30 Mai 2025

Fundstücke (265)


Während man auf der Reeperbahn bereits für ein einziges gezapftes Glas Bier drei Euro fünfzig loswird (Bild rechts), erhebt das Café Stenzel in der Schanze für ein ganzes Fass nur einen Euro mehr. Klar also, wo’s hingeht, Kameraden!


Apropos Preise: Die hier zu sehende Quittung wagte uns das neue Kino Kinopolis im Westfield-Einkaufszentrum in der Hafencity auszuhändigen, obgleich wir lediglich zwei Eis aus der Truhe geholt und auf den Kassentresen gelegt hatten (natürlich Magnum Mandel). Die ganze Dimension dieser Entblödung erschließt sich erst, wenn man das testweise mal in D-Mark ausrechnet. Fast sechzehn Tacken für zweimal Eis am Stiel …? Dann lieber ein Fass Bier für neun im Stenzel, Leute!


 





Bleiben wir bei der Mark, genauer gesagt der Fünfzigpfennigmünze; die Älteren unter Ihnen werden sich noch erinnern. Was aber auch sie dereinst nicht mitbekamen: Dieses offen häretische Silberstück zeigte zwischen 1949 und 2001 – und zwar von Patrioten völlig unbehelligt! – doch wahrhaftig ein Kopftuchmädchen, das einen Deutsche-Eiche-Setzling brutal aus deutscher Krume riss. Bin gespannt, wann Weidel dieses historischen Skandals endlich gewahr wird.

 






Lidl gebricht es derweil auf erschütternde Weise an mathematischen Grundkenntnissen. Während die Filiale an der Holstenstraße das halbe Pfund Lachs mit knapp acht Euro aufruft, taxiert es die vierfache Menge nicht etwa viermal so hoch, wie es jeder dahergelaufene Taschenrechner täte, sondern kommt auf den sechseinhalbfachen Kilopreis. Sitzt die Generation IQ-Verlust etwa jetzt schon in den Disponentenbüros großer Supermarktketten? Ich dachte echt, uns blieben noch ein paar Jahre.



28 Mai 2025

Und wieder brannte das Regenbogenhaus


Hinter diesem zahnlosen Maul von einem Fenster starb vorgestern Abend ein Mensch. Im Dezember 2022 hatte dieses uns gegenüberliegende Haus bereits gebrannt, damals saßen verzweifelte Menschen in den Fenstern und riefen um Hilfe, hinter ihnen die Flammen. Es gab sieben Verletzte, aber niemand kam um. 

Vorgestern brannte es wieder, diesmal in der Etage darunter. Auf der Vorderseite, wo das Haus in Regenbogenfarben getüncht ist, rettete die Feuerwehr Bewohner mit Leitern. Hier, auf der Rückseite der Reeperbahn, erstickte sie mit Wasser die Flammen in jenem Zimmer, in das man heute durch ein zahnloses Maul von einem Fenster hineinsehen kann. Und in dem ein Mann starb.

Nach dem Brand von damals musste das Haus eingerüstet werden. Die Renovierung der Fassaden und der ausgebrannten Etage dauerte über ein Jahr. Jetzt wird das alles von vorne losgehen.

Über den Toten liest man nichts, auch nicht in der Mopo


17 April 2025

Die gemütlichsten Ecken Hamburgs (213)

Ein filigran verästeltes Baumkunstwerk in Planten un Blomen, kurz vor der Explosion seiner Blätter.


24 März 2025

In memoriam: Käpt’n Angelo


Dieses kleine Porträt eines Kiezoriginals erschien hier im Blog am 7. Dezember 2013 unter dem Titel „Ein Jahr an Krückenstöcken“. Vor wenigen Tagen ist Käpt’n Angelo nun gestorben, wohl mit 82, und das macht es unbedingt notwendig, diesen Text hervor- und hochzuholen – und einzusortieren in die traurigste aller Rubriken auf der Rückseite der Reeperbahn: in memoriam. Hier also noch einmal der Text und das Video von damals. 

Käpt’n Angelo Basilikos sitzt bei null Grad Außentemperatur Beim Grünen Jäger und versucht seine Finger an den eisigen Stahlsaiten seiner Bouzouki warmzuspielen. Das klappt natürlich nicht, und deshalb will er auch gleich den Betrieb einstellen. 

Vorher aber gestattet der altehrwürdige Grieche mir noch mitzufilmen (s. unten), wie er den Pavarottis gibt. „Meine Stimme hat neun Oktaven!“, behauptet er kühn und nicht ohne Stolz. Nun, das wären ungefähr dreimal so viele wie Mariah Carey, aber Käpt’n Angelo hat ja auch ein paar Jährchen länger geübt. 

Seit 40 Jahren lebt er auf dem Kiez, „habe Kinder gemacht auch“; ein alter Seebär, den es in seiner Jugend nach San Francisco verschlagen hatte, weshalb er nach seiner Rückkehr nach Athen, wo er mit einer Sängerin und Orchester in Musikclubs auftrat, als „der Amerikaner“ galt. 

Zuletzt aber lief es echt schlecht. „Ich habe ein Jahr an Krückenstöcke gelebt“, erzählt Käpt’n Angelo zwischen zwei Songs in seinem wunderbar griechisch gefärbten Baritondeutsch, das ihm jederzeit einen Radiojob verschaffen dürfte, wenn es ihm doch mal zu kalt wird für Straßenmusik. 

Schuld an des Käpt’ns Krückenstöckenjahr war ein Unfall, der ihn alles kostete: seine Frau und die beiden Kneipen, die er auf dem Kiez mal führte, wie er erzählt. Eigentlich ein super Grund, um sich willenlos der Altersdepression hinzugeben, doch an so was hat ein Käpt’n Angelo keinerlei Interesse. 

Stattdessen blitzen seine 71-jährigen Kapitänsäuglein vor Freude, wenn er über sein bewegtes Leben erzählt, bei null Grad Außentemperatur die Finger an den eisigen Stahlsaiten seiner Bouzouki warmzuspielen versucht und vergnügt den Pavarottis gibt.

Wegen solcher Typen liebe ich St. Pauli. Sie wiegen tausend Eckenpinkler auf. 

Na gut: 500.



Update 10.04.2025 (Fotos von Jörgi):







 


06 März 2025

Pareidolien (155–158)




In der Regel scheinen Pareidolien in freier Wildbahn Erstaunen, Entsetzen, Missmut oder Genervtheit auszudrücken. Aber passt ja zu den Zeiten, in denen wir – und sie – leben müssen.



02 März 2025

Ein Un- und ein Vorfall

Zuletzt gebärdete sich der Kiez wieder recht actionreich. So erschreckte uns unlängst, als wir gerade das Haus verlassen hatten, ein massiver Knall, und als wir hochschauten, drehte sich an der Kreuzung Detlef-Bremer- und Seilerstraße gerade noch eine silberne Limousine gen Gehweg. Ihr war ein Kleinwagen voll in die Seite gerauscht, und zwar zu Unrecht, denn dessen Fahrer hatte die Vorfahrtsregel  eher frei interpretiert.

Der vordere Teil der Limousine war lückenlos ausgestopft mit prallstmöglichen Airbags, ein, wie ich finde, schönes und befriedigendes Beispiel für funktionierende Ingenieurskunst.

Wir eilten herbei, doch die Insassen, eine Frau und ein Mann, wühlten sich bereits verdattert, doch aus eigener Kraft aus ihrem Ballonparcours. Ihr Kontrahent stand derweil kreidebleich und stumm neben seinem Auto, während eine Angestellte aus der Physiopraxis, vor der sich alles zugetragen hatte, ihm ein Glas Wasser zu reichen versuchte und ein Passant bereits die 112 instruierte.

Es gab also anscheinend keine ernsthaft Verletzten und angesichts der zahlreich anwesenden Hilfswilligen wenig Unterstützungsbedarf, weshalb wir unseren Weg fortsetzten. Dieses Verfahren war einige Tage vorher weniger gut möglich gewesen, weil die entsprechende Szenerie uns bei einem Blick aus dem Wohnzimmerfenster zugemutet wurde. Das Foto soll einen ungefähren Eindruck davon vermitteln.

Zunächst schien es, als ginge der abgebildete Herr im Hoodie einer kiezüblichen Tätigkeit nach, nämlich unter Missachtung der überall verfügbaren öffentlichen Toiletten kurzerhand auf den Gehweg zu schiffen. Allerdings vermisste ich den dazugehörigen Strahl. Und das lag daran, dass der Mann auf halber Körperhöhe rhythmisch an sich herumhantierte. Meines Erachtens legte dieses Gebaren etwas ganz anders nahe als handelsübliches Wasserlassen. Nun ja.

Manchmal denke ich, wir sollten vielleicht doch nach Berchtesgaden ziehen.




24 Februar 2025

Ein St.-Pauli-Winterresümee

Was (wieder mal) von Silvester übrig blieb.


Erste Sturmflut des Jahres am Fischmarkt.


Reeperbahn im Morgennebel.


Raureif am Fischmarkt.


Seilerstraße im Januar.


St. Pauli weiß das: AfD 4,9 Prozent.


02 Februar 2025

Die gemütlichsten Ecken Hamburgs (212)

Entdeckt an der Stresemannstraße, Bahrenfeld.


 

06 Januar 2025

Wenn es Nacht wird auf St. Pauli (3)




Fotoorte (chronologisch): Spielbudenplatz, Seilerstraße, Reeperbahn.