30 Oktober 2025

Antworten? Heute nicht.

Gut, hier herrscht Flaute. Noch kein einziger Oktobertext, zugegeben. Doch diese betrübliche Tatsache liegt nicht zuletzt daran, dass sich das Kiezleben dort draußen inzwischen weitgehend ohne uns abspielt. Natürlich, unterm Balkon laufen noch immer merkwürdige Menschen vorbei. Neulich zum Beispiel einer, der sich schon aus weiter Entfernung schallstark bemerkbar machte, was mich bewog, die Couch zu verlassen und die Balkontür zwecks Inaugenscheinnahme zu öffnen.

Ich erblickte einen dunkel gekleideten Brocken von bärtigem Mann mit Wollmütze, der seine gibbonartigen Arme weiträumig schlenkern ließ und dabei kiezweit hörbar „Arggggh!“, „Orchchch!“ und Ähnliches röhrte. Der Grund dafür blieb ungewiss, und mir einen zurechtzuimaginieren, fehlt mir momentan die Fantasie.

Ich frage mich in solchen Fällen oft, wie diese Menschen wohl ihren Alltag gestalten. Wie sind sie zu Hause? Führen sie gepflegte Gespräche am Frühstückstisch? Haben sie Arbeit und somit Kollegen, mit denen sie auf eine Art kommunizieren müssen, die keinesfalls in Richtung „Arggggh!“ und „Orchchch!“ tendieren darf, weil das über kurz oder lang ihren Job gefährdete?

Wie Sie wissen, werden solche Erlebnisse hier unter Balkonkino rubriziert (aber aus irgendeinem Grund nicht getaggt, fragen Sie mich nicht). Allein dieser Begriff verkörpert bereits die Distanz, die wir mittlerweile zum Geschehen rückseits der Reeperbahn eingenommen haben. Allerdings sind wir tagsüber natürlich oftmals auf St. Pauli unterwegs; Einkäufe wollen erledigt werden, und Spaziergänge werden noch immer gerne genommen, seit Corona sogar in gesteigerter Frequenz.

So stoßen wir immer wieder auf bemerkenswerte Phänomene. Zum Beispiel stehen in letzter Zeit vermehrt herren- und damenlose Schuhe draußen herum, an deren weiterhin vorhandener Funktionalität kein Zweifel besteht. Welche Geschichte etwa verbirgt sich hinter den roten High Heels, die wir neulich auf der Fensterbank eines Backsteingebäudes in der Seewartenstraße vorfanden? Niemand wird sie uns je erzählen.

Auf dem Spielbudenplatz hat ein Veranstalter den abgebildeten Hinweis auf unerwünschtes Publikum an die Wand seiner Location geklebt. Doch wenn unter den interessierten Besuchskandidaten wirklich Rassisten, Sexisten, Homophobe oder Arschlöcher wären (was – nebenbei bemerkt – statistisch äußerst wahrscheinlich ist): Ist ihnen das selbst überhaupt in derart ausreichendem Maße klar, dass sie einsichtig auf einen Besuch der Location verzichteten?

Fragen über Fragen. Hoffen Sie bitte nicht auf Antworten.



 

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