Sie erfahren es als Erste – bis auf Frau Treff natürlich, aber dazu später mehr.

Ich hatte den jetzt schon legendären Brief bestückt mit einem Ausdruck des entsprechenden Blogartikels, aber vorsorglich auf eine Absenderadresse verzichtet. Schließlich wollte ich eine Zustellung erzwingen. Allerdings erwartete ich statt des Briefes eine Benachrichtigung – zumal wir über ein Postfach verfügen, wo der Hinweis „Bitte am Schalter melden“ leicht zu deponieren gewesen wäre. 

Am Schalter wiederum hätte man mir, so das in meinen Augen wahrscheinlichste Szenario, ordentlich Nachporto abgeknöpft und sodann den Brief mit der Eine-Million-Mark-Marke ausgehändigt. Die spannende Frage wäre dann gewesen, ob die Marke einen ordnungsgemäßen Poststempel getragen hätte oder nicht. Alles hing daran!

Doch es war alles viel simpler. Der Brief wurde per Nullachtfuffzehnstempel entwertet und mir einfach so zugestellt – ganz so, als hätte ich die eigentlich erforderlichen 80 Cent draufgeklebt und nicht eine satte Million. Irgendjemand hat allerdings in riesiger blauer Schrift die Zahl 150 auf den Umschlag gepinselt und um die Marke herum ein halbes Quadrat liniert. Kennt sich jemand aus mit internen Postcodes?

Gekritzel und Gekrakel ändern aber nichts an der Tatsache, dass die Zustellung des Briefes klaglos erfolgte, obgleich die Marke noch Gustav Stresemann als Reichsaußenminister erlebt hat. Daraus ergeben sich mehrere Überlegungen. Am naheliegendsten ist die: Die Post hält als Entlohnung ihrer Dienste auch deutlich höhere Beträge für völlig angemessen und möchte das mit dem nonchalanten Durchwinken meines Briefes unverblümt signaliseren. 

Doch auch eine praktische Anwendung für uns alle lässt sich aus diesem lockeren Umgang ableiten. Warum nicht einfach ungestempelte Marken aus alten Alben klauben und damit Briefe frankieren? Warum nicht mal einen Chemnitzer Facebook-Freund mit einer jungfräulichen Walter-Ulbricht-Ostmark-Marke erfreuen? Merkt ja eh keiner.

Bleibt Frau Treff. Die distinguierte Hamburger Briefmarkenhändlerin hatte mich ja abblitzen lassen mit meiner Massenware und so erst auf die Idee der hier geschilderten Anschlussverwendung gebracht. Ihr jedenfalls schickte ich nach dem Eintreffen des Eine-Million-Mark-Marken-Briefes eine begeisterte Mail samt Fotobeweis, in der ich den Verlauf der Ereignisse schilderte. Ich schloss mein Schreiben mit den Worten: 

„Nun hat eine 90 Jahre alte Briefmarke einen ordentlichen Poststempel vom 18. Juli 2019, was wahrscheinlich weltweit einmalig ist, wie ich annehme. Ändert das irgendetwas am Wert dieser Preziose …? Vielen Dank für Ihre erneute Expertise!“

Seither Funkstille. Wahrscheinlich sitzt Frau Treff nach tagelangen Beratungen mit hochrangigen Philatelisten noch am Entwurf ihres Kaufangebotes, und ich kann schon mal meine Frühpensionierung vorbereiten. 

Aber bloggen werde ich natürlich weiter. Ehrensache!







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16 Juli 2019

Die Eine-Million-Mark-Marke

Jetzt ein Geständnis: Als Kind habe ich eine Zeitlang Briefmarken gesammelt. Daran wurde ich am Wochenende erinnert, als ich in meinem hessischen Elternhaus auf das Ergebnis dieser Bemühungen stieß, nämlich das entsprechende Album. 

Es muss in den Siebzigerjahren letztmals aufgeschlagen worden sein und ist gefüllt mit allerlei Kuriositäten: ungarischen Markenserien mit Schmetterlings-, Vogel- und Raumfahrtmotiven (wann eigentlich war Ungarn im All?), die blaue Mauritius (allerdings nur als Kopie), immer wieder Queen Elizabeth (nicht nur aus Großbritannien, auch aus Kanada) und viel zu viel Franco aus Spanien. 

Dazu dreieckige Savannenmotive aus dem Tschad, Fitnessübungen aus China, diverse US-Präsidenten, die diese Bezeichnung noch verdienten, x-mal Walter Ulbricht, ein Berliner Viererblock zum Thema „50 Jahre Avus-Rennen 1921–1971“. Die merkwürdigsten Motive zeigen übergroße Fußballmarken aus dem arabischen Kleinemirat Adschman, auf einer davon die deutsche Abwehrlegende Karl-Heinz Schnellinger. Wer erinnert sich nicht an sein legendäres Ausgleichstor im WM-Halbfinale gegen Italien 1970 in mexikanischer Mittagsglut? Es lief schon die Nachspielzeit, Schnellinger, obzwar Verteidiger, stocherte uns in die Verlängerung (wo wir verloren). Und in meinem Album aus den 70ern ziert der blonde Hüne eine Marke aus Adschman, sie verdämmerte still die Jahrzehnte, bis sie an diesem Wochenende unversehens im Licht des 21. Jahrhunderts wiedererstrahlte.

Verschweigen möchte ich auch nicht die Motive aus dem Deutschen Reich vor und nach der fatalen Wahl von anno 33, inklusive eines komischen Vogels mit Schnauzer und Seitenscheitel, der es in meinem Album aber nur auf beschämende Briefmarkenwerte von sechs und zwölf Pfennige bringt. Mit nominellen Höchstleistungen punkteten hingegen zwei Postwertzeichen aus der Weimarer Republik, wohl aus dem Schicksalsjahr 1929, denn ihnen waren nachträglich eine bzw. zwei Millionen Reichsmark aufgedruckt worden. 

Beim versonnenen Blättern fragte ich mich, ob es sich bei einigen Marken vielleicht nicht nur um Kuriosi-, sondern gar um Raritäten handeln könnte. War das Album eventuell etwas wert? War die in ein gezacktes Dreieck gefasste tschad’sche Giraffe im Lauf der Dekaden vielleicht zur Preziose herangereift? 

Meine Expertise war, wenn ich mich recht entsinne, schon damals sehr schmal gewesen, inzwischen jedoch hatte sie der Zahn der Zeit auf null abgenagt. Hilfe versprach ich mir im Fachgeschäft, also suchte ich nach kurzem Gegoogel Molwitz & Treff in der Großen Theaterstraße auf.

Es öffnete mir die – wie ich vermute – Inhaberin persönlich, nämlich Carmen Treff. Mit einem einleitenden „Ich habe hier ein Album, das seit den Siebzigerjahren nicht aufgeschlagen wurde“ versuchte ich Frau Treff auf einen philatelistischen Schatz einzustimmen, doch bei Erwähnung der Siebzigerjahre machte sie nur „Ou-ha“ und verzog dabei das Gesicht, als hätte sie am Saft einer unreifen Pampelmuse genippt. Ich ließ bereits in diesem Moment alle Hoffnung fahren, während sie vorurteilsverifizierend durch die Seiten huschte und „Viele bunte Bildchen“ seufzte.

Nach nur wenigen Sekunden klappte Frau Treff das Album – den Stolz meiner Kindheit! – mit Verve wieder zu und fällte ein vernichtendes Urteil: „Alles Massenware.“ Also auch die Hommage der Magyaren an die Helden des Alls und der adschmanische Karl-Heinz. „Das können Sie so schnell feststellen?“, fragte ich schwach. „Kann ich“, sagte sie. „Auch die ungestempelte Eine-Million-Marke aus der Weimarer Republik?“, startete ich einen letzten kraftlosen Versuch und hielt ihr dabei das geschichtsträchtige Prachtstück noch einmal vor Augen; vielleicht hatte sie es ja überblättert. „Auch die“, sagte Frau Treff.

Auch die also. Mir blieb nichts anderes übrig als der geordnete Rückzug. Doch schon kurz danach ploppte eine Idee auf: Was, wenn ich einen schmucken Brief an mich selbst mit der Millionenmarke frankierte (ja: auch als satirisches Fanal gegen die jüngste Portoerhöhung!) und einfach mal schaute, was passiert? Wäre es nicht denkbar, dass ich einen versehentlichen Poststempel von 2019 auf der seit 1929 ungültigen Marke ergattern und sie damit nach 90 langen Jahren doch noch vom Makel der Massenware erlösen und in ein Zeit und Raum transzendierendes Unikat verwandeln könnte? Und was würde Frau Treff dann sagen? 

Nun, was soll ich sagen: Das Experiment läuft. Wie wird es dieser kleinen Zeitreisenden im durchdigitalisierten Ablauforganisationsmoloch des krakenartigen Monopolisten namens Post ergehen? Wird sie auffliegen? Oder Sand ins Getriebe streuen? Oder einfach zurückkommen inklusive Nachportoforderung?

Demnächst mehr.






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04 Juni 2019

Neuste Seltsamkeiten aus dem Kiezuniversum

Neulich sahen wir in der Clemens-Schultz-Straße etwas ganz und gar Verblüffendes: einen Mann auf einem Fahrrad, der beim Fahren nicht telefonierte. Wir starrten ihm fassungslos nach. 

Was war nur los mit diesem Mann – hatte er keine Freunde? Waren seine Kommunikationsskills verkümmert? Oder noch schlimmer: Gab es etwa gerade nichts Wichtiges zu sagen, also Sachen wie „Ich radle gerade durch die Clemens-Schultz-Straße und ein Paar starrt mich komisch an“? 

Wir werden es nie erfahren. Wäre der nicht telefonierende Radfahrer jedenfalls unlängst in der Rindermarkthalle zufällig dabeigewesen, als die Schauspielerin Nina Bott (41) eines Cafés verwiesen wurde, weil sie am Tisch ihr Kind stillte, hätte das zumindest ein Telefonthema sein können. 

Dass hier auf St. Pauli jemals eine Frau in Schwierigkeiten geraten würde, weil sie blankzieht, hätte ich mir in den ganzen 23 Jahren, die ich inzwischen hier wohne, niemals (alp)träumen lassen. Wo in Salambos Namen ist Kalle Schwensen (65), wenn man ihn mal braucht als Hüter und Verteidiger hiesiger Sitten und Gebräuche? Nina Bott (41) jedenfalls soll Tränen in den Augen gehabt haben, und ich kann sie verstehen.

Zurück zum Fahrradfahren und trotzdem zu einem ganz anderen Thema: Analog zur Elektroautoprämie hätte ich nämlich gern eine Nichtnutzungsprämie. Da ich nachgewiesenermaßen freiwillig praktisch komplett auf den Gebrauch jedweder motorisierter Verkehrsmittel verzichte, entlaste ich die öffentliche Hand, senke sogar dramatisch den Bedarf an Straßenbau- und Luftsäuberungsmaßnahmen, an Waggons, Kraftfahrern, Kontrolleuren. 

Kurz: Ich spare der öffentlichen Hand eine Menge Geld, das als generelle Nichtnutzungsprämie u. a. in den Unterhalt der polizeilichen Pferdestaffel (Foto), aber zum Teil vor allem zurück in meine Tasche fließen sollte, und zwar zu einem großen. Dafür verpflichtete ich mich auch, beim Radeln niemals zu telefonieren – selbst wenn ich beim Vorbeifahren mitbekäme, wie Nina Botts Brüste gerade eines Kiezcafés verwiesen würden. 

Meine Kontodaten, Finanzsenator Dr. Andreas Dressel (44), gibt es gern auf Anfrage.


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26 April 2019

Ein einziger Cent

Manchmal gerät das Universum urplötzlich in perfekte Harmonie. Klar, dieser Zustand dauert nur einen winzigen Moment, und dann ist das Universum wieder die übliche alte hämische keckernde bluttriefende Vettel, die dir den alltäglichen Tritt in den Hintern verpasst. Aber dieser Moment, diese urplötzliche Ausnahme: Sie bleibt in Erinnerung. Neulich erlebte ich so einen Moment. 

Ich war in einem Elektrofachgeschäft in Altona, hatte mit einiger Mühe und der Hilfe einer Fachkraft endlich gefunden, was ich suchte, und reihte mich in die Kassenschlange ein. Als ich drankam und die Kassiererin den krummen Betrag meines DSL-Adapters einbongte und den Schein sah, den ich bereits in der Hand hielt, fragte sie: 

„Haben Sie vielleicht einen Cent für mich?“

Reflexartig zuckte meine Hand Richtung rechter Jackentasche, wo traditionell mein gesammeltes Kleingeld sein behagliches Refugium hat, doch mitten in der Bewegung hielt ich inne. Denn mein Blick war auf den Boden vor mir gefallen, und was lag wie vom Himmel gefallen da, kupferfarben schimmernd? Ein Cent.

In einer fließenden Bewegung, die in einem Hollywoodkitschfilm leicht verlangsamt abgespielt worden wäre, bückte ich mich, ergriff die Münze (die im selben Hollywoodkitschfilm dank eines entsprechenden Kamerafilters das Deckenlicht sternenartig gespiegelt hätte), reichte ihn mit einem fassungslosen Lächeln der Kassiererin und sagte: 

„Ja, habe ich.“

Das Universum, meine Damen und Herren, war für einen Moment in perfekter Harmonie, an der Kasse eines Elektrofachgeschäfts in Altona, und ich war mittendrin statt nur dabei. Es war, als wenn du gerade deine Liebste anrufen wolltest, und eine Zehntelsekunde davor klingelt das Telefon, und sie ist dran. Oder als wenn du wegen einer S-Bahn-Panne zehn Minuten nach der planmäßigen Abfahrt am Bahnhof eintriffst und der ICE wegen geänderter Wagenreihung oder so doch noch dasteht und dir mit sanftem freundlichen Zischen die Tür öffnet.

Manchmal aber reicht ein einziger Cent. 
Und damit zurück ins Studio.


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